Review: THE HOST - Über Monster, Amerika und vermeintliche Versager



Fakten:
The Host (Gwoemul)
Südkorea. 2006. Regie: Bong Joon-ho. Buch: Baek Chui-hyun, Ha Won-jun, Bong Joon-ho. Mit: Song Kang-ho, Ko Ah-seong, Byeon Hie-bong, Bae Doo-na, Scott Wilson u.a. Länge: 119 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Wissenschaftler eines amerikanischen Militärstützpunkts nahe Seoul schütten cGiftstoffe in den Han-Fluss. Das Ergebnis zeigt sich Jahre später: ein seltsames Monster entsteigt plötzlich dem Gewässer und sorgt für Chaos. Imbissbudenbesitzer Kang-du ist mittendrin, als die Panik ausbricht und kann nicht verhindern, dass seine Tochter von dem Ungetüm verschleppt wird. Für die Behörden gilt seine Tochter als tot und der Bereich in dem das Monster wütete wird abgesperrt. Doch Kang-hus Tochter lebt und kann via Handy Kontakt mit ihrem Vater aufnehmen. Dieser versucht nun gegen alle Widrigkeiten mit seiner Familie die Kleine zu retten.





Meinung:
Es ist schon immer wieder beeindruckend, zu welch tonalen Verbiegungen asiatische Filmemacher in der Lage sind. Da werden todernste Momente durch eine Slapstick-Einlage konterkariert, ohne die Atmosphäre auch nur im Ansatz zu destruieren. Die inszenatorische Balance fungiert, so hat man das Gefühl, in einem hermetischen Raum, abgeschottet vom gebräuchlichen Usus, und dazu berufen, die Filmwelt mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein (oder Größenwahn?) aufzurütteln. Wahre Kabinettstückchen, möchte man meinen, schwappen da aus der asiatische Domäne über auf den internationalen Markt, um die Sehgewohnheiten des westlichen Publikums mit Anlauf vor die Wand rennen zu lassen, was die oftmals eher als 'verhalten' bezeichnende Resonanz erklärt. Gerade in Südkorea tummeln sich genügend derlei erwähnte Verrenkungskünstler auf der Regiestühlen: Kim Jee-woon („The Good, The Bad, The Weird“, „I Saw the Devil“) gehört zu den Privilegierten, genau wie Park Chan-wook („Oldboy“, „Durst“), Na Hong-jin („The Chaser“, „The Yellow Sea“) oder Bong Joon-ho, der zum ersten Mal mit „Memories of Murder“ auf sich aufmerksam gemacht hat und mit „Snowpiercer“ bereits in Amerika Fuß fasste.


Großvater und Vater auf der Suche nach dem Monster
Zwischen „Memories of Murder“ und „Snowpiercer“ hat Bong Joon-ho aber nicht nur den Charakter-Thriller „Mother“ entworfen, sondern auch den irren Genre-Mix „The Host“, der in den Staaten durch Quentin Tarantino („Django Unchained“) einen gewaltigen Popularitätsschub spendiert bekam. Der kultisch verehrte Nerd lobte „The Host“ seiner Zeit mit feuchten Hosen über den grünen Klee. Tatsächlich aber durfte es sich „The Host“ durchaus erlauben, derart in den Fokus gerückt zu werden, genauso wie er heute, knapp achte Jahre nach seiner Uraufführung, immer noch exemplarisch für die stilistische Flexibilität des asiatischen Kinos herangezogen werden sollte. Man darf sich erst einmal nicht von der Synopsis abschrecken lassen, die sich liest wie drittklassiger Horror-Trash. Dass es hier um ein grün-glitschiges Monster geht, welches wie eine mutierte Kaulquappe daherkommt, spielt eigentlich gar nicht so eine große Rolle, sondern übt einen Großteil der Handlung latente Bedrohung auf den Zuschauer und seine urigen Protagonisten aus. „The Host“, und das macht er ganz und gar konkurrenzfähig, stellt seinen Plot in den Kontext des altmodischen Monster-Films, um seine thematische Korrelation nach Belieben zu potenzieren.


Kang-hos Tochter sollte jetzt besser wegrennen
Dass „The Host“ auch in Nordkorea Lob erntete, ist für eine südkoreanische Produktion per se ein Ding der Unmöglichkeit, der Grund dafür liegt aber auf der Hand: Boon Joon- Ho hält mit seinem disposiver Anti-Amerikanismus nicht hinterm Berge und die Weltmacht muss einiges an Federn lassen. Dabei ist die Ausgangslage der Realität geschuldet und wie einst, gibt auch hier ein US-amerikanischer Pathologe den Befehl, Unmengen der toxischen Chemikalie Formaldehyd in den Han-Fluss schütten zu lassen. Die Folgen gemahnen in ihrer allegorischen Haltung natürlich an die japanische Riesenechse, von der Konkretheit des Ur-„Godzilla“ aber sind wir in „The Host“ weit entfernt. Hat das Monstrum erst einmal die Flusspromenade aufgemischt, konzentriert sich „The Host“ auf die Illustration seines Familienbildes. Park Kang-du („Sympathy for Mr. Vengeance“) gibt den etwas schusseligen, aber zielstrebigen Vater, dessen Tochter Hyun-seo von dem Ungetüm verschleppt wurde. Ihm zur Seite stehen seine zwei Geschwister und sein Vater. Boon Joon-Ho begnet all seinen Figuren auf Augenhöhe, er erlaubt es ihnen, vom stereotypischen Korsett Abstand zu halten, um echte Empathie zu schüren. Ohne Augenwischerei, versteht sich.


Und so geht „The Host“ seinen affektiv strukturierten Weg: Von einer äußerst bissigen Gesellschaftssatire, in der eben auch die Vereinigten Staaten sehr direkt ihr Fett wegbekommt, ist „The Host“ Creature-Horror mit vortrefflich inszenierten Spannungsklimaxen und bewegender Familienfilm, der dysfunktionale Beziehungen durchleuchtet, ohne einer kasuistischen Methodik zu verfallen. Boon Joon-Ho lässt seine Charaktere atmen, er gesteht ihnen Ecken und Kanten zu, muss sie nicht zu Helden stilisieren, sondern lässt sie auch mal nicht ganz nachvollziehbare Schritte gehen, lässt sie zweifeln als auch verzweifen. Und in dieses ernste Szenario mischt sich immer wieder dieser typisch koreanische, für einen Großteil der Zuschauer sicher befremdlich-groteske Humor. „The Host“ jedoch verfällt nie in ein inhomogenes Stückwerk, dessen thematische Fäden in unzählige Richtungen streuen. Unter Boon Joon-Hos Ägide erscheint „The Host“ wie aus einem Guss, alles fein säuberlich proportioniert und geordnet an seinem rechtmäßigen Platz. Ein berührender, unterhaltsamer und ganz eigener Film.


7 von 10 fragwürdigen Hirnoperationen


von souli

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