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Review: MAGIC, MAGIC – Seelenbefreiung im Land am Ende der Welt

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Fakten:
Magic, Magic
USA. 2013. Regie und Buch: Sebastián Silva.
Mit: Juno Temple, Michael Cera, Emily Browning, Cataline Sandino Moreno, Vicente Lenz Burnier, Agustin Silva, Luis Dubbó u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 26. Juni 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die introvertierte Alicia macht mit ihrer Cousine Sarah und deren Freunden Urlaub in Chile. Eigentlich soll der Urlaub Alicia die Möglichkeit eröffnen endlich etwas von der Welt zu sehen, doch die Gruppe, mit der sie unterwegs ist, beunruhigt Alicia zunehmend. Vor allem die Annäherungsversuche von Brink verstören die junge Frau immer mehr.





Meinung:
Chile, das Land am „Ende der Welt, wo der Teufel seinen Poncho verlor“, so ein Sprichwort, ist gerade aufgrund seiner klimatischen Kontradiktion für Globe-Trotter interessant: Dort gibt es nämlich nicht nur die Anmut des pazifischen Ozeans zu bestaunen, sondern auch die schneebedeckten Gipfel der Anden, grüne Seenregionen und spröde Wüsten – Für Naturdokumentationen also ein echtes Schlaraffenland. Filmisch aber konnte uns der letzte Ausflug in das südamerikanische Land im Januar mit „Aftershock“ nicht gerade in Verzückung setzen. Eli Roth, der dort als Hauptdarsteller, Co-Autor und Produzent in Personalunion fungierte, präsentierte einen blutig-zynischen Genre-Film, dem so ziemlich alles missraten ist, was einem solchen Projekt nur missraten kann. Der chilenische Autorenfilmer Sebastián Silva aber lädt uns nun mit „Magic, Magic“ in sein Heimatland und beweist, dass Chile sicherlich kein Indikator für schlechtes Material sein muss. Ganz im Gegensatz: „Magic, Magic“ ist sogar nach Jeff Nichols „Mud“ und Takashi Miikes „Lesson of the Evil“ der nächste große Knaller des diesjährigen Direct-to-DVD-Markts.


Alicia weiß nicht mehr, wem sie trauen kann
Sebastián Silva stellt sich mit seiner dritten Regiearbeit „Magic, Magic“ ganz in die Tradition subtiler Psycho-Thriller der Marke „Ekel“. Wie schon im internationalen Durchbruch von Roman Polanski, steht auch in „Magic, Magic“ mit Alicia eine junge Frau im Mittelpunkt, die zusehends an ihren Psychosen zu zerbrechen droht. Juno Temple („Die Drei Musketiere“, "Dirty Girl") spielt diese Alicia mit einer beeindruckend pointierten Performance, in der sie ihren Terror im Kopf niemals an eine plakative Gestik und Mimik verschenkt, sondern den bipolaren Tonus des Films über die gesamte Strecke wahrt. Und in dieser permanenten Mehrdeutigkeit liegt primär die Stärke vom Drehbuch: Wir erfahren „Magic, Magic“ durch die Emotionen seiner Protagonistin und müssen folgerichtig ihren pathologischen Zustand am eigenen Leibe spüren. Silva treibt sodann ein trügerisches Spiel mit unserer Wahrnehmung, in dem er die konkreten Grenzen zwischen Realität und Halluzination, zwischen den psychischen Auswirkungen von Alicias Angststörung und dem Tatsächlichen zunehmend verschwimmen lässt: Wo wir anfangs ein etwas unsicher wirkendes Mädchen vorgestellt bekommen, finden wir uns bald verloren im Irrgarten ihrer geschundenen Seele wieder.


Versucht Sarah Alicia wirklich zu helfen?
Magic, Magic“ lässt die stupiden Psychologisierungsversuche aber in der Waschküche verrotten: Ursprünge für ihre psychische Störung bleiben weitestgehend ungeklärt, der Grund für ihre mögliche Traumatisierung damit auch angenehm im Verborgenen. Das Motiv des sich anbahnenden Todes jedoch zieht sich von Anfang durch das Szenario. Symbolbehaftete Tierwesen stanzen die schmerzhaften Facetten ihrer gequälten Innenlebens mit dem inszenatorischen Faible für Naturmystik synergetisch immer weiter aus. Silva aber lässt sich viel Zeit, bereitet die Klimax im Finale schleichend-bedrückend vor und schafft es so, „Magic, Magic" im Kontext des „seltsamen“ Verhaltens seiner Hauptdarstellerin, eine soziologische Komponente anzufügen, die die, durchaus verständlichen, Reaktionen ihrer Mitmenschen thematisiert: Erst wird sie belächelt, mit verständnislosen Blicken herabgewürdigt, bis die Mundwinkel irgendwann nach unten klappen und feststeht, dass Alicia offensichtlich dringend Hilfe benötigt. Neben Emily Browning als Alicias Freundin, beeindruckt gerade der undurchsichtige Michael Cera, den mal eher als schlaksigen Pausenclown und schüchternen Vollnerd aus Filmen wie „Superbad“ und „Juno“ in Erinnerung behalten hat.


Im Endeffekt ist „Magic, Magic“ gewiss kein Horrorfilm, sondern ein psychologisch-grundiertes Charakter-Drama, in dem sich eine junge Frau auf den steinigen Pfad ihrer Seelenbefreiung begibt. Ob Silva ihr dann auch ihre ersehnte Katharsis erlaubt, ist in Anbetracht der Vorkommnisse aus der rationalen Perspektive eigentlich erst mal zu bestätigen, wenn auch nicht vollends. In diesem Augenblick, wenn man schließlich glaubt, Alicia wäre am Ziel angekommen, sie dürfte sich endlich fallen lassen, erlaubt „Magic, Magic“ wieder durchaus Zweifel am Gezeigten, ja eigentlich an der persönlichen Perzeption im Generellen. Wenn Silva es sich  zum Ziel gesetzt haben sollte, den Frühwerken eines Roman Polanskis Tribut zu zollen, dann kann man ihm für „Magic, Magic“ nur gehörige Anerkennung schenken. Sicher ist das noch nicht auf dem komplexen Niveau des polnischen Meisters, aber er rückt ihm so nah auf den Pelz, wie schon lange kein Film mehr.


7,5 von 10 indianischen Kräutern


von souli

Review: BUG - Dieses Kribbeln im Bauch

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Fakten:
Bug
USA, 2006. Regie: William Friedkin. Buch: Tracy Letts. Mit: Ashley Judd, Michael Shannon, Harry Connick Jr., Lynn Collins, Brian F. O'Byrne, Neil Bergeron, Bob Neill u.a. Länge: 102 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
 
 
Story:
Die suchtkranke Kellnerin Agnes lebt in ständiger Bedrohung durch ihren gewalttätigen Ex-Mann. Sie haust in einem schäbigen Motelzimmer und führt eine lockere Beziehung zu ihrer Kollegin RC. Diese schleppt eines Abends den stillen Peter an. Agnes fühlt sich zu dem Sonderling hingezogen, der auf Grund einer Kriegspsychose unter befremdlichen Wahnvorstellungen leidet. Immer mehr verfällt Agnes ihm und gleichzeitig seinen kranken Gedanken.
 


                                                                          
 
Meinung:
Nach wegweisenden Klassikern wie "French Connection", "Der Exorzist" oder "Leben und sterben in L.A." versank William Friedkin lange im Kariereloch. Seine Arbeiten wurden beliebig und austauschbar. Mit "Bug" entfernte sich Friedkin sehr bewusst vom massentauglichen Hollywood-Kino, das ihn fast beerdigt hätte, und erfand sich damit im hohen Alter quasi neu. Das wagen wenige und daran zu scheitern ist nicht schwer. Friedkins Schritt war goldrichtig. Das es sich bei "Bug" um keine Eintagsfliege - oder eher Käfer - handelte, konnte er mit "Killer Joe" kürzlich untermauern.
 
 
Schlechte Haut und stolz darauf
Der behäbige Beginn erfordert Geduld, die dafür reichlich entlohnt wird. Die Ruhe vor dem Sturm. Wie das Meer, das sich vor der drohenden Flutwelle beruhigend zurückzieht, um dann unbarmherzig alles zu überrollen. Friedkin adaptiert das Bühnenstück von Tracy Letts (ebenfalls der Autor von "Killer Joe") nach dessen Script. Ein White-Trash Kammerspiel, eine Mischung aus Psychodrama, abartiger Lovestory, Kriegstraumata, Co-Psychose und einem Schuss Body-Horror Marke Cronenberg. Die Mixtur erscheint wüst und ist nicht immer perfekt abgeschmeckt, dafür ungemein packend, intensiv und beklemmend.
 
 
Crazy in Love
Friedkins ruhiger Inszenierungsstil der ersten Hälfte ist angenehm zurückhaltend, brodelnd und könnte lediglich an gewissen Stellen etwas zügiger vorangetrieben werden. Davon lässt sich der alte Mann nicht beirren und nimmt dadurch sicher bewusst in Kauf, einige Zuschauer vorzeitig zu vergraulen. "Bug" scheint sein Publikum vorsorglich selektieren zu wollen, um dann das Rad richtig zum Glühen zu bringen. Zwei labile Charaktere, die sich wie vom Schicksal geleitet, gesucht und gefunden haben. Allein waren sie schlicht gestört, gemeinsam steigern sie sich gegenseitig in ihren Wahn hinein, um anschliessend Hand in Hand die reale Welt hinter sich zu lassen und auf das unausweichliche Ende zuzusteuern. Da blitzt so was wie morbide, wenig süsse Romantik auf. Valentinstag in der Klapsmühle, ohne Tranquilizer, aber immerhin gibt es Pizza.
 
 
Ashley Judd, optisch wie die Vorstufe zu Charlize Theron in "Monster", und Michael Shannon liefern famose Leistungen ab, am Rande des Wahnsinns und teilweise darüber hinaus. Im letzten Drittel lassen sie völlig enthemmt die Puppen tanzen und Friedkin entfaltet im Aluminium-Iglo der Endstadium-Paranoia eine Energie wie zu seinen besten Zeiten. Der Schlussspurt ist sagenhaft und entschädigt für gelegentliche Längen im Vorlauf.
 
 
Friedkin steht der unangepasste White-Trash-Mantel deutlich besser als der langweilig-schicke Hollywood-Smoking der Jahre zuvor. Den Kick brauchte er wohl zum wach werden. Guten Morgen, gut geschlafen? Bitte weiter so. Aber hat er ja bereits...
 
7,5 von 10 Kammerjägern.

Review: PI - Wahn und Vernunft

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Fakten:
Pi
USA. 1998. Regie und Buch: Darren Aronofsky. Mit: Sean Gullette, Ben Shankman, Mark Margolis, Pamela Hart, Stephen Pearlman, Samia Shoaib, Ajay Naidu, Lauren Fox, Espher Lao Nivens, Kristyn Mae-Anne Lao, Clint Mansell, Stanley Herman, Tom Tumminello u.a. Länge: 81 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Mathematiker Max ist davon überzeugt, dass alles aus der Natur alleine durch Zahlen verstanden werden kann. Mit Hilfe seines Computers, versucht er bestimmte Zyklen zu erkennen und so z.B. den globalen Aktienmarkt voraussagen zu können. Nach einem Absturz seines Computers stößt Max auf eine 216-stellige Zahl. In ihr sieht er den Schlüssel und steigert sich immer mehr in eine alptraumhafte Welt voller Paranoia hinein.






souli’s Meinung:
Mit seinem Debüt „Pi“ konnte Harvard-Absolvent Darren Aronofsky 1998 schon reichhaltig Aufmerksamkeit auf seine Person lenken: Für fluffige 60.000 Dollar umgesetzt, konnte der Film nicht nur nette drei Millionen Dollar an den Kinokassen einspielen, sondern kürte Aronofsky über Nacht zu einem neuen, ungemein vielversprechenden Sternchen am (Hollywood-)Firmament. Heute hat sich Aronofsky längst in der Filmwelt etabliert, sein Name wird mit flexiblen Genre-Kino assoziiert und gerne mal bei hochdekorierten Preisverleihungen als Favorit gehandelt. Dabei illustrierte „Pi“ schon ziemlich exakt, wieso Aronofsky in naher Zukunft zu einem derart renommierten Filmemacher heranwachsen konnte, von einem nicht unwesentlichen Teil der universellen Cineastenschar aber auch als 'findiger Blender' gebrandmarkt wird. Das visuelle Erzählen beherrscht der Mann nämlich sozusagen aus dem Effeff und weist keinerlei Probleme darin auf, den Irrungen und Wirrungen seiner Protagonisten eine grafische Plattform zur entsprechenden Projektion zu bereiten. Inhaltlich jedoch hapert es so manches Mal ziemlich – So auch in „Pi“.



Alles ist Mathematik - und Wahnsinn
Nicht falsch verstehen: „Pi“ ist ein, so wie es symptomatisch zu den Werken eines Darren Aronofsky gehört, ziemlich suggestives Erlebnis. Das rohe, grobkörnige Schwarz-Weiß vermittelt dem Zuschauer eine ungemeine Kälte, die von den hektischen Schnitten und dem tumben, ständig polternden Elektrosound zunehmend grundiert wird. Bild und Ton ergeben hier eine fesselnde Synergie, die zuweilen so faszinierend wie anstrengend daherkommt. Doch da wären wir wieder bei dem zweischneidigen Schwert angekommen, welches Aronofsky Filmographie ziert. Sein stilistischer Formalismus ist einnehmend und eingängig, brennt sich ins Gedächtnis, fröstelt und schüttelt und kaschiert bis zu einem gewissen Grad die Tatsache, dass es informal einfach Schlaglöcher zu überqueren gilt, die man durch einen schlaksigen Kameraschwenk eben nicht salopp neutralisieren kann. Wie der Mathematiker Maximillian (Sean Gullette, „Die zwei Leben des Daniel Shore“) Hypothesen bezüglich des Zusammenhangs zwischen Zahlen und dem Universum aufstellt (beispielsweise: Die Mathematik ist die Sprache der Natur und alles um uns herum lässt sich durch diese dekodieren, was zu flächendeckenden Mustern führt), fühlt sich auch Aronofskys Umgang mit dem Wahnsinn seines Hauptdarstellers an.


Pi“ erweckt hin und wieder den Eindruck, Aronofsky würde sich nicht sonderlich für die inbrünstige, psychotische Besessenheit von Maximillian interessieren, sondern ihn nur als effektiven Spielball dazu instrumentalisieren, seine technische Finesse auszustellen. Die Referenz, die ständig gebracht wird, zu „Eraserhead“ ergibt daher auch absolut keinen Sinn, gibt sich Lynch in seinem beängstigenden Midnight Movie nicht als reiner Formalist die Ehre, sondern evoziert eine originäre Bildsprache, die die tiefere, existenzielle Wahrheit des Films unterstreicht, anstatt sie metaphorisch zu erdrücken. Es ist dennoch ein durch und durch packendes Unterfangen, Maximillian, dem Quasi-Erben Pythagoras, dabei zu folgen, wie er die abgründige Spiraltreppe hinab in die paranoiden Untiefen der Mathematik Stufe für Stufe herabsteigt. Immer auf der Suche nach dem geheimen Klebstoff unseres Planeten, um ihn anschließend numerologisch, mit Hilfe einer ominösen 216-stelligen Zahl, deuten und damit dechiffrieren zu dürfen. Man könnte „Pi“ also als durchaus gelungene Fingerübung bezeichnen, die gut auf den (inzwischen methodischen) Stil Aronofskys einstimmt und seine Stärken wie Schwächen als Künstler auf den Punkt bringt.


6 von 10 von Insekten befallenden Gehirnen


von souli

Review: WAS GESCHAH WIRKLICH MIT BABY JANE? - Nach dem letzten Vorhang

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Fakten:
Was geschah wirklich mit Baby Jane? (What Ever Happened to Baby Jane?)
USA, 1962. Regie: Robert Aldrich. Buch: Lukas Heller. Mit: Bette Davis, Joan Crawford, Victor Buono, Wesley Addy, Julie Allred, Anne Barton, Marjorie Bennett, Bert Freed, Anna Lee, Maidie Norman, Dave Willock u.a. Länge: 134 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
1917 war Baby Jane Hudson ein gefeierter Kinderstar, der sein Publikum mit Gesang und Tanz verzückte. Ihre Schwester Blanche stand immer in ihrem Schatten. In den 30ern wendete sich das Blatt: Blanche wird zum hochgelobten Filmstar, Jane's Schauspielkarriere wird zerrissen, sie verfällt dem Alkohol. Dann geschieht ein tragischer Unfall, der alles verändert. Fast drei Jahrzehnte später leben die Schwestern zusammen in ihrem Haus in Hollywood. Blanche ist seit dem Unfall an den Rollstuhl gefesselt, auf die Versorgung durch Jane angewiesen. Diese trinkt nach wie vor, hat sich zur tyrannischen Despotin entwickelt. Als Jane erfährt, dass Blanche das Haus verkaufen will, schlägt die Abneigung in blanken Hass um.



Meinung:
Ruhm ist vergänglich, Familie für immer, Neid menschlich und Hass unerbittlich.
"Was geschah wirklich mit Baby Jane?" gilt als großer Klassiker der 60er Jahre und trotz einiger Hänger in der Geschichte und geringfügiger zeitlicher Abnutzungserscheinungen lässt sich das kaum abstreiten.


Schwesterliebe kann so so schön sein
Der Film von Robert Aldrich wird allgemein als Psycho-Thriller bezeichnet, was sicherlich auch keine falsche Einstufung ist, vielmehr ist es eher ein Psycho-Drama, das zeitlose Themen behandelt. Auch heute erleben wir immer wieder den tiefen Fall von Kinderstars, die durch das (heute noch viel ausgeprägteres) schnelllebige Showgeschäft, mal in der Musik, mal im Film, zu großen Ruhm gelangen. Sie werden gefeiert, angehimmelt, verlieren den Boden unter den Füßen und verkraften es anschliessend nicht, wenn die Karriere ein Ende hat. Und wenn sie dann noch Platz machen müssen für einen Angehörigen, der bisher immer nur die zweite Geige im Hintergrund spielte, mag das ein zusätzlicher Tritt sein. Die ersten Minuten des Films spielen dieses Szenario durch, der Hauptteil widmet sich dann den Folgen. Dazu kommt ein Abhängigkeitsverhältniss, der Missbrauch von Macht, eine durch Schuld und Schuldgefühle betriebene Konstellation gipfelt nach jahrelanger Hass-Liebe, einem eher stillen und schleichenden Martyrium (für beide Partein), in einer Katastrophe.


Ein Sonnenschein, die Baby Jane
Aldrich inszeniert viele Szenen erschreckend intensiv, schafft einige großartige Momente und kann sich voll auf sein famoses Darstellerinnen-Duo verlassen. Joan Crawford als Sympathieträgerin, praktisch gefangen gehalten im eigenen Haus und dem zunehmende Terror ihre Schwester ausgeliefert, lässt wahres Mitleid empfinden und den Zuschauer mit ihre
 leiden. Die ganz große Show liefert aber Bette Davis ab. Mit Mut zur Hässlichkeit (optisch wie charakterlich) dreht sie richtig auf. Biestig, verlottert, immer mehr in den Wahnsinn abgleitend, eine, buchstäblich, irre Vorstellung mit Power und Hingabe.


 Ein wirklich denkwürdiger Auftritt. Wie schon angesprochen, an manchen Ecken und Stellen schleichen sich ganz kurze Hänger ein, die Laufzeit von über 130 Minuten hätte sicher leicht gestrafft werden können, ohne Qualitätsverlust, eher im Gegenteil. Doch das lässt sich verschmerzen, zu sehr überzeugt das Gesamtpaket, allen voran die beiden Damen. Starker Film, der mit zunehmenden Sichtungen eher noch gewinnen könnte, als sich abzunutzen.


8 von 10 Briefen an Daddy