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Review: DER MIETER - Früher Höhepunkt eines Altmeisters!

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Fakten:
Der Mieter (The Lodger)
GB, 1927. Regie: Alfred Hitchcock. Buch: Eliot Stannard. Mit: Marie Ault, Arthur Chesney, June Tripp, Malcolm Keen, Ivor Novello u.a. Länge: 70 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
In London treibt sich ein Frauenmörder herum. Seine Opfer sind junge Frauen mit blondem Haar, am Tatort lässt er eine Notiz mit dem Wort „Rächer“ zurück. Als in der Wohnung von Daisy und ihren Eltern ein mysteriöser und bedrohlicher Untermieter einzieht, befürchtet die Familie den Mörder im eigenen Haus zu haben.






Meinung:
Es gibt wohl kaum Filmfans, die mit dem Namen Alfred Hitchcock nichts anfangen können. Der englische Regisseur, der später in die USA ausgewandert ist, gehört ohne Zweifel zu den bekanntesten und talentiertesten Männern seiner Zunft. In seiner 50-jährigen Karriere hat er über 50 Filme gedreht und zählt damit wohl auch zu den produktivsten Regisseuren der Filmgeschichte. Trotz dieser Unmenge an Projekten schaffte er es stets sein qualitativ hohes Niveau zu halten und neben einigen Glanzstücken auch unzählige sehenswerte Filme zu drehen. Dabei verwendet der Master of Suspense zahlreiche wiederkehrende Elemente, von denen sich viele schon in seinem Stummfilm „Der Mieter“ finden lassen, ein frühes Ausrufezeichen des späteren Altmeisters und laut eigener Aussage auch sein erster „richtiger“ Film.


Mysteriöser Besuch
1927 hatte sich Alfred Hitchcock schon einen gewissen Namen gemacht. Nach einigen Arbeiten als Regieassistenz realisierte er 1925 seinen eigenen ersten Film als Regisseur („Irrgarten der Leidenschaft“), der von Kritikern und Publikum gleichermaßen positiv aufgenommen wurde. Für „Der Mieter“ hatte er folglich schon etwas mehr Mittel zur Verfügung und konnte seine eigene Vision umsetzen. Zwar musste er das Ende aufgrund der Studios verändern um den Ruf des damaligen Stars Ivor Novello nicht zu schädigen, trotzdem gelang es ihm ein überaus fesselndes und nervenaufreibendes Stück Kriminalfilm zu schaffen. Ivor Novello liefert als namensgebender Mieter eine extrem kraftvolle Performance und stellt gleichermaßen den Entwurf eines bei Hitchcock später immer wiederkehrenden Charaktertyps dar, den zu Unrecht Beschuldigten. Die Figur funktioniert im fertigen Film so ausgezeichnet, weil sie im Zuschauer unterschiedliche, gar widersprüchliche Gefühle auslöst. Zum einen fühlt der Betrachter natürlich mit ihm mit, zu Unrecht angeklagt, gefangen und verurteilt zu werden ist eine grundlegende Angst des Menschen mit der sich viele Zuschauer identifizieren können. Auf der anderen Seite strahlt er mit seinem ungewöhnlichen Verhalten aber auch Unruhe und Bedrohung aus, was wenn er doch schuldig ist? Der Zuschauer weiß nicht genau, was er fühlen soll und allein dadurch baut Hitchcock schon Spannung auf.


Schuldig oder unschuldig?
Auch inszenatorisch beweist Hitchcock bereits seine enormen Fähigkeiten und bietet seinen visuell mit Abstand ausgefallensten Stummfilm, der mit zahlreichen kreativen Einfällen und technischen Spielereien (zum Beispiel einem durchsichtigen Boden) aufwarten kann. Überhaupt schafft es der Altmeister die Geschichte in erster Linie komplett durch Bilder zu erzählen und greift nur selten auf Zwischentitel zurück. So füllt er beispielsweise die ersten 15 Minuten mit einer assoziativen Bilderflut in der er Tatorte, Opfer und die Panik der Bürger beleuchtet. Nach und nach erfährt man auf unterschiedliche Art und Weise neue Informationen über den Killer, Hitchcock zeichnet das Bild einer Stadt in Angst eindrucksvoll und atmosphärisch sehr düster. Als schließlich Ivor Novello an der Tür der Familie auftaucht bringt man als Zuschauer seine stumme und eigensinnige Präsenz mit dem Killer in Verbindung, fürchtet instinktiv um die Familie, aber ist in gewisser Weise auch von der besonderen Erscheinung fasziniert. Über den Film verteilt arbeitet Hitchcock mit zahlreichen Symbolen, am bekanntesten wohl die Handschellen, die zuerst harmlos und spaßeshalber die Tochter der Familie fesseln und später fast zum Todesurteil des unschuldigen Mieters werden. Oder auch der wackelnden Kronleuchter im Zimmer unter dem unheimlichen Mieter, der bei der Familie Unmut und Verdacht erregt. Hitchcock arbeitet immer wieder mit Symbolen wie diesen, die vom Zuschauer instinktiv verstanden und interpretiert werden können und den Film dadurch zu einer sehr stimmigen Einheit aus Form und Inhalt verwandeln.


Mit „Der Mieter“ hat Alfred Hitchcock ein frühes Ausrufezeichen in seiner Karriere gesetzt. Bei seiner Veröffentlichung wurde er als bester britischer Film aller Zeiten gefeiert und verhalf dem jungen Hitchcock zu einem ausgezeichneten Ruf. Dass seine Karriere in den nächsten Jahrzehnten steil bergauf ging muss hier wohl nicht mehr explizit erwähnt werden, doch „Der Mieter“ blieb lange Zeit unerreicht und stellt noch heute einen seiner besten Filme dar. Eine klare Empfehlung für alle, die etwas mit Stummfilmen anfangen können oder sich ausführlicher mit den Anfängen Hitchcocks beschäftigen wollen.


8 von 10 unheimliche Untermieter

Review: DER GENERAL – Buster Keaton jagt seine Eisenbahn

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Fakten:
Der General (The General)
USA. 1926. Regie: Buster Keaton, Clyde Bruckman. Buch: Clyde Bruckman, Al Boasberg, Charles Smith. Mit: Buster Keaton, Marion Mack, Charles Henry Smith, Frank Barnes, Glen Cavender, Jim Farley u.a. Länge: 78 Minuten. FSK: Ab 6 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Johnnie Gray (Buster Keaton) ist Schaffner auf der Eisenbahn „The General“. Als im Jahr 1861 der amerikanische Bürgerkrieg immer näher kommt, will sich auch Johnnie für die Südstaaten zum Krieg melden, doch er wird abgelehnt, was auch das Ende der Beziehung mit seiner Freundin Annabelle (Marion Mack) bedeutet. Als einige Zeit später aber seine Lokomotive von Nordstaaten-Spionen geklaut wird, macht er sich alleine auf die Verfolgung der Diebe, nichtsahnend, dass auch Annabelle mitsamt der Lok entführt wurde.




Meinung:
Denkt man an komische Stummfilmschauspieler, so denkt der durchschnittliche Filmfan an Charlie Chaplin, vielleicht auch an Stan Laurel und Oliver Hardy, die allerdings auch mit ihren Tonfilmen große Berühmtheit erlangten. Vergessen wird oft ein weiterer, eigentlich weltbekannter Mann: Buster Keaton. Und gerade mit Chaplin liegt ein Vergleich auf der Hand, orientierten sich doch beide extrem am Slapstick, hatten gigantische Erfolge, waren Tausendsassa bei ihren Filmen und hatten einen individuellen Stil, ihren Figuren Leben einzuhauchen. Die meisten Filmfans haben jedoch auch immer einen Liebling. Chaplin ODER Keaton. Beides? Nur ganz selten möglich. Bei mir sind es ganz klar Charlie Chaplin und seine Filme. Doch warum? Die Gründe kann man wohl am besten nachvollziehen, wenn man sich Buster Keatons Film „The General“ ansieht und ihn immer wieder in Bezug zu Chaplin bringt.


Kein Lächeln, aber die Frisur ist schön.
Keaton, der oft als „Mann, der niemals lächelt“ bezeichnet wird, ist genau das: ein Mann, der tatsächlich nicht lächelt. Das wird aber auch zu einem großen Problem dieses Films. Ein Lächeln macht Menschen sympathisch und genau diese Sympathie fehlt mir bei Keaton und seiner Figur Johnny Gray enorm. Ein Lächeln kann viel aussagen und vor allem mehr als ein stets stoisches und griesgrämiges Gesicht, wie es Keaton den ganzen Film über aufsetzt. Es mag sein Stil sein, aber das sympathische Lächeln eines Charlie Chaplins oder das Grinsen eines Stan Laurel sind mir einfach lieber. Geschmackssache, natürlich, aber eben auch ausschlaggebend. Denn wegen der fehlenden Sympathie fehlt auch der Spannungsaufbau in diesem Film bei dieser sehr simpel gehaltenen Geschichte und besonders in der ersten Hälfte des weniger als 80 Minuten dauernden Stummfilms sind schon sehr zäh. Erst ab der Mitte etwa wird der Film spannender, dann aber immerhin richtig. Außerdem schafft es Keaton, seine Geschichte sehr stringent zu erzählen, ohne große Nebenschauplätze zu eröffnen. Dadurch kann er den Zuschauer doch immer wieder an sich ziehen, auch wenn er, wie gesagt, die Leine recht locker lässt.


Die Stunts sind teilweise atemberaubend. Keaton hat wohl nicht nur einmal sein Leben aufs Spiel gesetzt, nur um eine perfekte Szene zu drehen. „Perfektion“ ist hier manchmal genau das angebrachte Wort. Und dabei sieht alles so spielend einfach aus, was Keaton da macht. Alles wirkt enorm authentisch – kein Wunder, Keaton galt sowieso als Perfektionist, der keinerlei Kosten oder körperliche Strapazen gescheut hat, um eine Szene, ja, perfekt zu machen. Darum ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass aus Keatons größten finanziellen Flop „The General“ so manche Szenen auch heute noch im kollektiven Gedächtnis verankert sind und immer und immer wieder zitiert werden. Schon allein die vielleicht berühmteste Eisenbahnszene der Filmgeschichte. Übrigens: Nein, die Szene, in der Keaton an einem Hochhaus herumklettert und unter anderem an einer Uhr baumelt, ist nicht in diesem Film vorhanden. Warum? Die Szene stammt aus dem Film „Safety Last“. Und der Mann ist nicht Keaton, das ist Harold Lloyd, ebenfalls ein berühmter Stummfilmkomiker.


Vielleicht ist meine Lok ja hier drin...?
Richtig problematisch wird der Film dann, wenn er in den komödiantischen Bereich geht. Vielleicht hatten die zahlreichen Zuschauer von früher ein ähnliches Problem wie ich heute: Sie sind an Chaplins Komödien gewöhnt, dem ersten großen Star in diesem Bereich, und haben es dadurch womöglich schwerer, auch Keatons Stil so witzig zu finden. Chaplins Slapstick unterscheidet sich dabei von Keatons Slapstick offensichtlich, auch wenn es an und für sich nur Nuancen sind. Chaplin ist übertriebener, reizt die Gags bis zum letzten aus und wiederholt sie auch gerne noch einmal. Sein Motto? Sobald der Zuschauer mit dem Lachen aufgehört hat, muss er auch schon wieder mit dem Lachen beginnen. Bei Keaton ist es hingegen viel feiner, die Gags subtiler und auch nicht so brachial wie bei Chaplin. Die komischen Momente sind weiter verteilt und als Zuschauer hat man mehr Erholungsmöglichkeiten, was aber dem Unterhaltungswert nicht gerade gut tut. Keatons Slapstick ist nicht so künstlich wie der Chaplins und er lässt der Authentizität genügend Freiraum, um überleben zu können. Immerhin erweitert Keaton den Film durch Momente der Erleichterung, die vor allem dem Überstehen einer Situation geschuldet sind. Das ist für die damalige Zeit eine durchaus innovative Art der Komik in einem Film und zeigt so mehr Respekt vor den Figuren im Film.


Sozialkritik ist in Buster Keatons „The General“ nur am Rande zu spüren und genau das fehlt auch meiner Meinung nach, um zu den großen Komödien eines Chaplins aufzuschließen. Hier wird vielmehr eine Geschichte aus der Vergangenheit erzählt, eine Einzelepisode aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Interessant zwar, das schon, aber eben auch nicht mehr. Auch wenn „The General“ ein filmtechnisch sehr schön zu schauender Film ist, der auch einige beeindruckende Szenen für sich verbuchen kann, fehlt ihm in den Bereichen Komik und Mitfühlen das Stück, was ein Chaplin in seinen Spielfilmen einbauen konnte. Zumindest für jemanden, der zunächst mit dem Tramp in Berührung gekommen ist und ihn lieben gelernt hat, ist ein Zugang zu Keatons Film doch ziemlich schwierig.


6,5 von 10 Wasserstrahle auf Annabelle

Review: DIE NIBELUNGEN – Ein stummer Gigant wächst aus einer urdeutschen Sage

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Fakten:
Die Nibelungen (1. Teil: Siegfried. 2. Teil: Kriemhilds Rache)
Deutschland. 1924. Regie: Fritz Lang. Buch: Thea von Harbou. Mit: Paul Richter, Margarete Schön, Hans Adalbert Schlettow, Theodor Loos, Hanna Ralph, Rudolf Klein-Rogge, Rudolf Rittner, Bernhard Goetzke u.a. Länge: 280/293 Minuten. FSK: Ab 6 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Siegfried, ein gutaussehender, großer Kämpfer, erschlägt einen Drachen und badet in dessen Blut, was ihn unverwundbar macht. Er wird König und unterjocht andere Könige unter seiner Führung. Als er König Gunther aufsucht, um dessen Tochter Kriemhild zu heiraten, willigt dieser nur ein, wenn er ihm die kriegerische Brundhild freien würde. Währenddessen schmiedet der hinterlistige, aber treue Hagen von Tronje einen Plan, sich Siegfried zu entledigen. Als er ausgerechnet durch Kriemhild Siegfrieds Schwachstelle herausfindet, sind Mord, Intrigen und blutige Rache vorprogrammiert.




Meinung:
Sicher ist den meisten Lesern hier zumindest die grobe Geschichte rund um Siegfried, Kriemhild, Hagen und Co geläufig. Mancher hat sie vielleicht auch schon gelesen und sei es nur in Auszügen in der Schule. Und wenn nicht, so dürfte jeder wenigstens schon den Namen dieser Sage gehört haben. Selbst ein Weltstar wie Quentin Tarantino zitiert diese Geschichte in seinem Film „Django Unchained“. Ja, und eine so bekannte Geschichte, die hat natürlich auch die ein- oder andere filmische Umsetzung erfahren. Doch keine der späteren Verfilmungen dürfte mehr an die erste herangekommen sein. Der deutsche Regisseur Fritz Lang hat schon vor mittlerweile über 90 Jahren einen Film geschaffen, der die Geschichte besser nicht wiedergeben könnte – und das ganz ohne Worte.


Wer badet da vor der Murnau-Restauration im Drachenblut?
Lang und seine damalige Ehefrau und Drehbuchautorin Thea von Harbou realisierten mit „Die Nibelungen“ ihr Herzensprojekt. Eine Geschichte um Verrat, um Liebe, um Rache und um Tod, um große Helden und um mächtige Könige, um Familie, um Ehre und um Stolz. Die Geschichte hat dabei so viel hergegeben, dass zwei Filme mit insgesamt knapp 300 Minuten Spieldauer entstanden sind, um sie zu erzählen. 280 Minuten, um genau zu sein, zumindest nach der aktuellsten restaurierten Fassung der Murnau-Stiftung, die sich durch eine orangefarbene Tonung auszeichnet. Dabei ist der erste Film etwas mehr an seiner Geschichte interessiert, wohingegen der zweite deutlich mehr Schlachten, Kämpfe und Morde auf der Speisekarte stehen hat. Sowohl Teil 1 („Siegfried“) als auch Teil 2 („Kriemhilds Rache“) bestehen aus jeweils sieben Gesängen, die durch ihre voranstehenden Tafeln bereits die Handlung des folgenden Abschnittes vorwegnehmen, ähnlich wie bei einigen Theaterstücken dieser Zeit, man denke zum Beispiel an Brecht und sein episches Theater. Natürlich wird dadurch schon ein wenig an Spannung vorweg genommen, allerdings ist diese Ein-Satz-Zusammenfassung auch sehr hilfreich, den reichhaltigen, stumm vorgetragenen Stoff einfacher besser zu verstehen und sich stärker auf den Film selbst einlassen zu können. 


Es sieht nicht gut aus für Siegfried
Immer wieder werden den Filmen nationalsozialistische Tendenzen nachgesagt. Das liegt zum einen an der streitbaren Person Thea von Harbous. Die Fränkin soll dem Nazi-Regime schon sehr früh sehr nahe gestanden haben, war ab 1933 auch Vorsitzende des gleichgeschalteten „Verbandes deutscher Tonfilmautoren“ und ab etwa 1940 auch Mitglied der NSDAP – nicht etwa schon zu Zeiten dieses Films, wie oft behauptet wird. Und weiterhin liegt es auch daran, dass die Nazis den Film zu ihren Zwecken missbraucht haben. Besonders Goebbels war enorm engagiert, diese urdeutsche Heldensage mit seiner verblödeten Ideologie zu verbinden. In Kombination mit der Dolchstoßlegende wurde dann auch noch die „Nibelungentreue“ des deutschen Kaisers Wilhelm II., die 1914 entscheidend war für den Ausbruch des ersten Weltkrieges wieder hervorgekramt. Die war, genau wie diese Sage, den deutschen Bürgern bekannt und so hatten die Nazis mit diesem Film ein beliebtes und bekanntes Propagandainstrument geschaffen. Jedoch ist das erst im Nachhinein geschehen, sodass eine Interpretation in Bezug auf Nazi-Kram in diesem Film zwar möglich, aber doch eher sinnlos erscheint.


Aber zurück zum Film. Besonders auffällig ist die wundervolle Bildästhetik. Lang und sein Team schaffen es, eine Art poetisches Zusammenspiel aus Licht und Schatten, aus Hell und Dunkel zu kreieren, das seines Gleichen sucht. Ein bombastisches Gemälde ist Lang hier gelungen, nicht weniger. Gemeinsam mit der fantastischen Musik von Gottfried Huppertz entfachen „Die Nibelungen“ eine Sogwirkung, der man sich kaum mehr entziehen kann, ist man erst einmal gefangen. Auch die tollen Masken und Kostüme, eine Mischung aus mittelalterlicher Pracht und doch irgendwie einem Hauch Moderne, genauso wie die gigantischen Kulissen sind ein Blickfang, der einen nicht mehr zur Seite kucken lassen will. Gigantismus hat auch hier schon von Lang Besitz ergriffen, was man auch zum Beispiel in seinem heute bekanntesten Werk „Metropolis“ sofort erkennen kann. Technisch ist der Film ohnehin auf der Höhe der (damaligen) Zeit. Ein riesiger, feuerspeiender Drache oder eine mit Tricktechnik inszenierte Traumsequenz sind aus heutiger Sicht zwar altbacken, damals aber war es absolutes Neuland gewesen, etwas nie Dagewesenes. Und wenn man sich darauf einlässt, dann kann es auch heute noch beeindrucken.


Kriemhild schwört blutige Rache
Die Darsteller spielen mit einer für Stummfilme und die damalige Zeit üblichen sehr intensiven Mimik und Gestik, teilweise direkt in die Kamera hinein. Auch das mag heute nicht mehr für jeden ein schöner Anblick sein, allerdings muss man sich im Hinterkopf behalten, dass eben die Stimme der Schauspieler nicht eingesetzt werden kann und dies somit kompensiert werden musste. Besonders auffällig waren für mich zwei Schauspieler, auch wenn die komplette Darstellerriege einen tollen Job machte. Einmal war das Paul Richter als Siegfried. Er bringt mit seiner muskulösen und attraktiven Erscheinung nicht nur optisch die besten Voraussetzungen für die Rolle des Helden mit, sondern überzeugt auch mit einer intensiven Darbietung. Der zweite Darsteller, der herausragt, ist Theodor Loos, der das genaue Gegenteil von Siegfried, nämlich den schwachen und zurückhaltenden König Gunther spielt. Beide stellen ein Extrem in der Figurenkonstellation dar und damit auch die Bandbreite an verschiedenen Charakterzügen, die im Film verteilt sind.


Über Fritz Langs „Die Nibelungen“ mit den beiden Teilen „Siegfried“ und „Kriemhilds Rache“ könnte man noch viele weitere interessante Dinge erzählen, aber hierbei soll es genug sein. Der Film ist optisch und inhaltlich ein ganz großes Werk der Filmgeschichte. Natürlich sollte man heute das Alter des Films berücksichtigen. Es ist sicher nicht einfach, sich diesen Film am Stück anzusehen, geschweige denn beide Teile mit ihren fünf Stunden. Wenn man sich jedoch auf Stummfilme, ihre eigene Machart und das dazugehörige Schauspiel einlassen kann, dann erlebt man hier eine Geschichte mit epischen Ausmaßen, die mit Musik und seiner gigantomanischen Optik zu einer fesselnden Gesamtkomposition werden kann. Wenn man von den großen Werken der Filmgeschichte spricht, dann gehören „Die Nibelungen“ zweifelsfrei dazu.


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