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Review: THE SEA OF TREES – McConaughey und Watanabe verirrten sich im Wald…

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Fakten:
The Sea of Trees
US. 2015. Regie: Gus Van Sant. Buch: Chris Sparling. Mit: Matthew McConaughey, Ken Watanabe, Naomi Watts, Anna Friedman, Katie Aselton, Jordan Gavaris u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Der Amerikaner Arthur Brennan ist in seinem Leben an einem Punkt angekommen, wo er den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Er ist in einer Sackgasse, aus der er als einzigen Ausweg nur noch den Selbstmord sieht. Dafür hat sich Arthur einen ganz besonderen Ort ausgesucht: Im japanischen Aokigahara, dem sogenannten Suicide Forest oder Sea of Trees, einem am Fuße des Fuji gelegenen 35 km² großen Waldes, der nahezu bar jeden tierischen Lebens ist, will er seiner Existenz ein Ende setzen.Doch der Versuch kommt nicht zur Vollendung, denn Arthur trifft in diesem seltsam aus der Zeit gefallenen Raum auf Takumi Nakamura , der – anderen Motiven folgend – das gleiche Ziel hat. Statt weiterhin den Freitod zu verfolgen, suchen sie ein neues Leben und dazu einen Weg heraus aus dem dichten Wald. Der Selbstmord-Trip wird so wider Erwarten zu einem Überlebenskampf.




Meinung:
Gus Van Sant hat sich in seiner Laufbahn als Regisseur nicht immer beliebt gemacht. Zwar zeichnet er sich für den vielerorts frenetisch gefeierten Good Will Hunting verantwortlich, doch auch Katastrophen wie das Psycho-Remake oder umstrittene Skandalfilme wie Elephant lassen sich in seiner Filmografie finden. Auch The Sea of Trees konnte in jüngerer Vergangenheit besonders dadurch auf sich Aufmerksam machen, dass er geradezu vernichtend schlechte Rezensionen von Zuschauern und Kritikern auf sich zog. Voreilig abschreiben sollte man den Film jedoch keinesfalls, denn tatsächlich werden die mitunter fast schon beleidigenden Meinungen dem Werk kaum gerecht. Im Gegensatz zu vielen anderen Ergüssen des kontemporären Kinos verfolgt Gus Van Sant zumindest eine ambitionierte Idee und so ist er in seinem Scheitern allemal interessant.


Ein Hoffnungsschimmer?
Dabei beginnt der Film, gemessen an der von Kritikern evozierten Erwartungshaltung, durchaus gelungen und auch die nächste Überraschung bleibt nicht aus. Tatsächlich kann The Sea of Trees das Niveau lange Zeit halten und obgleich immer wieder kleinere Unzulänglichkeiten Einzug halten, so weiß das Drama dennoch zu berühren. Das liegt einerseits natürlich an der Wahl der Darsteller. Matthew McConaughey, Ken Watanabe und Naomi Watts agieren gewohnt professionell und obwohl ihre Leistung sicherlich ein gutes Stück unter ihrem bestmöglichen Niveau angesiedelt ist, so wissen sie definitiv zu überzeugen. Zum anderen wird der Schauplatz des Geschehen selbst wohl zur größten Stärke des Films. Der Aokigahara (umgangssprachlich auch Selbstmord-Wald genannt) entwickelt sich in seiner zwiespältigen Wirkung zwischen meditativer Ruhe und bedrückender Todessehnsucht zum optimalen Resonanzkörper für eine Geschichte über Schuld, Trauer und Selbsthass. Zusehends scheint der Wald ein Eigenleben zu bekommen und so fungiert er als Erweiterung von McConaugheys Innenleben um dessen Zwiespalt zu visualisieren. Der Kampf gegen die Natur ist letztlich nur der Kampf gegen das eigene Ich. Abseits dieser atmosphärischen Wirkung fällt es deshalb nur gering ins Gewicht, dass die zweigeteilte Erzählstruktur ebenso wie manch aufgesetzte Emotion nur sehr bedingt funktioniert.


Wirklich problematisch wird hingegen das Ende, denn Gus Van Sant gibt sich mit einem schlichten Drama nicht zufrieden und versucht seinem Film zu tragödienhaften Ausmaß zu verhelfen. Das wirkt jedoch dermaßen überzogen, dass es bereits in unfreiwillige Komik mündet und große Teile des vorangegangenen Films zerstört. Mit dem Holzhammer bringt er das bisher entstandene Konstrukt zum Einsturz und bedeckt die Trümmer mit aufdringlicher Symbolik und fast schon esoterischem Kitsch. Schade, denn The Sea of Trees hatte gleichsam gelungene Ideen wie auch einen fähigen Regisseur diese umzusetzen. Wer nun genau für den katastrophalen Schlussakkord verantwortlich ist, bleibt ungewiss – vielleicht war der Film ja auch schon von vornherein zum Scheitern verurteilt.


4 von 10 Brotkrumen

Review: THE WAILING – Der Wahnsinn hält Einzug

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Fakten:
The Wailing (Gokseong)
KR. 2016. Regie & Buch: Na Hong-jin. Mit: Kwak Do-won, Hwang Jung-min, Chun Woo-hee, Jun Kunimura, Kim Hwan-hee u.a. Länge: 156 Minuten. FSK: ungeprüft. Noch kein deutscher Starttermin.


Story:
Eine seltsame Krankheit macht sich breit in dem kleinen Dorf in Südkorea. Menschen zerfleischen sich gegenseitig, haben seltsame Blasen auf der Haut und verfallen dem Wahn. Der etwas trottelige Polizist Jong-Goo soll Gerüchten auf den Grund gehen und stößt an seine Grenzen, als seine eigene Tochter ebenfalls betroffen ist. Alsbald deckt sich mehr auf, als irgendein Mensch je wissen wollte.


      


Meinung:
Schon seit einigen Jahren ist Südkorea der neuentdeckte Markt für knallharte Action, kompromisslose Genrefilme und ungezügelte Thrillerkost. Von einem Geheimtipp kann man mittlerweile gar nicht mehr sprechen, haben einige der erfolgreichsten Regisseure doch bereits weltweiten Ruhm erlangt und in den vergangenen Jahren auch Hollywoodprojekte realisiert. Dennoch handelt es sich bei den Filmen, die es auf unseren westlichen Markt schaffen meistens um Kollaborationen der gleichen Ansammlung an Akteuren und Regisseuren. Abseits davon ist es um die Veröffentlichungspolitik jedoch deutlich schwieriger bestellt und so muss ein Film wie The Wailing auch nach lobender Festivalteilnahme auf einen deutschen Release warten – und das obwohl sein Regisseur Na Hong-jin bereits zwei bekanntere Vertreter dieses neuen Kinos abgeliefert hat.


Schlechtes Wetter steht auf der Tagesordnung
The Wailing beginnt ruhig, geradezu bedächtig fängt er ein optisch beeindruckendes Landschaftspanorama ein und präsentiert daraufhin einen älteren Mann beim entspannten Angeln. So friedlich und unbeschwert soll es in den darauffolgenden zweieinhalb Stunden freilich nicht mehr zugehen, denn schon im nächsten Augenblick wird unser Protagonist Jeon Jong-gu in den frühen Morgenstunden geweckt und als Polizist zum Tatort eines grausamen Verbrechens beordert. Der blutige Mord an einer kompletten Familie und der mit seltsamen Auswüchsen bedeckte Täter sind jedoch nur der Anfang eines blutrünstigen Abstrusitätenkabinetts, welches zusehends die komplette Kleinstadt in Beschlag nimmt. Der Wahnsinn hält Einzug und die Bewohner sind ratlos. Auch der ohnehin etwas tollpatschige Jeon und seine Kollegen kommen bei den Ermittlungen nicht recht weit und sitzen eher ihre Zeit ab als wirkliche Nachforschungen anzustreben. The Wailing lässt sich einiges an Zeit, bevor er seinen Konflikt zuspitzt, verdichtet währenddessen jedoch gekonnt seine Atmosphäre und erzeugt Spannung, indem er die verfluchte Stadt weiter in den Abgrund reißt. Von persönlichen Motiven angetrieben muss auch Jeon seine Grenzen überschreiten, bevor er das Schicksal seiner Familie in dem emotional äußerst wirkungsvollen Schlussakt selbst in der Hand hat.


Besser draußen bleiben!
Für manche Zuschauer dürfte The Wailing durchaus zu einer Geduldsprobe verkommen, erzählt er seine Geschichte doch keinesfalls pointiert und direkt, sondern schweift immer wieder ab um sich in atmosphärischer Tristesse dem Leid und der Verwirrung seiner Figuren zu widmen. Dabei reichert der Film seine Erzählung früh mit religiöser Symbolik an, die sich größtenteils jedoch erst nach dem Ende erschließt und zuvor reichlich nebulös zur allgemeinen Verunsicherung beiträgt. Über weite Strecken ist man der Hauptfigur gleich im schieren Wahnsinn der Situation gefangen ohne dabei einen wirklichen Ausweg zu erkennen und so gilt es fröhlich im Dunkeln zu tappen, bis man irgendwann das Licht am Horizont erblickt. Das liegt wohl auch daran, dass sich der dritte Film von Na Hong-jin nur bedingt an dramaturgische Konzepte und bewährte Elemente hält und somit im Laufe des Films vieles offenbleibt. Somit ist The Wailing wohl gerade für Genrekenner interessant, weil bekannte Stereotypen immer wieder von neuartigen Seiten betrachtet und damit beinahe subversiv montiert werden.


Selbst wenn man die ohnehin grundverschiedenen Sehgewohnheiten außenvorlässt, ist The Wailing immer noch ein sehr eigensinniger und andersartiger Film. Als düsteres Potpourri bedient er zahlreiche Elemente des Dramas, sowie des Horror-, Mystery- und Thrillergenres, gibt sich jedoch nicht mit den typischen Mustern zufrieden, sondern denkt viele Aspekte auf interessante Weiße um. Lange tappt man als Zuschauer ebenso wie der tollpatschige Protagonist im Dunkeln, ehe sich gegen Ende alle Fäden vereinen und die bisherigen Geschehnissen in einem anderen Licht beleuchtet werden. Erst dann offenbart The Wailing seine inhaltliche Raffinesse, ebenso wie einen Bezug zu weltlichen Geschehnissen, was ihm final noch eine deutlich stärkere Tragkraft verleiht.


8 von 10 mysteriösen Morden

Review: ASCENSION (Die komplette Mini-Serie) – Das Leben in einer intergalaktischen Nussschale

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Fakten:
Ascension
US, 2014. Regie: Nicholas Copus, Mairzee Almas, Rob Lieberman, Vincenzo Natali, Stephen Williams. Buch: Phillip Levens, Adrian A. Cruz, Melody Fox. Mit: Tricia Helfer, Mark Camacho, Al Sapienza, Brad Carter, Lauren Lee Smith, Ryan Robbins, Andrea Roth, Brandon P. Bell u.a. Länge: 265 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Während des kalten Kriegs trifft die US-amerikanische Regierung im Jahr 1963 eine bedeutende Entscheidung. Aufgrund der Angst vor einem eskalierenden Konflikt werden mehrere Hundert Männer, Frauen und Kinder an Bord eines gigantischen Raumschiffs auf eine 100 Jahre andauernde Reise ins Weltall geschickt. Nach der Hälfte der Reise wird die Besatzung zum ersten Mal schwer erschüttert, nachdem eine junge Frau ermordet aufgefunden wird. Die Menschen an Bord der Ascension werden langsam misstrauisch und hinterfragen die Mission ihres Daseins, was nach und nach zu unglaublichen Enthüllungen führt...




Meinung:
In ferner Zukunft ist es durchaus möglich, dass die Menschheit nicht mehr dazu in der Lage ist, auf der Erde leben zu können. Diese Theorie wird nicht nur regelmäßig von Wissenschaftlern aufgestellt und untersucht, sondern auch im Science-Fiction-Genre in Filmen oder Serien ergründet. Ein äußerst prominentes Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist "Interstellar". In Christopher Nolans Blockbuster wird die Erde durch gigantische Staubwolken und das Aussterben sämtlicher natürlicher Ressourcen nicht mehr lange bewohnbar sein, weshalb ein Team von Astronauten auf eine Mission durchs Weltall geschickt wird, um bislang unbekannte Planeten zu entdecken, auf denen menschliches Leben fortbestehen könnte.


Ein kleines Mädchen mit großer Bedeutung
Ein ähnliches, grundsätzlich ebenfalls äußerst interessantes Konzept verbirgt sich hinter "Ascension", einer sechsteiligen Mini-Serie des amerikanischen TV-Senders Syfy. Gleich zu Beginn der ersten Episode wird man als Zuschauer zunächst in eine gewöhnlich wirkende Gesellschaftsordnung geworfen. Die dekadente Oberschicht feiert rauschhafte Partys, in der Mittelschicht kehrt man nach einem Arbeitstag im Büro in die gemütliche Eigentumswohnung zurück und in der Unterschicht wird in schmutzigen Maschinenräumen schwer gearbeitet, um irgendwie über die Runden zu kommen. Kurz bevor das Logo der Serie zum ersten Mal eingeblendet wird, erschließt sich dem Betrachter allerdings, was "Ascension" wirklich ist. Die rund 600 Menschen in dieser Geschichte sind die Besatzung eines riesigen Raumschiffs, das im Jahr 1963 von der US-Regierung aufgrund des kalten Kriegs auf eine 100-jährige Mission geschickt wurde, um einen weit entfernten Planeten namens Proxima zu bereisen. Die Handlung der Serie setzt 51 Jahre nach Abreise der Ascension an und entwirft einen außergewöhnlichen Mikrokosmos, hinter dem sich nach und nach zahlreiche interne Regelungen, Intrigen auf der Führungsebene und faszinierende Mysterien offenbaren.


Mit optischen Schauwerten geizt die Serie nicht
Der entscheidende Stein, der nachfolgende Ereignisse ins Rollen bringt, ist der Tod einer jungen Frau, welcher schnell als Mord identifiziert wird. Während "Ascension" über die ersten zwei Episoden hinweg wie eine Mischung aus Murder-Mystery, Soap-Opera und Science-Fiction-Parabel wirkt, lässt ein gewaltiger, intelligenter Twist am Ende der zweiten Episode das gesamte Szenario in einem komplett neuen Licht erscheinen. Ohne zuviel Preis zu geben, gewinnt die Serie fortan ungemein an Tiefe, indem die Autoren Raum für philosophische Denkanstöße öffnen. Neben den Ereignissen auf der Ascension ist ein paralleler Handlungsstrang auf der Erde angesiedelt und wird entscheidend mit dem Schicksal der Figuren verwoben, die sich im Inneren des Raumschiffs befinden. "Ascension" wirft einige Fragen auf, die sich mit Selbstbestimmung, dem freien Willen und den ethischen Grenzen der Wissenschaft beschäftigen, während die zentrale Handlung in kleinen Schritten von Episode zu Episode neue Rätsel entwirft. Bedauerlicherweise war der Serie keine sonderlich lange Lebenszeit vergönnt, denn nach nur sechs Episoden der Mini-Serie zog der Sender bereits den Stecker und verzichtete auf die Bestellung einer vollen Staffel.


"Ascension" wirkt durch diesen Umstand extrem unfertig und bruchstückhaft. Auch wenn man über mehrere Episoden hinweg langsam Hinweise auf größere Zusammenhänge erhält, den Figuren näher kommt und wirkliches Interesse an den tiefergehenden Mysterien sowie Theorien entwickelt, wird man mit einem abrupten Cliffhanger völlig in der Luft hängen gelassen und verbleibt mit zahlreichen offenen Fragen. Nachdem die durchweg mit schicken Schauwerten ausgestattete Serie in der letzten Episode auf einige rasante Entwicklungen setzt, sich mancher Figuren auf überraschend kaltblütige Weise entledigt und mit einem neuen großen Mysterium aufwartet, ist einfach Schluss. Das war´s.


5,5 von 10 ungeklärte Fragen, auf die es nie eine Antwort geben wird




von Pat

Review: MIDNIGHT SPECIAL – Ein Science-Fiction-Drama der außergewöhnlichen Sorte

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Fakten:
Midnight Special
US, 2016. Regie & Buch: Jeff Nichols. Mit: Michael Shannon, Joel Edgerton, Kirsten Dunst, Jaeden Lieberher, Adam Driver, Sean Bridgers, Paul Sparks, Sam Shepard, Scott Haze u.a. Länge: 112 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Ab dem 23. Juni 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Alton ist kein gewöhnlicher Junge, denn anscheinend besitzt der 8-jährige besondere Fähigkeiten, die ihn für religiöse Sekten ebenso attraktiv machen wie für Teile der Regierung. Um den Jungen zu beschützen und offenbar zu einem bestimmten Ereignis zu bringen, das zunächst nicht genauer erklärt wird, begibt sich sein Vater mit ihm und einem alten Freund auf die Flucht...




Meinung:
Über die letzten Jahre hinweg hat sich Jeff Nichols zu einem der momentan interessantesten Regisseure entwickelt. Den einfachen Weg ging er dafür nie, denn seine Filme vereinen meistens verschiedene Genres und Stimmungen miteinander, die noch dazu auf den ersten Blick nicht immer einwandfrei zusammenpassen wollen. In "Take Shelter" beispielsweise trafen apokalyptisch beängstigende Visionen auf eine schizophren-instabil wirkende Hauptfigur, während Nichols seine düsteren, schweren Themen mit einer unheimlich feinfühligen, bewegenden Intimität inszenierte, durch die er eine unvergleichliche Atmosphäre erzeugte, die einer gefühlsmäßigen Achterbahnfahrt entsprach.


Gemeinsam und mit Waffengewalt setzen sie sich zur Wehr
Für "Midnight Special" hat der Regisseur seinen speziellen Stil nun vollständig auf die Spitze getrieben und das in seiner bisherigen Karriere wohl polarisierendste Werk geschaffen, bei dem es extrem schwer fällt, zu einem eindeutigen Urteil zu gelangen. Zunächst ist man vom Film aber erstaunlich schnell gefesselt, denn Nichols startet mit einem Auftakt, der Fragezeichen aufwirft, über die man sich gar keine klaren Gedanken bilden kann, denn im nächsten Moment befinden sich die Hauptfiguren bereits in einer adrenalingeladenen Flucht und rasen mit dem Auto über die Straßen. "Midnight Special" handelt zu Beginn von zwei Männern, die einen kleinen Jungen offensichtlich vor irgendetwas beschützen wollen, während in sämtlichen Nachrichten davon berichtet wird, dass genau dieser Junge aus seinem Elternhaus entführt wurde. Hinzu kommt, dass eine religiöse Vereinigung ebenso an dem Jungen interessiert ist wie die Regierung, bei der sich schnell die NSA und das FBI einschalten. Über das gesamte erste Drittel hinweg sind diese Informationen beinahe alles, was sich von der Handlung erfassen lässt, denn ansonsten verlaufen zentrale Mysterien bewusst länger im Dunkeln.


In dem Jungen stecken ungeahnte Kräfte
Nichols verfolgt mit seinem Ansatz ein höchst interessantes Konzept, das sich allerdings in gewisser Weise auch als frustrierend entpuppt. Der Regisseur will sich zu keinem Zeitpunkt für eine klare Linie entscheiden, streut Science-Fiction-Elemente in die Geschichte, nur um in der nächsten Szene nach den ganz großen Drama-Lorbeeren zu greifen, wenn er Thematiken wie familiären Zusammenhalt, unausweichliche Schicksale und moralische Zweifel in einen geerdeten, zurückhaltenden Rahmen bringen will. Als wäre das nicht schon ambitioniert genug, nimmt "Midnight Special" auch immer wieder Züge eines reinrassigen Thrillers an, in dem sich die Figuren zu einem wuchtig-mitreißenden Score in Verfolgungsjagden befinden oder konzentrierte Schusswechsel liefern. In seinen besten Momenten läuft der Film dadurch zu wahrer Höchstform auf und bietet eine Reihe von Einzelszenen, die schlichtweg überwältigend sind und die Grenze zum Konventionen sprengenden Meisterwerk sowie innovativen Genre-Hybrid immer wieder streifen. Leider beschränkt sich dieser Eindruck lediglich auf Einzelszenen, denn letztlich bleibt "Midnight Special" als Gesamtwerk seltsam ungreifbar, zerbricht regelmäßig an der Last, leise Dramatik mit überbordender Fantasie zu verbinden und irritiert mit Einschüben in Form des Nebenhandlungsstrangs der Regierungsaktivitäten, die sich in bloßen Spurensuchen und trockenen Theorien erschöpfen.


Auch wenn dem Regisseur mit der Handlung eine spürbar persönliche Geschichte am Herzen lag, bei der Nichols seine eigenen Erlebnisse als Vater verarbeitete, stehen gefühlvolle Momente im Konflikt mit der ständigen Geheimniskrämerei, bei der die Motivationen und Charakterzüge der Figuren, die überwiegend stark besetzt sind, zu lange verborgen bleiben, um nachhaltig zu berühren. "Midnight Special" ist am Ende aber trotzdem nicht weniger als ein überaus interessantes Werk, das so faszinierend aus dem Ruder läuft wie schon lange kein Film mehr. Selbst in den schwächeren Momenten hält einen der Film nahe bei sich, während in den besten Momenten Potential eines brillanten Meisterwerks aufblitzt, das bedauerlicherweise nie vollständig entblättert wird. 


7 von 10 zum ersten Mal gemeinsam erlebte Sonnenaufgänge



von Pat

Review: BEYOND THE BRIDGE - Tief im Kaninchenbau der Seele

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Fakten:
Beyond the Bridge
BRD, CH, 2015. Regie & Buch: Daniel P. Schenk. Mit: Maya Schenk, Thomas Koch, Eleanor Buechler, Jean-Noël Molinier, Carolina Schenk, Robert Matathia, Margot Gödrös u.a. Länge: 109 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD sowie als VoD hier erhältlich.


Story:
Marla kehrt nach zwei Jahren zurück nach Hause, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall verstarben und sie sich nun um den Verkauf des Anwesens kümmern will. Das große Wiedersehen mit ihren Freunden wird auf einer Hausparty gefeiert, auf der sie eine ihr unbekannte Pille einschmeißt. Fortan erlebt sie jede Nacht einen Albtraum, der erschreckend real wirkt. Was sie zunächst auf Nebenwirkungen des Drogenkonsums schiebt, scheint weit mehr zu sein…


            
                                                                    
Meinung:
„The truth is an ugly, yet simple animal.“

Das ließe sich auch mühelos über die zaghaften Versuche des Genrefilm aus dem deutschsprachigen Raum sagen, die sich bis auf ganz wenige Ausnahmen (wie immer an dieser Stelle: „Masks“ oder auch zuletzt „German Angst“) maximal mit „Er war stets bemüht“ links rauswinken lassen. Die Erwartungen sind somit - gelinde gesagt – gedämpft, wenn nun ein weiteres Low-Budget-Projekt (um konkrete Zahlen zu nennen: ca. 10.000 Euro) irgendwo aus dem Nichts auftaucht und mutmaßlich dort auch besser aufgehoben wäre. Denkste! Mit seinem über 5 Jahre entwickelten Spielfilmdebüt zeigt Daniel P. Schenk, dass sich ein guter Film in erster Linie nicht über das Budget definiert, auch mal die eigenen Grenzen deutlich aufzeigen darf, aber in den wesentlichen Elementen überzeugen kann: Idee, Hingabe und dem Rahmen entsprechend am Rande des Möglichen.


Spieglein an der Wand, ist das die einzige Marla Singer im Filmland
„Deutschsprachig“ ist hier nur regional korrekt. Um den Film international konkurrenzfähig zu gestalten, wurde direkt auf Englisch gedreht (kennt man von „Urban Explorer“, der auch nicht schlecht war). Das dies nicht die Muttersprache der Akteure ist wird an einigen Stellen durchaus ersichtlich, aber alles noch im vernünftigen Bereich und wenn es danach ginge, Arnie hätten sie seinerzeit nonstop zurückgeflogen. Ansonsten sind die darstellerischen Leistungen erstaunlich brauchbar, nicht nur für das Genre, sondern allgemein für die Voraussetzungen. In der Hauptrolle gibt Maya Schenk, die Schwester des Regisseurs, eine überzeugende Vorstellung. Zudem sind auch seine andere Schwester Carolina, seine Eltern und sogar das Elternhaus als Set zu sehen. Das spart Geld, erübrigt das lästige Anrufen daheim und – man höre und staune – es mindert die Qualität des Films überhaupt nicht. Wenn es nicht faktisch belegt wäre, es müsste gar nicht erwähnt werden, würde nicht auffallen. Das ist alles wesentlich besser als der übliche „Meine Familie, meine Garage, mein Film“-Krempel, der einem oft mit mehr Selbstbewusstsein als Kompetenz und dieser Klingelstreich-Mentalität versucht wird zu verkaufen. Wer aufmacht, ist selber schuld.


Also Pillen einzuwerfen ist das eine, aber rauchen?! Tzz.
Damit hat „Beyond the Bridge“ nichts oder zumindest nichts letztlich Relevantes zu tun. Das schmale Budget wird ausschließlich in wirkungsvoller Weise investiert, sprich die Geschichte in eine insgesamt effiziente Inszenierung zu verpacken. Besonderes Augenmerk liegt dabei natürlich auf den surrealen, bizarren Nacht(Traum?)-Sequenzen, bei denen sich Schenk ganz bewusst an der „Silent Hill“-Spielserie orientiert. Speziell die erste (und längste) dieser Szenen könnte in der Tat fast aus den nicht-actionorientierten Teilen der Spiele entnommen sein. Die Kamera folgt der Protagonistin meist direkt über der Schulter, mal arrangiert in der Ego-Perspektive oder wird in statischen Blickwinkel montiert, die dem Gefühl des Games sehr, sehr nahe kommen. Selbst das Sounddesign vermittelt diese unbehagliche Stimmung des Vorbildes, bei dem neben der beängstigenden Musik viel Wert auf den Klang von Effekten gelegt wird. Von dem Waldstück jenseits der Brücke dringt Marla Singer (!) immer tiefer in die Geheimnisse ihres Elternhauses ein, sammelt Hinweise, versteckte Schlüssel und öffnet Türen, die eigentlich für immer geschlossen bleiben sollten. Was zunächst nur eine nett gemachte Hommage zu sein scheint, entpuppt sich im weiteren Verlauf als gut durchdachter und überrumpelnder Mystery-Psychothriller mit nicht geringer Mindfuck-Qualität, der sich in seiner sauber konzipierten Pointe durchaus gewaschen hat.


Mit seiner – für so eine Produktion – recht üppigen Laufzeit von fast 110 Minuten ist „Beyond the Bridge“ vielleicht eine Spur zu lang ausgefallen und kann über die gesamte Strecke natürlich nicht verbergen, was er ist und wo er herkommt. Unter professionelleren Bedingungen würde der Film wahrscheinlich noch einiges mehr an Boden gut machen. Andererseits ringt er einem genau deshalb in dieser zu Kompromissen gezwungenen Form großen Respekt ab und lässt das enorme Talent erkennen, was in diesem Regisseur und Autor schlummert. Da mag man wohlwollend über leichte Defizite (die sich zum Teil wohl kaum vermeiden ließen) hinwegsehen, die unter anderen Bedingungen kritischer ins Gewicht fallen würden. Aus den gebotenen Möglichkeiten macht „Beyond the Bridge“ erfreulich viel und lässt hoffen, dass Daniel P. Schenk dadurch eventuell demnächst die Chance auf Größeres bekommt. Da kann jemand was, und offenbar nicht wenig. 

6,5 von 10 schwarzen Müllsäcken

Review: IN FEAR - Mit der Dämmerung kommt die Angst

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Fakten:
In Fear
GB, 2013. Regie & Buch: Jeremy Lovering. Mit: Iain De Castecker, Alice Eglert, Allen Leech. Länge: 81 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Tom will seine neue Freundin Lucy mit einem Aufenthalt in einem Waldhotel überraschen. Auf dem Weg dorthin verfahren sie sich, weder die Karte noch die Hinweisschilder scheinen sie in die richtige Richtung zu führen. Immer wieder passieren sie die selben Punkte auf der unübersichtlichen Straße durch die Wälder, die Nerven liegen langsam blank. Als die Dunkelheit hineinbricht, steigert sich ihr Frust in pure Angst, denn irgendjemand scheint ein perfides Spiel mit ihnen zu treiben.







Meinung:
Der bis dato nur für das britische Fernsehen tätige Jeremy Lovering legt mit seinem Independent-Horrorfilm „In Fear“ über weite Strecken einen beachtlichen Genre-Vertreter hin, der sich in der ersten Filmhälfte durch ein hervorragendes Gespür für das Spiel mit natürlichen Ängsten, stille, kaum greifbare Bedrohung und ausgereifte, punktgenaue Spannungsmomente auszeichnet, leider seine überraschend hohe Qualität nicht gänzlich über die Ziellinie retten kann.


Es sollte romatisch werden, es wurde furchteinflößend.
Mit nur drei Darstellern, kaum Budget und einem zum Teil improvisierten Skript gelingt Lovering das, was viele heutige Horrorfilme schmerzlich vermissen lassen. In Zeiten von CGI-Geistern, sadistischer Folter und für den Mainstreamgeschmack immer gleichgeschalteten, sauber geleckten und auf Hochglanz polierten Popcorn-Schockern ist es eine Wohltat zu erleben, dass es noch hoffnungsvolle, talentierte Regisseure gibt, die sich auf das Elementare im Genre berufen, es beherrschen und dieses selbst mit geringsten Mitteln vorbildlich umsetzen können. Über der Ödnis der nordirischen Wälder liegt subtiler, schleichender Horror wie ein dunkler Schleier, ein unsichtbares Damoklesschwert baumelt über den Protagonisten, ohne dass sie und wir uns das zunächst faktisch belegen können. Durch seinen authentischen Look, dem ruhigen, dennoch treibenden Score und wohl überlegte, in ihrer Normalität so beunruhigenden Bildern und Einstellungen vermittelt „In Fear“ genau das, was seinem Titel gerecht wird. Angst. Unerklärliche Angst vor jemanden oder irgendetwas. Als wenn dort draußen etwas lauern würde. Die engen Waldwege werden zum ausweglosen Labyrinth, das junge Pärchen schrittweise zermürbt, mit der Dämmerung steigern sich Panik und mögliche Paranoia so sehr, dass die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen und für den angespannten Zuschauer nicht mehr klar zu trennen sind. Ist die Furcht angebracht, müssen Tom und Lucy tatsächlich um ihr Leben fürchten oder sind es nur die Situation und ihre inzwischen labile Wahrnehmung, die ihnen einen grausamen Streich spielen? So lange Lovering mit diesen Ansätzen hantiert, lässt einen „In Fear“ mehrfach flach atmen und nervös zusammenzucken.


Der fantastischen ersten Hälfte kann der Schlussspurt dann leider nicht mehr ganz gerecht werden. Dem Grauen wird zu früh ein Gesicht gegeben, die womöglich als surreal einzustufenden Momente erweisen sich als sehr real und somit doch nicht so verstörend. „In Fear“ beraubt sich zum Teil seiner größten Stärke, als er beginnt sich zu öffnen und eine dann eine relativ beliebige Auflösung zu präsentieren. Weiterhin souverän und atmosphärisch inszeniert fehlt einfach das Mysteriöse, das Unerklärliche, was die Spannung lange so weit oben halten konnte. Im Prinzip wird mehr versprochen, als unterm Strich geboten wird. Zumindest lässt sich Jeremy Lovering immer noch hoch anrechnen, dass er seinem Stil dennoch treu bleibt und nicht der Versuchung verfällt, seinen Film durch publikumswirksamen Gore und Blutzoll zu sehr in eine falsche Richtung zu lenken. Auch wenn „In Fear“ letztlich nicht ganz die durch seinen bärenstarken Beginn geschürten Erwartungen erfüllen kann und etwas zu konventionell endet (was er nicht unbedingt nötig gehabt hätte), Genrefreunde sollten sich diesen kompakten, kurzweiligen und in seiner bedrückenden Stimmung manchmal sogar erstklassigen Beitrag lieber nicht entgehen lassen. Unter dem ganzen Plunder, der sonst so auf den Video-Markt geschleudert wird, ist das hier mehr als nur einen Blick wert. Mit so bescheidenen Möglichkeiten noch echte Furcht zu erzeugen, ist eine Seltenheit geworden.

6,5 von 10 ängstlichen Blicken in den Seitenspiegel