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Review: ASCENSION (Die komplette Mini-Serie) – Das Leben in einer intergalaktischen Nussschale

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Fakten:
Ascension
US, 2014. Regie: Nicholas Copus, Mairzee Almas, Rob Lieberman, Vincenzo Natali, Stephen Williams. Buch: Phillip Levens, Adrian A. Cruz, Melody Fox. Mit: Tricia Helfer, Mark Camacho, Al Sapienza, Brad Carter, Lauren Lee Smith, Ryan Robbins, Andrea Roth, Brandon P. Bell u.a. Länge: 265 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Während des kalten Kriegs trifft die US-amerikanische Regierung im Jahr 1963 eine bedeutende Entscheidung. Aufgrund der Angst vor einem eskalierenden Konflikt werden mehrere Hundert Männer, Frauen und Kinder an Bord eines gigantischen Raumschiffs auf eine 100 Jahre andauernde Reise ins Weltall geschickt. Nach der Hälfte der Reise wird die Besatzung zum ersten Mal schwer erschüttert, nachdem eine junge Frau ermordet aufgefunden wird. Die Menschen an Bord der Ascension werden langsam misstrauisch und hinterfragen die Mission ihres Daseins, was nach und nach zu unglaublichen Enthüllungen führt...




Meinung:
In ferner Zukunft ist es durchaus möglich, dass die Menschheit nicht mehr dazu in der Lage ist, auf der Erde leben zu können. Diese Theorie wird nicht nur regelmäßig von Wissenschaftlern aufgestellt und untersucht, sondern auch im Science-Fiction-Genre in Filmen oder Serien ergründet. Ein äußerst prominentes Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist "Interstellar". In Christopher Nolans Blockbuster wird die Erde durch gigantische Staubwolken und das Aussterben sämtlicher natürlicher Ressourcen nicht mehr lange bewohnbar sein, weshalb ein Team von Astronauten auf eine Mission durchs Weltall geschickt wird, um bislang unbekannte Planeten zu entdecken, auf denen menschliches Leben fortbestehen könnte.


Ein kleines Mädchen mit großer Bedeutung
Ein ähnliches, grundsätzlich ebenfalls äußerst interessantes Konzept verbirgt sich hinter "Ascension", einer sechsteiligen Mini-Serie des amerikanischen TV-Senders Syfy. Gleich zu Beginn der ersten Episode wird man als Zuschauer zunächst in eine gewöhnlich wirkende Gesellschaftsordnung geworfen. Die dekadente Oberschicht feiert rauschhafte Partys, in der Mittelschicht kehrt man nach einem Arbeitstag im Büro in die gemütliche Eigentumswohnung zurück und in der Unterschicht wird in schmutzigen Maschinenräumen schwer gearbeitet, um irgendwie über die Runden zu kommen. Kurz bevor das Logo der Serie zum ersten Mal eingeblendet wird, erschließt sich dem Betrachter allerdings, was "Ascension" wirklich ist. Die rund 600 Menschen in dieser Geschichte sind die Besatzung eines riesigen Raumschiffs, das im Jahr 1963 von der US-Regierung aufgrund des kalten Kriegs auf eine 100-jährige Mission geschickt wurde, um einen weit entfernten Planeten namens Proxima zu bereisen. Die Handlung der Serie setzt 51 Jahre nach Abreise der Ascension an und entwirft einen außergewöhnlichen Mikrokosmos, hinter dem sich nach und nach zahlreiche interne Regelungen, Intrigen auf der Führungsebene und faszinierende Mysterien offenbaren.


Mit optischen Schauwerten geizt die Serie nicht
Der entscheidende Stein, der nachfolgende Ereignisse ins Rollen bringt, ist der Tod einer jungen Frau, welcher schnell als Mord identifiziert wird. Während "Ascension" über die ersten zwei Episoden hinweg wie eine Mischung aus Murder-Mystery, Soap-Opera und Science-Fiction-Parabel wirkt, lässt ein gewaltiger, intelligenter Twist am Ende der zweiten Episode das gesamte Szenario in einem komplett neuen Licht erscheinen. Ohne zuviel Preis zu geben, gewinnt die Serie fortan ungemein an Tiefe, indem die Autoren Raum für philosophische Denkanstöße öffnen. Neben den Ereignissen auf der Ascension ist ein paralleler Handlungsstrang auf der Erde angesiedelt und wird entscheidend mit dem Schicksal der Figuren verwoben, die sich im Inneren des Raumschiffs befinden. "Ascension" wirft einige Fragen auf, die sich mit Selbstbestimmung, dem freien Willen und den ethischen Grenzen der Wissenschaft beschäftigen, während die zentrale Handlung in kleinen Schritten von Episode zu Episode neue Rätsel entwirft. Bedauerlicherweise war der Serie keine sonderlich lange Lebenszeit vergönnt, denn nach nur sechs Episoden der Mini-Serie zog der Sender bereits den Stecker und verzichtete auf die Bestellung einer vollen Staffel.


"Ascension" wirkt durch diesen Umstand extrem unfertig und bruchstückhaft. Auch wenn man über mehrere Episoden hinweg langsam Hinweise auf größere Zusammenhänge erhält, den Figuren näher kommt und wirkliches Interesse an den tiefergehenden Mysterien sowie Theorien entwickelt, wird man mit einem abrupten Cliffhanger völlig in der Luft hängen gelassen und verbleibt mit zahlreichen offenen Fragen. Nachdem die durchweg mit schicken Schauwerten ausgestattete Serie in der letzten Episode auf einige rasante Entwicklungen setzt, sich mancher Figuren auf überraschend kaltblütige Weise entledigt und mit einem neuen großen Mysterium aufwartet, ist einfach Schluss. Das war´s.


5,5 von 10 ungeklärte Fragen, auf die es nie eine Antwort geben wird




von Pat

Review: LA ISLA MÍNIMA – MÖRDERLAND – Verstümmelte Leichen im geschädigten Spanien

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Fakten:
La isla mínima – Mörderland (La isla mínima)
ES, 2014. Regie: Alberto Rodríguez. Buch: Alberto Rodríguez, Rafael Cobos. Mit: Raúl Arévalo, Javier Gutiérrez, Antonio de la Torre, Nerea Barros, Jesús Castro, Mercedes León, Adelfa Calvo u.a. Länge: 104 Minuten. FSK: Noch keine Freigabe. Ab 02. August 2016 im Kino.


Story:
Im Jahr 1980 werden die beiden Ermittler Juan und Pedro aus Madrid in das andalusische Sumpfland geschickt, um im Fall zweier vermisster Mädchen zu ermitteln. Der Fall wird zusätzlich durch den Umstand belastet, dass die beiden gegensätzliche Ansichten besitzen, durch die sich ein hohes Konfliktpotential entwickelt. Es dauert nicht lange, da werden zwei Leichen im Sumpf geborgen...




Meinung:
Auch wenn es immer ein wenig überflüssig wirkt, das Kino und Fernsehserien in heutigen Zeiten so zu betrachten, als würde das eine Medium ständig das andere beeinflussen, um daraus förmlich einen Konkurrenzkampf anzuzetteln, ist der Vergleich zwischen Film und Serie bei einem Streifen wie "La isla mínima – Mörderland" fast schon unvermeidlich. Die Parallelen zwischen Alberto Rodríguez´ Werk und der ersten Staffel von "True Detective" sind kaum zu übersehen und zusätzlich hat beides im Jahr 2014 erstmalig Premiere gefeiert.


Es muss aber auch immer brenzlig werden
Im Film wie in der Serie geht es um zwei gegensätzliche Ermittler, die es in die trüben Sümpfe des Hinterlandes verschlägt, wo ein Serienkiller auf brutale Weise junge Frauen ermordet. Während Nic Pizzolatto, Autor der gesamten ersten Staffel des HBO-Erfolgs, seine Geschichte mithilfe einer raffinierten Rückblenden-Struktur ausbreitete, bei der die erzählerische Zuverlässigkeit beider Hauptfiguren regelmäßig angezweifelt werden konnte, und die Handlung zusätzlich mit mystisch-rätselhafter Metaphorik durchsetzte, beschreitet Rodríguez in seinem Film andere Wege. "La isla mínima – Mörderland" spielt im Jahr 1980, fünf Jahre nach dem Ende des grausamen Franco-Regimes. Die Folgen der jahrzehntelangen Diktatur verwebt der Regisseur auf höchst beklemmende Weise mit dem zentralen Kriminalfall, wodurch er das schreckliche Verbrechen, welches dem Ermittler-Duo schlaflose Nächte und Kopfzerbrechen bereitet, in einen politischen Rahmen rückt, in dem die geschädigte Seele einer ganzen Nation immer wieder zum Vorschein kommt. Bereits bei ihrer Ankunft im andalusischen Sumpfland stoßen die Polizisten auf deutliche Ablehnung, während sich in den Gesichtern der Einwohner Resignation, Verzweiflung und Ratlosigkeit abzeichnet.


Klitschnasser Durchbruch oder ein Schlag ins Wasser?
An der Oberfläche verlaufen die eigentlichen Ermittlungen relativ konventionell und führen durch Zeugenbefragungen, Verdächtigungen, und Spurenverfolgungen über immer tiefere Verstrickungen in ein Netz aus menschlichen Abgründen und höherer Korruption. Das Tempo von "La isla mínima – Mörderland" ist dabei auffällig gedrosselt, damit die elegischen Bildkompositionen, in denen sich hypnotische Panoramen und flirrende Atmosphäre kunstvoll vereinen, ihre volle Wirkung entfalten können. In diesem brodelnden Dickicht finden sich außerdem zwei überaus interessante Protagonisten wieder, die zu Beginn zwar nicht direkt wie freundlich gesinnte Kollegen erscheinen, aber nichtsdestotrotz ein stabiles Verhältnis ausstrahlen. Erst im weiteren Verlauf der Geschichte streut Rodríguez kleine Details und Enthüllungen in das Geschehen, welche die Dynamik zwischen den Ermittlern durchrütteln oder in eine konstant angespannte Richtung drängen. Im letzten Drittel verdichtet der Regisseur sein bis dahin trocken-entschleunigtes Szenario zunehmend, um über zeitweise elektrisierende Einschübe an einem Endpunkt anzugelangen, der auf zwiespältige Weise längst nicht alle Fragen beantwortet, auf die man sich als Zuschauer Antworten erhofft.


Letztendlich ist der Vergleich zwischen "La isla mínima – Mörderland" und der ersten Staffel "True Detective" weitestgehend hinfällig. Auch wenn beide Werke ein ähnliches Setting sowie inhaltliche Parallelen aufweisen, grenzen sie sich durch die Unterscheidung zwischen Metaphorik und Politik deutlich voneinander ab. Regisseur Alberto Rodríguez blickt zwischen den grausam geschändeten Leichen der Mordopfer hindurch auf eine traumatisierte, spanische Gesellschaft, die innerlich auf eine recht ähnliche Weise geschädigt ist. Entstanden ist dadurch ein nicht immer einfacher Film, der durch seine provokante Langsamkeit auffällt, aber mit unglaublich atmosphärischen Einstellungen und faszinierenden Hauptcharakteren entschädigt.


7 von 10 Flamingos



von Pat

Review: ZWIELICHT - Engelchen und Teufelchen

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Fakten:
Zwielicht (Primal Fear)
USA, 1996. Regie: Gregory Hoblit. Buch: Steve Shagan, Ann Biderman, William Diehl (Vorlage). Mit: Richard Gere, Edward Norton, Laura Linney, Frances McDormand, John Mahoney, Alfre Woodard, Terry O´Quinn, André Braugher, Maura Tierney, Steven Bauer, Joe Spano, Stanley Anderson u.a. Länge: 125 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Starverteidiger Martin Vail, immer um Publicity bedacht, wittert die Chance für einen ganz großen Auftritt im Rampenlicht der Medien. Der Erzbischof von Chicago wurde auf bestialische Art abgeschlachtet, in der Nähe des Tatortes einer seiner Messdiener blutüberströmt festgenommen. Vail bietet dem 19jährigen Aaron kostenlos seine Dienste an. Normalerweise will er überhaupt nicht wissen, ob seine Mandanten schuldig sind oder nicht, grundsätzlich ist es ihm egal, doch im Fall von Aaron ist er sich trotz der erdrückenden Indizien sicher, dass er unmöglich der Täter sein kann. Dieses höfliche, stotternde, eingeschüchterte Milchgesicht scheint niemals zu so einer Tat fähig. Vail bastelt an einer geschickten Verteidigung, bis eine unerwartete Wendung diese völlig über den Haufen wirft…



                                                                                




Meinung:
Nachdem die Karriere von Edward Norton – vielleicht mit Ausnahme seiner Nebenrollen in den letzten Filmen von Wes Anderson – in den vergangenen Jahren arg in Stottern (!) geraten schien, meldete er sich mit seiner Rolle in „Birdman“ wieder im ganz großen Rampenlicht zurück, heimste einer weitere Oscarnominierung als bester Nebendarsteller ein, auch wenn er am Ende leer ausging. Wie auch schon bei seinem Debütfilm „Zwielicht“. Der beim Dreh bereits 26jährige Norton (spielt einen 19jährigen, was man ihm aufgrund seines schmächtigen Äußeren auch locker abnimmt) wird trotz seiner recht großen, wichtigen Rolle erst weiter hinten in den Credits genannt, nach dem Film hatten sich viele seinen Namen sicher gemerkt. Der Lohn: Die bereits angesprochene Oscarnominierung und sogar der Gewinn des Golden Globes, in den Folgejahren stieg er zum gefragten Charakterdarsteller auf. Ein Einstand nach Maß, kann man kaum anders bezeichnen.


Vielleicht sein größter Goldesel...
Der nominell eigentliche Star des Films ist Richard Gere, der den geltungsbedürftigen Schickimicki-Rechtsverdreher Martin Vail gibt. Seine Mandanten sind selten Unschuldslämmer, können dafür gut bezahlen und Vail ist es letztlich eh schnuppe, mit solchen Details hält er sich nicht lange auf. Nach dem Motto „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ verzichtet er freiwillig auf die reine Wahrheit, biegt sich lieber geschickt eine zusammen, die man den Geschworenen unterjubeln kann. Das beherrscht der Mann blendend. Gere spielt das in seinem gewohnten Modus runter, lange nicht so direkt wie in seinen wenigen, dafür dann meist extrem überzeugend-intensiven Bad-Guy-Parts in Filmen wie „Internal Affairs“ (1990) oder „Das Gesetz der Straße – Brooklyn´s Finest“ (2009), auch nicht so blütenrein anschmiegsam wie in seinen Paraderollen als grau melierter Schmusebär, sein Charakter liegt nun mal im schattigen Niemandsland zwischen Gut und Böse. Oder eher zwischen höchster Professionalität und (dem auf dem Niveau bald unvermeidlichen) moralischem Desinteresse. Bei seinem neuesten Fall geht es ihm zwar nicht um das Honorar, da gibt es nichts zu holen, dafür um etwas viel kostbareres: Sich medienwirksam als großer Zampano zu verkaufen, einen schlicht unmöglichen zu gewinnenden Fall zu wuppen und somit sein Ego in aller Öffentlichkeit auf höchstem Niveau zu streicheln. Ausgerechnet jetzt bezieht er erstmals, ausversehen, moralisch Stellung. Zunächst eher unbewusst, beiläufig, eigentlich juckt ihn das auch nicht wirklich, aber diesen Kerl, diesen blassen Schluck Wasser in der Kurve, der braucht ihn mit seiner zitterigen Stimme und den dankbar-kindlichen Augen nur seine Unschuldsbekundungen vorstottern, da hat sich selbst ein abgebrühter Profi wie Vail blitzschnell sein Urteil gebildet. Das Häufchen Elend hat einen viehischen Mord begangen? Nie und nimmer.


...oder sein schlimmster Fehler?
„Zwielicht“ ist zwar ganz klar konventionelle, wenig spektakulär inszenierte Justiz-Thriller- Kost im A-Movie-Look der 90er, vom routinierten Auftragsregisseur Gregory Hoblit ohne großes Eigenstellungsmerkmal mit einem soliden, gestandenen und dennoch nicht super-prominenten, schillernden Cast sicher runtergedreht (da darf eine Weltklassedarstellerin wie Frances McDormand auch mal ohne großen Aufwand die Nebenkostenabrechnung fürs laufende Jahr verdienen), ist grob betrachtet nicht unbedingt ein Hit, baut dadurch geblendet aber fast unbemerkt einen gut durchdachten Plot auf, der eben nicht nur durch sein Kaninchen-aus-dem-Hut-Finale am Ende noch die Kurve nimmt, sondern viel früher schon auf Kurs ist. Die Figur von Gere macht eine glaubhafte, nicht zu ruckartige Entwicklung durch, nach 125 Minuten hat man plötzlich einen ganz anderen Menschen vor sich als noch zu Beginn, ohne dass der Film darauf mit „dem einen Moment“ hinweisen muss. Da ist er sicherlich selbst so überrascht drüber wie der Zuschauer, der das bemerkt. In die Handlung werden gezielte und gut platzierte Verdachts- und Zweifelmomente eingebaut, die nicht wie so oft sich als mehr oder weniger heiße Luft erweisen, sondern für die Gesamtgeschichte, wenn auch nur am Rande, einen Sinn erfüllen. Und über allem geistert dieser Edward Norton, der hier zwar nicht die an einigen Stellen übertrieben-gepushte Überleistung bringt, aber das ist schon, gerade für ein Debüt, erstaunlich klasse. Dass die Rolle, besonders gegen Ende, zu konstruiert wirkt, dafür kann er nichts, holt dafür quasi das Maximum aus dem Part heraus.


Der Film funktionierte damals leicht anders als heute, was nicht schlimm, sondern eher ein Qualitätsmerkmal ist. Für die Erstsichtung ist ganz klar die Pointe und deren Wirkung gedacht und als solcher Trick ist das Ganze augenscheinlich auch konzipiert, aber der kann durchaus noch mehr, was vielleicht erst mit leichtem Abstand auffällt. Sein leicht biederes Äußeres mag täuschen, „Zwielicht“ gehört noch zu diesen Ta-Ta-Ta-Filmen, die sich nicht nur mit dem Konfetti am Schluss entkräftet über die Ziellinie retten.

7 von 10 Ausrastern im Kreuzverhör

Review: TRUE DETECTIVE (Staffel 1) – Kampf mit den eigenen Dämonen

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Fakten:
True Detective – Staffel 1
USA. 2014. Regie: Cary Fukunaga. Buch: Nic Pizzolatto.
Mit: Matthew McConaughey, Woody Harrelson, Michelle Monaghan, Michael Potts, Tory Kittles, Kevin Dunn, Tess Harper, Elizabeth Reaser, Jay O. Sanders, Paul Ben-Victor- Shea Whigham, Lili Simmons u.a. Länge: 8 Folgen á ca. 60 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 4. September auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die Geschichte eines alten, ungeklärten Mordfalls und die Geschichte der beiden ungleichen Ermittler Martin Hart und Rust Cohle, die vor einigen Jahren versuchten den Täter zu überführen.





Meinung:
Menschliche Silhouetten legen sich über den Bildschirm, gespickt, umklammert und gleichzeitig entrückt und verfremdet von Landschaftsfragmenten, maroden Gebäudekulissen, ornamentierten Gegenständen. Alles verschmelzt inmitten motivischer Symbolik, wird eins, um mit dem nächsten Wimpernschlag schon wieder voneinander getrennt zu werden, sich abzustoßen, Grenzen innerhalb dieser Kadrage aufzuweisen, während The Handsome Family mit „Far from Any Road“ das Geschehen so passend wie abwegig musikalisch begleitet. Diese Sequenz, das Opening von „True Detective, lässt Großes erahnen, es nimmt den Zuschauer gefangen, öffnet ihm die Pforten in eine neue Welt. Diese neunzig Minuten sind in ihrer symbiotischen Stilistik für die Ewigkeit; einprägsam, überwältigend, atemberaubend, jede Sekunde ein Kunstwerk für sich, an dem sich die Augen immer wieder krampfhaft festzusaugen versuchen, um all die bleiche Schönheit absorbieren und für das Gedächtnis konservierbar machen zu können. Doch was verbirgt sich in dieser Welt, in die wir so rücksichtslos gezogen werden?

 
Hart und Cohle bei der Spurensuche
Man kommt kaum drumherum, in die allgemeinen Jubelchöre, wie sie die HBO-Serie „True Detective“ von Cary Fukunaga u nd Nic Pizzolatto anhaltend auslösen, einzustimmen. Ja, hier wurde sicher Geschichte geschrieben, nicht nur durch seinen von einschneidenden Impressionen gesäumten Auftakt, sondern vielmehr durch seine Form des seriellen Erzählens, die dem Serienmarkt einen enormen Schub verpasst hat und die Qualitäten des Kinos (wie schon „The Wire“) aus dem narrativen Standpunkt betrachtet offenkundig infrage zu stellen weiß. Und dennoch: Trotz seine unübersehbaren Kompetenzen auf künstlerischer Ebene, muss sich „True Detective“ zweifelsohne einige Abstriche in der B-Note gefallen lassen, denn von der in letzter Zeit so lächerlich vehement propagierten 'Perfektion' ist man doch noch einen guten Schritt weit entfernt. Aber erst einmal zurück auf Anfang, bevor gemeckert werden darf. „True Detective“ zieht uns in ein Louisiana, das durchweg wie aus der Zeit gefallen scheint; ein Ambiente, das seine scharfen Krallen um den Zuschauer legt, aber zeitlich niemals eindeutig zu verorten ist: Dieses Louisiana ist eine Illusion.

 
Kollegen aber keine Freunde?
Die Illusion einer verdorbenen Welt, dessen Anmut und Grazie, Wärme und Zuneigung schon lange abgeblättert ist und sich in einer ewig währenden, einer von triebhafter Maßlosigkeit geprägten Finsternis verloren hat. Rust Cohle (Matthew McConaughey, „Dallas Buyers Club“), einer der beiden Hauptakteure von „True Detective“, ist Produkt und damit auch Opfer dieser Welt. Der Zuschauer lernt ihn als eine Mischung aus Realist, Nihilist und Pessimist kennen, der mit seinen provokanten wie philosophischen Thesen über die Menschheit und das Universum in seiner misanthropischen Haltung abschreckt, wie er in seiner bleiernen Eloquenz auch zu faszinieren weiß. Rust Cohle ist ein gebrochener, von Schicksalsschlägen innerlich verwüsteter Mann, dessen Ordnung nach dem Unfalltod seiner Tochter vollkommen aus den Fugen geraten ist. Trost sucht er im Alkohol, wühlt sich obsessiv in Arbeit und erstarrt in seiner kargen und ohne jedes Mobiliar ausgestatteten Wohnung. An seiner Seite steht Marty Hart (Woody Harrelson, „Die Tribute von Panem: Catching Fire“) als konservativer, christlicher Familienvater, der sich viel zu gerne im Schoß anderer Damen vergnügt und dem chronischen Drang zum Selbstbetrug ausgeliefert scheint.

 
Achtung: Symbolik-Alarm!!!
Mit dieser reziprok voneinander verkehrenden Charakter-Konstellation, der verlorene Alkoholiker, der seine seelische Zerrissenheit nicht mehr verbergen kann und dem Vater von zwei Töchtern, der irgendwie versucht, die Fassade einer Bilderbuchehe aufrecht zu halten, formuliert „True Detective“ eine Antithese auf das gesamte Buddy-Segment im Kosmos von Film und Fernsehen: Marty und Rust gehen gemeinsam durch Abgründe, sie erleben die Hölle auf Erden, doch sie wachsen nicht zusammen, sondern bleiben auf Abstand. Sie bilden maximal eine Zweckgemeinschaft, die einen rituell-motivierten Mordfall an einer Prostituierten auflösen soll. Der Fall selber aber rückt ebenso schnell in den Hintergrund, beschäftigt sich „True Detective“ doch viel mehr mit seinen beiden Hauptdarstellern und definiert sich schnell als packende Psychographie, deren Leitfaden der moralischen Schuld gehört. Dass das Frauenbild (darunter auch Michelle Monaghan, "Mission: Impossible 3") in „True Detective“ derart negativ ausfällt, lässt sich als eines der Mankos der Serie festhalten, sind die Damen hier entweder zum Fremdgehen geeignet, arbeiten als Nutten im Trailerpark oder vögeln sich selber aus ihren auferlegten Problemen frei. Sie besitzen einen rein funktionalen Charakter, dessen emotionale Fallhöhe durchaus mehr hätte bieten können.

 
"Ich behalt das Unterhemd an. Ich hab ja nen Oscar"
Wer allerdings ein adrenalingeladenes Format mit brisantem Spannungsbögen und fiesen Cliffhangern erwartet, den bremst „True Detective“ in seiner ganzen Elegie aus. „True Detective“ nämlich ist viel mehr Meditation denn Entertainment, weiß aber durch seine Dynamik zwischen Rust und Marty zu fesseln, selbst in den Momenten (und davon gibt es verdammt viele), in denen nichts passiert. Geschickt werden Klimaxen positioniert, die in ihrer Intensität dann auch wirklich in sich haben – die Szene in den Gemäuern von Carcosa drückt in ihrer atmosphärischen Ausarbeitung so dermaßen tief in den Sessel, wie die sechsminütige Steady-Cam-Fahrt, die eine Wohnhaussiedlung zum Schlachtfeld erklärt. Gleichwohl versteht sich „True Detective“ als authentische Milieu-Schilderung, die kahle Landstriche, ewige Sümpfe und abgelegene Bauernhöfe samt Bewohner als treffsicheres Porträt tief in das matte Americana-Herz blickt. Auf mehrere Perioden verteilt und durch Perspektivwechseln und Vor- und Rückblenden dargeboten, wird „True Detective“ auch eine (Meta-)Reflexion über das Erzählen selbst, die mehr verschlüsselt, als sie entwirren kann. Ist ein Rätsel gelüftet, öffnet sich schon wieder ein neues.


Die chiffrierte Methodik weiß zu gefallen, gleitet zusammen mit dem Zuschauern über gesichtslose Straßen, dekonstruiert kulturelle Wertevorstellungen und findet nach literarischen, paranormalen, surrealistischen und existenzialistischen Referenzen schließlich sein jähes Ende. Die Auslösung enttäuscht, scheint wie aus dem Katalog für klischeeisierte Ungeheuer auf zwei Beinen entsprungen und gibt sich dann im letzten Augenblick noch einem Dialog hin, der sich als schlichtweg unnötig gestaltet und die gesamte Tonalität der Serie konterkariert. Am besten gefällt „True Detective“ dann, wenn er Rust und Marty mit ihren eigenen Dämonen ringen lässt, wenn er auf sie eingeht und ihnen Raum zur freien Entfaltung gewährt. Natürlich funktioniert das nur so blendend, weil „True Detective“ mit Matthew McConaughey und Woody Harrelson zwei Darsteller im Repertoire hat, die zur Höchstform anlaufen und schauspielerisch wirklich alles niederwalzen. Ihnen gebührt nicht zuletzt der Dank dafür, dass „True Detective“ eine sehr gute Serie geworden ist.


7 von 10 gelben Königen


von souli

Trailerpark: Daniel Radcliffe, der Teufelskerl - Teaser Trailer zu HORNS

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Daniel Radcliffe mausert sich langsam aber sicher zu einem Schauspieler, der nicht bloß nur Harry Potter war. Mit „The Woman in Black“ oder “Kill your Darlings“ konnte er bereits überzeugen. Nun steht sein neuster Film an. „Horns“ ist eine Filmadaption eines Romans von Joe Hill, seines Zeichens Sohnemann des großen Horror-Altmeister Stephen. Regie führt ebenfalls ein Horror-Experte: der Franzose Alexandre Aja („High Tension“). In „Horns“ geht es um den Sohn eines berühmten Vaters, der verdächtigt wird seine Freundin (Juno Temple) ermordet zu haben. Er wird zwar freigesprochen, doch kurz nach dem Freispruch wachsen den jungen Mann Teufelshörner. Der erste Teaser wirkt auf uns etwas zu bedeutungsschwanger. Die Grundstory gefällt allerdings, weswegen wir uns auf den deutschen Start von „Horns“ freuen. Schade, dass es noch kein deutsches Startdatum gibt.

Falls das Video nicht läuft, so tut es uns leid. Aber Lionsgate scheint gerade etwas dagegen zu haben, dass der Teaser online geht. Haben den Teaser bereits viermal neu verlinkt und jedes Mal war er nach ein paar Minuten wieder gelöscht.


Review: DIE SCHWESTERN DES BÖSEN – Der Blick in den Spiegel zeigt zwei Gesichter

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Fakten:
Sisters - Die Schwestern des Bösen (Sisters)
USA. 1973. Regie: Brian De Palma. Buch: Brian De Palma, Louisa Rose.
Mit: Margot Kidder, Charles Durning, Jennifer Hughes, William Finley, Barnard Hughes, Dolph Sweet, Mary Davenport u.a. Länge: 92 Minuten. FSK: freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Model Danielle soll einen Mann ermordet haben, den sie zu sich eingeladen hat. Dies erzählt zumindest ihre  Nachbarin Grace, die den Mord beobachtet haben will. Die Polizei findet jedoch keinen Beweis für das angebliche Verbrechen. Grace, von der Schuld Danielles überzeugt engagiert deshalb einen Privatdetektiv.





Meinung:
Brian De Palmas Filme entblättern ihre Klasse oftmals nur durch die Bereitschaft ihres Publikums. Sie sind immer wieder ganz darauf angewiesen, einem bereitwilligen Rezipienten vor die Augen zu kommen, der sich auf De Palmas Spielchen einlässt; der es riskiert, in eine Falle zu tappen, egal wie irrsinnig diese auf den ersten Blick auch konstruiert scheint: Wer sich der bei De Palma immer in hundertprozentiger Sicherheit wissen möchte, der verdirbt sich einiges an Spaß, scheint das Kino De Palmas doch lange Zeit dafür prädestiniert, mit einer ironisch-bizarren bis zynisch-dreckigen (Körper-)Täuschung die Hintertür der Wahrnehmung einzukloppen, anstatt brav die Vordertür zu benutzen. Mit „Die Schwestern des Bösen“ von 1973 machte De Palma zum ersten Mal auch in der Filmwelt auf sich aufmerksam und trat eine Karriere los, in der Referenzen den Klebstoff zwischen den Werken bilden sollten, die daraufhin aber so minutiös bearbeitet werden, das sie in einem ganz neuen Licht erstrahlen und einem eigenen Sinn entsprechen, denn nur als stumpfes Plagiat stigmatisiert zu werden 
(Ausnahme: „Schwarzer Engel“).


Wo ist das Baby? Da ist es!
Emblematisch thront die Programmatik des '(Wechsel-)Spiels des Bewusstseins' über De Palmas Vita und zweifelsohne brachte „Die Schwestern des Bösen“ diesen assoziativen Stein dafür ins Rollen. Schon hier lässt sich De Palmas Faible für pedantisch-kalibierte Bildkompositionen erkennen, für den audiovisuellen Rausch, in dem der Effekt gerne über den Inhalt geordnet wird, um hinten raus eine echte Symbiose des Wahnsinns einzugehen. Während die Musik von Bernard Herrmann in prachtvollen Selbstbezügen über, hinter und auch mal vor dem Geschehen fiedelt, gibt es jede Menge Plansequenzen und Split-Screens zu bestaunen, die De Palma später in Filmen wie „Dressed to Kill“ und auch „Der Tod kommt zweimal“ perfektionieren wird. Dass sich die manierierte Stilistik De Palmas hier noch in einem Vorstadium befindet, kann man ihr aufgrund der noch etwas gehemmten Exzessivtät gerne als Vor- oder Nachteil anrechnen – Handwerklich jedenfalls ist „Die Schwestern des Bösen“ bis auf Weiteres einwandfrei. Aber wie sieht es inhaltlich aus? Wieso wird „Schwestern des Bösen“ sowohl mit Hitchcock in Verbindung gebracht, soll aber auch als Inspirationsquelle für den kanadischen Meisterregisseur David Cronenberg gedient haben?


"Nur 12 Kerzen? Wer ist hier nun der Psychopath?"
Während „Die Schwestern des Bösen“ mit der multiplen Persönlichkeitsstörung seine Fühler in Richtung „Psycho“ ausstreckt und seinen Mord wie das nachfolgende Vertuschen mit etwas „Ein Cocktail für eine Leiche“ streckt, ist die Thematik rund um die ewigwährende Synchronizität der siamesischen Zwillinge so platonesk und organisch chiffriert, dass die Gedanken gerne zu David Cronenbergs „Dead Ringers“ schnellen dürfen, wenngleich Cronenberg mit seinem subversiven Diskurs über die menschliche Psyche, die Biologie und die Religion intellektuell natürlich Lichtjahre von „Die Schwestern des Bösen“ entfernt ist. Bleiben wir lieber bei Hitchcock, bei dem obligatorischen Voyeurismus und dem Doppelgänger-Motiv. Alles findet in „Die Schwestern des Bösen“ seinen rechtmäßigen Platz, ist hier aber gerne so installiert, das sr dem reinen Mittel zum Zweck gleichkommt und dem Film in seiner Narrative eine neue Schleife ermöglicht, die den ihr folgenden Zuschauer aufgrund ihrer glatten Oberfläche gerne mal ins Schliddern bringt. Die Frage ist eben wieder die, ob man seine zuweilen wackelnden Knie ertragen kann?


„Die Schwestern des Bösen“ ist keinesfalls so möbiusartig aufgezogen wie beispielsweise ein Film von David Lynch („Mulholland Drive“). Hier gibt es vielmehr Camp und Sleaze, der immer gefährlich nahe daran ist, sich der Lächerlichkeit preiszugeben, um dann im nächsten Augenblick den noch gackernden Zuschauer an der Intention des eben Gesehenen zweifeln zu lassen: Wer lacht hier nun wirklich wen aus? Wer verbrennt sich hier nun wirklich die Finger? Brian De Palma suggeriert dem Zuschauer immer wieder, dass er ihm die Übersicht lässt, in Wahrheit aber gibt es keine Übersicht, sondern nur ein filmisches Universum, das ganz nach den Regeln seines Herrschers Brian De Palma funktioniert. Hauptfiguren werden da nach Belieben über den Haufen geworfen und wieder eingeführt, dramaturgisch streut „Die Schwestern des Bösen“ in zig Richtungen und am Ende muss man es sich noch gefallen lassen, dass De Palma einem frech in das Gesicht lacht: Chaos reigns! Ein Alptraum ergreift Besitz von uns, in dem einige Details nun mal einfach verschwimmen. Dieses Gefühl, am nächsten Morgen aufzuwachsen und an dem Versuch zu scheitern, seinen Traum wieder zusammenzukitten, kennt man doch nur zu gut. Hemmende Pillen hier, die Manifestation des Bösen dort, eine Couch hier, eine Kuh dort. Wer schreit hier am lautesten SCHWACHSINN?


7 von 10 Observationen im Nirgendwo


von souli