Posts mit dem Label HBO werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label HBO werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Review: GAME OF THRONES (Staffel 5) - Wenn sich der König nicht mehr vom Bauer unterscheidet

Keine Kommentare:


Fakten:
Game of Thrones – Staffel 5
USA. 2015.
Regie: David Nutter, Michael Slovis, Mark Mylod, Jeremy Podeswa, Miguel Sapochnik. Buch: D.B. Weiss, David Benioff, Bryan Cogman, Dave Hill, George R. R. Martin (Vorlage). Mit: Kit Harrington, Peter Dinklage, Emilia Clarke, Lena Headey, Liam Cunningham, Sophie Turner, Alfie Allen, Aiden Gillen, Iwan Rheon, Iain Glen, Maisie Williams, Nicolaj Coster-Waldau, Jerome Flynn, John Bradley, Conleth Hill, Natalie Dormer, Carice van Houten, Stephen Dillane, Gwendoline Christie, Dean-Charles Chapman, Michiel Huisman, Indira Varma, Tom Wlaschiha, Michael McElhatton, Jonathan Pryce u.a. Länge: 10 Episoden a ca. 50 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Demnächst auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Der Kampf um den eisernen Thron geht weiter. Während Tyrion auf der Flucht ist und scheinbar eine neue Heimat auf Essos findet, beginnt Arya ihre Ausbildung als Meuchelmörderin. Jaime Lannister fürchtet sich währenddessen vor der Rache Dornes und begibt sich auf die Reise seine Nichte Myrcella zurück in die Heimat zu holen und auch in Königmunds und im Rest von Westeros bahnen sich gefährliche Konflikte an.





Meinung:
Die „Schachbrett“-Metapher ist natürlich unlängst eine altbackene: Menschen, die sich als Figuren auf einem überdimensionalen Schachbrett wiederfinden und von einem übermächtigen Spieler von Kachel zu Kachel gepeitscht werden. Für das HBO-Format „Game of Thrones“ aber hat diese Metapher inzwischen über (nunmehr) fünf Staffeln derart an Bedeutung und Signifikanz gewonnen, dass es kaum möglich scheint, den individuellen Status im ausufernden Figurenarsenal noch wirklich differenzieren zu wollen respektive zu können: Wenn ein Charakter royaler Beschaffenheit ebenso kaltschnäuzig über die Klinge springen muss, wie es der nicht weniger für ein intaktes Gesellschaftssystem ausschlaggebende Pöbel tut, dann wissen wir: Hier gibt es keine Sonderrechte. Problematisch an diesem archaischen Worldbuilding und seinen inhärenten Herrschaftsansprüchen wird es nun in Staffel 5: Sicherlich haben sich die Verantwortlichen der Serie schon in der Vergangenheit den ein oder anderen herberen Bock geleistet, wenn es darum geht, George R. R. Martins komplexen Erzählbogen gekonnt zu adaptieren. Doch in Staffel 5 wirkt es, als wären David Benioff und D. B. Weiss einem gescheiterten Emanzipationsversuch anheimgefallen.


Margery scheint auch nichts die Laune verderben zu können
Buchpuristen liefen regelrecht Amok: Benioff und Weiss distanzierten sich zunehmend von den literarischen Ausgangspunkten, kürzten, paraphrasierten und fügten eigenmächtig hinzu, was natürlich rückwirkend auch auf George R. R. Martin und sein ausgedehntes Vorlagenwerk zurückzuführen ist. Aber hier soll es nun gar nicht darum gehen, inwieweit sich die Serie nun schon von den Bändern des „Lied von Eis und Feuer“ entfernt, wie viele mehr oder weniger sinnige Freiheiten das kreative Gespann sich nun letztlich herausgenommen hat, sondern darum, wie absehbar und austauschbar das Schema des gesamten Sujets mittlerweile wirkt. Wer in dem Wust aus Orden, Stämmen und Ethnien bereits das ein oder andere Mal schon die Orientierung verloren hat, wem all die geographischen Koordinaten und Verzweigungen schon zuvor über den Kopf gewachsen sind, dem sei gesagt: Mit Staffel 5 wird sich das nicht ändern, es wird sich gar verschlimmern. „Game of Thrones“ nämlich ist mit der fünften Runde an einem Punkt angekommen, an dem vor allem auffällt, dass David Benioff und D. B. Weiss die Übersicht verlorengegangen ist: Charaktere werden vernachlässigt und die Glaubwürdigkeit einer psychologischen Kondition wiederholt mit Desinteresse begegnet.


Mit dem Bart ist Tyrion nicht mehr von den anderen zu unterscheiden
In Staffel 5 scheinen Druck und Zwang den eisernen Thron bestiegen zu haben: Der Druck, einen eigenen Weg zu bahnen, der für das Publikum ebenso begehbar scheint, auch ohne die permanente Verbindung zu den Büchern, sowie der Zwang, trotz dessen all die charakteristischen Merkmale in das Narrativ einzubauen, auch wenn sie aus ungemein einfältigen dramaturgischen Kniffen keimen: Man sah sich letztlich eben doch mit der Herausforderung konfrontiert, Serie und Vorlage schlussendlich auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, doch – und hier finden wir noch eine Binsenweisheit im Korsett der Erzählung: Der Weg ist das Ziel. Und dieser Weg ist nicht nur steinig, das war er über die 4 vorherigen Staffeln schließlich ohne Ausflüchte, ihn zieren zu dem auch unzählige Schlaglöcher, in denen man sich gar verlieren kann, anstatt sich nur mit einer klaffenden Fleischwunde weiterzukämpfen. Eine Serie wie „Game of Thrones“, die seit jeher darauf erpicht war, ätiologische Herleitungen möglichst sauber zu etablieren und auszubauen, darf sich nicht darin vergessen, einen Handlungs- (und damit auch Charakter-)Strang in billigen Eventualitäten und Schnellschussabwicklungen munden zu lassen.


Ach ja, die gibt's in Westeros ja auch noch, diese White Walker
Genau das aber sieht man in der fünften Staffel andauernd: Wenngleich auch hier noch immer eine Reflexion des eigenen Moralbewusstseins, der gegenseitigen Abhängigkeit, stattfindet und die Wirkung sowie die Unablässigkeit von Gewalt zur Debatte steht, läuft „Game of Thrones“ Gefahr, sich nicht mehr durch eine intelligente (Plot-)Entwicklung kennzeichnen zu dürfen, durch die herausragenden Dialogsequenzen (auch wenn diese immer noch ihren Platz finden, versteht sich) und dem Mut zur aufgeblasenen Theatralik einer griechischen Tragödie, sondern zu einem einheitlichen Brei zu verenden, in dem die explizite (sexualisierte) Gewalt nur des Schock und Sleaze wegen existiert. „Game of Thrones“ rückt dem Selbstzweck auf die Pelle und verliert sich in ihm, die Stringenz fällt gerne zurück und Hoffnung wirkt so kalkuliert, weil es nicht um das Durchatmen geht, sondern um den noch herberen Rückschlag im Anschluss. Die moralische Verwerflichkeit, die Intrigen am Hof, die Parallelität von politisch-ideologischen Modellen und persönlichen Motivationen, man kommt nicht mehr umhin zu glauben, „Game of Thrones“ instrumentalisiere all diese Aspekte nur dazu, um auf einen erzwungenen Twist hinzuarbeiten. „Game of Thrones“ denkt nicht mehr an das große Ganze, sondern nur an die Zweckdienlichkeit im Augenblick.


Es wäre aber eine Lüge, würde man sie verleugnen, die immer noch vorhandenen Qualitäten der Serie: Das Torpedieren von Identifikationsfiguren bleibt ungemein interessant, schauspielerisch ist „Game of Thrones“ indes nicht nur größtenteils grandios, die fünfte Staffel kann sich auch wieder als fördernde Plattform dafür verstehen lassen, Darstellern aus der zweiten Reihe eine Bühne zu verleihen, um einmal mehr bis in die vorderste Front zu strahlen. Und auch wenn es etwas zu spät kommt, muss man zweifelsohne zugeben, dass die letzten drei Folgen der Staffel wieder in der bestechender Form auftreten, weswegen man einst begonnen hat, die Serie in sein Herz zu schließen. Inszenatorischer wie emotionaler Höhepunkt ist dabei nicht nur die finale Szene und die auf Jon Snows leerem Blick verharrende Kamera, sondern eindeutig Cerseis 15-minütiger Walk of Shame, der die Prophezeiung, Cersei würde irgendwann alles verlieren, bewahrheitet: Komplett entkleidet muss sie sich dem Volk stellen und durch ihre demütigende Mitte schreiten, ein schier unendlicher, von verbaler, körperlicher und seelischer Gewalt geprägter (Buß-)Gang, an dessen Ende der rote Bergfried wartet. Vermutlich sind das die kraftvollsten Minuten, die die Serie bisher zustande gebracht hat – und der Fingerzeig, welch ungeahnte Intensität doch in jeder Folge freigelegt werden könnte. Könnte


5 von 10 unverzeihlichen Opfergaben


von souli

Review: GOING CLEAR: SCIENTOLOGY AND THE PRISON OF BELIEF – Hinter den Kulissen der Sekte

Keine Kommentare:

Fakten:
Going Clear: Scientology And The Prison Of Belief
USA. 2015. Regie: Alex Gibney. Buch: Alex Gibney, Lawrence Wright (Vorlage). Mit: Lawrence Wright, Paul Haggis, Tony Ortega, Jason Beghe, Mark Rathbun, Monique Rathbun, Mike Rinder, Sara Goldberg, Sylvia Taylor, Kim Masters, ua.
Länge: 120 Minuten. FSK: keine Altersbeschränkung. Start: noch unbekannt.


Story:
Alex Gibney und HBO legen den Reiz, die Geschichte und die dunkle Seite der Sekte Scientology offen dar und interviewen ehemalige ranghohe Mitglieder.





Meinung:
Diese Kritik zu der Scientology-Dokumentation ist besonders. Wenn man nämlich weiß, wie die „Kirche“ mit Mitgliedern, Ex-Mitgliedern und Kritikern umgeht, wird man auf einmal hellhörig und aufmerksam bei dem, was man schreibt. Darauf wird später noch weiter eingegangen. Die Produktion dieser Dokumentation hat der Freund aller Serienfans übernommen: HBO. Im Voraus haben sie sich mit 160 Anwälten ausgerüstet, die alles prüfen und sich gegen einen Sturm von Klagen vorbereiten sollten, was gar nicht so dumm ist, weil die Organisation eben jene Taktik schon einmal benutzt hat, um das Steueramt der Vereinigten Staaten von Amerika in die Knie zu zwingen. Brisanz gehört schon zur Natur der Sache und auch wenn Vorsicht augenscheinlich geboten ist, sollte man nicht fürchten, eine Meinung zu haben und sie zu vertreten. 


Mike Rinder packt aus
Bei der Kritik zur letzten HBO-Dokumentation namens „Cobain: Montage of Heck“ wurde abgewägt, was eine gute Dokumentation ausmache. Neutralität oder Zielstrebigkeit? Die Darbietung einer Wahl oder die Manipulation, bzw. das Schubsen des Zuschauers zu einem Standpunkt? Schien die Antwort damals noch Ersteres zu sein, muss man dies nach der Sichtung von „Going Clear“ überdenken. Diese Dokumentation ist nicht neutral. Sie zeigt nicht ein paar Minuten die Licht- und dann ein paar Minuten die Schattenseiten von Scientology. Sie ist ganz klarer Gegner des Vereins und der übergeordneten Thematik des Glaubens, siehe auch der Titel des Buches, auf dem die Dokumentation basiert: „Das Gefängnis des Glaubens“. Aber selbst wenn das Werk nicht neutral ausgerichtet ist (was bei der Behandlung einer so skandalreichen Organisation auch nicht erwartet werden kann), kann man ihm eben dies auch nicht vorwerfen, da hinter dem Werk vor allem ein Mann steht, der hier seine Ansichten klar und logisch offenlegt. Nur weil einer ein Dokumentarfilmer ist, hat er ja nun nicht die Pflicht sich seiner Ansichten zu entledigen, damit der Zuschauer eine „wertfreie“ Arbeit ansehen kann. Alex Gibney verfolgt hier eine klare Intention, nämlich die oft nebulös gehaltenen Umkreise der Organisation zu durchleuchten, aber kein persönliches Prestige seiner selbst oder einer anderen Person. Und dadurch verkommt das Werk zu keiner Zeit zur Propaganda - weder in die eine, noch in die andere Richtung.


Scientologys große Waffe: das E-Meter
Die Dokumentation ist in drei thematische Blöcke aufgeteilt und setzt sich aus neu geführten Interviews mit ehemaligen (ranghohen) Mitgliedern, Originalaufnahmen von Veranstaltungen oder Lehrmaterial oder aus nachgestellten Szenen, die auf den Interviews und Berichten basieren, zusammen. Der erste Akt lässt die Interviewten (teilweise gar Nahestehende von L. Ron Hubbard) erläutern, wieso sie den Kontakt zu der Sekte suchten, was sie verlockend fanden - und spannen so eine elegante Brücke zum Zuschauer, der die Chance bekommt, Verständnis aufzubringen. Die ehemaligen Mitglieder wurden gelockt, mit dem Erfüllen von Wünschen. Wer stand noch nie vor einer Lebensaufgabe, vor der man sich lieber gedrückt hätte? Wer war noch nicht so verzweifelt, dass man nicht wissen wollte, wie man etwas erreicht, solange man es überhaupt erreicht? Solche alltäglichen und natürlichen Zweige greift sich die Sekte und verspricht Besserung. Vor allem für Menschen im Show-Business scheint das erfolgreich zu funktionieren - Tom Cruise und John Travolta sind wohl nur die bekanntesten Beispiele. Und letzterer fordert in einem Interview: „Nenn mir eine andere Gruppe, deren Hauptziel „Glück“ ist.“ Der Normaldenkende weiß, dass das gar nicht mal so schwierig ist. Aber viel interessanter als die tausend Antworten ist der Zustand, in dem Travolta steht, um diesen Satz auszusprechen und ihn zu vertreten. Es ist ein Zustand der Weltfremde.


Religion als Disneyland
Der zweite thematische Block setzt sich mit dem Gründer L. Ron Hubbard und der Lehre der Kirche an sich auseinander und zeigt mit Fakten und viel, viel Originalmaterial, dass der Mann vor allem eigene Ziele verfolgte (Geld und Heilung seiner Psyche) und sich mit der Zeit vollkommen in dem Kult verrannte und zum radikalen und paranoiden Kontrollsüchtigen verkam. Der Titel der Dokumentation bezieht sich dabei auf eines der Ziele, das man als Mitglied in dieser Organisation verfolgt. „To go clear“ bedeutet, dass man all seine traumatischen Erlebnisse aus dem aktuellen und vorherigen Leben vernichtet und dadurch zu einem besseren Menschen wird (höherer IQ, bessere Augen, etc). Das sind so Dinge, die man noch mit einem Lächeln als Schwachfug abwinken kann, aber dann kommt der dritte thematische Block und der setzt sich mit der skandalösen und verachtenden Maschinerie auseinander, die die Organisation zu verdammt gefährlich macht und gelinde gesagt eine Schande ist. Manipulation, Gehirnwäsche, Zwang und Drohungen führen zur Entwürdigung des Wesens. Soweit, bis die Mitglieder ihre Bestrafungen aus irgendeinem Grund als gerechtfertigt ansehen. Wer weiß, was mit Theon Graufreud in der Serie „Game of Thrones“ passiert, der kann sich ein ungefähres Bild von den Vorgängen machen.


Schauspieler Jason Beghe ("Californication") stieg aus
Zudem nimmt sich Gibney im dritten Block des Films noch die Zeit, um über das Gefängnis des Glaubens zu sprechen. Der Glauben ist eine schwierige Angelegenheit, weil er so menschlich ist. Das Unbekannte, das Unkontrollierbare macht dem Menschen Angst, weil er in einem Zustand der Paranoia für unsere Auslöschung sorgen könnte. Deshalb ist es so gemütlich, an ein übergeordnetes Wesen zu glauben, dass das Unkontrollierbare kontrolliert und uns bewacht. Es ist Emotionalität in seiner reinen Form und siegt dabei vollkommen über Rationalität. Ganz einfach, weil Gefühle uns eher bewusst sind, als Gedanken. Weil wir, wenn wir Schlechtes denken, nicht so beeinflusst werden, wie wenn wir uns schlecht fühlen. Dadurch wird deutlich, dass Scientology nicht der Erfinder von Manipulation durch Glauben ist. Der Verein ist bei Weitem auch nicht der einzige, der das tut. Atheisten wie Bill Maher sagen immer wieder, das alle Religionen gleichermaßen Schwachsinn seien. Nun, wenn Scientology unbedingt als Religion angesehen werden will, dann schubst es sich selbst in einen Bereich, der ihnen selbst zwar finanziell hilft, aber nicht was ihre Stellung angeht. Etwas, was der Film (zumindest nach Außen hin) nicht behandelt, ist wie weit die Macht der Organisation eigentlich reicht. Wenn ein Jerry Seinfeld nämlich sagt, dass die Kirche seiner Karriere behilflich war, dann nimmt das „Eyes Wide Shut“-Ausmaße an und wird noch gruseliger, als es ohnehin schon ist.


Auch Oscar-Preisträger Paul Haggis stieg aus
Selbstverständlich ließ die Reaktion der Organisation nicht lange auf sich warten. Während von dem Regisseur gewünschten Personen der Kirche niemand für ein Interview zur Verfügung stand (aus welchen Gründen auch immer), hat die Organisation nicht damit hinter dem Berg gehalten, was sie von der Dokumentation, den Beteiligten und sogar Filmkritikern, die die Doku positiv bewertet haben (hups), denken. Drohungen und Beleidigungen wurden verstreut, das Werk als Propaganda abgetan und die ehemaligen Mitglieder auf der Website der Kirche als angebliche Psychopathen, geldgierige Lügner und weiteres bezeichnet. Man muss gestehen, dass es einfach ist, die Kirche als Bösewicht zu inszenieren und anzusehen und die Dokumentation dafür zu kritisieren, derart einseitig vorzugehen. Tut man das jedoch, hat man den Gedanken nicht bis zum Ende geführt. Alex Gibney nimmt nämlich von Anfang bis Ende Abstand davon, die vielen Mitglieder zu kritisieren. Er sieht sie als Opfer an. Er kritisiert lediglich die Kirche und die Zuständigen und Promis, die sie ermöglichen und ihre Vorgehensweisen. Vor allem als deutscher Zuschauer kann man sich den ein oder anderen Vergleich nur schwer verkneifen, bis ein Interviewter sich selbst eines Nazi-Vergleiches bedient, was die Selbstdarstellung, die Symbole und die Reden über einen „Krieg“ angeht.


Man muss gestehen, dass die Dokumentation beeindruckend ist, was ihren Detailgehalt, ihren Aufbau und den allgemeinen Eindruck angeht. Und so viel Lob wie Alex Gibney auch verdient hat; das absurdeste und filmreifste hat wieder einmal die Realität selbst geschrieben. Denn natürlich hat man das Recht, über die Dokumentation zu glauben, was man will. Man kann sie als subjektiven Humbug oder als geplante Rufschädigung ansehen. Aber wenn eine kritisierte Institution so reagiert, wie Scientology es getan hat, wenn Kritiker gezwungen werden sollen, negative Kommentare über die Dokumentation zu veröffentlichen, wenn ehemalige Mitglieder um das Wohlergehen ihrer Familienmitglieder bangen und in die Paranoia getrieben werden. Wenn von der Kirche wie ein bockiges Kind im Rundumschlag gegen alles und jeden gehetzt wird, der eine andere Meinung vertritt. Dann muss da irgendwas faul sein, dann schießt die Kirche sich selbst ins Bein und bejaht quasi unfreiwillig all das, was Alex Gibney und HBO hier in 120 Minuten darlegen. Diese Realität erhöht die Signifikanz des Werkes und ihren Effekt auf den Zuschauer noch um ein Vielfaches und macht aus „Going Clear“ ein sehr gutes und sehr wichtiges Werk. Wichtig, nicht etwa, weil allzu viele Menschen betroffen sind, sondern wichtig, weil jeder Mensch ohne Menschenrechte einer zu viel ist. Es betrübt zu wissen, dass keines der Scientology-Mitglieder dieses Werk zu sehen bekommen wird, denn wie ein ehemaliges Mitglied sagt, bekomme man während der Mitgliedschaft nicht eine kritische Sache zu hören. Man ist in einer anderen Welt, nur leider nicht im Traum und leider nicht freiwillig.


8 von 10 Selbstdarstellungen


von Smooli
 

Review: COBAIN: MONTAGE OF HECK - Die ultimative Rock-Dokumentation?

Keine Kommentare:


Fakten:
Cobain: Montage of Heck
2014. USA. Regie und Buch: Brett Morgan. Mit: Kurt Cobain, Krist Novoselic, Courtney Love u.a. Länge: 132 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab dem 28. Mai 2015 auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Es wird versucht, Kurt Cobains Leben und Schaffen auf den Grund zu gehen. Interviews gibt es mit seinen Eltern, seiner Frau, dem Bassist von Nirvana und anderen.





Meinung:
Es ist wahrscheinlich überaus schwierig, sich dem Wesen Kurt Cobains und seinem Vermächtnis zu entziehen. Schwierig, ihn nicht interessant zu finden und manchmal gar schwierig, nicht begeistert zu sein. Von der rohen Musik, die man schnell als „Krach“ abstempeln kann, ihr dabei aber viel Wert und vor allem Wahrheit abspricht. Montage of Heck wird beinahe universell gefeiert und ist fast schon eine Sensation. Als Kinoerlebnis gedacht, wurde sie nun auf HBO ausgestrahlt, kam dennoch vereinzelt in die internationalen Kinosäle, um Fans, Musiker und Interessierte zu erfreuen und ist bald im freien Handel erhältlich.


Wirklich ein Engel, oder doch mehr ein Teufel?
Was macht eine Dokumentation zu einer guten Dokumentation? Was sind ihre Aufgaben, ihre Pflichten, wovon sollte sie Abstand halten, um nicht an Wirkung und Glaubwürdigkeit zu verlieren? Reicht es als Qualitätsmerkmal, wenn die Dokumentation dem Zuschauer eine Meinung solange eindröhnt, bis dieser am Ende der gleichen Meinung ist? Der Film ist ein mächtiges Medium mit vielen Möglichkeiten. Nicht selten wird das ausgenutzt, wie zum Beispiel Al Gores Prestige-Werk „An Inconvenient Truth“ zeigte. Zu vergleichen sind die beiden Dokumentation jedoch keineswegs, da die Intentionen grundlegend verschieden sind. Brett Morgan wollte mit dieser Dokumentation einen tiefen Einblick in den Menschen Kurt Cobain liefern. Nicht umsonst ziert ein Zitat das Plakat, das dieses zweistündige Werk als die „most intimate rock doc ever“ bewirbt. Anfangs scheint das auch zu stimmen, wenn dem Zuschauer Videoaufzeichnungen aus Kurts Kindheit gezeigt werden und Interviews mit den Hinterbliebenen aus der Familie Cobain geführt werden. Anderen Dokumentationen über Cobain wird vorgeworfen, ihn nicht als Menschen, sondern als Legende zu inszenieren, wodurch Nähe zum Zuschauer ganz einfach nicht gegeben sein kann. Das ist hier glücklicherweise anders. Man lernt über Cobains Sehnsucht, Hass und Einsamkeit. Nähe zur Person Cobain wird vor allem mit Fortschreiten der Laufzeit erreicht, wenn man ihm mit seiner Tochter und Frau beim Herumspaßen zusehen kann.


Cobain mit Töchterchen Francis Bean
Doch schon bei den Interviews bilden sich erste Schwierigkeiten. Die Interviewten wirken nämlich, mit Ausnahme von Nirvana Bassist Krist Novolesic, als würden sie die Möglichkeit nicht zur Aufklärung über Cobain nutzen, sondern um sich selbst darzustellen beziehungsweise zu erklären. Das ist befremdlich, nimmt die Freude und lindert die Überzeugung, dass man den Menschen wirklich Glauben schenken möchte. Mit der Zeit wird dies leider alles andere als besser, wodurch die Qualität der Aussagen der Interviewten abnimmt. Einzig die Eltern schaffen mit dazugehörigen Videoaufnahmen aus dem eigenen Haus ein Bild von Kurt, der als Kleinkind das Zentrum jedes Geschehens und von Anfang an hyperaktiv, emotional, sensibel, interessiert aber auch verwirrt war. Er fühlte sich ausgestoßen, abgewiesen, anders, so wie man ihn sich eben vorstellt, wenn man ihn singen hört. Mit der Zeit wurde aus ihm ein Mann, der einen Traum hatte und ihn erreichte. Doch anstatt Erfüllung erwartete ihn Enttäuschung, weil er sich mehr versprochen hatte. Die unheimlich graphischen und privaten Aufzeichnungen von Cobain schreien dem Betrachter förmlich diese zerrissene und verletzte Seele entgegen. Interessant anzusehen, alarmierend und damit stets mit dem bitteren Beigeschmack verbunden, dass es zu spät ist. Wäre es nicht um diese Kritzeleien, Zeichnungen und andere Werke; die Dokumentation wäre nicht halb so interessant.


Cobain wie man ihn kennt
Es sind nämlich diese hinterlassenen Dinge, die der Welt ein Geschenk sind, weil sie mehr über Cobain aussagen, als je irgendein Film im Stande wäre. Sie beweisen, dass Cobain ein Expressionist war, der seine innere Seele, das Ungewisse, Fremde und Extreme verarbeitete. Die Animationen der Werke sind gut, erschreckend, informativ, unterhaltsam, fordern aber auch einen aufmerksamen Zuschauer, der Willens ist, sich damit auseinanderzusetzen. Umso erschreckender ist es, dass die Dokumentation nachlässig mit diesen Notizen, Zeichnungen, etc. umgeht. Sie werden instrumentalisiert, um den Zuschauer zu manipulieren. Textzeilen von Notizen werden vollkommen aus dem Zusammenhang geblasen, um zu schocken und Eindruck zu schinden. Das ist nicht nur schade, sondern auch einer sogenannten „intimen Dokumentation“ in höchstem Maße unwürdig. Zudem strahlt der Film zuweilen die gleiche Sensationsgeilheit aus, die Cobain Zeit seines Musikerdaseins verachtete, gegen die er kämpfte. Dadurch verliert die Arbeit von Brett Morgan unheimlich viel Glaubwürdigkeit, denn so scheint es, als hätten die Macher aber auch gar nichts von dem verstanden, wofür Kurt Cobain stand. Dadurch wirkt das Werk weniger wie ein Herzensprojekt der Macher, sondern wie Kalkül, wie ein Bedienen der Massen ohne wirklichen Sinn und Verstand.


Bessere Zeiten für Cobain, trotz Chaos
„Cobain: Montage of Heck“ instrumentalisiert einen Mann, der sich gegen den Strom stemmte, gegen an arbeitete, Anarchie versprühen wollte. Dessen Anarchie schließlich instrumentalisiert wurde, was ihn verwirrte, seinem noch jungen Lebenswerk widersprach und ihn wahrscheinlich in den Suizid trieb. Diese Ironie muss man sich erst einmal verdeutlichen, bevor man diese Dokumentation dafür abfeiert, dass sie Kurt Cobain verstünde. Es stimmt, dass die Archivaufnahmen sehr interessant sind, den Menschen Cobain an sich zeigen. Auch eine Intimität zwischen Zuschauer und Cobain entsteht zuweilen. Aber dennoch lassen sich nach einem überraschend unspektakulären Ende folgende Fazits ziehen: Wer sich schon vorher mit Kurt Cobain auseinandergesetzt hat, der erfährt nicht viel Neues und kann sich nur ein paar privaten Bildern und Videos aus der Wohnung der Cobains erfreuen. Die Doku scheint die Aussagen hinter Cobains Werk entweder zu ignorieren oder unwissentlich gegen sie zu arbeiten. Beide Fälle sind gleichermaßen zu verachten, weil sie eine intime und intensive Auseinandersetzung mit der Person Kurt Cobain ausschließen. Die Dokumentation geht zuweilen kalkulierend mit Dokumenten um, damit sie die Regeln der Dramatik erfüllen kann. Da bekommt die Aussage des Regisseurs, der Film sei für das Kino gedacht, eine ganz neue Dimension. Was macht eine Dokumentation zu einer guten Dokumentation? Dies sicherlich nicht.


In Kurt Cobains Abschiedsbrief stand der Satz „It’s better to burn out than to fade away.“
Etwas, was sich die Dokumentation nicht zu Herzen genommen hat, da der Abspann anfängt und den Zuschauer mit einem seltsamen Gefühl der Unfertigkeit sitzen lässt. Fans und Interessierte erfahren hier sicherlich nicht viel Neues. Stattdessen kann man hier über zwei Stunden hinweg sein Wissen abnicken, bis der Bildschirm schwarz wird und zum ersten Mal die legendären Klänge der  Gitarre von Smells Like Teen Spirit ertönen. Wer wirklich mehr über den sagenumwobenen Menschen erfahren will, der sollte sich einen ganz bestimmten Satz zu Herzen nehmen, den Kurt Cobain in einem Interview sagt: „It’s all in the music.“


5 von 10 tollen Kritzeleien


von Smooli