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Review: DIE MUSE - Erfolg erfordert Opfer

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Fakten:
Die Muse
BRD, AT, 2011. Regie & Buch: Christian Genzel. Mit: Thomas Limpinsel, Henriette Müller, Jean-Luc Julien, Peter O. Kellerer u.a. Länge: 91 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Als Video on Demand erhältlich.


Story:
Im Parkhaus wird Katja hinterrücks von einem Mann betäubt. Sie erwacht in einem selbstgebauten Verlies im Keller seines Hauses. Der Mann, der sich ihr als Peter Fischer vorstellt, hat allerdings keine finanziellen, sexuellen oder sonst gängige Motive für die Entführung. Er ist Schriftsteller und hat Katja als Muse für sein neuestes Werk auserkoren. Warum, erfährt sie zunächst nicht. Durch ihre Anwesenheit erhofft er sich die nötige Inspiration, um sein längst überfälliges Buch endlich zu beenden.




Meinung:
„Die Muse“ ist das Spielfilmdebüt des in Österreich lebenden, ursprünglich aus Kassel stammenden Regisseurs und Autors Christian Genzel, der zuvor lediglich einige Kurzfilme inszenierte. Bereits 2011 fertiggestellt ist der Film seit kurzer Zeit als Video on Demand erhältlich und somit erstmals für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Solch einheimische Independent-Filme, gerade mit Genrehintergrund, haben es oftmals nicht leicht. Im Kino ist dafür kein Platz, selbst ein Lichtblick wie Andreas Marshall’s liebevolle Giallo-Hommage „Masks“ erschien erst mit deutlicher Verspätung überhaupt auf DVD. Absurd: Im Gegenzug wird dafür (allerdings mit einem Studio wie Warner Brothers und sinnloser 3D-Konvertierung im Rücken) so unzumutbarer Schrott wie der Funkturm-Grusel-Heuler „Lost Place“ bundesweit über die Leinwände gejagt. Unfair geht die Welt zugrunde, gerade im Filmgeschäft. Um nicht zu sehr abzuschweifen: „Die Muse“ ist immerhin einer dieser Filme, von denen wir hierzulande – ganz grundsätzlich – viel zu wenige haben. Genrekino, was fast jede halbwegs ernstzunehmende Filmnation pflegt, nur wir halt nicht.


Kaum Auslauf, aber Einzelzelle. Immerhin.
Um nicht falsche Erwartungshaltungen zu wecken: „Die Muse“ ist zwar Genre, allerdings nicht aus der Horrorecke. Da schrillen meist eh die Alarmglocken, bedenkt man die Auswürfe von Billig-Filmern wie Olaf Ittenbach oder Uwe Boll-Kronprinz Marcel Walz („Plastic Surgery Massacre“), der jüngst sogar mit dem Sequel zu „Seed“ direkt in dessen Fußstapfen treten durfte. Von so einer Grütze ist Genzel schon rein technisch um Lichtjahre entfernt, worauf noch näher eingegangen wird. Ein Kammerspiel-artiger Psychothriller, bald mehr Psychodrama, dessen Prämisse eine Art Seitenwechsel zu der Stephen King Verfilmung „Misery“ darstellt. Damals wurde ein Schriftsteller zur Geisel einer krankhaften Verehrerin und musste unter deren strenger Regie sein Werk nach ihrem Gusto vollenden. Nun gerät eine junge Frau in die Fänge eines Autors, der nur durch ihre unfreiwillige Anwesenheit sich die Inspiration verspricht, um sein ersehntes Meisterstück zu Papier zu bringen. Gar kein schlechter Ansatz, vor allem wie Genzel das angeht. Statt eines offensiv zur Schau gestelltem, extrovertierten Folterknechts mit Dachschaden in fetten Lettern auf die Stirn getackert, präsentiert er seinen Kidnapper als unscheinbaren, beunruhigend sanften Mann aus der Nachbarschaft, der lange nur durch seine eigentliches Vorhaben, weniger durch seine menschliche Präsenz wie ein gefährlicher, gestörter Geist wirkt. Thomas Limpinsel gelingt eine wohl dosierte, meist relativ glaubwürdige Darstellung, kann besonders in den Momenten punkten, in denen man als Zuschauer mehr über seine Figur und deren Innenleben erfährt. Hinter dem erst nur als schlicht geisteskrank einzustufenden Kerl steckt eine Geschichte, ein Leben voller Rückschläge, Zurückweisungen, Enttäuschungen, ambitionierter Ziele und der harten Realität, die ihn immer dann einholt, wenn Zahltag ist.


Klingt alles überdurchschnittlich hintergründig und interessant nuanciert, zumindest Letzteres lässt sich nicht gänzlich verleugnen. Den Willen und Ansatz lässt „Die Muse“ deutlich erkennen, die Gratwanderung zwischen Thriller und Drama gelingt ihm – trotz aller Bemühungen – leider nicht im befriedigenden Maße. Als Drama ist es dann doch letztendlich viel zu oberflächlich, kratzt interessante Ideen an, vollendet sie jedoch nicht. Als Thriller bietet er viel zu wenig Drive, speziell im teilweise arg gestreckten Mittelteil, und dann dort eben nichts, was überrascht, übermäßig die Nerven strapaziert oder nicht anderswo schon deutlich besser verkauft wurde. Hoffnung auf den entscheidenden Kick am Ende – womit nicht zwangsläufig der heute fast obligatorischer Twist gemeint ist – bleiben verwehrt, die eigentlich wohl als leicht perfide erdachte Schlusspointe kitzelt auch nicht richtig. Insgesamt enthält „Die Muse“ erstaunlich viel Potenzial, weiß dieses jedoch nicht richtig zu nutzen. Auf weitere Arbeiten von Christian Genzel darf man trotzdem gespannt sein, denn für einen Low-Budget-Debüt-Film hat das handwerklich alles Hand und Fuß. In der Hinsicht lässt sich dem nichts vorwerfen, kein aufwendiger produzierter TV- (und teilweise sogar Kino)Film sieht viel besser aus, Talent hat der Mann ohne Frage. Sicher auch das Engagement, nur zünden seine Ansätze hier leider noch nicht. Aller Anfang ist schwer, nur hier sieht man definitiv, dass noch Luft nach oben ist. Wer kann das von Marcel Walz und Kumpanen behaupten?

4,5 von 10 potenziellen Bestsellern

Review: DIE UNZERTRENNLICHEN - Nur gemeinsam ein Mensch

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Fakten:
Die Unzertrennlichen (Dead Ringers)
CAN, USA, 1988. Regie: David Cronenberg. Buch: David Cronenberg, Norman Snider, Bari Wood & Jack Geasland (Vorlage). Mit: Jeremy Irons, Geneviève Bujold, Heidi von Palleske, Barbara Gordon, Shirley Douglas, Stephen Lack, Nick Nichols, Lynne Cormack, Damir Andrei, Miriam Newhouse u.a. Länge: 111 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Die eineiigen Zwillinge Elliot und Beverly Mantle betreiben gemeinsam nicht nur eine hochmoderne gynäkologische Praxis, sie teilen auch sonst alles im Leben, seit ihrer Kindheit. Dazu gehören auch die Frauen. Der selbstbewusste Elliot ist der Eroberer, der nach dem Vorkosten seinem schüchternen Bruder Beverly das Feld überlässt, meist ohne Kenntnis der Damen. So auch bei der psychisch labilen Schauspielerin Claire Niveau. Diesmal entwickelt Beverly jedoch tiefere Gefühle für die Frau und entfernt sich erstmals von seinem Bruder. Die Konsequenzen sind fatal.







Meinung:
-„Mein Bruder und ich haben uns immer alles geteilt.“
-„Ich bin kein Gegenstand!“
-„Ich meine Menschen…“


Selten ist ein Regisseur so konsequent seinem Themenkomplex über die Jahre treu geblieben wie David Cronenberg, ohne sich ermüdend zu wiederholen, sondern ihm immer neue Facetten zu entlocken. Nicht umsonst wurde der Begriff „Body-Horror“ durch ihn entscheidend geprägt, wobei sich dahinter nie plumpes Zurschaustellen blutig-bizarrer Momente verbarg. Vielmehr eine differenzierte Auseinandersetzung mit den menschlichsten, instinktivsten Motiven der Existenz. Evolution, Sexualität, Identität. Der Mensch, seine Physis und Psyche als Zentrum und basierend auf dem Gedanken der freudschen Erkenntnisse der Psychoanalyse, die im Kern Grundlage für alle seine Werke war. Von seinen überdeutlich sexualisierten Mutationsschockern wie „Shivers“ und „Rabid“, seinen vom Ur-Trieb mehr auf die Kraft der Gedanken fokussierten „Scanners“, seinen „New Flesh“-Höhepunkt „Videodrome“ bis zu seiner brillanten, alles vereinenden Identitäts-und Metamorphose-Meisterwerk „Die Fliege“.   


Das Weib an der Brust, den Bruder im Kopf.
Bei „Dead Ringers“ steht der Körper augenscheinlich nicht im Mittelpunkt, Cronenberg widmet sich wesentlich geringer der expliziten Deformation und Mutation eben dessen, doch gehört auch er eindeutig in diese Reihe.  Seine siamesischen Phantom-Zwillinge Elliot und Beverly sind physisch unversehrt, nur mental mit einer unsichtbaren Nabelschnur unweigerlich miteinander verbunden, welche in einer Traumsequenz im typischen Cronenberg-Stil kurz visuell und gewohnt ausdrucksvoll-drastisch präsentiert wird. Körperlich und theoretisch unabhängig voneinander agierende Individuen sind nur als Kollektiv komplett und Mensch im eigentlichen Sinn, funktionieren von Kindheit an nur als Symbiose, sind aufgewachsen in einem völlig von der Realität entfremdeten Bewusstsein. So lange das befremdliche Doppel in seinem eigenen, selbstgeschaffenen Universum - als Einheit fest zusammengewachsen – existieren kann, läuft alles wie am Schnürchen. Sobald das Gefüge bröckelt, sich die eigene Identität droht heraus zu kristallisieren, sich die nicht mehr mögliche Abnabelung androht, stehen die zu einem ambivalenten Charakter verschmolzenen Figuren vor dem Exitus.  Zu sehr haben sie sich ergänzt, ihre gegensätzlichen Seiten sich zu einem starken, mächtigen Wesen geformt, sie ihre Schwächen kompensiert, als das sie nun alleine lebensfähig wären. Es lebe der neue Geist…oder verrecke an seiner Unfähigkeit der Co-Existenz.  


Sportlich und elegant, zusammen perfekt.
Verblüffend, dass Cronenberg ausgerechnet an dem direkt-thematisierten Psychoanalyse-Film „Eine dunkle Begierde“ kolossal (für seine Verhältnisse) scheiterte, wenn man diese intelligente, tiefgründige Reflektion über Mensch und Menschsein betrachtet. Nicht zufällig sind die Brüder Gynäkologen, nicht zufällig ihre Praxis eine hochtechnologische Festung aus glänzendem Stahl. Natürliches und Fortschrittliches, Wissenschaft und Wahnsinn, Fleisch und Metall. Wie einfach hätte das eine simple, grobschlächtige „Guter Junge, böser Junge“-Geschichte werden können, von diesem möglichen Ansatz entfernt sich Cronenberg immer mehr um am Ende diese schlichte Schwarz-Weiß-Zeichnung gänzlich außer Acht zu lassen. Hier geht es nicht um Gut und Böse, Rache und Wut, es geht um weitaus intensivere, selbstzerstörerische, tieftragische, grundsätzliche Fragen und deren vernichtenden Antworten. Abhängigkeit (auf mehreren Ebenen), Sehnsüchte, Selbstaufgabe, dem Streben nach dem eigenen Ich und der bitteren Erkenntnis, dass nichts mehr übrig ist von dem, was einst von der Natur rein physisch getrennt wurde. Das Schicksal ist besiegelt, selbst wenn der Drang nach Autonomie noch so groß ist. Unabwendbar. Verstörend, erschreckend verständlich, schauderhaft ergreifend.


All dies eventuell nur möglich durch den unfassbaren Jeremy Irons, der die wohl schwierigste Rolle seiner Karriere mit einer atemberaubenden Bravour meistert. Zwei Jahre später erhielt er den Oscar als bester Hauptdarsteller für „Die Affäre der Sunny von B.“, dankte jedoch Cronenberg, denn er wusste, dies war wohl die verspätete Ehrung für diese phänomenale Leistung. Optisch identisch ist jederzeit klar, wen der beiden Brüder er gerade verkörpert, ohne offensichtliche, überdeutliche Kennzeichnungen, da verlässt sich Cronenberg ganz auf das Können seines Hauptdarstellers. Mit Recht. Wahnsinnig fordernd und unglaublich umgesetzt, mutig und oft zum Scheitern verurteilt, man erinnere sich nur an so viele alberne Doppelrollen-Versuche, in denen sich der arme Darsteller durch überkandideltes Schauspiel, blöde Masken, extravagante Klamotten oder peinliche Akzente als andere Person zu erkennen geben musste, damit jeder Hans-Wurst dem mit einem Auge folgen kann. Wie man so was macht, es sollte als Irons-Acting bezeichnet werden. Beeindruckend, wie der ganze Film. Kein reiner Genrefilm, kein einfaches Futter, ein Cronenberg halt. Klug, nachhaltig, ausgereift. Meisterlich.

8,5 von 10 goldenen OP-Instrumenten

Review: MAGIC, MAGIC – Seelenbefreiung im Land am Ende der Welt

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Fakten:
Magic, Magic
USA. 2013. Regie und Buch: Sebastián Silva.
Mit: Juno Temple, Michael Cera, Emily Browning, Cataline Sandino Moreno, Vicente Lenz Burnier, Agustin Silva, Luis Dubbó u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 26. Juni 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die introvertierte Alicia macht mit ihrer Cousine Sarah und deren Freunden Urlaub in Chile. Eigentlich soll der Urlaub Alicia die Möglichkeit eröffnen endlich etwas von der Welt zu sehen, doch die Gruppe, mit der sie unterwegs ist, beunruhigt Alicia zunehmend. Vor allem die Annäherungsversuche von Brink verstören die junge Frau immer mehr.





Meinung:
Chile, das Land am „Ende der Welt, wo der Teufel seinen Poncho verlor“, so ein Sprichwort, ist gerade aufgrund seiner klimatischen Kontradiktion für Globe-Trotter interessant: Dort gibt es nämlich nicht nur die Anmut des pazifischen Ozeans zu bestaunen, sondern auch die schneebedeckten Gipfel der Anden, grüne Seenregionen und spröde Wüsten – Für Naturdokumentationen also ein echtes Schlaraffenland. Filmisch aber konnte uns der letzte Ausflug in das südamerikanische Land im Januar mit „Aftershock“ nicht gerade in Verzückung setzen. Eli Roth, der dort als Hauptdarsteller, Co-Autor und Produzent in Personalunion fungierte, präsentierte einen blutig-zynischen Genre-Film, dem so ziemlich alles missraten ist, was einem solchen Projekt nur missraten kann. Der chilenische Autorenfilmer Sebastián Silva aber lädt uns nun mit „Magic, Magic“ in sein Heimatland und beweist, dass Chile sicherlich kein Indikator für schlechtes Material sein muss. Ganz im Gegensatz: „Magic, Magic“ ist sogar nach Jeff Nichols „Mud“ und Takashi Miikes „Lesson of the Evil“ der nächste große Knaller des diesjährigen Direct-to-DVD-Markts.


Alicia weiß nicht mehr, wem sie trauen kann
Sebastián Silva stellt sich mit seiner dritten Regiearbeit „Magic, Magic“ ganz in die Tradition subtiler Psycho-Thriller der Marke „Ekel“. Wie schon im internationalen Durchbruch von Roman Polanski, steht auch in „Magic, Magic“ mit Alicia eine junge Frau im Mittelpunkt, die zusehends an ihren Psychosen zu zerbrechen droht. Juno Temple („Die Drei Musketiere“, "Dirty Girl") spielt diese Alicia mit einer beeindruckend pointierten Performance, in der sie ihren Terror im Kopf niemals an eine plakative Gestik und Mimik verschenkt, sondern den bipolaren Tonus des Films über die gesamte Strecke wahrt. Und in dieser permanenten Mehrdeutigkeit liegt primär die Stärke vom Drehbuch: Wir erfahren „Magic, Magic“ durch die Emotionen seiner Protagonistin und müssen folgerichtig ihren pathologischen Zustand am eigenen Leibe spüren. Silva treibt sodann ein trügerisches Spiel mit unserer Wahrnehmung, in dem er die konkreten Grenzen zwischen Realität und Halluzination, zwischen den psychischen Auswirkungen von Alicias Angststörung und dem Tatsächlichen zunehmend verschwimmen lässt: Wo wir anfangs ein etwas unsicher wirkendes Mädchen vorgestellt bekommen, finden wir uns bald verloren im Irrgarten ihrer geschundenen Seele wieder.


Versucht Sarah Alicia wirklich zu helfen?
Magic, Magic“ lässt die stupiden Psychologisierungsversuche aber in der Waschküche verrotten: Ursprünge für ihre psychische Störung bleiben weitestgehend ungeklärt, der Grund für ihre mögliche Traumatisierung damit auch angenehm im Verborgenen. Das Motiv des sich anbahnenden Todes jedoch zieht sich von Anfang durch das Szenario. Symbolbehaftete Tierwesen stanzen die schmerzhaften Facetten ihrer gequälten Innenlebens mit dem inszenatorischen Faible für Naturmystik synergetisch immer weiter aus. Silva aber lässt sich viel Zeit, bereitet die Klimax im Finale schleichend-bedrückend vor und schafft es so, „Magic, Magic" im Kontext des „seltsamen“ Verhaltens seiner Hauptdarstellerin, eine soziologische Komponente anzufügen, die die, durchaus verständlichen, Reaktionen ihrer Mitmenschen thematisiert: Erst wird sie belächelt, mit verständnislosen Blicken herabgewürdigt, bis die Mundwinkel irgendwann nach unten klappen und feststeht, dass Alicia offensichtlich dringend Hilfe benötigt. Neben Emily Browning als Alicias Freundin, beeindruckt gerade der undurchsichtige Michael Cera, den mal eher als schlaksigen Pausenclown und schüchternen Vollnerd aus Filmen wie „Superbad“ und „Juno“ in Erinnerung behalten hat.


Im Endeffekt ist „Magic, Magic“ gewiss kein Horrorfilm, sondern ein psychologisch-grundiertes Charakter-Drama, in dem sich eine junge Frau auf den steinigen Pfad ihrer Seelenbefreiung begibt. Ob Silva ihr dann auch ihre ersehnte Katharsis erlaubt, ist in Anbetracht der Vorkommnisse aus der rationalen Perspektive eigentlich erst mal zu bestätigen, wenn auch nicht vollends. In diesem Augenblick, wenn man schließlich glaubt, Alicia wäre am Ziel angekommen, sie dürfte sich endlich fallen lassen, erlaubt „Magic, Magic“ wieder durchaus Zweifel am Gezeigten, ja eigentlich an der persönlichen Perzeption im Generellen. Wenn Silva es sich  zum Ziel gesetzt haben sollte, den Frühwerken eines Roman Polanskis Tribut zu zollen, dann kann man ihm für „Magic, Magic“ nur gehörige Anerkennung schenken. Sicher ist das noch nicht auf dem komplexen Niveau des polnischen Meisters, aber er rückt ihm so nah auf den Pelz, wie schon lange kein Film mehr.


7,5 von 10 indianischen Kräutern


von souli

Review: BUTTERFLY ROOM - VOM BÖSEN BESESSEN - Madame Butterfly mag kleine Mädchen

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Fakten:
Butterfly Room – Vom Bösen besessen (The Butterfly Room/La Stanza delle Farfalle)
IT, USA, 2012. Regie: Jonathan Zarantello. Buch: Jonathan Zarantonello, Paolo Guerrier, Luigi Sardiello. Mit: Barbara Steele, Ray Wise, Erica Leerhsen, Heather Langenkamp, Ellery Sprayberry, Julia Putnam, Camille Keaton, P.J. Soles, Adrienne King, James Kean, Elea Oberon, Joseph H. Johnson Jr. u.a. Länge: 91 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Ab dem 10. Juni 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Ann, eine Dame im reiferen Alter, kümmert sich fürsorglich um Nachbarstochter Julie, während ihre Mutter lieber Zeit mit ihrem neuen Liebhaber verbringt. Die scheinbar hilfsbereite Frau hat nicht nur ein Zimmer für ihre Schmetterlingssammlung, sondern auch eine beunruhigende Vergangenheit, besonders in Bezug auf kleine Mädchen. Zufällig begegnet sie ihrer entfremdeten, inzwischen erwachsenen, leiblichen Tochter Dorothy wieder. Die ahnt die Gefahr für Julie, kennt sie doch das wahre Gesicht ihrer Mutter.







Meinung:
„The Butterfly Room“ beruht auf dem Roman „Alice dalle 4 alla 5“ von Jonathan Zarantonello, der diesen gleich selbst als Regisseur umsetzt. Der Amerikaner italienischer Abstammung musste sich hier offensichtlich mit sehr geringen Mitteln arrangieren und hat was Inszenierung angeht auch sicher noch das ein oder andere zu lernen, dennoch kann sein B-Psychothriller mit dem Charme von 80er Jahre VHS-Reißern und dem italienischen Genrefilm vergangener Tage als Grundlage in vielen Punkten erstaunlich überzeugen, wenn sich nicht zu sehr an deren typischen Defiziten gestört wird.


Zuckersüß und so durchtrieben.
Der Film trieft förmlich vor gängigen Klischees und Stereotypen, ist psychologisch natürlich eher pulpig veranlagt und tangiert mehr als einmal das oft ambivalent zu gebrauchende Wörtchen Trash. Kritisch gesehen eher Schund, allerdings mit deutlich Herzblut inszeniert, schön garstigem Inhalt, einem exploitativen Wesen, sichtbaren Referenzen und stets auf einem Level, der dem Befürworter solcher Werke durchaus positiv auffallen dürfte. Allein der Cast lässt aufhorchen: Barbara Steele („Die Stunde wenn Dracula kommt“, „Shivers“), Ray Wise („Das Ding aus dem Sumpf“, „Twin Peaks“), Heather Langenkamp („Nightmare on Elm Street“), Adrianne King („Freitag, der 13.“)…wie ein Generations-übergreifendes Klassentreffen (fast) vergessener Genre-Namen, die heute oft eher auf einschlägigen Fan-Veranstaltungen zu finden sind, als am Set eines Films (auch wenn Wise da leicht raussticht, aber solche Gehaltsaufbesserungen sind ihm auch nicht fremd). Für ein großes Comeback spielen die hier alle nicht vor und war sicherlich auch nicht die Intention, man merkt schon speziell bei Langenkamp, dass da viel mehr nicht mehr kommen wird. Doch die Steele, die trägt den Streifen tatsächlich auf ihren betagten Schultern.


Wer die Schmetterlinge anguckt, bekommt Haue.
Ihre Performance ist zwar nicht nur gering überzogen, als heftig geschädigte Schmetterlingssammlerin und Tagesmutter mit Pubertäts-Komplex (in Gedenken an Carrie White) strahlt sie dennoch – und zu gewissen Teilen sogar deshalb – die Aura einer teuflischen Hexe aus, beeindruckt durch eine Spielfreunde und Präsenz, dass ihr Gesamtbild perfekt in den Charme des Films passt. Relativ geschickt erzählt, sehr bösartig, mal cheesy und dann wieder fast elegant, eine sehr interessante Mischung, die man von heute oft glattgebügelten Vertretern – selbst aus dem B-Bereich – gar nicht mehr gewohnt ist. Wo selbst klar billige DTV-Produktionen sich noch mutlos und uninspiriert an großen Vorbildern langhangeln und nicht zu ihrer eigenen Identität stehen, wirkt „The Butterfly Room“ sehr authentisch in seiner offensiv vorgetragenen Genre- und Klassenzugehörigkeit. Ecken und Kanten sind unübersichtlich, gerade die machen den Film rund, in dem ja auch einiges funktioniert. Manche Einfälle können sich sehen lassen und zeigen Wirkung, die wenigen Gewaltspitzen sitzen punktgenau, Spannung wird durchgehend generiert und die kleine Schlusspointe sorgt für ein leichtes Grinsen. Ein netter Abschluss für einen netten Film.


Kein großer Wurf und doch auf seine Art so schön retro, in seinen Mängeln immer entschuldbar und gleichzeitig mit ungeahnten Qualitäten fast überraschend, eine ganz kleine Empfehlung für Genrefans, die sich an bemühten und hingebungsvollen B-Movies erfreuen können.

6 von 10 Ersatzpuppen

Review: SLEEP TIGHT - Das Böse unter dem Bett

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Fakten:
Sleep Tight (Mientras duermes)
ES, 2011. Regie: Jaume Balagueró. Buch: Alberto Marini. Mit: Luis Tosar, Marta Etura, Alberto San Juan, Petra Martinez, Iris Almeida Molina, Carlos Lasarte, Amparo Fernández, Roger Morilla, Pep Tosar, Margarita Roset, Ruben Amettllé, Manuel Dueso u.a. Länge: 101 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
César ist Hauswart in einem Mietshaus und augenscheinlich ein sehr angenehmer, hilfsbereiter Zeitgenosse. Doch weit gefehlt. César ist der wohl unglücklichste Mensch der Welt und kann es nicht ertragen, wenn andere Menschen glücklich sind. Deshalb treibt er mit den Bewohnern hinterlistige Spielchen, manipuliert und sabotiert ihren Alltag, ohne das der Verdacht auf ihn fällt. Besonders die hübsche Clara hat es ihm angetan. Jeden Abend lauert er unter ihrem Bett, betäubt sie nach dem Einschlafen mit Chloroform und verbringt die Nacht neben ihr. Diese merkwürdige Zuneigung schützt sich jedoch nicht etwa vor Césars bösen Attacken, ganz im Gegenteil. Mit ihrem Glück kann er erst recht nicht leben. 







Meinung:
„Ich will, dass diese Scheißschlampe das Lächeln verlernt. Egal wie!“

Die meisten Leute können sich (Gott sei Dank) am Glück ihrer Mitmenschen erfreuen, für manche ist es unerträglich. Da sie selbst nicht glücklich sind, nie waren und niemals sein werden. Warum sie, wenn ich nicht? Hauswart César ist das böse Heinzelmännchen, der den Bewohnern seines Hauses stets mit einem Lächeln die Tür öffnet, um sie hinterrücks mit kleinen, fiesen Nadelstichen zu terrorisieren, ohne das man ihn damit direkt in Verbindung bringt. Home-Invasion mal anders. Keine Fremden die sich mit Gewalt Einlaß in die eigenen vier Wände verschaffen, der nette Kerl von der Rezeption hat die Schlüssel und seinen Stammplatz unter dem Bett.


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Haustiere ausdrücklich gestattet.
Jaume Balaguerós Psychothriller ist nicht nur ungemein bedrohlich, er lässt den Zuschauer so nah an seinen Psychopathen ran, dass man sich fast mit ihm identifiziert. Man fiebert mit ihm mit, obwohl er es doch ist, dem das Handwerk gelegt werden muss. Mit fortlaufender Spielzeit verfängt man sich immer mehr in einer Spannungsspirale, die hauptsächlich daraus besteht, wann und ob César über sein erst sehr überlegtes, aber irgenwann nur noch reagierendes, spontanes und immer waghalsiger werdendes Terrorspielchen stolpert. César droht alles aus den Händen zu gleiten, sein Gerüst aus geschickten Intrigen und Hinterlistigkeiten wackelt immer stärker, je mehr er sich in seinen Wahn steigert. Und wir werden fast zu Mittätern, da wir das Treiben durchgehend aus seiner Perspektive erleben, die gängigen Sympathiemechanismen für die Opfer bald nicht mehr greifen, da wir zu sehr involviert sind. Natürlich sind die Rollen zwischen Gut und Böse noch klar verteilt, Césars Taten klar als abscheulich, perfide und zu tiefst grausam dargestellt. Dennoch, bald schon ertappt man sich erschrocken dabei, eigentlich der falschen Person insgeheim die Daumen zu drücken. Ein gewollter Schachzug von Balagueró, was in der Form zwar nicht gänzlich neu ist, jedoch immer wieder faszinierend und clever, wenn es denn aufgeht. Bei „Sleep Tight“ ist das der Fall.


"Fangt schon mal an, wärme mich noch auf."
Unabhängig davon ist dem Spanier mit diesem abgründigen Thriller sein bis dahin wohl reifster Film gelungen. Er baut ihn behutsam auf, setzt auf schleichenden Suspense und erhöht die Intensität kontinuierlich, mit einigen grandiosen Höhepunkten gespickt (Stichwort: Unerwarteter Gast über Nacht). Speziell diese Szene, aber auch der Rest, wird sehr geschickt eingefangen, eine knüppeldicke Atmosphäre wird gebastelt und der gnadenlose Plot nie zu vorhersehbar. Selbst die recht einfach Charakterisierung von César und sein an sich sehr simples Motiv reicht vollkommen aus, erscheint schlüssig, ohne auf abgegrabbelte Psychopathen-Klischees zurück greifen zu müssen. Man nimmt ihn ernst, versteht ihn sogar, obgleich wir es mit einem extrem gestörten Monster zu tun haben. Großen Verdienst daran hat natürlich auch Hauptdarsteller Luis Tosar, der seine Figur befremdlich menschlich darstellt, was angesichts der Rolle alles andere als leicht ist. Es ist diese merkwürdige Kombination aus Verständnis und Abscheu ihm gegenüber, die den Reiz seiner Person ausmacht.


Ein bösartiger, verstörender Film, der konsequent auf eine hundsgemeine Schlusspointe zusteuert, die der Stimmung des gesamten Werks absolut gerecht wird. Kleiner Wermutstropfen, das Glück, Zufall und manch sehr naives Verhalten sich nicht leugnen lassen. Sei es drum, der Rest ist klasse. Psycho-Folter, von ganz klein bis zu riesengroß. Hervorragend, handwerklich wie inhaltlich. 

8,5 von 10 nächtlichen Besuchern.

Review: DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER - Seelenstriptease vor dem Monster

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http://skepticlawyer.ozblogistan.com.au/files/2013/10/silence_of_the_lambs_ver2.jpg



Fakten:
Das Schweigen der Lämmer (The Silence of the Lambs)
USA, 1991. Regie: Jonathan Demme. Buch: Ted Tally. Mit: Jodie Foster, Anthony Hopkins, Scott Glenn, Ted Levine, Anthony Heald, Brooke Smith, Charles Napier, Frankie Faison, Kasi Lemmons, Roger Corman u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die junge FBI-Auszubildende Clarice Starling ist auf der Jagd nach dem Serienkiller Buffalo Bill. Die Ermittlungen stecken in einer Sackgasse. Deshalb soll Starling, wie einst Will Graham, den inhaftierten Dr. Hannibal Lecter zu Rate ziehen. Ein genialer Psychiater, der selbst wegen mehrerer Morde und Kannibalismus in Haft sitzt. Lecter verfügt über die Gabe, sich in die Seele und Gedankengänge anderer Menschen zu versetzen. Er willigt einer Zusammenarbeit ein, fordert dafür aber auch etwas von Starling ein. Die hat kaum eine Wahl und öffnet sich dem Monster mehr, als ihr klar ist.






Meinung:
"Die Lämmer haben geschriehen."

Der Erfolg von "Das Schweigen der Lämmer" ist durchaus erstaunlich. Nicht auf die Qualität der Verfilmung des Romans von Thomas Harris gemünzt, sondern auf seine Thematik an sich. Fünf Oscars kassierte der Film von Jonathan Demme und schaffte damit, die breite Masse für einen Film zu begeistern, der sonst wohl eher als Genre-Happen geendet wäre. Muss nichts schlechtes sein, nur schön zu sehen, dass es auch anders geht.


Vorsicht, bissig.
Demme, der danach noch den hochgelobten "Philadelphia" nachschob und anschliessend keine übergroße Rolle mehr spielte, gelang mit der Umsetzung des zweiten Romans des Hannibal-Lecter-Zyklus der ganz große Wurf. Die Verfilmung vom literarischen Vorgänger "Roter Drache" ("Manhunter") durch Michael Mann war 5 Jahre vorher kommerziell durchgefallen und somit hätte wohl kaum jemand im Vorfeld auf diesen Erfolg Wetten abgeschlossen. Demmes Film war sicherlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, geht aber auch auf Nummer sicher und ist weit weniger experimenteller inszeniert als "Manhunter". Vergleicht man hier die reine Regieleistung von Demme und Mann, ist Mann der klare Punktsieger. Insgesamt. Doch was Demme perfekt gelingt, ist die Fokussierung auf die Momente, die langfristig im Gedächtnis bleiben und der Vorlage geschuldet sind. Denn nun rückt Dr. Lecter mehr in den Vordergrund und die Szenen mit ihm und dem ehrgeizigen, gleichzeitig von inneren Dämonen zerfressenen FBI-Küken Clarice Starling sind das Prunkstück von "Das Schweigen der Lämmer".


Dem genialen Tier in Menschengestalt wird ein junges Lamm zur seelischen Schlachtbank geführt, leichte Beute für das manipulative Monster, das hinter Plexiglas nur auf seine Chance lauert, endlich wieder in den Genuss von frischer Leber mit Faberbohnen und einem ausgezeichneten Glas Chianti zu kommen. Was dann passiert, wird nur in wenigen Momenten erfasst, wird die Handlung der Fortsetzung "Hannibal" maßgeblich prägen und ist tatsächlich interessanter, als die eigentliche Killerjagd. Zwischen dem eloquenten Gentleman mit dezent soziopathischen Zügen und der verbissenen Ermittlerin entsteht eine Beziehung, die von einer Seite rein zweckdienlich ist, von der anderen Seite zur Obsession wird. 


Im Gespräch mit der Bestie.
Jetzt kommen die Darsteller ins Spiel, ohne die "Das Schweigen der Lämmer" wohl nie so weit gekommen wäre: Jodie Foster und dem wohl kleinsten (bezogen auf die eigentliche Screentime) Hauptdarsteller aller Zeiten, Anthony Hopkins. Idealbesetzungen in allen Belangen. Foster verkörpert ihre Figur mit der harten Schale und dem verletzten Kern bis in jede Nuance perfekt. Und was Hopkins da veranstaltet, ist im wahrsten Sinne des Wortes unheimlich. Sein stechender, gieriger Blick geht von der ersten Sekunde an unter die Haut und direkt in die Seele. Er verschmilzt mit der Rolle. Jeder würde ihm sofort abnehmen, dass er seine Gedanken lesen kann, sich von seinen Ängsten ernährt und sie gnadenlos durch den Fleischwolf dreht. Einfach, weil er es kann und daran Spaß hat. Selten wurde so ein bedrohliches Ungeheuer mit so einer Perfektion verkörpert. Das ist gerade das Kunststück von Hopkins: Obwohl er nur wenige Szenen hat, ist er dauerpräsent und niemand würde im ersten Moment realisieren, wie klein seine Rolle (rein physisch) doch eigentlich ist. Wie ein böser Geist ist er allgegenwärtig und in den Momenten so wichtig und eindringlich, dass die Realität kurz Pause hat. Genau dann ist die Inszenierung von Demme auch perfekt, ohne auf große Spielerein zurückzugreifen (was er einfach auch nicht muss). Er überlässt Foster und Hopkins die Bühne, nur darum bemüht, Gestiken und Mimiken gezielt einzufangen und das Wortduell für sich sprechen zu lassen. Immer wieder beeindruckend.


Wer würde ihm nicht über den Weg trauen?
Dagegen fällt die Handlung drumherum fast etwas runter. Da ist "Das Schweigen der Lämmer" auch nicht überragend, aber immer auf sehr gutem Niveau. Etwas unfair, das so abzuwerten, aber der Vergleich lässt kaum etwas anderes zu. Dennoch im Ganzen ein starkes Stück. Die Story ist böse, spannend und in vielen Details auch ohne Hopkins und Foster einprägsam ("Es muss sich mit der Lotion einreiben") und besonders das Finale besticht durch eine dichte Inszenierung. Für Mainstream-Thriller-Kino ist das mehr als außergewöhnlich, von der Handlung wie den wenigen, dafür ziemlich garstigen Momenten. Wenn alles das Niveau von den Sahnestücken hätte, wäre alles andere als die Höchstwertung indiskutabel. Da dem nicht so ist und mit einer individuelleren Regie (beispielsweise eines Michael Mann) hier noch mehr machbar gewesen wäre, leichter Abzug. "Das Schweigen der Lämmer" ist zum Teil zeitlos brillant und mal einfach nur sehr gut. Aber wer kann das schon von sich behaupten?

8,5 von 10 Faberbohnen

Review: DIE NACHT DES JÄGERS - Der böse Prediger

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Fakten:
Die Nacht des Jägers (The Night of the Hunter)
USA. 1955. Regie: Charles Laughton. Buch: James Agee.
Mit: Robert Mitchum, Shelley Winters, Lillian Gish, James Gleason, Evelyn Warden, Peter Graves, Don Beddoe, Billy Chaplin, Sally Jane Bruce, Gloria Castillo u.a. Länge: 93 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Auf die Knöchel seiner Hände sind die Worte "Love" und "Hate" tätowiert, sonst trübt auf den ersten Blick nichts das Bild des rechtschaffenden, eloquenten Predigers Harry Powell. Der Mann Gottes hat jedoch seine ganz eigene Auslegung von Gut und Böse. Powell ist ein psychopathischer Serienkiller. Als er eine 30tägige Haftstrafe wegen Autodiebstahls absitzt, erfährt er von seinem Zellenkumpanen Ben Harper, der wegen Raubmord zum Tode verurteilt ist, dass dessen Beute von 10.000 Dollar noch auf seinem Grundstück versteckt ist. Nur seine beiden kleinen Kinder wissen wo genau. Nach seiner Entlassung stattet Powell der Witwe Willa Harper einen Besuch ab, umgarnt sie geschickt und heiratet sie kurz darauf





Meinung:
"Die Nacht des Jägers" von Charles Laughton gilt als ein einflussreicher und wegweisender Psycho-Thriller, hat sich das Prädikat Klassiker zweifelsohne verdient. Unverkennbar, wie deutlich spätere Filme und Regisseure u.a. durch ihn beeinflusst wurden. Ungewöhnlich, wie sehr er sich (für seine Zeit) von dem beliebten Heile-Welt-Abziehbildes der frommen 50er abhebt und einen äußerst bedrohlichen, fast dämonischen Antagonisten in den Mittelpunkt rückt. Das wagte damals kaum jemand. Böse Buben waren zwar gelegentlich schon mehr als reine Randfiguren, aber ein derartiges Monster, ein Serienkiller und Psychopath wie aus dem Bilderbuch, ein ungewöhnliches Vorhaben. Reduziert auf seine Vorzüge und einige heute noch brillanten Momente könnte "Die Nacht des Jägers" immer noch als ein fast herausragendes Werk bezeichnet werden. Ehrlich und aufrichtig betrachtet gibt es jedoch einige Schönheitsfehler, die zum Teil (jedoch nicht ausschließlich) altersbedingt sind.


Noch zeigt Powell seine liebe Seite
Die erste Hälfte kann kaum kritisiert werden. Manch theatralisches, leicht hölzernes Spiel ist schlicht zeitbedingt. Einem Film von 1955 muss so was verziehen werden, das war damals einfach Standard. Umso überragender ist die Performance von Robert Mitchum als furchteinflößender Prediger Henry Powell. Sein Auftritt spielt in etwa auf Augenhöhe mit dem in "Ein Köder für die Bestie" von 1962. Mitchum scheint der geborene Film-Psychopath, seine Ausstrahlung beängstigend, seine Präsenz enorm. Schon durch sein Erscheinungsbild, mit den markanten Tattoos auf den Handknöcheln, sticht seine Figur extrem hervor und Mitchums Spiel erfüllt sie mit Leben. Bei seiner tatsächlich einzigen Regiearbeit zeigt Charles Laughton (sonst hauptsächlich Darsteller) an gewissen Punkten enormes Talent für Stimmung und einzelne Eistellungen. Allein das erste Auftauchen von Powell vor dem Haus seiner "Familie" ist ein wunderbarer Moment. Als der kleine John seiner Schwester gerade eine Geschichte erzählen will, fällt eine riesige Silhouette durch das Fenster an die Wand. Powell steht vor dem Haus unter einer Laterne, beobachtet es wie ein Raubtier seine Beute belauert. Das sind diese Momente, in denen "Die Nacht des Jägers" wahrlich heraussticht. Das gesamte, perfide Umgarnen der labilen Witwe Willa, das charmante Einwickeln der naiv-ländlichen Gemeinde, wie das Monster sich von seiner besten Seite zeigt und das Unheil seinen Lauf nimmt, wie er anschließend eine fast radikale Gehirnwäsche mit seiner Ehefrau vollzieht, da ist der Film bärenstark. Eigentlich gerät er erst dann etwas in Schieflage, als Powell endgültig die Maske fallen lässt und die titelgebende Jagd beginnt.


Powell ist wahrlich kein Kinderfreund
Nun wechselt der Fokus deutlich von Powell auf die Kinder, was zwar logisch ist, dem Film jedoch seiner stärksten Waffe beraubt. So niedlich die Kleinen sein mögen, darstellerisch sind sie nicht überzeugend, selbst mit Welpenschutz. Die düstere Stimmung der ersten Hälfte verläuft sich etwas, kehrt nur mit den seltener werdenden Auftritten von Mitchum für den Moment zurück. Fast fatal, das auch er manchmal etwas unglücklich in Szene gesetzt wird. Vielleicht macht sich da die Unerfahrenheit von Laughton als Regisseur bemerkbar. So fantastisch er manches umsetzt, speziell das dunkle Spiel mit Licht und Schatten, so deutlich entgleitet ihm partiell die Führung seines Hauptdarstellers. Es gibt konkret zwei Szenen (im Keller, vor dem Haus kurz vor Schluss), in denen der sonst so diabolische Killer plötzlich fast etwas albern rüberkommt, das hat sogar leichte Slapstick-Anleihen. Wirkt unglaublich unpassend und zerstört die sonst so dichte Atmosphäre. Generell verliert der Film zum Schluss an Spannung und Beklemmung. Der bis dahin überlegene Jäger scheint relativ einfach seine Dominanz zu verlieren, nicht mehr glaubhaft, dass er zuvor mit 25 Morden ungestraft durchgekommen ist. Das trübt das Gesamtbild deutlich, ebenso der nicht immer freiwillig Humor. Einiges davon fällt unter zeitbedingt, einiges leider nicht. Manches beißt sich einfach mit der sonst so eiskalten Stimmung, die der Film nicht durchgehend aufrechterhalten kann. Auch etwas störend: Das Überstrapazieren der biblischen Zitierungen. Besonders am Ende, wenn "Love" personifiziert auf "Hate" trifft. Symbolisch passend, nur halt etwas zu zitierfreudig.


"Die Nacht des Jägers" hat über die Jahre etwas einbüßen müssen und war sicher auch seiner Zeit nicht perfekt, das sind letztendlich aber nur Details. Stellenweise großartig und von seiner Bedeutung nicht zu verkennen. Heute noch eine glasklare Empfehlung, nicht nur für Klassiker-Liebhaber.


7,5 von 10 kostbaren Puppen


von JackoXL