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Review: TOTALLY STRIPPED – Die Rolling Stones Unplugged

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Fakten:
Totally Stripped
US. 2016. Regie: Jim Gable. Mit: Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts, Ronnie Wood, Jack Nicholson, Jerry Hall, Lisa Fischer u.a. Länge: 90 Minuten. FSK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung. Auf DVD und Blu-ray inklusive CD erhältlich.


Story:
„Totally Stripped“ ist eine neue überarbeitete Version des Studio-Films, der ursprünglich im November 1995 im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Rolling Stones-Albums „Stripped” auf den Markt kam. Sie erzählt die Geschichte von zwei Studiosessions und drei Konzerten, die in das „Stripped”-Projekt eingeflossen sind. „Stripped“ folgte im Anschluss an die „Voodoo Lounge“-Mammut-Tour und umfasste neue abgespeckte Versionen aus dem Back-Katalog der Rolling Stones sowie sorgfältig ausgewählte Covernummern, die teils im Studio, teils in kleinen Clubs aufgenommen wurden. Vor allem die Clubshows standen im krassen Kontrast zu den riesigen Arenen und Stadien der „Voodoo Lounge“-Tour. „Totally Stripped“ zeigt die Stones hautnah und nimmt den Zuschauer mit auf eine über 90 minütige Reise zu den Aufnahmesession zu „Stripped“. Exklusive Einblicke in das Studio- und Tourleben der Helden und alles angereichert mit bisher unveröffentlichtem Material. Die CD bietet eine Best-Of der drei Konzerte, die zum Stripped-Projekt gehörten.




Meinung:
Sie zählen unumstritten zu den größten Bands der Musikgeschichte. Ihre beliebtesten Songs sind längst in die Popkultur eingegangen und werden immer wieder, sei es im Radio, Fernsehen oder Film, wiederholt. Auch musikalische völlig desinteressierte Gesellen kennen ihre Lieder und ihr Logo schmückt noch immer unzählige T-Shirts. Die Rolling Stones haben völlig zurecht Musikgeschichte geschrieben und auch Jahre nach ihrer erfolgreichsten Zeit sind sie aus dem Musikgeschäft nicht wegzudenken, auch wenn es logischerweise deutlich ruhiger um sie geworden ist. Umso erfreulicher ist es, dass nun mit „Totally Stripped“ eine überarbeitete Version der 1995 erschienen Dokumentation „Rolling Stones: Stripped“ erscheint, in der man die kultige Rockband aus einer anderen Perspektive sehen und hören darf.


Hat man als Rockstar damals so getragen!
Die Dokumentation „Totally Stripped“ umfasst zwei Studiosessions und drei Konzerte im Sommer 1995, in denen vor kleinerem Publikum Aufnahmen für das „Stripped“-Album gemacht wurden. Besagtes Album ist inspiriert von den populären Unplugged Alben diverser Künstler und zielt auf eine intimere Atmosphäre als bei den gigantischen Bühnenshows der Stones ab. Dabei finden sich auf dem Album sowohl einige Cover-Versionen, darunter „Like a Rolling Stone“ von Bob Dylan, sowie Neuinterpretationen eher unbekannter Songs der Rolling Stones. „Totally Stripped“ lässt seine Zuschauer an diesem Entstehungsprozess teilhaben und bedient sich bei den typischen Mitteln einer Musik-Dokumentation. Mitschnitte der Konzerte wechseln sich mit Reaktionen der Fans und Zuhörer ab, während dazwischen immer wieder Mitglieder und Freunde der Band zu Wort kommen. Besonders amüsant ist der Moment, in dem auf einmal Schauspieler Jack Nicholson („Chinatown“) bei einer Liveshow auftaucht und sich selbst unter die Zuschauer mischt. Zwar ist dieses Konzept aus filmischer Sicht weder sonderlich neu noch wirklich kreativ, doch schafft es „Totally Stripped“ durch eine ausgewogene Mischung ein perfektes Tempo vorzulegen. Letztlich sind es wohl auch die grandiose Stimmung und die Präsenz der Musikgrößen selbst, die dafür sorgen, dass sich die Doku irgendwie magisch anfühlt.


Für Fans der Rolling Stones stellt die neuerschiene Veröffentlichung definitiv eine Kaufempfehlung dar. Auch Freunde von Musik-Dokumentationen oder generell musikalisch Interessierte können über eine Anschaffung nachdenken, denn neben der überarbeiteten Dokumentation liegt auch eine CD mit einem Best-Of der drei gezeigten Konzerte bei. Wie in der Dokumentation zu sehen ist, spielt die Band dabei vor allem unbekanntere Songs in akustischen beziehungsweise überarbeiteten Versionen, was in Verbindung mit der Atmosphäre der drei abgespeckten Konzerte für einen ganz besonderen Charme sorgt.


7 von 10 ikonischen Liveshows

Review: BARCA – DER TRAUM VOM PERFEKTEN SPIEL - Uninspiriertes Historien-Heimspiel mit Überverlängerung

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Fakten:
Barca – Der Traum vom perfekten Spiel (Barca Dreams)
Spanien. 2015. Regie: Jordi Llompart. mit: Lionel Messi, Pep Guardiola, Andrés Iniesta, Johan Cruyff, Eric Abidal, Ramon Besa, Xavier Herandez, Ronald Koeman, José Ramón Alexanko, Gary Lineker, Gerard Piqué u.a. Länge: 120 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Barcelona – eine Stadt, ein Team, ein weltweiter Kult. Seit nunmehr über einem Jahrhundert ist der katalanische Vereinsclub eine nicht mehr aus dem internationalen Sportwettbewerb wegzudenkendes Synonym für erstklassigen Fußball, weltweit längst über die Grenzen Spaniens und der globalen Fangemeinde hinausreichend geachtet und verehrt. Selbst die größten Kulturbanausen werden neben genervtem Stirnrunzeln ebenso wie feuereifrige Fans widerstrebend und wissend nicken, wenn Namen wie Lionel Messi, Pep Guardiola oder Andrés Iniesta fallen.




Meinung:
Der amerikanisch-spanische Dokumentarfilmer Jordi Llompart will nun mit seinem Film „Barça– Der Traum vom perfekten Spiel“ dem Phänomen auch filmisch ein Denkmal setzen, tief ins für den Mannschaftssport schlagende Herz vordringen und dort die großen Geheimnisse lüften, wie es großspurig auf dem DVD Cover heißt. Auch wenn er weder in den ersten, noch den üppigen 116 Folgeminuten diese vollmundigen Versprechen einlösen kann, so ist der Anfang durchaus gelungen. Lediglich mit den tiefen Atemzügen, den Schritten auf dem Rasen, undeutlichen Rufen der Mannschaftskollegen zueinander und den bis zum entscheidenden Tor stummgeschalteten Zuschauermassen auf der Tonspur, macht die Eröffnungssequenz es erfahrbar, wie es sich anfühlen, anhören muss, dort im Camp Nou vor Tausenden johlenden Fans um einen Meisterschaftstitel zu kämpfen. Die pathetischen Zeitlupenbilder erinnern dabei ein ums andere Mal an Sönke Wortmanns „Das Wunder von Bern“, verfehlen aber keineswegs ihre Wirkung.


Bild aus vergangenen Zeiten
Nach diesem atmosphärischen Auftakt, begibt sich Barça jedoch nicht hinter die Kulissen, wie etwa Wortmanns „Sommermärchen“ in die Mannschaftskabinen, sondern entpuppt sich als filmischer Museumsbesuch, bei dem 115 Jahre Vereinsgeschichte in etwa genauso viel Laufzeit chronologisch aufgerollt werden. Geradezu schulmeisterlich bebildert man die Gründung durch den Schweizer Joan Gumper in den frühen 1900er Jahren, die Auswirkungen zur Zeit des spanischen Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur sowie des Zweiten Weltkriegs. Wie auf einer Checkliste hakt die Dokumentation die prägendsten Ereignisse in teilweise stummfilmhaften Originalaufnahmen und Interviews ab, bei denen sich ehemalige wie derzeitige Spieler von Graham Hunter bis Messi mit Sportjournalisten und permanenten Lobeshymnen gegenseitig die Bälle zuspielen, aber kaum einmal Mitglieder der weltweiten Fanclubs ihre Liebe zum Verein vor der Kamera Luft machen dürfen. Stur arbeitet sich „Barça“ an einem schnurgeraden roten Faden ab, ohne dabei sonderlich in die Tiefe zu gehen. Die unliebsameren Aspekte, wie das ständige hin-und herschieben von Spitzenspielern, Trainern, oder exorbitanten Geldsummen zwischen den Vereinen innerhalb des internationalen Fußballs, lässt man zwar nicht direkt unter den Tisch fallen, reißt man aber bestenfalls oberflächlich an, um es dann unter den Kunstrasen zu kehren.


Modisch immer wieder en vouge, die Jungs von Barca
Doping-Vorwürfe gegen Lionel Messi, der Einfluss des Franco-Regimes, die Umstände des Selbstmordes von Gründer Gumper, die Phase der Depression in den 60er Jahren als Kontrastprogramm zur aufkommenden Weltoffenheit außerhalb von Spanien – all das findet zweifellos Erwähnung, wirkt aber höhepunktarm und wie aus dem Lehrbuch artig abgespult. Später gelingt es Regisseur Llompart aber immerhin, den Fokus auf die ganz großen Persönlichkeiten zu richten. Als Schlüsselfigur für den durchschlagenden Erfolg der Katalanen positioniert sich der Spieler und spätere Vereinstrainer Johan Cruyff, der Barça mit seiner Idee vom „totalen Fußball“ revolutionierte. Auch Wunderkind Lionel Messi, der mit gerade einmal 13 Jahren seine Familie in Argentinien für eine bessere Zukunft zurückließ, und allen voran Josep „Pep“ Guardiola, welcher u.a. von 1990 bis 2001 für Barcelona im Mittelfeld spielte und diesen Sommer nach dreijähriger Trainerschaft vom 1. FC Bayern München zum Premier-League Team von Manchester City wechseln wird, bekommen ihren Platz in der dokumentarischen Ruhmeshalle des gebürtigen Katalanen, der sich spätestens nach der Hälfte der Laufzeit als glühender Barça-Fan offenbart haben sollte und zum langatmigen Ende hin kaum noch eine gesunde Distanz zu bewahren scheint.


So ist „Barça“ allenfalls für hartgesottene Fans sehenswert,die die schamlose Heiligenverehrung nicht stören wird,, die man hier sich selbst schulterklopfend zelebriert, während desinteressierte Fußball-Boykottierer sich allenfalls am Kopf kratzen, darüber wundern, was sie gerade gesehen haben und dann achselzuckend weiterschlafen werden, denn wie so viele andere ist auch der „Traum vom perfekten Spiel“ nach dem Aufwachen gleich schon wieder vergessen.


4 von 10 müden Lattenknallern

von Dominik Koe

Review: BLACK TAPE - Das Rap-Phantom von Heidelberg

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Fakten:
Black Tape
BRD, 2015. Regie: Sékou Neblett. Buch: Sékou Neblett, Gregor Eisenbeiss. Mit: Sékou Neblett, Falk Schacht, Marcus Staiger, Neffie Temur, Fünf Sterne Deluxe, Thomas D, Cora E, Stieber Twins, Afrob, Materia, Haftbefehl, Eko Fresh u.a. Länge: 88 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Ab dem 3. Dezember 2015 im Kino.


Story:
Beim Dreh seiner Doku über die deutsche Hip-Hop-Szene stolpert Freundeskreis-Mitglied Sékou Neblett bei den Sequenzen mit Marcus Staigner über rätselhafte Facebook-Botschaften einer Legende, dem einmalig in Erscheinung getretenen Rapper Tigon. Er, Staigner und Journalist Falk folgen der Spur, auf der Suche nach dem Ursprung des Deutsch-Raps.

                                                                                

Meinung:
Ganz heimlich, still und leise schleichen sich doch noch interessante und eigenwillige Produktionen aus heimischer Manufaktur in das deutsche Kino ein, die Haltbarkeit dürfte begrenzt sein. Ob „Black Tape“ dort eine echte Chance hat, ist selbst unter optimistischen Erwartungen gering. Demnächst in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ auf dem ZDF könnte er leider auch versauern, aber zählt zu dessen matt-glitzernden Perlen wie auch schon „Rammbock“. Ein ähnlicher Szene-Erfolg sei ihm gegönnt, die Qualität und das Herzblut hat er ohne Frage.


Ein Mann, ein Mythos.
Schon die Idee von Regisseur und Co-Autor Sékou Nablett (Ex-Mitglied von „Freundeskreis“) ist – obwohl nicht ganz neu – gewagt, in seiner Interpretation erfrischend und als Gesamtes sehr zeitgemäß, gerade da er sich rein faktisch der kreativen Krätze der deutschen Nachmittags-Unterhaltung bedient. Scripted-Reality, wenn grenzwertige Menschen in plumpe „Alltagssituationen“ geschubst werden, damit sich nur geringfügig klügere Personen dadurch bestätigt fühlen. Die Kunst hinter dieser speziellen Ausreizung besteht darin, dieses Konzept als erstaunlich spannende und tatsächlich kluge, liebevolle Reflektion über eine Szene zu nutzen, die zwischen den Zeilen enorm viele Wahrheiten beinhaltet und eher als Satire denn als typischer Genre-Beitrag zu verstehen ist. Satire auch nur deshalb, da diese Art der Darstellung oft nur zur schlichten Kostenminimierung genutzt wird, was oft erschreckend präzise funktioniert. „Black Tape“ könnte – wenn hier nicht so viel „Zufälle“ fix ineinandergreifen würden – zumindest bis zur Halbzeit fast als echte Doku durchrutschen, was an der geschickten Umsetzung liegt. Darauf spielt Nablett gezielt an und den Braten mag nicht jeder sofort riechen. Selbst wenn, wie er es an den Mann bringt schmälert weder den Gesamteindruck, eigentlich bestätigt er nur sein Talent.


Auch ein Mann, den kennt man aber.
Hier finden sich jahrelange Intimfeinde plötzlich zusammen, um ein reizvolles Projekt auf den Weg zu bringen. Spielen sich selbst, ohne sich zu verleugnen oder aus ihren Persönlichkeiten zu fallen. Aber reichen sich unter dem Deckmantel der gespielten Szenen die Hand und zeigen auf, dass auch im harten Rap-Business vieles heißer gekocht als gegessen wird, zumindest wenn es eine Weile auf der Fensterbank abkühlen konnte. Aus einem als Doku verkauften Film entwickelt sich eine kurzweilige Schnitzeljagd nach einem angeblichen Phantom, dem sagenhaften Tigon, der als erster den Rap eine deutschsprachige Bühne eröffnete, mit katastrophalen Folgen. Zwischen echten Statements und Sequenzen, inszeniertem Material und massiven Stallgeruch erzählt Sékou Neblett zwischen den Zeilen die Entstehung des deutschen Hip-Hops, nicht „wie geplant“ als rein faktische Aufarbeitung, sondern verpackt als Fake-Found-Footage-Szene-Krimi mit überraschend wenig egozentrischen „Darstellern“, die sich eindeutig selbst spielen und deren Szenen nur vom Ablauf, nicht vom reinen Inhalt akribisch skizziert sind. Das wird nicht gespielt, da werden nur Situationen vorgegeben, ab dann sind die Protagonisten real, und wie. Gerade deshalb funktioniert „Black Tape“. Hier eiern nicht bekannte Gesichter durch ein rein gestelltes Szenario, hier wird eine Geschichte, ein Mythos um echte Figuren gebastelt, die sich im Rahmen der Vorgabe authentisch geben. Was eine Energie, einen Flow erzeugt, mit dem man mühelos mitgeht. Für so eine kleine Produktion ist der betriebene Aufwand (inklusive SPLASH-Performance) enorm, das Resultat dementsprechend spritzig, mitten in der Szene, anstatt nur außen vor.


Die reine Story entpuppt sich schnell als engagiertes, nichtsdestotrotz künstliches Spiel und Aufhänger um einen gut kreierten Promo-Jux, drumherum generiert der Film erst seine besten Szenen, die ihren dokumentarischen Zweck fast beiläufig erfüllen. Es wird der „Krieg“ des ersten großflächigen Aufschwungs deutscher Rapper beleuchtet, deren Stars und geliebte Jugendhelden wie FÜNF STERNE DELUXE, die STIEBER TWINS oder AFROB kommen zu Wort, genau wie MATERIA oder HAFTBEFEHL, die neue Generation. Das wohl beste und wichtigste Fragment aus vielen (echten) Zitaten in diesem gebastelten Konstrukt kommt von Max Herre: „ Wenn man das Gefühl hat, man kann den Move von Indie zu Major machen und bleibt sich dabei komplett künstlerisch treu, dann kann man das auf jeden Fall machen“. Da schließt sich der Freundeskreis endgültig und ehrlich. Kommerz und Underground müssen sich nicht zwangsläufig bekriegen, sie können und dürfen eine gesunde Koexistenz bilden, wenn man nur sich als Künstler und nicht seine Identität verkauft. Herre ist dafür das beste Beispiel, sein letztes Soloalbum (auf einem Major) ist vielleicht seine beste Arbeit und darf den Abspann fett unterlegen. „Black Tape“ ist ein Experiment und sicher nur für Fans uneingeschränkt (dann aber richtig) empfehlenswert, der aufgeschlossene Rest darf trotzdem gerne den Blick riskieren. Das deutsche Kino braucht so was: Filme mit Flow, Herz und Idee. 

6,5 von 10 mysteriösen Graffitis

Review: RED ARMY - LEGENDEN AUF DEM EIS - Reputationsnostalgie

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Fakten:
Red Army - Legenden auf dem Eis
USA. 2014. Regie und Buch: Gabe Polsky. Mit: Wjatscheslaw Alexandrowitsch Fetissow, Vladislav Tretiak, Vlaimir Pozner, Alexei Kasatonov, Viacheslav Fetisov, Scotty Bowman, Mark Deakins u.a. Länge: 85 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Ab 26. Juni 215 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die Eishockey-Nationalmannschaft der Sowjetunion war seinerzeit eine der besten der Welt. Sie bestand nahezu vollständig aus Spielern des ZSKA, dem Eishockey-Klub der Roten Armee. Von jung auf diszipliniert und ausgezeichnet durch eine Spielweise, bei der Teamwork und das „Funktionieren im Kollektiv“ im Mittelpunkt standen, galt sie mitten im Kalten Krieg als Beweis für die Überlegenheit des sozialistischen Systems. Als Teil der Propaganda war es die einzige Aufgabe des Teams, den Westen zu besiegen. Slawa Fetissow, der Kapitän, war einer der ersten, die im Zuge der Perestroika von Vereinen der NHL mit dem Versprechen auf Wohlstand und Freiheit in die USA geholt wurden – ein Wechsel für den er in der Heimat zum politischen Feind deklariert wurde. Doch der Neuanfang im Westen war steinig: Die Spielweise der sowjetischen Athleten schien im amerikanischen System der Stars und Individualisten nicht zu funktionieren …





Meinung:
2004 inszenierte „Warrior“-Regisseur Gavin O’Connor mit „Miracle – Das Wunder von Lake Placid“ die wahre Geschichte, wie das Eishockeyteam der Vereinigten Staaten bei den olympischen Winterspielen 1980 die haushohen Favoriten, das Team der UdSSR, in Finale besiegt und sich so am Ende und nach dem sie sich gegen alle persönlichen wie sportlichen Widrigkeiten durchgesetzt haben, die Goldmedaille gewinnen. Ganz großes „Glaub an dich“-Kino mit enormem Pathos, einigem an Vaterlandsliebe und einem wahren Kern.


Slawa mit seinem verhassten Trainer Trichnow
Das Team der UdSSR wird in O’Connors Sportdrama als scheinbar unüberbrückbarer, menschlicher Wall dargestellt. Ein Bild, welches nur zu gerne von der Presse aber natürlich auch von Sportlern und Mannschaften der damaligen Sowjetunion selbst verbreitet wurde. Übertriebene Szenerien von an Schläuchen angeschlossenen Muskelpaketen oder hochgedopten Menschen, die scheinbar mehr Zeit bei Ärzten und Wissenschaftlern verbringen als beim Training, bestimmen die westliche Wahrnehmung der damaligen UdSSR-Athleten. Wer kennt sie z.B. nicht, diese filmischen Böser-Sowjet-muss-vom-guten-Westmensch-sportlich-geschlagen-werden-Vehikel (Gruß an Sylvester Stallones „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“), die wahrscheinlich mehr Meinungen zum Thema kalter Krieg geformt haben, als jede vernünftige, gesellschaftliche wie politische Diskussion. Der amerikanische Produzent Gabe Polsky führt uns nun, in seinem Dokumentarfilmdebüt, hinter den eisernen Vorhang und präsentiert und das sowjetische Eishockeyteam, welches 1980 gegen die USA verlor. Keine Sorge, „Red Army - Legenden auf dem Eis“ fokussiert sich eigentlich nur sehr kurz auf diese eine historische Facette des Teams. Polsky will mehr über diese legendäre Mannschaft wissen, über ihr damaliges Leben, ihr Training, ihre Kameradschaft aber auch über das sportliche System der Sowjetunion. Dafür führte Polsky Interviews mit einigen Spielern von eins. Besonders im Zentrum steht aber Wjatscheslaw Alexandrowitsch Fetissow, genannt Slawa.


Slawa: Vom Hockey-Gott zum Sportminister
Fetissow, der heute in Moskau ein ranghoher Politiker ist, kann auf eine sportliche Historie zurückblicken, die für ihn voller Höhen und Tiefen ist. Als außenstehender Zuschauer ist diese aber zeitgleich auch eine Abhandlung über den Sport selbst, seinen Stand im(damaligen) Kommunismus und seine politischen Begleiterscheinungen. „Red Army - Legenden auf dem Eis“ verkommt dabei niemals zur plakativen Abrechnung mit dem System der Sowjetunion, zeigt aber klar und deutlich dessen humanistische Schwachpunkte auf. Dass die UdSSR in der Dokumentation nicht als gesichtslose Monsternation erscheint, liegt vor allem an Fetissow selbst, der aus seinem Stolz fürs Vaterland keinen Hehl macht und dennoch unverblümt etwa davon erzählt, wie Wiktor Tichonow, der Trainer des legendären Eishockeyteams der damaligen Sowjetunion, seine Spieler zu regelrechten Sportsmaschinen abrichtete, was später sogar in einer Art von Rebellion endete. Untermalt von Archivaufnahmen, Photographien und eben den eher locker geführten Interviews, die jedoch für einige emotionale Überraschungen gut sind, ergibt dies einen kurzweiligen wie höchst vielseitigen Dokumentarfilm. Denn hinter der Politik und dem Sport erzählt „Red Army - Legenden auf dem Eis“ doch letztlich eine Geschichte über spezielle Menschen in sehr speziellen Situationen. Polsky demaskiert den brachialen Mythos der sowjetischen Eishockeymannschaft als Geschichte voller Erfolge, die erkauft wurden durch Leid, Aufopferung und ein manipulierendes System, dem es zugutekam, dass die Spieler eigentlich doch nur ihrer Passion folgen wollten.


„Red Army - Legenden auf dem Eis“ gelingt somit ein Spagat zwischen historischer Reputationsnostalgie und mitreißendem Zeitzeugenbericht. Eine durch und durch sehenswerte Dokumentation, die in vielen Bereichen ganz wunderbar funktioniert, ohne dabei selbst ein Statement zu hinterlassen. Am Ende liegt es ganz bei uns ob die Spieler von einst nun Helden, Marionetten oder Nutznießer waren. Wahrscheinlich waren sie alles und noch mehr, z.B. auch Opfer des Systems sowie ihres eigenen Stolzes.


8 von 10 faulen Amerikanern

Review: GOING CLEAR: SCIENTOLOGY AND THE PRISON OF BELIEF – Hinter den Kulissen der Sekte

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Fakten:
Going Clear: Scientology And The Prison Of Belief
USA. 2015. Regie: Alex Gibney. Buch: Alex Gibney, Lawrence Wright (Vorlage). Mit: Lawrence Wright, Paul Haggis, Tony Ortega, Jason Beghe, Mark Rathbun, Monique Rathbun, Mike Rinder, Sara Goldberg, Sylvia Taylor, Kim Masters, ua.
Länge: 120 Minuten. FSK: keine Altersbeschränkung. Start: noch unbekannt.


Story:
Alex Gibney und HBO legen den Reiz, die Geschichte und die dunkle Seite der Sekte Scientology offen dar und interviewen ehemalige ranghohe Mitglieder.





Meinung:
Diese Kritik zu der Scientology-Dokumentation ist besonders. Wenn man nämlich weiß, wie die „Kirche“ mit Mitgliedern, Ex-Mitgliedern und Kritikern umgeht, wird man auf einmal hellhörig und aufmerksam bei dem, was man schreibt. Darauf wird später noch weiter eingegangen. Die Produktion dieser Dokumentation hat der Freund aller Serienfans übernommen: HBO. Im Voraus haben sie sich mit 160 Anwälten ausgerüstet, die alles prüfen und sich gegen einen Sturm von Klagen vorbereiten sollten, was gar nicht so dumm ist, weil die Organisation eben jene Taktik schon einmal benutzt hat, um das Steueramt der Vereinigten Staaten von Amerika in die Knie zu zwingen. Brisanz gehört schon zur Natur der Sache und auch wenn Vorsicht augenscheinlich geboten ist, sollte man nicht fürchten, eine Meinung zu haben und sie zu vertreten. 


Mike Rinder packt aus
Bei der Kritik zur letzten HBO-Dokumentation namens „Cobain: Montage of Heck“ wurde abgewägt, was eine gute Dokumentation ausmache. Neutralität oder Zielstrebigkeit? Die Darbietung einer Wahl oder die Manipulation, bzw. das Schubsen des Zuschauers zu einem Standpunkt? Schien die Antwort damals noch Ersteres zu sein, muss man dies nach der Sichtung von „Going Clear“ überdenken. Diese Dokumentation ist nicht neutral. Sie zeigt nicht ein paar Minuten die Licht- und dann ein paar Minuten die Schattenseiten von Scientology. Sie ist ganz klarer Gegner des Vereins und der übergeordneten Thematik des Glaubens, siehe auch der Titel des Buches, auf dem die Dokumentation basiert: „Das Gefängnis des Glaubens“. Aber selbst wenn das Werk nicht neutral ausgerichtet ist (was bei der Behandlung einer so skandalreichen Organisation auch nicht erwartet werden kann), kann man ihm eben dies auch nicht vorwerfen, da hinter dem Werk vor allem ein Mann steht, der hier seine Ansichten klar und logisch offenlegt. Nur weil einer ein Dokumentarfilmer ist, hat er ja nun nicht die Pflicht sich seiner Ansichten zu entledigen, damit der Zuschauer eine „wertfreie“ Arbeit ansehen kann. Alex Gibney verfolgt hier eine klare Intention, nämlich die oft nebulös gehaltenen Umkreise der Organisation zu durchleuchten, aber kein persönliches Prestige seiner selbst oder einer anderen Person. Und dadurch verkommt das Werk zu keiner Zeit zur Propaganda - weder in die eine, noch in die andere Richtung.


Scientologys große Waffe: das E-Meter
Die Dokumentation ist in drei thematische Blöcke aufgeteilt und setzt sich aus neu geführten Interviews mit ehemaligen (ranghohen) Mitgliedern, Originalaufnahmen von Veranstaltungen oder Lehrmaterial oder aus nachgestellten Szenen, die auf den Interviews und Berichten basieren, zusammen. Der erste Akt lässt die Interviewten (teilweise gar Nahestehende von L. Ron Hubbard) erläutern, wieso sie den Kontakt zu der Sekte suchten, was sie verlockend fanden - und spannen so eine elegante Brücke zum Zuschauer, der die Chance bekommt, Verständnis aufzubringen. Die ehemaligen Mitglieder wurden gelockt, mit dem Erfüllen von Wünschen. Wer stand noch nie vor einer Lebensaufgabe, vor der man sich lieber gedrückt hätte? Wer war noch nicht so verzweifelt, dass man nicht wissen wollte, wie man etwas erreicht, solange man es überhaupt erreicht? Solche alltäglichen und natürlichen Zweige greift sich die Sekte und verspricht Besserung. Vor allem für Menschen im Show-Business scheint das erfolgreich zu funktionieren - Tom Cruise und John Travolta sind wohl nur die bekanntesten Beispiele. Und letzterer fordert in einem Interview: „Nenn mir eine andere Gruppe, deren Hauptziel „Glück“ ist.“ Der Normaldenkende weiß, dass das gar nicht mal so schwierig ist. Aber viel interessanter als die tausend Antworten ist der Zustand, in dem Travolta steht, um diesen Satz auszusprechen und ihn zu vertreten. Es ist ein Zustand der Weltfremde.


Religion als Disneyland
Der zweite thematische Block setzt sich mit dem Gründer L. Ron Hubbard und der Lehre der Kirche an sich auseinander und zeigt mit Fakten und viel, viel Originalmaterial, dass der Mann vor allem eigene Ziele verfolgte (Geld und Heilung seiner Psyche) und sich mit der Zeit vollkommen in dem Kult verrannte und zum radikalen und paranoiden Kontrollsüchtigen verkam. Der Titel der Dokumentation bezieht sich dabei auf eines der Ziele, das man als Mitglied in dieser Organisation verfolgt. „To go clear“ bedeutet, dass man all seine traumatischen Erlebnisse aus dem aktuellen und vorherigen Leben vernichtet und dadurch zu einem besseren Menschen wird (höherer IQ, bessere Augen, etc). Das sind so Dinge, die man noch mit einem Lächeln als Schwachfug abwinken kann, aber dann kommt der dritte thematische Block und der setzt sich mit der skandalösen und verachtenden Maschinerie auseinander, die die Organisation zu verdammt gefährlich macht und gelinde gesagt eine Schande ist. Manipulation, Gehirnwäsche, Zwang und Drohungen führen zur Entwürdigung des Wesens. Soweit, bis die Mitglieder ihre Bestrafungen aus irgendeinem Grund als gerechtfertigt ansehen. Wer weiß, was mit Theon Graufreud in der Serie „Game of Thrones“ passiert, der kann sich ein ungefähres Bild von den Vorgängen machen.


Schauspieler Jason Beghe ("Californication") stieg aus
Zudem nimmt sich Gibney im dritten Block des Films noch die Zeit, um über das Gefängnis des Glaubens zu sprechen. Der Glauben ist eine schwierige Angelegenheit, weil er so menschlich ist. Das Unbekannte, das Unkontrollierbare macht dem Menschen Angst, weil er in einem Zustand der Paranoia für unsere Auslöschung sorgen könnte. Deshalb ist es so gemütlich, an ein übergeordnetes Wesen zu glauben, dass das Unkontrollierbare kontrolliert und uns bewacht. Es ist Emotionalität in seiner reinen Form und siegt dabei vollkommen über Rationalität. Ganz einfach, weil Gefühle uns eher bewusst sind, als Gedanken. Weil wir, wenn wir Schlechtes denken, nicht so beeinflusst werden, wie wenn wir uns schlecht fühlen. Dadurch wird deutlich, dass Scientology nicht der Erfinder von Manipulation durch Glauben ist. Der Verein ist bei Weitem auch nicht der einzige, der das tut. Atheisten wie Bill Maher sagen immer wieder, das alle Religionen gleichermaßen Schwachsinn seien. Nun, wenn Scientology unbedingt als Religion angesehen werden will, dann schubst es sich selbst in einen Bereich, der ihnen selbst zwar finanziell hilft, aber nicht was ihre Stellung angeht. Etwas, was der Film (zumindest nach Außen hin) nicht behandelt, ist wie weit die Macht der Organisation eigentlich reicht. Wenn ein Jerry Seinfeld nämlich sagt, dass die Kirche seiner Karriere behilflich war, dann nimmt das „Eyes Wide Shut“-Ausmaße an und wird noch gruseliger, als es ohnehin schon ist.


Auch Oscar-Preisträger Paul Haggis stieg aus
Selbstverständlich ließ die Reaktion der Organisation nicht lange auf sich warten. Während von dem Regisseur gewünschten Personen der Kirche niemand für ein Interview zur Verfügung stand (aus welchen Gründen auch immer), hat die Organisation nicht damit hinter dem Berg gehalten, was sie von der Dokumentation, den Beteiligten und sogar Filmkritikern, die die Doku positiv bewertet haben (hups), denken. Drohungen und Beleidigungen wurden verstreut, das Werk als Propaganda abgetan und die ehemaligen Mitglieder auf der Website der Kirche als angebliche Psychopathen, geldgierige Lügner und weiteres bezeichnet. Man muss gestehen, dass es einfach ist, die Kirche als Bösewicht zu inszenieren und anzusehen und die Dokumentation dafür zu kritisieren, derart einseitig vorzugehen. Tut man das jedoch, hat man den Gedanken nicht bis zum Ende geführt. Alex Gibney nimmt nämlich von Anfang bis Ende Abstand davon, die vielen Mitglieder zu kritisieren. Er sieht sie als Opfer an. Er kritisiert lediglich die Kirche und die Zuständigen und Promis, die sie ermöglichen und ihre Vorgehensweisen. Vor allem als deutscher Zuschauer kann man sich den ein oder anderen Vergleich nur schwer verkneifen, bis ein Interviewter sich selbst eines Nazi-Vergleiches bedient, was die Selbstdarstellung, die Symbole und die Reden über einen „Krieg“ angeht.


Man muss gestehen, dass die Dokumentation beeindruckend ist, was ihren Detailgehalt, ihren Aufbau und den allgemeinen Eindruck angeht. Und so viel Lob wie Alex Gibney auch verdient hat; das absurdeste und filmreifste hat wieder einmal die Realität selbst geschrieben. Denn natürlich hat man das Recht, über die Dokumentation zu glauben, was man will. Man kann sie als subjektiven Humbug oder als geplante Rufschädigung ansehen. Aber wenn eine kritisierte Institution so reagiert, wie Scientology es getan hat, wenn Kritiker gezwungen werden sollen, negative Kommentare über die Dokumentation zu veröffentlichen, wenn ehemalige Mitglieder um das Wohlergehen ihrer Familienmitglieder bangen und in die Paranoia getrieben werden. Wenn von der Kirche wie ein bockiges Kind im Rundumschlag gegen alles und jeden gehetzt wird, der eine andere Meinung vertritt. Dann muss da irgendwas faul sein, dann schießt die Kirche sich selbst ins Bein und bejaht quasi unfreiwillig all das, was Alex Gibney und HBO hier in 120 Minuten darlegen. Diese Realität erhöht die Signifikanz des Werkes und ihren Effekt auf den Zuschauer noch um ein Vielfaches und macht aus „Going Clear“ ein sehr gutes und sehr wichtiges Werk. Wichtig, nicht etwa, weil allzu viele Menschen betroffen sind, sondern wichtig, weil jeder Mensch ohne Menschenrechte einer zu viel ist. Es betrübt zu wissen, dass keines der Scientology-Mitglieder dieses Werk zu sehen bekommen wird, denn wie ein ehemaliges Mitglied sagt, bekomme man während der Mitgliedschaft nicht eine kritische Sache zu hören. Man ist in einer anderen Welt, nur leider nicht im Traum und leider nicht freiwillig.


8 von 10 Selbstdarstellungen


von Smooli