Review: BEYOND THE BRIDGE - Tief im Kaninchenbau der Seele



Fakten:
Beyond the Bridge
BRD, CH, 2015. Regie & Buch: Daniel P. Schenk. Mit: Maya Schenk, Thomas Koch, Eleanor Buechler, Jean-Noël Molinier, Carolina Schenk, Robert Matathia, Margot Gödrös u.a. Länge: 109 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD sowie als VoD hier erhältlich.


Story:
Marla kehrt nach zwei Jahren zurück nach Hause, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall verstarben und sie sich nun um den Verkauf des Anwesens kümmern will. Das große Wiedersehen mit ihren Freunden wird auf einer Hausparty gefeiert, auf der sie eine ihr unbekannte Pille einschmeißt. Fortan erlebt sie jede Nacht einen Albtraum, der erschreckend real wirkt. Was sie zunächst auf Nebenwirkungen des Drogenkonsums schiebt, scheint weit mehr zu sein…


            
                                                                    
Meinung:
„The truth is an ugly, yet simple animal.“

Das ließe sich auch mühelos über die zaghaften Versuche des Genrefilm aus dem deutschsprachigen Raum sagen, die sich bis auf ganz wenige Ausnahmen (wie immer an dieser Stelle: „Masks“ oder auch zuletzt „German Angst“) maximal mit „Er war stets bemüht“ links rauswinken lassen. Die Erwartungen sind somit - gelinde gesagt – gedämpft, wenn nun ein weiteres Low-Budget-Projekt (um konkrete Zahlen zu nennen: ca. 10.000 Euro) irgendwo aus dem Nichts auftaucht und mutmaßlich dort auch besser aufgehoben wäre. Denkste! Mit seinem über 5 Jahre entwickelten Spielfilmdebüt zeigt Daniel P. Schenk, dass sich ein guter Film in erster Linie nicht über das Budget definiert, auch mal die eigenen Grenzen deutlich aufzeigen darf, aber in den wesentlichen Elementen überzeugen kann: Idee, Hingabe und dem Rahmen entsprechend am Rande des Möglichen.


Spieglein an der Wand, ist das die einzige Marla Singer im Filmland
„Deutschsprachig“ ist hier nur regional korrekt. Um den Film international konkurrenzfähig zu gestalten, wurde direkt auf Englisch gedreht (kennt man von „Urban Explorer“, der auch nicht schlecht war). Das dies nicht die Muttersprache der Akteure ist wird an einigen Stellen durchaus ersichtlich, aber alles noch im vernünftigen Bereich und wenn es danach ginge, Arnie hätten sie seinerzeit nonstop zurückgeflogen. Ansonsten sind die darstellerischen Leistungen erstaunlich brauchbar, nicht nur für das Genre, sondern allgemein für die Voraussetzungen. In der Hauptrolle gibt Maya Schenk, die Schwester des Regisseurs, eine überzeugende Vorstellung. Zudem sind auch seine andere Schwester Carolina, seine Eltern und sogar das Elternhaus als Set zu sehen. Das spart Geld, erübrigt das lästige Anrufen daheim und – man höre und staune – es mindert die Qualität des Films überhaupt nicht. Wenn es nicht faktisch belegt wäre, es müsste gar nicht erwähnt werden, würde nicht auffallen. Das ist alles wesentlich besser als der übliche „Meine Familie, meine Garage, mein Film“-Krempel, der einem oft mit mehr Selbstbewusstsein als Kompetenz und dieser Klingelstreich-Mentalität versucht wird zu verkaufen. Wer aufmacht, ist selber schuld.


Also Pillen einzuwerfen ist das eine, aber rauchen?! Tzz.
Damit hat „Beyond the Bridge“ nichts oder zumindest nichts letztlich Relevantes zu tun. Das schmale Budget wird ausschließlich in wirkungsvoller Weise investiert, sprich die Geschichte in eine insgesamt effiziente Inszenierung zu verpacken. Besonderes Augenmerk liegt dabei natürlich auf den surrealen, bizarren Nacht(Traum?)-Sequenzen, bei denen sich Schenk ganz bewusst an der „Silent Hill“-Spielserie orientiert. Speziell die erste (und längste) dieser Szenen könnte in der Tat fast aus den nicht-actionorientierten Teilen der Spiele entnommen sein. Die Kamera folgt der Protagonistin meist direkt über der Schulter, mal arrangiert in der Ego-Perspektive oder wird in statischen Blickwinkel montiert, die dem Gefühl des Games sehr, sehr nahe kommen. Selbst das Sounddesign vermittelt diese unbehagliche Stimmung des Vorbildes, bei dem neben der beängstigenden Musik viel Wert auf den Klang von Effekten gelegt wird. Von dem Waldstück jenseits der Brücke dringt Marla Singer (!) immer tiefer in die Geheimnisse ihres Elternhauses ein, sammelt Hinweise, versteckte Schlüssel und öffnet Türen, die eigentlich für immer geschlossen bleiben sollten. Was zunächst nur eine nett gemachte Hommage zu sein scheint, entpuppt sich im weiteren Verlauf als gut durchdachter und überrumpelnder Mystery-Psychothriller mit nicht geringer Mindfuck-Qualität, der sich in seiner sauber konzipierten Pointe durchaus gewaschen hat.


Mit seiner – für so eine Produktion – recht üppigen Laufzeit von fast 110 Minuten ist „Beyond the Bridge“ vielleicht eine Spur zu lang ausgefallen und kann über die gesamte Strecke natürlich nicht verbergen, was er ist und wo er herkommt. Unter professionelleren Bedingungen würde der Film wahrscheinlich noch einiges mehr an Boden gut machen. Andererseits ringt er einem genau deshalb in dieser zu Kompromissen gezwungenen Form großen Respekt ab und lässt das enorme Talent erkennen, was in diesem Regisseur und Autor schlummert. Da mag man wohlwollend über leichte Defizite (die sich zum Teil wohl kaum vermeiden ließen) hinwegsehen, die unter anderen Bedingungen kritischer ins Gewicht fallen würden. Aus den gebotenen Möglichkeiten macht „Beyond the Bridge“ erfreulich viel und lässt hoffen, dass Daniel P. Schenk dadurch eventuell demnächst die Chance auf Größeres bekommt. Da kann jemand was, und offenbar nicht wenig. 

6,5 von 10 schwarzen Müllsäcken

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