Review: THE PROPOSITION - TÖDLICHES ANGEBOT - Auge um Auge, Bruder um Bruder




                                                                        


Fakten:
The Proposition – Tödliches Angebot (The Proposition)
AUS, GB, 2005. Regie: John Hillcoat. Buch: Nick Cave. Mit: Guy Pearce, Ray Winstone, Danny Huston, Emily Watson, David Wenham, John Hurt, Richard Wilson u.a. Länge: 99 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Australien, Ende des 19. Jahrhunderts: Charlie Burns und sein jüngerer Bruder Mickey werden von Captain Stanley verhaftet. Für ihre Outlaw-Vergangenheit droht ihnen der Galgen. Stanley schlägt Charlie einen Deal vor: Er soll seinen älteren Bruder Arthur, den Kopf der alten Bande, aufspüren und umlegen, dann bleibt Mickey der Strick erspart. Dafür gibt er ihm die verbleibenden neun Tage bis Weihnachten Zeit.

                                                                   
Meinung:
„Sein sie auf der Hut, Mr. Burns. Das Land verändert sich. Ich selbst werde es zivilisieren.“

In erster Linie dürfte der Australier Nick Cave der breiten Öffentlichkeit durch seine Musik  bekannt sein. Mit seiner Band „The Bad Seeds“ ist er seit Jahrzehnten eine feste Größe im Business, selbst in den Pop-lastigen deutschen Singlecharts war er das ein oder andere Mal mit vereinzelten Songs vertreten. Das Multitalent lieferte in seiner Karriere nicht nur als Musiker etliche Beiträge für die Filmlandschaft, ob direkt oder indirekt, auch als Gelegenheitsdarsteller und Drehbuchautor ist er ab und an aktiv. „The Proposition – Tödliches Angebot“ war sein zweites Skript, 17 Jahre nach „Willkommen in der Hölle“. Selbstverständlich ist der Score Chefsache und als Regisseur ist wie schon bei seinem Erstling der langjährige Weggefährte John Hillcoat mit an Bord, der einige Jahre später mit dem bedrückenden Endzeitfilm „The Road“ einen hochgelobten Achtungserfolg nachlegen konnte.


Familientreffen unter erschwerten Bedingungen
Ähnlich schwermütig, dennoch wummernd, pulsierend und in seiner melancholischen Gangart kraftvoll treibend wie der hypnotische Score von Cave ist auch seine Geschichte, die gleichzeitig Teil seines Heimatlandes ist. Sein Western, oder eher Ozi-Western (Ozstern?), erzählt mit nicht zu leugnender, biblischer Prägung einerseits von dem unmoralischen Angebot des Blutzolls, dem Opfer des einen Bruders für den anderen, das doppelmoralisch das schwer geschädigte Karma des Protagonisten zumindest oberflächlich reinwaschen soll. Andererseits von der selbstgerechten Domestizierung eines angeblichen unzivilisierten Land heidnischer, primitiver Kreaturen, die erst die perverseste, gottloseste Seite des Menschen dort fußfassen lässt und zu einer nicht aufzuhaltenden Kettenreaktion führt, an deren Ende nur noch Blut und Leid übrigbleiben. Cave und Hillcoat scheinen über die Jahre zu einer Einheit verschmolzen zu sein, perfekt aufeinander abgestimmt, denn die Poesie aus Bild und Ton formt „The Proposition – Tödliches Angebot“ zu einem vertonten Gemälde über Hass, Recht und Unrecht und insbesondere den immensen Sog unkontrollierter Gewalt, die letztlich alles zerstört. Selbst das wenige Schöne, Gütige und Liebevolle, was sich an diesen noch nicht gezüchtigten Arsch der Welt verirrt hat, der in Wahrheit einer der wenigen Flecken Erde war, der noch nicht vom Wahnsinn überrollt wurde.


Zu gut für diese Welt?
Inhaltlich wie formell zwar orientiert am typischen Western der schmutzigen Art, vermeidet Nick Cave jedwede klare Differenzierung zwischen Gut und Böse, alle seine (weißen, männlichen) Figuren können nicht mit blütenreiner Weste vor ihren Schöpfer treten. Lediglich Emily Blunt hat mit ihrer unschuldigen, herzensguten Seele die Strahlkraft eines Engels, gefallen in ein unbarmherziges Inferno. Sie fungiert stellvertretend für die Liebe, die Reinheit, das einzig Erstrebenswerte am Ende eines weiteren Tages in der Hölle, wenn sich die Pforten des abgrenzenden, weißen Gartenzaunes schließen und man versucht ist auszuklammern, was man als Beitrag für die schöne, neue Welt gerade wieder geleistet hat. „The Proposition – Tödliches Angebot“ ist zu nicht geringem Anteil eine ungewöhnliche Interpretation des Familienfilms. Über die Werte und den Dolchstoß. Die Liebe, die Geborgenheit, den wärmenden Schoß und gleichzeitig die Zerreisprobe; das Hadern mit der Bürde, die Hin-und-her-Gerissenheit, den Verrat, die Abnabelung und die finale Konsequenz, wenn nicht mehr die Mission, sondern nur noch das eigene, ethische Empfinden den Finger am Abzug hat.


"Ich will deine Sachen. Gib sie mir. Sofort!"
Der bereits angesprochene, biblische Bezug ist nicht wie so oft ein penetranter Störfaktor, er untermauert nur den moralischen Konflikt aller Beteiligten und ist fast als ein kritischer Fingerzeig zu sehen. Was ist denn der Auslöser des heraufbeschworenen Elends? Die Zwangszivilisation von Wilden, die vorher in ihrer wilden, aber freien Welt in natürlichem Einklang lebten. Bis die feineren Wilden kamen, die meinten es besser zu wissen. Die Kreuzzüge und besonders die Ausbeutung Südamerikas dürfen als Prequels genannt werden. Mit der Moderne hat die wahre Barbarei den Einzug nach Down Under gehalten, was sich im Film konsequent hochschaukelt. Von seiner moralisch verwerflichen Prämisse, einer Leidensweg am Kreuz (der auch ohne voyeuristischen Blutrausch die effizientere Wirkung entfaltet, das hatte eine Landsmann kurz vorher schon ganz anders durch den Fleischwolf gejagt) bis zur endgültigen Eskalation, in dem nur noch gehandelt wird. Instinktiv, animalisch, Darwin wird bestätigt. Die dominante Spezies setzt sich durch.


Ganz ohne Makel darf sich dieser berauschende, erschreckend direkte, exzellent besetzte und tiefsinnige Spätwestern (oder was auch immer, bleiben wir bei der Definition) nicht davonstehlen. Der mannigfaltige Themenkomplex bietet ein breites Spektrum, ganz auf den Punkt gebracht wird nicht alles. Es ist mehr eine Ansammlung, die sich nicht gänzlich festlegen will und in seiner brillanten Präsentation manchmal auch leicht selbstverliebt wirkt. Aber das hat auch seine Berechtigung. Er stirbt nicht in Schönheit, er lässt in Schönheit sterben. 

7,5 von 10 frohen Weihnachtsfesten

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