Review: MOTHER - Mutterliebe kennt keine Grenzen




Fakten:
Mother (Madeo)
KR, 2009. Regie: Joon-ho Bong. Buch: Eun-kyo Park, Joon-ho Bong. Mit: Hye-ja Kim, Bin Won, Ku Jin, Je-mun Yun, Mi-seon Jeon, Sae-Byeok Song, Byoung-Soon Kim, Woo-hee Chun, Moo-yeong Yeo u.a. Länge: 129 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nach dem Mord an einer Schülerin scheint die Polizei schnell den Täter überführt zu haben. Der geistig zurückgebliebene Do-joon soll ihr Mörder sein, ein unterschriebenes, vorformuliertes Geständnis wird in Windeseile durch den Druck der Ermittler erzwungen. Für Do-joons Mutter ist klar, dass ihr Sohn kein Mörder sein kann. Verzweifelt kämpft sie um dessen Entlassung. Dafür ist sie bereit, sich selbst auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben.







Meinung:
Joon-ho Bong, der mit seiner ersten (semi-)westlichen Produktion „Snowpiercer“ für eines der Kino-Highlights des bisherigen Jahres sorgte und zuvor schon bei uns durch „The Host“ und „Memories of Murder“ auf sich aufmerksam machte, beweist auch bei „Mother“, dass er zu den aktuell interessantesten Exportschlagern aus Asien zählt. Sein besonders auf dem eigenen Kontinent mit Preisen überschütteter Film wird der damit einhergehenden Erwartungshaltung an ein mögliches Meisterwerk zwar insgesamt nicht gerecht, verständlich ist die allgemeine Begeisterungswelle dabei absolut.


So sehen eiskalte Killer aus, glasklar.
„Mother“ ist viel zu kunstvoll in Szene gesetzt, viel zu faszinierend vorgetragen und besonders in der ungewöhnlichen, dabei ausnahmsweise auch für westliche Sehgewohnheiten nicht unbedingt leicht abschreckend wirkenden Mischung verschiedener Genreanteile viel zu interessant und homogen, als das man ihm seine Besonderheit absprechen möchte. Solche Filme sind speziell im genormten, oft risikoscheuen und zu sehr am breiten Massengeschmack orientierten US-Kino der Moderne nicht nur eine erfreuliche Abwechslung, sie sind ein Beispiel dafür, das kreatives, eigenständiges Geschichtenerzählen immer eindrucksvoller sein wird als reine Effekthascherei und mutloses Imitieren. Allein das reicht sicherlich nicht für ein herausragendes Werk und ist kein Universalschutz vor Schwachpunkten, von denen ist auch „Mother“ nicht ganz freizusprechen. Nur das macht es einem leichter, sie nicht zu sehr zu gewichten, den Film eher an seinen Vorzügen zu loben, statt ihn an Details zu messen. Letztlich ist es ohnehin ein Beitrag, der eher durch seine Wirkung denn durch seinen raffiniert ausgeklügelten Plot überzeugen will, dessen Stimmung, Präsentation und Ausdruckskraft eine viel deutlichere Sprache sprechen als die zu Grunde liegende Geschichte. Mag die finale Auflösung nach gängigen Kriterien an eine Whodunit-Story nicht gänzlich überzeugen, das spielt lediglich die zweite Geige.


Geständnisse asiatischer Schulmädchen, schockierend für die Eltern.
Gerade zu Beginn gelingt Joon-ho Bong es auf bemerkenswerte Art und Weise, seinen Zuschauer schnell in die Handlung zu integrieren und gespannt auf den weiteren Verlauf zu machen. Bemerkenswert besonders deshalb, da er hier zwar mit typischen Stilmitteln bricht, jedoch nicht in tausend Teile zerbricht. Klassische Thriller-Komponenten werden mit Familiendrama und einigen skurrilen Humoreinlagen vermengt, ohne das dieser Cocktail zu merkwürdig schmeckt. Erfreulicherweise wird nicht mit dem wenig zugänglichen Korea-Splapstick-Blödeleien gearbeitet, mehr mit einer leichten Situationskomik, die einen nicht aus der eigentlichen Stimmung kegelt. Kein leichtes Unterfangen und deshalb schon gesondert zu erwähnen. Paradox, dass der Erzählfluss ausgerechnet dann leicht andickt, wenn im Mittelpart stringenter einer Linie gefolgt wird. Es wird merklich düsterer, dabei leider auch etwas zäh, der frische Wind des ersten Drittels wird leicht aus den Segeln genommen. Umso beeindruckender ist nun die Bildsprache, was hier narrativ etwas auf der Strecke bleibt wird inszenatorisch zwar nicht gleichwertig kompensiert, allerdings stark kaschiert. Ein düster-poetischer Bilderreigen mit schwermütiger Stimmung, ruhig, bedächtig, keinesfalls uninteressant, dennoch nicht das Prunkstück des Films.


Stark auftrumpfen kann dafür das finale Drittel, das zwar wie schon angedeutet nicht unbedingt durch die Auflösung seines Suspense-Plot befriedigt, dieses wohl aber auch gar nicht als Primärziel vor Augen hat. Viel interessanter ist die menschliche Tragödie dahinter, das Einstürzen der als unbestreitbare Wahrheit gesetzten Perspektive und deren Resultat. Wenn die brutale, ungeschminkte Realität auf das durch seinen aufopferungsvollen Beschützerinstinkt und lange unterdrückte Schuldgefühle angetriebene Muttertier einbricht und sie zum konsequenten Akt totaler Selbstaufgabe zwingt. Eine Mutter tut, was eine Mutter tun muss, besonders diese, bis zum drastischen Ende. Darum dreht sich alles, schlussendlich ist es gar nicht mal unbedingt das Was und Wieso, sondern das Was Nun? Eine bittere Pille, mit einem auf der einen Seite wunderschön inszenierten und auf der anderen Seite gleichzeitig doch so traurigen Schlusspunkt versehen.


Ein berührender, partiell großartiger und nachwirkender Film, handwerklich enorm stark, nur eben nicht rundum als grandios zu bezeichnen. Für einen mehr als sehenswerten Film ist das auch nicht zwingend von Nöten. 

7,5 von 10 Akupunkturnadeln

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