Review: DISCONNECT – Gesellschaftliche Entfremdung im digitalen Zeitalter



Fakten:
Disconnect
USA. 2012. Regie: Henry Alex Rubin. Buch: Andrew Stern. Mit: Jason Bateman, Hope Davis, Frank Grillo, Andrea Riseborough, Paula Patton, Max Thieriot, Michael Nyqvist, Alexander Skarsgard u.a. Länge: 115 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 5. Juni 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Drei Geschichten über die Schattenseiten der modernen Kommunikation.





Meinung:
Zuletzt versuchte sich Everbody's Darling Joseph Gordon-Levitt in seinem Regie-Debüt „Don Jon“ daran, einen Kommentar zum sich im digitalen Zeitalter immer extremer entfremdenden Individuum zu formulieren. Sein Leitfaden war die Pornosucht und die kontroverse Tatsache, dass sich Sex inzwischen längst zum puren Konsum verwandelt hat, das den Verbraucher per Mausklick befriedigt und einen wollüstigen Traum aus Fleisch und Körperflüssigkeiten hinter der Mattscheibe für einige Minuten Wirklichkeit werden lässt. Wieder und wieder. Schlussendlich aber verfiel die Ägide von „Don Jon“ zunehmend einer belehrenden Spießerposer, die dem Zuschauer vorzuhalten versuchte, was sich wirklich gehört und was wir doch gefälligst bleiben lassen sollten. Filmemacher Henry Alex Rubin, der durch seine Oscar-Nominierung für seine Dokumentation „Murderball“ etwas Aufmerksamkeit geschenkt bekam, versucht sich in seinem Debüt „Disconnect“, einem Episodenfilm, ebenfalls an einer ähnlichen Thematik, nur im weitaus größeren respektive allumfassenderen Stil.



Wenn Probleme nur noch via WhatsApp angesprochen werden
Das Internet und seine unsichtbaren Gefahren stehen in „Disconnect“ im melodramatischen Zentrum.
Ist man sich darüber bewusst, welche Schindluder inzwischen in den Weiten des World Wide Web getrieben wird, dürfte die Aufsplittung der einzelnen Schicksale in „Disconnect“ wie eine echte Klischeeparade wirken: Live-Cam-Shows, Kreditkartenbetrug und nicht zuletzt Cyber-Mobbing. Man muss diesen Themen, so plakativ sie auch aufeinander abgestimmt wirken, immer auf Augenhöhe begegnen und sich ins Gedächtnis rufen, dass Klischees auch immer ein Produkt unserer Realität sind – jedoch nicht in dieser komprimierten Handhabung. Das Skript von Andrew Stern, so durchdacht es auch erscheinen mag, hält fortwährend Ausschau nach dem kleinstmöglichen Nenner, um daraus den größtmöglichen dramaturgischen Ertrag, der sich von Personenschwenk zu Personenschwenk summiert, zu entziehen. Wie in jedem Episodenfilm wird dabei natürlich auch Determinismus und Fatalismus mit auffälliger Akzentuierung ausgestanzt, doch Subtilität scheint „Disconnect“ - bis auf wenige lichte Momente – vollkommen fremd.


Während sich Paul Thomas Anderson mit „Magnolia“ und Alejandro Gonzalez Inarritu („ 21 Gramm“) als Meister dieser narrativ äußerst komplx konstruierten Narrative bewiesen haben, ist die Konstellation von „Disconnect“ dahingehend ermüdend, weil sie bereits in der Fragestellung scheitert und moralische, emotionale und finanzielle Probleme bar jedem wechselwirkenden Affekt aufbereitet.
„Disconnect“ hingegen geht es vielmehr darum, dem Zuschauer ein schwarzseherisches Abbild des Cyberspace zu unterbreiten und keine mehrwertige Parabel zu entwerfen, sondern didaktisch in pädagogischer Attitüde zu unterrichten. Ein technologiekritisches Mahnmal, das dem Internet Schlechtes wünscht, weil es in der analogen Welt nur Schmerz und Trauer verbreitet. Dabei ist es dann genau der ästhetische Moment, in dem sich die Figuren (bei denen vor allem Jason Bateman als verzweifelnder Vater endlich mal wirklich überzeugt) nicht mehr nur hinter ihren Bildschirmen verstecken, sondern sich direkt in die Augen schauen, der wirklich etwas hermacht. Sicher steckt in all dem, was „Disconnect“ uns erzählen möchte auch ein gewisser Anteil Wahrheit, doch in dieser tendenziöse Haltung negiert er dem Zuschauer jedwede Regung angesichts der emotionalen Konflikten.


4 von 10 Hieben mit dem Eishochkeyschläger


von souli

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