Review: ALICE IM WUNDERLAND - Mit einer Depri-Barbie in Lethargistan


Fakten:
Alice im Wunderland (Alice in Wonderland)
USA. 2010. Regie: Tim Burton. Buch: Linda Woolverton. Mit: Mia Wasikowska, Johnny Depp, Helena Bonham Carter, Crispin Glover, Anne Hathaway, Matt Lucas, Marton Csokas u.a. Länge: 104 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren.


Story:
Kurz vor ihrer Verlobung entdeckt Alice ein weißes Kaninchen, welches sie aus ihren Träumen kennt. Sie folgt dem mysteriösen Tier und findet sich alsbald im Wunderland wieder. Alice scheint in dieser kuriosen Welt schon einmal zu Gast gewesen zu sein, kann sich aber nicht mehr daran erinnern. Doch für Erinnerungen bleibt eh wenig Zeit, schließlich will der verrückte Hutmacher dass Alice die bösartige rote Königin stürzt.


Meinung:
Die 3D-Technik hatte mit James Camerons „Avatar“ ihren Durchbruch. Im Fahrwasser von Camerons Sci-Fi-Epos mauserte sich auch „Alice im Wunderland“ zum Kassengold und spielte bislang über eine Milliarde Dollar ein. Für Walt Disney ein voller Erfolg, vor allem weil die Firmenbosse sich nicht sicher waren, ob Tim Burton der richtige Regisseur für die Verfilmung des Klassikers von Lewis Carroll war. Natürlich, phantastische Stoffe liegen Burton, aber seine bisherigen Werke waren für einen Familienfilm der Marke Disney eindeutig zu düster, zu frech, zu verquert. Dennoch wagte Disney es, mit ihm zu arbeiten, immerhin waren die Abenteuer von Alice seit langem ein Traumprojekt des Regisseurs. Der finanzielle Erfolg, der die Erwartungen deutlich übertraf, dürften diesen Schritt belohnt haben.

Alice ist älter geworden und das Wunderland noch bunter
Diese Version von Lewis Carrolls Geschichte ist anders. Damit sind nicht die 3D-Effekte gemeint, von denen der Zuschauer im Fernsehen, auf DVD oder der normalen Blu-Ray freilich nicht viel mitbekommt, sondern die Geschichte selbst. Drehbuchautorin Linda Woolverton erzählt eine Art Wunderland Reloaded. Der Film zeigt, was passieren würde, wenn Alice mit 20 noch einmal ins Wunderland zurückkehren würde. Wer glaubt, die Macher gewännen damit der klassischen Geschichte Neues ab, der irrt. Da die gute Alice sich an nichts mehr erinnert, folgt der Film brav der alten Struktur und fügt lediglich ein paar Actionsegmente hinzu. Eine banale und unnötige Angelegenheit. Da wäre mehr drin gewesen. Die Filmwelten eines Tim Burton leben von jeher von ihrer Kreativität und Liebe zum Detail. Burton ist dafür bekannt, Spezialeffekte aus dem Computer nur selten einzusetzen. Bei seiner Variante von Alice’ Abenteuern pfeift Burton aber auf seine alte Tugend und präsentiert ein Wunderland, das ganz und gar aus dem Rechner kommt. Offensichtlich fehlt Burton jedoch mit solch großen, ambitionierten High-Tech-Welten die Erfahrung, denn sein Wunderland wirkt unangenehm lieb- und leblos. Unzählige Details sind zwar vorhanden, aber die Bilder wirken allesamt kalt. So hakt es hier bei einem ganz wichtigen Punkt: der Atmosphäre. Der größte Störfaktor ist jedoch die Titelheldin selbst. Newcomerin Mia Wasikowska watschelt als Alice wie eine depressive Barbie auf Valium durch den Film und versprüht den Charme einer Glühbirne. Oftmals ist es unfreiwillig komisch, wie sie auf die diversen seltsamen Ereignisse und Figuren im Wunderland reagiert. Da wäre der Titel „Alice in Lethargistan“ wesentlich passender. Was den Rest der Figuren angeht, so kann vor allem Tim Burtons Muse und Ehefrau Helena Bonham Carter überzeugen. Als rote Königin mit Riesenschädel, die zur Entspannung ihre Füße gerne auf einen warmen Schweinebauch legt, gehören ihr die meisten (gewollt) witzigen Szenen. Die anderen Stars (Johnny Depp, Anne Hathaway) fallen im weiteren Wahnsinn des Wunderlandes nicht sonderlich auf und passen sich der biederen, aber dennoch durchgeknallten Erzählung an.


Es ist wirklich schade, Regisseur Tim Burton hat zwar mit „Alice im Wunderland“ die Kassen ordentlich klingeln lassen, aber vom Phantasten, der solche Perlen wie „Edward mit den Scherenhänden“, „Sleepy Hollow“ oder „Charlie und die Schokoladenfabrik“ inszenierte, hätte etwas überzeugenderes kommen sollen, als dieses bunte, aber dafür anorganisch wirkende Abenteuer, das die Geschichte von Lewis Carroll nicht sonderlich innovativ oder gar spannend weiterspinnt. „Alice im Wunderland“ ist eine Enttäuschung. Zwar arbeitete eigentlich der richtige Regisseur am Film, aber offensichtlich hat sich Burton voll und ganz vom 3D-Fieber anstecken lassen. Schade, aber so verkommt sein Traumprojekt leider zur statischen wie seelenlosen Technikdemonstration.

3 von 10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen