Review: HALLOWEEN – Der Mensch im Schatten des absolut Bösen



Fakten:
Halloween
USA. 2007. Regie und Buch: Rob Zombie.
Mit: Scout Taylor- Compton, Tyler Mane, Malcolm McDowell, Brad Dourif, Shari Moon Zombie, Daeg Ferch, Dee Wallace Stone, Danielle Harris, William Forsythe, Danny Trejo, Ken Foree, Sybil Dannind, Bill Moseley, Lew Temple, Udo Kier, Daryl Sabara, Clint Howard, Daniel Roebuck, Tom Towles, Adrienne Barbeau, Sid Haig u.a. Länge: 105 Minuten (Kinofassung), 116 Minuten (Director’s Cut). FSK: freigegeben ab 18 Jahren (Kinofassung), SPIO/JK-Freigabe (Director’s Cut, indiziert). Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Als Kind richtete Michael Myers ein Blutbad an und wurde in ein Sanatorium gebracht. Dort versuchte der Psychologe Dr. Loomis einen Zugang, zu dem Jungen zu finden – ohne Erfolg. Jahre später, Michael gilt als nicht therapierbar, kann er fliehen und kehrt in seine Heimatstadt zurück. Dabei hinterlässt er eine Spur und Blut und Toten.





Meinung:
Wer 'Slasher' sagt, muss zwangsläufig auch „Halloween – Die Nacht des Grauens“ sagen. Gerne als Blaupause des Slasher-Movies deklariert, haben Sergio Martinos „Die Säge des Teufels“ (1973) und Bob Clarks „Jessy – Die Treppe in den Tod“ (1974) zwar die Nase vor John Carpenters Meisterwerk ein Stück weit vorn, wirkungsvoller als der ehemalige 'Master of Horror' ist jedoch nur selten ein Filmemacher mit dem Subgenre umgegangen. Noch heute gilt „Halloween – Die Nacht des Grauens“ als filmhistorisches Lehrstück in Sachen Spannungsaufbau und kreierte mit Michael Myers einen mythischen Archetyp unter den Maskenmördern, der in einem äußerst durchwachsenen Franchise von ganzen acht Teilen so manches Mal verunglimpft wurde. Im Jahre 2007 aber wurde auch Michael Myers Opfer des Remake-Trends und musste sich einer Neuauflage unterziehen, konnte sich dabei aber glücklich schätzen, mit Rob Zombie, der zuvor mit „Haus der 1000 Leichen“ und „The Devil's Rejects“ in Genre-Zirkeln Entzückung auslösen konnte, unter dem Diktat eines echten Geeks gelandet zu sein.


Michael ist ein echt schneidiger Typ
Und tatsächlich fängt „Halloween“ wirklich interessant an, weil er seine Weichen nicht unangenehm drängend auf 1-zu-1-Remake gestellt hat. Die Intention des Schockrocker Zombie hingegen ist es, das Wesen des Michael Myers zu erforschen und sein familiäres Umfeld aufzuzeigen. Damit steht er in seiner zielgerichteten Handhabung konträr zum Original, das den Zuschauer mittels einer legendären POV-Sequenz direkt durch die Augen des 'Bösen' blicken lässt, um ihn dann wenige Minuten mit dem unschuldigen Antlitz eines Kindes zu konfrontieren, das mechanisch, wie von einer höheren Macht gesteuert seine Schwester mit dem Küchenmesser massakriert. Michael Myers war nie greifbar, er schien gar unbezwingbar, die Verwirklichung der urbanen Legende vom Schwarzen Mann. Er war ein ideologisches Werkzeug John Carpenters, der ja bekanntlich ungemein konservativ eingestellt war, die unmoralische Subjekte innerhalb uns erer Gesellschaft zu richten. „Halloween“ 2007 zieht uns mitten in den Vulkan brodelnder White-Trash-Phantasie und lässt Michael innerhalb dieses lächerlich karikierten Milieus durch den Dschungel repetierender Vulgarismen treiben.


Der kleine Michael übt schon mal für später
Zur morgendlichen Begrüßung gibt es vom Stiefvater ein gepflegtes „Fick Dich“ vor den Latz geknallt, während dieser den Hintern seiner Stieftochter Judith angafft. Im Hintergrund schimpft Mama Deborah unentwegt, während sich Baby Laurie die Seele aus dem Leib kreischt. Es ist ein widerwärtiger Bild, mit dem Zombie uns hier konfrontiert, und Michael, der kurz vorher noch seine Ratte ins Jenseits beförderte, wird zum operativen Produkt dieser Welt: Erst muss der Bully der Schule dran glauben, später zieht er sich im Fan-Service-Modus die ikonische Maske über und meuchelt sich durch seine Familie, b ei der nur Mutti und Laurie nicht in ihrem eigenen Blut krepieren. Schon hier wird deutlich, dass Rob Zombies „Halloween“ einer räudigen Tonalität folgt, deren sexualisiertes Leitmotiv auch im weiteren Verlauf als Marschroute gilt, um Michael anhand einer selbstzweckhaften Vergewaltigung den Ausbruch aus der Hochsicherheitspsychiatrie zu er möglichen. Bevor es allerdings zu dieser Szene kommt, darf „Halloween“ dann seine stärksten Augenblicke verbuchen, wenn der junge Michael im Gespräch mit dem Psychologen Dr. Loomis seinem gestörten Wesen aus den Grund geht.


Michael istvom Lungenvolumen des Opfers beeindruckt
Natürlich ist „Halloween“ fortwährend küchenpsychologisch, entmystifiziert Michael Myers schon dadurch, dass er ihm eine Seele zugesteht, doch die Interaktionen, die Sitzungen sind packend, weil verlauten lassen, was „Halloween“ hätten sein können, wenn die Weinsteins Rob Zombie nicht ins Wort gefallen werden. Wie hätte das Porträt, das hierbei schlussendlich nur zur Skizze gereicht hat, ausgesehen, das Rob Zombie mit freier Hand von der zerrütteten Familie (das eindeutige Motiv in Zombies Schaffen) und Michaels Psyche zurecht geschliffen hätte? Eine Frage, die nur spekulativ zu beantworten ist. Hat Michael hinter seinen Masken einen Schutzwall errichtet, in dem er sich vor allem und jedem verstecken kann, folgt schließlich mit dem Zeitsprung von 15 Jahren eine herbe Zäsur und die pubertäre Laurie findet sich im Fokus der Geschichte wieder. War „Halloween“ zu Anfang noch durch seine kleineren oder größeren, aber niemals despektierlichen Verweise auf das Original als leise Hommage zu lesen, ist er im zweiten Teil ein müdes Rekonstruieren Carpenter'scher Genialität. Zombies CinemaScope-Kompositionen biedern sich „Halloween – Die Nacht des Grauens“ regelrecht an, plagiieren einzelne Einstellungen.


Zeitgleich sind auch die Darsteller, die, bis auf Malcolm McDowell als Dr. Loomis, alle austauschbar bleiben, dazu verdammt, Diaologzeilen nachzuäffen. Die biedere Moral Carpenters, die durch sein handwerkliches Geschick jedoch brillant kaschiert wurde, lässt Zombie in dreckigen Fotografien auflegen, um seinen Gewaltspitzen einen nicht gerade unscheinbaren misogynen Subtext anzuheften. Das Grauen hat den Weg in die Vorstadtidylle gefunden, um das letzte Bisschen Vergangenheit in seinem Inneren zu finden (und zu eliminieren), doch das Grauen entsteht nicht durch seine Stimmung, sondern durch den Umgang mit dem Sujet, das sich irgendwann größtenteils nur noch als uninteressanter 08/15-Slasher enttarnen lässt. Ausgenommen sind die Momente, in denen das einprägsame Musik des Originals langsam losbricht. Die Brillanz dieses Themas lässt sich wohl kaum in Worte fassen, sorgt sie doch auch in diesem durchschnittlichen, per se dann doch recht vergessenswertes Werk für Gänsehaut.


4,5 von 10 aufgeschlitzten Kehlen


von souli

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