Review: PARIS COUNTDOWN – DEINE ZEIT LÄUFT AB – Der Faktor Mensch



Fakten:
Paris Countdown – Deine Zeit läuft ab (Le jour attendra)
Frankreich. 2013. Regie und Buch: Edgar Marie. Mit. Jacques Gamblin, Olivier Marchal, Carlo Brandt, Reda Kateb, Igor Skrebin, Francis Renaud, Anne Charrier, James Kazama, Sophie Meister, Laure Marsac u.a. Länge: 90 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 5. Juni 2014 auf DVD, Blu-ray und Blu-ray 3D erhältlich.


Story:
Victor und Milan sind beste Freunde seit einer halben Ewigkeit, doch haben sich die beiden Pariser Nachtclub Besitzer aus den Augen verloren. Doch die Rückkehr eines alten Feindes bringt Victor und Milan wieder zusammen.





Meinung:
Das französische Kino darf sich wohl ohne falsche Scham als die europäische Spitzenklasse bezeichnen lassen. Mit Regisseuren wie Jacques Audiard („Der Geschmack von Rost und Knochen“), Francois Ozon („Jung & Schön“), Guillaume Canet („Kleine wahre Lügen“) und nicht zuletzt das frankokanadische Wunderkind Xavier Dolan („Laurence Anyways“) gibt es Belege dafür in Hülle und Fülle. Das Potenzial ist immens, es muss nur zu Tage gebracht und stetig gefördert werden, damit die Rohdiamanten, die sich heute noch in den Anfängen oder gar noch im Verborgenen tummeln, durch eigene Hand zurecht geschliffen werden und ihre Klasse in Zukunft noch so manches Mal unter Beweis stellen dürfen. Ein besonderes Faszinosum stellt der französische Thriller in der Filmwelt dar, der durch seine düstere, zumeist nihilistische Tonalität menschliche Abgründe thematisiert und diese mittels funktioneller Ästhetizsmen atmosphärisch zu grundieren weiß. Sylvain White ist zuletzt mit „Choral des Todes“ an dieser Menage gescheitert. Edgar Marie tut es ihm nun mit „Paris Countdown“ gleich.


Echte Freunde bluten zusammen
Gewiss ist „Paris Countdown“ keiner der Filme, denen man lange entgegengefiebert hat, sondern eher eine diese unscheinbaren Direct-to-DVD-Produktionen, die sich gegebenenfalls erst nach und nach einen Namen machen dürfen und langsam zu echtem Kult avancieren. Diese Ehre aber wird „Paris Countdown“ mit Sicherheit verwehrt bleiben, obgleich Maries Inszenierung, teilt man sie in einzelne Segmente, keine echte Schwachstellen offenbart, in der Gesamtheit jedoch einen ambitiösen, aber ebenso unrunden Eindruck hinterlässt. Angesiedelt im nächtlichen Paris, werden wir nach einer Prolepse, die uns den gescheiterten Dorgendeal in Mexiko in farblich übersättigten Bildern vor Augen führt, vorwiegend durch die Clubs von Paris geschleust. Synthie-Pop schwabbt unaufhörlich durch den hermetischen Raum, wir wühlen uns durch die Massen von Feierwütigen, durch eine gesichtslose, schwitzende, tobende Horde. Wir, das sind das Zuschauer und unsere beiden Protagonisten Milan und Victor, die um ihr Leben fürchten müssen, nachdem sie gegen den involvierten Psychopathen Serki unter Folter aussagt haben.


Französischer Argumentationsverstärker
Würden wir uns aber unter das tanzende Volk mischen, Milan und Victor für kurze Zeit aus den Augen verlieren, mit Gewissheit würden wir sie wenige Minuten später schon nicht mehr wiedererkennen, würden sie zufällig unser Sichtfeld kreuzen. „Paris Countdown“ leidet an seiner Trägheit, daran, dass er sich viele Ziele setzt, diese aber nicht in die Tat umsetzen kann, weil seine Figuren einfach zu blass und uninteressant bleiben und keinerlei emotionale Interaktion mit dem Zuschauer verkünden. Ganz in der audiovisuellen Tradition eines Nicolas Winding Refn („Only God Forgives“) versucht sich Marie daran, der Künstlichkeit eine Identität zu verleihen und dadurch das existenzialistische Mosaik mit dem freundschaftlichen Kraftakt zu verknüpfen. Refn jedoch ist ein Meister darin, die Maschen seines Klangteppichs nicht auseinanderrücken zu lassen, während Marie, ein Debütant, sicher, mit dem bloßen Abfilmen von Stroboskoplicht keinerlei Sogwirkung entfacht, keine Fotografien, in die man sich fallen lassen und einfach davon treiben möchte.


Paris Countdown“ ist ein Thriller ohne Zugkraft, ohne zwischenmenschlichen Nachdruck und ohne echten Einklang zwischen seinen optischen und auditiven Reizen. Eine konstruierte Geschichte wird letztlich nur durch ihre beiden durchaus soliden Hauptdarsteller Jacques Gamblin und Olivier Marchal zusammengehalten. Hochspannung wird aus der Handlung um Freundschaft, Moral, Rache und einem doppelten Spiel sicher nicht generiert, doch „Paris Countdown“ nun wirklich zu verdammen würde dem Film ebenfalls nicht gerecht werden, dafür ist er einfach zu redundant und schleppend in seinen Anlagen. Sicher gut gedacht, aber dann doch – mehr oder weniger – angemessen daran gescheitert. Es gibt weitaus Schlimmeres, aber schon im nächsten Jahr wird sich kein Mensch mehr an „Paris Countdown“ erinnern können. Verständlicherweise.


4 von 10 flackernden Lichtern


von souli

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