Fakten: Starman
USA. 1984. Regie: John Carpenter. Buch:
Bruce A. Evans, Raynold Gideon. Mit: Jeff Bridges, Karen Allen, Charles
Martin Smith, Richard Jaeckel, Robert Phalen, Tony Edwards, David Wells u.a.
Länge: 115 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray
erhältlich.
Story: Seit 1977 schwebt die Raumkapsel “Voyager 2” durchs Weltall. Ihre Mission:
Lebewesen auf anderen Planeten von der Existenz der Erde zu berichten und sie
zu uns einzuladen. Jetzt ist der ersten Gast da: Starman – der liebenswerteste
Außerirdische seit Galaxis-Gnom E.T. Doch statt Pauken und Trompeten empfängt
die Air Force ihn mit Bomben und Raketen. Der Starman muß im Norden der USA
notlanden – mitten im Wohnzimmer der jungen, attraktiven Witwe Jenny Hayden. Er
nimmt die Gestalt ihres kürzlich verstorbenen Mannes an und zwingt Jenny, ihn
nach Arizona zu bringen. Dort soll er in drei Tagen von seinen Artgenossen
wieder abgeholt werden. Es beginnt eine gefährliche 3000-Meilen-Jagd quer durch
die Vereinigten Staaten.
Meinung: Eine kleine Kuriosität aus den 1980ern - der romantische Sci-Fi-Road-Movie
'STARMAN' von niemand Geringerem als John Carpenter. Wie er zu diesem für ihn
ungewöhnlichen Projekt kam, ist eine Sache. Herangeführt zu einem
vorgefertigten Drehbuch im Fahrwasser des Spielberg-Hits 'E.T.' (obwohl
'STARMAN' ungefähr zur selben Zeit angeboten wurde), brauchte er laut eigener
Aussage und allgemeiner Meinung einfach einen ausgleichenden Hit nach seinem
letzten, leider kaum erfolgreichen und apokalyptischen Alien-Output 'DAS DINGAUS EINER ANDEREN WELT'. Dass er mit der Stephen-King-Verfilmung 'CHRISTINE'
zwischendurch einen ordentlichen Hit an der Hand hatte, wird dabei gerne
ausgeklammert.
Man, this Light will not stand
Deshalb muss es
noch andere Gründe geben, vorallem solche, die erklären, warum so ein
eigentlich kommerziell-gefälliger Streifen, der in seiner Grundlage von jedem
hätte kommen können und trotz weitgehender Abkehr vom Carpenter-Stil trotzdem
noch wirklich ein Carpenter-Film ist, wieder mit Stamm-Produzent Larry Franco
an seiner Seite. So wie 'STARMAN' im Orbit anfängt, mit
für-den-Regisseur-typischem Vorspann-Font, erkennt man zwar einigermaßen Bezüge
zu seinem Spielfilmdebüt 'DARK STAR', inkl. '(I CAN'T GET NO) SATISFACTION' von
den Rolling Stones als Echo jener Zeit, und natürlich erinnert die
Haus-observierende Ego-Perspektive des geisterhaft-umherschwebenden
Alien-Körpers an 'HALLOWEEN' - Erzählart und Charakterzeichnung, die darauf
folgen, haben aber zunächst nur wenig gemein mit der gewohnten Methodik des
pointierten Selbstbewusstseins, wie man sie von Carpenter und seinen fettfreien
Happenings wie z.B. 'THE FOG' kennt. Die Situation an sich ist aber auch eine
große Umkehr von seinen üblichen Geschichten der Belagerung von außen, denn
hier nistet sich der außerirdische Fremdkörper einerseits schon anfangs in das
Leben der Protagonistin Jenny Hayden (Karen Allen) ein, drängt aber darauf,
wieder nach Hause, zurück in die weite Galaxie zu kommen, auf dem Weg dorthin
dennoch von der Menschheit zu lernen - denn wir haben ihn eingeladen! Das ist
natürlich schon ein absoluter Gegenentwurf zum 'DING...', wird aber
verständlicherweise noch skeptisch und unbeholfen von Jenny & Carpenter
beäugt, müssen sie sich doch erst daran gewöhnen, dass das Alien die
Erscheinung von Jennys totem Ehemann Scott (Jeff Bridges) in einer nicht gerade
zauberhaften Metamorphose übernommen hat. Kurt Russell hätte jetzt schon den
Flammenwerfer geholt, Jenny greift ebenfalls bereits zur Waffe, kann aber mit
bestem Gewissen nicht abdrücken.
Warum der Wagen steht? Starman hat halt keinen Führerschein
Stattdessen
lässt sie sich von dem Erdleben-unerfahrenen Besucher dazu bewegen, ihn in drei
Tagen zu einem Treffpunkt mit seinen Artgenossen zu fahren (in einem
augenfreundlich-inszenierten, schwarz-orangen 1977 Ford Mustang Cobra II - nach
'CHRISTINE' erneut eine Erfüllung von Carpenters Auto-Faible), während sie ihm
gezwungenermaßen einen unauffälligen Umgangston sowie andere Regeln des
Menschsein beibringen muss. Das Zusammenleben mit dem Eindringling: unbekanntes
Terrain für Carpenter und deshalb auch Grund genug, seiner Jenny - die zurecht
glaubt, gekidnapped worden zu sein - zahlreiche Fluchtmöglichkeiten vom
unbekannten Wesen anzubieten. Aber in ihr entwickelt sich wohl eine besonders
bizarre Version vom Stendhal-Syndrom, die ohne Zweifel daher rührt, wie sehr
sie sich noch immer ihrem verlorenen Gatten (selbst lediglich bei einer Hülle
seiner selbst) verbunden fühlt, ihm schon zu Beginn des Films anhand von
aufgehobenen Erinnerungen in alten Super-8-Aufnahmen nachtrauert und sicherlich
verwirrt damit hadern muss, ob sich hier u.U. ein Ersatz ergeben könnte - mit
dem sie es aber trotzdem schwer hat; ihm sogar noch in sichtlicher Seelenpein
grabend erklären muss, was Liebe bedeutet. Ihr Vertrauen und Glauben in diesen
Nostalgie-anfeuernden Neuling feuert sich aber auch wirklich erst an, als klar
wird, dass der Fremde keine Feindseligkeit beabsichtigt, sogar mit seinen
Kräften Totes wieder zum Leben erwecken kann - und damit ist nicht nur seine Restauration
von Scott gemeint.
Lass mich, ich schneid dir sehr gerne die Fingernägel
Als Jenny
nämlich von einigen Kugeln sie-verfolgender-Polizisten fatal getroffen wird,
kann das Scott-Double-Alien sie auch retten. In einem relativ unscheinbaren,
aber kongenialen Streich von Carpenter passiert diese Wiedererweckung in einem
per Anhänger fahrenden, lieferbaren Einfamilienhaus - ebenfalls wie der
wiedererbaute Körper Scotts zunächst nur ein Grundriss für echtes Leben, aber
bereits jetzt schon ausgefüllt von zwei sich-allmählich Liebenden, wo sich
sogar der Ausserirdische schon mit einzelnen Tränen und einem zärtlichen Kuss
beweist. Das ist natürlich Teil seines Lernprozesses, doch daraus entwickelt
sich was Tolles für Beide: ein (Neu)beginn der Liebe. Es mag nur Zufall sein,
aber hinsichtlich dieser Entwicklung im Narrativ erscheint durchaus
interessant, dass sich Carpenter im September 1984, drei Monate vor Release des
Films, von Gattin Adrienne Barbeau scheiden ließ, bei den Dreharbeiten aber
schon seine spätere Produktionspartnerin und heutige Ehefrau Sandy King
kennenlernte. Ich möchte gerne glauben, dass da in 'STARMAN' eine persönliche
Wahrheit für ihn drin steckt und so dem romantischen Kern seiner dort
dargestellten 'Lovers on the run' besondere Gewichtung zukommen lässt. Es lässt
sich sodann auch kaum noch wundern, dass er schließlich doch noch sein
Lieblingsthema der Belagerung von außen auf Beide in Form der vorsichtigen
Regierung und des noch weniger vertrauensvollen Militärs einschlagen lässt -
was zu einigen explosiven Konfrontationen führt, die aber auch nur die
schnellstmögliche Flucht unseres Paares, nicht irgendeine Gewalt des Besuchers
forcieren.
-"Ist der Polarstern?" - "Nein, das ist mein Finger."
Die Fronten werden schließlich im Höhepunkt des Plots geradezu unausweichlich
aneinander gerieben, bezeichnenderweise in die Wüste Arizonas konzentriert, in
der Carpenter nun doch noch seinen expliziten Western-Bezug (in früheren Filmen
erwiesenermaßen an 'RIO BRAVO' angelehnt) voll ausleben kann und damit
einleitet, seine Helden in einem Restaurant voller Native-Symbole namens
'INDIAN COUNTRY' von Polizeikarren einkesseln zu lassen. Ein klassisches Bild:
die Übermacht der Gegner wartet draußen, während die Eingeborene und der
verletzte Fremde im Zelt ausharren. Von außen kommt dann auch noch ein
Negotiator hinzu, hier dargestellt von Charles Martin Smith, der als
Alien-Forscher Mark Shermin bis hierhin durchweg den verschmitzten,
enthusiastischen Jäger gab - dessen konventionelle Erklärbär-Szenen mit dem
Militärhonchos trotzdem eine inszenatorische Gleichgültigkeit seitens Carpenter
suggerierte -, allmählich aber kaum noch mit den sezierenden Zielen seiner
Auftragsgeber d'accord geht und deshalb die Verdächtigen ziehen lässt, entgegen
dem Befehl seines Vorgesetzten vor dessen Nase wieder anfängt, eine dicke
Zigarre der Überlegenheit zu rauchen. Unsere Gejagten sind fast am Ziel, doch
von weitem schleicht sich schon der Feind, in Ehrfurcht-einflößender Formation,
mit Helikoptern über der Steppe an, knallt ohne Rücksicht Raketengeschosse auf
diese ein, während Jenny & 'Scott' im Krater nach der Befreiung von oben
hoffen. Diese kommt dann auch als reflektierendes UFO runter und stoppt den
Wahnsinn, bringt zum Aufladen ihres Kundschafters sogar stimmungsvoll-warmes
Rotlicht und entspannenden Schneefall mit, als sich dann verabschiedet werden
muss. Jenny will schon gerne mit, doch für seine Atmosphäre ist sie nicht
geschaffen. Aber er hat ihr etwas hinterlassen, das ihre retroaktiven
Sehnsüchte nach dem verstorbenen Gatten, von dem sie nach seinem Tod nichts
mehr hatte, ein für allemal stillen wird: ein Kind mit den Genen Scotts, das
ihr zu Lebzeiten aufgrund der Schwangerschaftsunfähigkeit ihres Körpers nicht
vergönnt war.
"Siehste, meine Hoden leuchten."
Unser STARMAN
ist eben ein Helfer, ein Erfüller von Träumen und am meisten Jennys Ventil, um
aus der Depression der verlorenen Vergangenheit herauszubrechen und mit dem
Geist von einst wiedervereint zu sein, von vorne zu beginnen - weshalb der Film
auch mit einer zu den Sternen heraufschauenden Nahaufnahme ihrer großen,
verwundert-ergriffenen Mandelaugen endet. Ihr Gesichtsausdruck und die dahinter
liegende Charakterentwicklung stehen aber auch ein Stück für die Ambivalenz
Carpenters, dem solch eine sentimentale Genre-Geschichte in seinem Gesamtwerk
ja so unbekannt ist, dass er sogar seine normalerweise gegebene Autorenschaft
beim Musikscore an Jack Nitzsche und dessen mysteriös- bis glorreich-hauchenden
Synths übergab. Wie Jenny tut er sich anfangs schwer damit, Liebe für diesen
Film zu finden, nicht nur zu inszenieren - einerseits kämpft er im Angesicht
erwarteter Studio-Vorgaben damit, der Auftragsarbeit die stilistische Note
seiner selbst zukommen zu lassen, andererseits scheint er fernab seiner
eingelebten Horror-Gefilde jener Tage Probleme damit zu haben, eine wirklich
empathische Romanze mit einem Alien, quasi einem Bodysnatcher, emotional
vollkommen überzeugend zu vermitteln. Da muss man aber schon sagen, dass das
ihm aufgetragene und bestimmt noch so gut es ging geänderte Drehbuch nicht
gerade die beste Hilfe ist, vorallem im Antagonisten-Anteil eine austauschbare
Einfältigkeit nach der anderen zusammensteckt, aber auch bei seinen
Protagonisten in konventionell-zweckmäßige Erklärungsnot sowie mehr oder
weniger witzigen Nachäffungs-Lernkursen-für-Aliens ausartet.
Dagegen steht
aber schon (auch in Jenny) eine innewohnende Sympathie für Naivität und
Wunschträumerei und diese Freude kommt auch im Verlauf langsam bei Carpenter
durch, der das nicht nur mit einigen wunderschönen Bildern, gepaart mit dem
oben genannten, immer effektiveren Score Nitzsches goutiert, sondern auch seiner
im Fokus stehenden Jenny ein emotionales Erwachen in Cinemascope beschert -
woraufhin sie im Taumel des abwechselnd turbulenten, sinnlichen und
hoffnungsvollen Road-Trips nach den hellsten Sternen am Firmament greift. Fast
schon kindlich, wie sie sich daraufhin gegen die halbe Welt stellt, um mit
einem Alien zu flüchten, dass sie erst seit paar Tagen kennt und versucht,
ihren Ehemann nachzustellen - aber ganz ehrlich, wer kann solch einer
zauberhaften Fantasie schon widerstehen, insbesondere, wenn sie doch so einige
Wunder bereitstellt? Man bedenke: da konnte nicht mal John Carpenter Nein sagen
- und das hat schon alles seine Gründe. Aber es konnte nicht für immer sein, dieser zuckrige, leicht-verblendete Zauber
der Hollywood-Romantik, des Publikums-wirksamen Genrefilms, das sieht man am
Ende in Jennys bittersüßen Augen wie auch in Carpenters Filmographie und das
gibt selbst der STARMAN zu, als er sich verabschieden muss - er überlässt ihnen
Beiden letztlich dennoch den Glauben an die alten Kräfte, an die Liebe von
einst, nur mit neuem Schwung als zweite Chance. Eben mehr als eine bloße
Auftragsarbeit, ist 'STARMAN' letzten Endes ein wahrhaftiger Übergangs- und
vorallem doch noch ein echter Carpenter-Film.
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