Review: ZEITEN DES AUFRUHRS - Wenn die Maske fällt

                                                                      

Fakten:
Zeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road)
USA,GB, 2008. Regie: Sam Mendes. Buch: Justin Haythe. Mit: Leonardo DiCaprio, Kate Winslet, Kathy Bates, Michael Shannon, Jay O. Sanders, Richard Easton, Kristen Connolly, John Behlmann u.a. Länge: 115 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
April und Frank Wheeler sind augenscheinlich ein Bilderbuchpaar der 50er, eigentlich nur noch eine Zweckgemeinschaft. Ihre Ehe ist eine Farce, aufrechterhalten durch das Gesellschaftsbild der Zeit und ihren eigenen Anspruch. Ein Tapetenwechsel soll den nötigen Aufschwung bringen, stattdessen tritt das eigentliche Problem nur deutlicher zu tage.



                                                                              
Meinung:
Sam Mendes beweist bei "Zeiten des Aufruhrs" eine unglaublich stillsichere, thematisch fokussierte und extrem ruhige Hand, die sich im Nachhinein als großer Glücksgriff erweisen soll. Das Drama um das Vorzeigepaar aus der Revolutionary Road  demaskiert sich noch schneller als die feinfühlige Inszenierung von Mendes es eigentlich zulässt, dabei früh den Vorhang der spießbürgerlichen Fassaden fallen lässt, um auf ein vorhersehbares, dennoch (oder gerade?) deshalb enorm erschütterndes Ende zulaufen zu lassen. Wem in den finalen Minuten nicht Herz und Seele schmerzt, hat beider wohl nur zum Besitzen.

 
Mehr Schein als Sein.
Mendes inszeniert und seziert Szenen einer Ehe wie ein Sittenbild der damaligen Zeit. Da wurde früh und froh geheiratet, die Kinder kamen früher als das Eigenheim, der Mann geht frisch gestriegelt und unsichtbar bekleidet zum Job, während das brave Frauchen ihre Rolle zu erfüllen hat. Das musste unweigerlich zu Defiziten führen, nur wer würde es damals ungeniert zugeben oder gar damit bis das der Tod sie scheidet leben wollen? Erstaunlich viele. Nur dieses Paar erkennt das Problem, verweigert sich dem Resultat viel zu lang und muss am Ende die Konsequenzen schlucken. Erschütternd, aber dabei so verdammt ehrlich, authentisch, erschreckend nachvollziehbar. In seiner bewussten Verlangsamung beschreibt "Revolutionary Road" einen schmerzhaft-nachvollziehbaren Prozess, der das eigentlich logische, traurige Ende setzt, während sich die brave Nachbarschaft sich dem bis zur Selbstaufgabe verweigert.

 
Verrückt, aber ehrlich.
Behutsam und ohne jede Hektik wird ein übertragbares Mittelschicht-Ehepaar seiner Zeit vorgestellt, ihr kurz aufglimmendes Glück wie der fordernde, monotone Alltag und das, was darauf folgen wird. Hinter dem vorzeigbaren Bilderbuchalltag schlummern kaum zu ignorierende Differenzen, die durch eine fixe, kaum realisierbare Idee kurz kaschiert werden. Wie haltlos und verträumt das Ganze ist, wird dem gesamten Umfeld schnell bewusst, nur unseren Protagonisten nicht, die sich in einen Plan verrennen, obwohl er von vornherein nur ein verzweifelter Versuch ist. Schlussendlich siegt die Realität, und sie ist (und besonders war damals)  so direkt und unausgesprochen, dass es eines Geisteskranken gebraucht, um jegliche gesellschaftlichen Gepflogenheiten und Etiketten zu ignorieren. Michael Shannon (mal wieder brillant) bringt es als einziger auf den Punkt, obwohl gerade ihm der gesunde Menschenverstand abgesprochen wird. Betrunken, Kinder (und scheinbar auch "Geisteskranke") sprechen angeblich immer die Wahrheit, hier ganz besonders.


Hinter des gesellschaftlichen und selbst-vorgegaukelten Maskerade zeigt "Revolutionary Road" das tragische Gesicht des Lebens, eskaliert extrem und trotzdem nachvollziehbar am Ende und zeichnet dabei exzellent die Reaktionen auf eine Tragödie. Die letzten Einstellungen sind essenziell und wunderbar eingefangen, zeigen im Prinzip genau das, was uns der ganze Film zuvor darlegte. Es gibt das Leben und das Leben, vor und hinter der Maske. Schauderhaft-gut beobachtet und grandios auf den Punkt gebracht.




Mit "Blue Valentine" der ehrlichste Liebesfilm der letzten Jahre, gerade weil er nicht mit Engeln und Harfen um sich wirft, sondern die ungeliebte Schattenseite der schönsten Sache der Welt so ungeliebt auf den Punkt bringt, dass man diese Tatsache am liebsten ignorieren würde.


8 von 10 Ehen im Brennpunkt





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