Review: DAS VERSPRECHEN - Es geschah in den hellichten Bergen Nevadas




Fakten:
Das Versprechen (The Pledge)
USA. 2001. Regie: Sean Penn. Buch: Jerzy Kromolowski, Mary Olson-Kromolowski. Mit: Jack Nicholson, Patricia Clarkson, Benicio Del Toro, Aaron Eckhart, Robin Wright Penn, Vanessa Redgrave, Helen Mirren, Mickey Rourke, Harry Dean Stanton u.a. Länge: 119 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.


Story:
Für Jerry Black soll es eigentlich der letzte Arbeitstag als Polizist werden. Doch anstatt eine gemütliche Abschiedsfeier mit Kollegen zu feiern wird er in die verschneiten Berge Nevadas gerufen. Dort wurde die Leiche eines jungen Mädchens gefunden, das wohl Opfer eines Triebtäters geworden ist. Als Black den Eltern des Mädchens die traurige Nachricht überbringen will, gibt er der am Boden zerstörten Familie das Versprechen ab, den Mörder auf jeden Fall zu finden. Und schon bald wird ein Tatverdächtiger festgenommen. Doch Black glaubt als einziger nicht an dessen Schuld und macht sich weiter auf die Suche nach dem Täter – versprochen ist versprochen.




Meinung:
Im Jahr 1958 schrieb der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt an einem Drehbuch zu einem Kriminalfilm. Der Titel? „Es geschah am hellichten Tag“. Das Drehbuch sollte mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle verfilmt werden. Doch irgendwie war er nicht ganz zufrieden mit dem Drehbuch, der gute Fritz. Das Ende, es hätte besser sein können. Und überhaupt, der Fokus im Film war ihm zu stark auf den Kriminalfall gelegt. Darum schrieb Dürrenmatt aus seinem Skript nur kurze Zeit später einen eigenständigen Roman. Psychologischer, den Blick viel mehr auf den Charakter seiner Hauptfigur Kommissar Matthäi gelegt, das Ende anders. Schwer zu sagen, ob diese Geschichte nun besser ist als sein Drehbuch, auf jeden Fall ist sie anders, düsterer, authentischer. Aber sowohl Film als auch Buch wurden zu Kassenschlagern.


Über 40 Jahre später. Der gefragte Schauspieler Sean Penn ist auf der Suche nach einem Stoff für seinen dritten Film als Regisseur. Und so stößt er auf diese psychologische Kriminalgeschichte des bereits verstorbenen Autors. Schnell machte Penn Nägel mit Köpfen: „Das Versprechen“ sollte sein dritter Spielfilm werden. Dazu verlegten er und seine Drehbuchautoren Jerzy Kromolowski und Mary Olson-Kromolowski den Handlungsort von der Schweiz der 50er Jahre in die kargen Landschaften Nevadas um die Jahrtausendwende. Dieser Orts- und Zeitenwechsel hat natürlich auch großen Einfluss auf die Figuren und ihre Ausarbeitung, aber ansonsten lehnt sich der Film stark an die tolle Buchvorlage an.


Jerry muss der Familie die traurige Nachricht überbringen.
Um diese Mischung aus Thriller und Drama, aus Krimi und Charakterstudie kongenial auf die Leinwand zu bannen, brauchte Regisseur Penn aber einen starken Hauptdarsteller und für seinen Detective Jerry Black konnte er niemand geringeren als Jack Nicholson gewinnen. Der spielt seine schnauzbärtige Figur, den müden aber besessenen Cop hervorragend. Man nimmt ihm nicht nur die ganze Last seines Versprechens ab, man sieht auch, wie das Paket immer schwerer auf seinen Schultern wiegt. Das Problem ist auch nicht Nicholson, sondern vielmehr, dass die übrigen Darsteller trotz ihrer großen Namen, immerhin sind Patricia Clarkson, Benicio Del Toro, Hellen Mirren, Harry Dean Stanton, Mickey Rourke oder Robin Wright mit von der Partie, merkwürdig blass bleiben und nur wie Statisten und Stichwortgeber im Schatten Nicholsons verkümmern. Natürlich, die meisten Nebenfiguren bekommen auch nur sehr wenig Raum um sich zu entfalten, aber dennoch bleiben sie vollkommen belanglos.


Vielleicht haben sich vor lauter Konzentration auf die Hauptfigur die Drehbuchautoren auch nicht genügend um die Nebenfiguren gekümmert. Da haben wir zum Beispiel den Indianer zu Beginn, der leider viel zu übertrieben inszeniert wurde, zu sehr zurückgeblieben erscheint. Das Verhör wirkt teilweise einfach lächerlich, ganz im Gegensatz zum Schweizer Hausierer im Roman und dem Geschwisterdrehbuch von 1958. Es war von allem einfach zu viel. Auch die Psychologin kommt in Sean Penns Adaption des Romans nicht glaubhaft rüber, wirkt auf mich zumindest schon fast wie eine Parodie auf eine Psychologin. Dazu wird die Handlung manchmal ein bisschen zäh vorangetrieben.


Jerry geht ungewöhnliche Wege bei der Tätersuche
Auf der anderen Seite gibt es Szenen, die so unglaublich gut die Gefühle von Detective Black aufzeigen und tief in sein Inneres schauen, dass sie wieder hervorragend der Buchvorlage gerecht werden. Ebenfalls eine sehr gute Idee war es, dem Mörder kein Gesicht zu geben, so konnte man sich mit Black besser identifizieren und wusste auch als Zuseher, wie es ist, einem Phantom hinterher zu jagen, ohne jemals zu wissen, ob es den Mörder überhaupt noch gibt. Dazu kommen die pessimistische Weltsicht, die Erkenntnis, dass wohl alles ins Verderben laufen könnte. Das konsequente Ende des Films zeigt dann auch nochmal eindrucksvoll, warum Dürrenmatt schon damals nicht völlig mit dem Schluss des Films „Es geschah am hellichten Tag“ zufrieden war. Und auch Penn hat diesen Film konsequent zu Ende erzählt, ganz im Sinne Dürrenmatts.


Also, was bleibt abschließend zu sagen? „Das Versprechen“ ist ein auf alle Fälle sehenswertes Psychothriller-Drama, das von guten Bildern, passend verstörender Musik und einem gut aufgelegten Jack Nicholson lebt, aber trotzdem über einige Phasen merkwürdig schleppend daherkommt. Das mag vielleicht an den tristen Landschaften liegen, vielleicht auch an den kalten Nebenfiguren. Aber als Gesamtes schafft es „Das Versprechen“ nicht, eine dauerhaft beklemmende und spannungsgeladene Atmosphäre zu schaffen, weswegen die Rühmann-Version und besonders das Buch Dürrenmatts, das die positiven Aspekte der pädagogischen 1958er- und der psychologischen 2001er-Version vereint, trotzdem vorzuziehen sind.


7 von 10 Zauberer mit Igeln

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