Review: 28 DAYS LATER und 28 WEEKS LATER - Long live the Infected



Fakten:
28 Days Later
GB, 2002. Regie: Danny Boyle. Buch: Alex Garland. Mit: Cillian Murphy, Naomie Harris, Brendan Gleeson, Christopher Eccleston, Megan Burns, Noah Huntley, Stuart McQuarrie, Luke Mably, Leo Bill, Junior Laniyan, Ray Panthaki, Sanjay Rambaruth, Marvin Campbell u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Jim erwacht in einem Krankenhaus, in das er vor Wochen mit einer Kopfverletzung eingeliefert wurde. Es ist verlassen, komplett. Das allein wäre schon befremdlich genug, doch es kommt noch besser: Als Jim die Klinik verlässt, findet er seine Heimatstadt London menschenleer vor. Verwirrt stolpert er durch die verwaisten Straßen der sonst so pulsierenden Metropole. In einer Kirche stößt er auf einen Leichenberg...und endlich andere Menschen. Doch die scheinen vollkommen wahnsinnig, stürzen sich wie wilde Tiere auf ihn. Jim wird von Selena und Mark gerettet und aufgeklärt. Vor 28 Tagen brach ein Virus aus, das die Menschen binnen Sekunden in rasende Bestien verwandelt. Das Land scheint verloren. Auf ihrem Weg durch London treffen sie auf Frank und seine kleine Tochter Hannah. Gemeinsam klammern sie sich an den letzten Strohhalm: Ein Radiodurchsagen verweist auf einen Militärstützpunkt, wo sich Soldaten verschanzt haben.





Meinung:
Mit "28 Days Later" belebte Danny Boyle das jahrelang brachliegende Genre des Zombie-Films, ohne einen echten Zombie-Film zu drehen. In vielerlei Hinsicht. Im Anschluss folgten das "Dawn of the Dead" Remake von Zack Snyder, die "Resident Evil"-Reihe, die neue Zombie-Trilogie von George A. Romero sowie etliche ähnliche B-Reißer, die lebenden Toten waren wieder en vogue. Dabei handelt dieser Film gar nicht von Zombies, Boyles "Monster" sind infizierte Menschen, keine Untoten. Sie sind lebendig, sterblich, erinnern nur optisch und von ihrem Verhalten an das Zombiebild, das Romero einst prägte. Auch sonst ist "28 Days Later" kein typischer Vertreter des Horrorgenres, viel mehr ist es ein apokalyptisches Seuchen-Szenario, quasi ein Katastrophenfilm, der sich natürlich in die Horror-Schublade stecken lässt, aber eben nicht der klassische Vertreter seiner Zunft.



"Uh, da drin gibt's ja frische Überlebende"
Einen solchen Film hätten Boyle damals wohl nur die Wenigsten zugetraut. Der Überraschung über seine Partizipation an so einem Projekt sollte sich als großer Glücksgriff herausstellen, denn gerade weil Boyle nicht der normale Genreregisseur ist, ist "28 Days Later" weit mehr als der vielleicht zu erwartende Gore-Streifen. Genau genommen ist er das überhaupt nicht. Boyle gelingt das Kunststück, seine infizierten Schreckgespenster kaum in Erscheinung treten zu lassen, sie spielen eigentlich nur eine Nebenrollen, bilden die Kulisse für eine Geschichte um das plötzliche Ende der Zivilisation. Protagonist Jim (Cillian Murphy in seiner ersten großen Rolle) landet vollkommen unvorbereitet in einer Welt, die sich innerhalb weniger Tage in eine trostlose Wüste aus Tod und Einsamkeit verwandelt hat. Die in ihrer gespenstischen Ruhe und beeindruckenden Leere spektakuläre Sequenz in den leergefegten Straßen Londons ist atemberaubend, von ihrer Erscheinung wie Wirkung. Nach einer kurzen Attacke der enorm bedrohlich und effizient-zackig in Szene gesetzten Wüteriche haben die für lange Zeit Feierabend, im Mittelpunkt steht nun die Gruppe Überlebender. Die Bedrohung durch ihre bestialischen Mitmenschen ist zwar allgegenwärtig, doch dafür brauchen sie nicht alle 5 Minuten ein Blutbad zu veranstalten. "28 Day Later" bezieht seine enorme Spannung durch die wenig reißerische, dafür enorm bedrückende Schilderung seiner Szenerie, die weitaus realistischer erscheint als in vergleichbaren Filmen. Dem zugute kommt wohl seine britische Herkunft, der gesamte Look wirkt authentischer und weniger auf Hollywood-Schick gebürstet.


 
"Lauf Forrest, lauf!"
Regisseur Boyle erweist sich als genau der richtige Mann für diesen Film. Ihm kommt es mehr auf die Dramaturgie, die Figuren, deren Schicksale, die zwischenmenschlichen Momente und die Tragik der Situation an. "28 Days Later" bietet ein Skript, das weit aus dem Einheitsbrei des Genres herausragt, fast mehr Drama als Horror oder Thriller, dabei trotzdem oder gerade deswegen so mordsmäßig spannend und klug umgesetzt. Speziell im letzten Drittel werden alle positiven Aspekte des Films grandios vereint und bilden einen der besten Genrefilme dieses Jahrtausends. Die glaubhaft und nicht einfach nur banal-zweckdienlich charakterisierten Figuren müssen um ihr Leben kämpfen, nicht gegen die augenscheinliche Bedrohung von außen, sondern gegen den weitaus gefährlicheren Feind von innen, ihre eigene Spezies, die in Extremsituationen nichts mehr von Moral und Ethik hält. Die Infizierten sind nur noch Mittel zum Zweck, werden gar wie Waffen eingesetzt, das Monster im Mensch tritt zu Tage und demaskiert unsere hässliche Natur. Nichts davon wirkt aufgesetzt oder hastig herbeigeführt, Boyle baut alles konsequent-glaubhaft auf und entlädt es ungemein wirkungsvoll. Zwischen dem ganzen Not, Elend, Schmerz und Sterben bleibt bei ihm genug Platz für leise Momente der Hoffnung, sogar fast idyllisch-schöne Momente, wie auch schmerzhaften Situationen abseits von Blut und Schweinkram. Die Mischung macht es, die ist hier nahezu perfekt.


"28 Days Later", der wohl beste (Nicht)Zombiefilm nach Romero's ersten beiden "...Dead"-Filmen und ein absolutes Highlight seit der Jahrtausendwende. Einer der intelligentesten, sensibelsten, emotionalsten Beiträge dieses Genres. Schlicht hervorragend, in allen Belangen.


8,5 von 10 Bestien in Menschengestalt


von JackoXL




Fakten:
28 Weeks Later
GB, ES, 2007. Regie: Juan Carlos Fresnadillo. Buch: Rowan Joffe, Juan Carlos Fresnadillo, E.L. Lavigne, Jesus Olmo. Mit: Rose Byrne, Robert Carlyle, Jeremy Renner, Idris Elba, Catherine McCormack, Imogen Poots, Macintosh Muggleton, Harold Perrineau, Amanda Walker, Shahid Ahmed u.a. Länge: 96 Minuten. FSK: Freigegeben ab 18 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Knapp 6 Monate sind nach dem verheerenden Virusausbruchs vergangen. Der letzte Infizierte scheint gestorben, das amerikanische Militär beginnt mit der Widerbesiedelung Englands in einer überwachten, speziell eingerichteten Sicherheitszone. Dort trifft Don endlich seine Kinder Tammy und Andy wieder. Ihre Mutter Alice ließ er bei einem Angriff der Infizierten zurück, um sein eigenes Leben zu retten. Als die Kinder die Sicherheitszone heimlich verlassen, treffen sie in ihrem alten Elternhaus auf ihre Mutter. Die Soldaten sind ihnen gefolgt und nehmen Alice in Gewahrsam. Das Unglaubliche: Obwohl sie gebissen und das Virus in sich trägt, ist es bei ihr nicht ausgebrochen. Der Schlüssel zur Heilung? Doch so weit kommt es nicht: Als Don seine Frau sehen will, infiziert er sich und der Wahnsinn beginnt erneut. Das Militär kann den erneuten Ausbruch der Epidemie nicht verhindern und sieht nur noch die Alternative der totalen Vernichtung. Gemeinsam mit Biologin Scarlet und dem abtrünnigen Soldat Doyle gelingt Tammy und Andy die Flucht aus dem Sperrgebiet. Ihr Vater, oder was von ihm übrig ist, will seine Kinder aber nicht so einfach aufgeben.




Meinung:
Fünf Jahre nach dem überragenden "28 Day Later" folgte das unweigerliche Sequel, diesmal jedoch ohne Danny Boyle auf dem Regiestuhl. Der Spanier Juan Carlos Fresnadillo übernahm und durfte damit erstmals eine große, internationale Produktion in Szene setzen. Das Fresnadillo Talent besitzt lässt sich kaum abstreiten, nur ob er sich mit dieser schwierigen Fortsetzung einen Gefallen getan hat? Teilweise...



Heute im Blickpunkt: Frischfleisch
Trotz des vorhandenen Potenzials für ein Sequel, eigentlich war "28 Weeks Later" von vornherein ein zwiespältiges Anliegen. Danny Boyle's Film bestach in erster Linie durch seine außergewöhnliche Mischung aus genrespezifischen Zutaten und gleichzeitig dem Abweichen von ausgetrampelten Pfaden. Bei ihm standen die Figuren, das Szenario und dessen Auswirkung im Fokus, weniger Action und Gore. Dieser Weg ließ sich kaum noch einmal so bestreiten und so kam es auch. "28 Weeks Later" ist viel deutlicher der Genrefilm, von dem sich der Erstling in vielen Punkten noch entfernt. Das muss nicht zwangsläufig negativ sein, doch gerade im direkten Vergleich fällt die Fortsetzung deutlich ab. Obwohl sich Fresnadillo als Regisseur alle Mühe gibt. Nur das Skript (an dem er auch mitwirkte) ist meilenweit entfernt von der Vorlage und ist selbst unter weniger kritischen Gesichtspunkten eher durchschnittlich.


 
Die Infizierten sind nicht wasserscheu
In Sachen Tempo und Blutzoll geht "28 Weeks Later" - wie zu erwarten - mehr in die Offensive als der oft nur subtil-bedrohliche Vorgänger. Allein die Eröffnungsszene steht stellvertretend dafür. Die ist handwerklich blitzsauber gemacht, toll gefilmt, stimmungsvoll, alles kein Problem. Nur ist sie eigentlich auch das Highlight des Films. Danach wird sich zwar um einen Aufbau der Geschichte bemüht, das infizierte Pack nicht zu früh aus dem Sack gelassen, nur letztendlich wartet man als Zuschauer nur darauf. Was dann folgt, ist relativ einfallslos und enttäuscht zum Ende hin leider sehr. Rasant-knackig ist das alles, keine Frage, nur die Geschichte und ihre Figuren sind vielleicht nur halb so interessant wie bei Danny Boyle. Unterhaltsam und technisch gut umgesetzt ist "28 Weeks Later", kann nur nie dieses Unbehagen und Mitfiebern erzeugen wie fünf Jahre zuvor. Der Cast ist wirklich gut, die Effekte zünftig und sehenswert, langweilig wird es keine Sekunde. Aufgrund der großen Fußstapfen aber alles nur ganz okay und irgendwie ein gezwungenes Sequel, das statt ruhiger Spannung, moralischen Zwiespälten und ernsthaft bewegenden Momenten eher auf schnelle Schnitte, blutiges Make-Up und einen erhöhten Leichenberg setzt. Für das Genre sicher nicht fehl am Platz, nur eben kein Hit mehr.


"28 Weeks Later" ist kein schlechter Film, nur geht genau so schnell und gut rein wie zügig wieder raus, da bleibt nicht viel hängen. Sehr gehobener Durchschnitt mit guten Momenten in einer leider sehr belanglosen und an entscheidenden Stellen nicht ausgiebig genug genutzten Geschichte. Interessante Aspekte, wie z.B. die Motivation von Robert Carlyle's Figur und dessen innerliche Konflikte (vorher und nachher) werden allenfalls angerissen, aber dann nicht vernünftig auf den Punkt gebracht. Schade, da wäre mehr drin gewesen. So ordentlich das alles aussieht, es fehlen diese prägnanten Momente, dieses gewisse Etwas. Solider Film für Fans des Genres generell, aber nicht für alles Fans von "28 Days Later".


6 von 10 gescheiterten Neustarts


von JackoXL

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