Review: BENNY'S VIDEO - Gefangen im Treibsand des manipulativen Kontrollzwangs



Fakten:
Benny’s Video
Österreich, Schweiz. 1992. Regie und Buch: Michael Haneke. Mit: Arno Frisch, Ulrich Mühe, Angela Winkler, Ingrid Stassner u.a. Länge: 105 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Teenager Benny kommt aus gutem Hause und ist fasziniert von Filmen, die er sich auf Video ansieht. Er selbst besitzt eine Videokamera und verbringt viel Zeit damit selbst Filme aufzunehmen. Mit der Kamera nimmt er auch eine Szene auf die ihn nachhaltig beeindruckt: Ein Schwein wird mit einem Bolzenschussgerät beim Schlachter getötet. Er spielt das Video auch einem Mädchen vor, welche er kurz zuvor in der Videothek kennengelernt hat und präsentiert ihr ein entwendetes Bolzenschussgerät. Damit bringt Benny das Mädchen um, hält die Tat dabei auf Video fest und zeigt dieses am nächsten Tag seinen Eltern.





Meinung:
Wo der ein oder andere Rezipient fälschlicherweise einen erhobenen Zeigefinger seitens Michael Haneke in »Benny's Video« erkennen möchte, der das heikle Medium Film gerne verteufeln würde und dem Zuschauer daraufhin durch seine puritanische Moral Vorschriften macht, dämonisiert Haneke eben nicht den Film als Ganzes, sondern platziert sein kritisches Hauptaugenmerk an einer ganz anderen Position. Haneke prangert mit Vorsicht die möglichen Auswirkungen der Kraft von permanenten Illusionen an, die natürlich immer im zeitgenössischen Kontext der seelenlosen Mentalität unserer Gesellschaft stehen und für bestimmte Personen, die in ihrer Realität das Gefühl von Annahme vermissen müssen, ein fortschreitendes Risiko werden könnten, denn der Reiz, den Affekt der Fiktion in das reale Dasein zu manövrieren wächst.


Benny hat das Mädchen klar im Fokus
Die Realitätsflucht ist ein ganz anderer Bereich in Bezug auf Film und Wirkung, dem sich jeder Konsument freiwillig und ohne Bedenken unterziehen darf, schließlich ist das auch eines der Ziele – in welchem Genre wir uns auch immer befinden mögen – die ein Werk anstrebt und verüben möchte. In »Benny's Video« steht die titelgebende Figur Benny (Arno Frisch) im Mittelpunkt, für den die Videos nicht nur ein flackernder Ersatz für seine unbefriedigenden Familienverhältnisse mit seinen Eltern (Ulrich Mühe, Angela Winkler) sind, sondern sie verleihen ihm auch das Gefühl von Kontrolle und Macht über Geschehnisse, über Leben und Tod, die er durch seine Fernbedienung nach Belieben bestimmen kann. Aus dieser rein digitalen Macht entspringt jedoch ein Interesse, welches sich auf den Mattscheiben kontinuierlich in jeder Form abspielt und für den Zuschauer längst in konsumierbare Formen gepresst wurde: Die Gewalt. Es kommt dabei nicht von ungefähr, dass die ausschlaggebende Szene des Filmes nicht nur Off-Screen vollzogen wird, der Zuschauer blickt währenddessen auch auf einen weiteren Bildschirm. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.


Michael Haneke ist sich dabei natürlich vollkommen im Klaren, dass man seine Intention von Grund auf missverstehen könnte und seine Funktion als nüchternen Beobachter durchgehend ablehnt, weil man den gravierenden Fehler begeht und das gezeigte Schicksal von Benny breitflächig pauschalisiert. Die Relation zur Wirklichkeit ist greifbar und in Wahrheit natürlich genauso in unserer Nähe anzutreffen, wie sie auch ein Teil des Bekanntenkreises von Benny wurde – Alle eschauffierten Zweifler sollten einmal hin und wieder einen Blick in die Zeitungen werfen, der Rest klärt sich daraufhin von ganz allein. »Benny's Video« steht schlussendlich vielmehr für die Flucht vor den eigenen Verantwortungen, in der das humane Prinzip der Reziprozität die Frage nach Schuld aufwirft. Es ist ein Film über die Gefangenschaft in einer Welt, die sich nicht nur aus Distanz und Manipulation erhebt, es ist auch eine Welt, die gänzlich durch projizierte Bilder verstanden wird. Natürlich ist das ein enorm wichtiges Werk.


7,5 von 10 Schnellspultasten


von souli

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