Review: HASS – Hoffnungslosigkeit in den Straßen von Paris




Fakten:
Hass (La Haine)
Frankreich. 1995. Regie: Mathieu Kassovitz. Buch: Mathieu Kassovitz. Mit: Vincent Cassel, Said Taghmaoui, Hubert Koundé, Abdel Ahmed Ghili, Héloise Rauth, Benoît Magimel u.a. Länge: 96 Minuten. FSK: Ab 12 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Am Morgen nach brutalen Krawallen laufen drei Jugendliche durch die zerstörten Banlieus von Paris. Ein Freund von ihnen, der Araber Abdel, wurde in diesen Straßenkämpfen zwischen randalierenden Jugendlichen und der Polizei von den Ordnungshütern brutal zusammengeschlagen und schwebt nun in Lebensgefahr. Vinz, Said und Hubert, gehören selbst zu diesen Jugendlichen, die weder Schulabschluss oder Job, geschweige denn eine Zukunft haben. Nur der Hass auf das System, der wächst immer weiter an.





Meinung:
„Dies ist die Geschichte von einem Mann, der aus dem 50. Stock von 'nem Hochhaus fällt. Während er fällt, wiederholt er, um sich zu beruhigen, immer wieder: ‚Bis hierher lief's noch ganz gut, bis hierher lief's noch ganz gut, bis hierher lief's noch ganz gut...‘. Aber wichtig ist nicht der Fall, sondern die Landung!“


Hass. Ein so kurzes Wort, so klein. Vier Buchstaben, eine Silbe. Und doch ist es eines der extremsten Wörter, die es gibt. Es ist nicht einfach nur Antipathie, es ist stärker. Es drückt gleichzeitig Wut, Abscheu und (zumindest theoretische) Gewaltbereitschaft aus. Hassen kann man nicht „einfach so“ oder nebenbei. Man entscheidet sich bewusst dafür. Man kanalisiert seine Emotionen auf diese eine Sache, auf das „Hassobjekt“. Und man will diesem Objekt Schaden zufügen. Körperlich, psychisch, auf jede erdenkliche Weise.


So schlecht bin doch auch wieder nicht gefahren...
Der Morgen danach. Regisseur Mathieu Kassovitz, der für diesen Film unter anderem in Cannes als bester Regisseur ausgezeichnet wurde, begleitet die drei Hauptpersonen durch ihren Tag und gibt dem Hass so ein Gesicht. Hass, dieses kleine, titelgebende Wirt, Hoffnungslosigkeit und Fremdenhass, das sind die verbindenden Elemente, die den drei Jungs Tag für Tag zu schaffen machen. Und doch sind es eigentlich drei Gesichter, denn jeder geht auf seine Art damit um. Da wäre zum einen der der jüdische Nordafrikaner Vinz, der sich am wenigsten beherrschen kann. Der Rache für seinen von der Polizei brutal zusammengeschlagenen Freund will. Der Gewalt mit Gewalt begegnen will – zumindest gibt er sich so. Der zweite ist der Araber Saïd, der durch Herumhampeln und aufgesetzte Lockerheit versucht, den tristen Alltag von sich fern zu halten. Und zuletzt der Schwarzafrikaner Hubert, der durchaus als vernünftigster, bodenständigster und reifster der drei Freunde gelten kann.


Die drei Hauptpersonen haben diesen Hass, diese Wut auf das System, die Hoffnungslosigkeit. Sie sind Freunde, im Hass vereint. Sie haben keine wirkliche Zukunft, keinen Schulabschluss, keinen Job. Dieses Schicksal teilen sie mit vielen anderen Jugendlichen in Paris. Vom Staat alleine gelassen wissen die Jugendlichen nicht mehr weiter. Und so entlädt sich der ganze Unmut, die Aggression, eben der Hass in Straßenschlachten zwischen diesen „vergessenen“ Jugendlichen und der Polizei. Mit Bildern dieser Kämpfe beginnt der Film. Echte Aufnahmen von echten Straßenschlachten. Sie ziehen den Zuschauer direkt in den Film, vermitteln die passende Stimmung von Gewalt und von Hass.


Die drei Freunde machen alles zusammen.
Kassovitz inszeniert den Film komplett ohne Farben. Die schwarz-weißen Bilder unterstreichen so noch mehr dir Trost- und Hoffnungslosigkeit, in der diese Geschichte spielt. Sie wird authentischer, radikaler, echter. Dazu kommen echte Aufnahmen von Straßenschlachten, die dem Film auch eine dokumentarische Note geben. Die Musik, es ist vor allem eine Mischung aus französischem und afrikanisch anmutendem Rap, trägt ebenfalls zu dieser Stimmung bei. Und durch diese Atmosphäre wird auch schnell klar, dass sich diese Umgebung, die Gewalt von allen Seiten, das sich das ganze Szenario immer weiter hochschaukelt und zur Explosion kommen muss. Unaufhaltsam.


"Hass" ist ein unheimlich eindringlicher Film. Eigentlich dürfte er niemanden kalt lassen, zu authentisch zeichnet Kassovitz das Bild der Jugendlichen in Paris, die eigentlich keine Zukunft haben, die vom Staat vergessen wurden. Und das alles nur mit so viel Klischee, wie es sein muss. Die desillusionierten Hauptfiguren werden hervorragend präsentiert und nicht zuletzt durch Anspielungen auf große Vorbilder in der Filmgeschichte (Taxi Driver) näher beleuchtet. Schauspielerisch ist besonders Vincent Cassel hervorzuheben, dem man Wut, Hoffnungslosigkeit, Aggression aber auch große Angst und Unsicherheit sofort abnimmt. Oft wird vom fantastischen französischen Kino gesprochen. „Hass“ sollte in einem solchen Gespräch auf jeden Fall dabei sein.


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