Review: OBEN – Pixars bunte Antwort auf „Gran Torino“



Fakten:
Oben (Up)
USA. 2009. Regie: Pete Docter. Mit: Bob Peterson, Pete Docter, Tom McCarthy. Original Stimmen von Edward Asner, Jordan Nagai, Bob Peterson, Christopher Plummer u.a. Länge: 96 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Rentner Carl Fredricksen trauert immer noch um seine Frau Ellie, mit der er immer nach Südamerika reisen wollte, um die legendären Paradiesfälle zu sehen. Als Carl entmündigt wird und droht sein Haus zu verlieren, macht Carl kurzen Prozess und hängt hunderte von Ballons an sein geliebtes Haus, um damit nach Südamerika zu fliegen. Es gibt jedoch ein Problem: Pfadfinder Russell, der als blinder Passagier mitfliegt.





Meinung:
Die beständigen Rivalitäten zwischen den Pixar Animation Studios, welche inzwischen vom legendären Medienkonzern The Walt Disney Company an Land gezogen wurden, und DreamWorks Animation, sind kein Geheimnis mehr. Das kreative Konkurrenzgehabe beider Großunternehmen wird auch gerne mal in der Öffentlichkeit bis zum Gehtnichtmehr ausgerollt und zum 'Kalten Krieg' erklärt: „Shrek – Der tollkühne Held“ musste sich gegen „Die Monster AG“ durchsetzen, während „Große Haie - Kleine Fische“ mit „Findet Nemo“ und „Kung Fu Panda“ mit „WALL-E“ konfligierte. Führt man sich die Filmographie beider Segmente aber einmal zu Gemüte, ist es offenkundig, dass Pixar als auch DreamWorks mit einigen Bravourstücken glänzen durften – und mit Sicherheit auch in der Zukunft im mer wieder glänzen werden! Allerdings hat es kein Film der DreamWorks Animation jemals schaffen können, einen derartigen Hype auszulösen, wie es „Oben“, der somit quasi im Handumdrehen „Monsters & A liens“ ausstach, im Jahre 2009 tat.


Russell will helfen und Carl will seine Ruhe. Spitzenteam!
Als 3D-Film, der seine Technik nicht nur als unnötige Sperenzchen einbrachte, sondern mit ihm die Geschichte zu unterstreichen wusste, hat sich „Oben“ aus grafischer Sicht schon reichlich Lob in der Vergangenheit einstecken können. Der wahre Wert des Films aber liegt hinter seinen durchaus knuffigen Animationen begraben: Zum ersten Mal nämlich wagen es die Pixar Animation Studios ihre Story nicht durch die Augen von einer Horde Spielzeugen, einem väterlichen Clownfisch, sprechenden Autos, einem Gourmet mit Rattenschwanz oder einem Roboter mit Ordnungsfimmel zu entfalten, sondern durch ganz „normale“ Menschen. Die ersten 15 Minuten von „Oben“ erweisen sich dann gleich auch als echte Großtat und übertrumpfen wohl alles, was das Studio zuvor je auf die Beine gestellt hat: In einer herzzerreißenden Montage werden wir Zeuge des gemeinsamen Glückes von Ellie und Carl, dürfen ihre Ziele im Leben kennenlernen und müssen den tiefen Schmerz ertragen, der sich nach dem Tode Ellies in Carl ausdehnt.


Auf der Flucht im Pixar-Style
Dieser Tonalität bleibt „Oben“ natürlich nicht über die gesamte Laufzeit treu, was ihn im Nachhinein auch gewiss nicht schlechter macht, ihn aber von dieser famosen Sequenz an zu einem weitaus konventioneller gestrickten Film erklärt. Wenn Carl Fredricksen von Bauarbeiten rund um sein Haus immer weiter eingeengt wird, dann ist aus dem Rentner längst ein verbitterter Zyniker geworden, der nicht mehr mit der Zeit gehen kann, der Welt aber auch nicht den Rücken zu kehren möchte. Stattdessen versucht er sich noch den Traum zu erfüllen, die Paradiesfälle in Südamerika zu besuchen – Samt Häuschen und mittels tausenden von Luftballons. An seiner Seite ist der 8-jährige Pfadfinder Russell, der bei seinem Aufbruch unter seiner Veranda nach einer Schnepfe gesucht hat. „Oben“ gibt sich ab diesem Augenblick oberflächlich ganz seinem jüngeren Publikum hin, baut einen riesigen Vogel mit buntem Gefieder ein, der kurzerhand auf den Namen Kevin getauft wird und lässt die hiesigen Hunde dank eines Halsbandes ulkig sprechen.


Aber hinter all den kindgerechten BIldern, die auch den Erwachsenen immer mal ein Schmunzeln und den kleineren oder größeren Lacher abverlangen dürfte, besitzt „Oben“ eine ganz elementare Botschaft: Lass deine Träume niemals fallen. Und vor allem hör niemals damit auf, neue Träume auf deine persönliche Agenda zu setzen. Dass der Film es sich erlaubt, Kindheitshelden demonstrativ zu zerbrechen, hat durchaus etwas für sich, im Falle von „Oben“ aber hätte der als Scharlatan stigmatisierte Charles Muntz doch auch etwas mehr hergeben können als die reine Nummernrevue des obsessiven Fieslings. Und dennoch: Hinter seinen klassischen (und gegebenenfalls beliebigen) Muster und einigen vertanen Chancen, ist „Oben“ eine liebenswerte und zum Teil wirklich sensible Reflexion über das Leben und den Tod, über die Jugend und das hohe Alter. Carl sieht später noch ein, dass es nie zu spät ist, um zurück ins Leben zu finden, um Freude zu empfinden und Träumen hinterher zu eifern. Genauso wie uns das Kino in der Vergangenheit abermals gelehrt hat, visualisierter Ausdruck kühnster Sehnsüchte zu sein. Manchmal auch genau dann, wenn wir es nicht erwarten.


6,5 von 10 Handabdrücken auf dem Briefkasten


von souli

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