Fakten:
Mädchen in den Krallen teuflischer
Bestien (L’ ultimo treno della note)
IT, 1975. Regie: Aldo Lado. Buch:
Roberto Infascelli, Renato Izzo, Aldo Lado, Ettore Sanzo. Mit: Flavio Bucci,
Macha Méril, Gianfranco De Grassi, Irene Miracle, Laura D’Angelo, Enrico Maria
Salerno, Marina Berti, Franco Fabrizi u.a. Länge: 94 Minuten. FSK: keine
Freigabe. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Aus dem weihnachtlichen München
brechen die Studentinnen Margaret und Lisa mit dem Zug auf, um Lisas Eltern in
Italien zu besuchen. An Bord lernen sie zwei Männer kennen, die ihnen bald
unheimlich werden. Bei einem ungeplanten Zwischenstopp wechseln sie den Zug und
wähnen sich in Sicherheit. Ein Trugschluss, denn auch die Männer, nun in
Begleitung einer Dame mittleren Alters, sind umgestiegen. In der Nacht
überfällt und missbraucht das Trio die Mädchen auf grausamste Art und Weise.
Eine Nacht mit Folgen, nicht nur für die direkt Beteiligten. Denn an der
Endstation warten schon die Eltern…
Meinung:
Aldos Lado‘s „L‘ ultimo treno della
note“ muss sich ganz klar den Vorwurf gefallen lassen, offensichtlich sehr
ungeniert bei Wes Craven’s „The Last House on the Left“ zu wildern, und zwar
nicht zu knapp. Zu deutlich sind die Parallelen zu dem kurz vorher erschienenen
Rape & Revenge-Schocker, selbst wenn man die grundsätzlichen Ähnlichkeiten
aller Filme dieses rüden Subgenres berücksichtigt. Natürlich – das sagt ja
schon der Name – steht immer eine Vergewaltigung und der anschließende Racheakt
an den Peinigern im Vordergrund, ist halt so. Nur das ist längst nicht alles.
Praktisch der komplette Ablauf sowie dessen Unterthematik – der aus der Wut und
Verzweiflung hervorgerufenen Transformation friedliebender Oberschichtler zu
gnadenlosen Scharfrichtern - wird mehr
oder weniger übernommen, der Schauplatz nur in einen Zug verlagert. Selbst der
Titel klingt schon ähnlich (die verschiedenen internationalen Alternativtitel
waren gar noch direkter, z.B. „The Second House on the Left“).
Zugfahren könnte sooo viel Spaß machen... |
Manche lesen während der Fahrt ein Buch, manchen ist das zu öde. |
In einer recht ausführlichen Exposition
starten wir in der schönsten Zeit des Jahres, mitten im Weihnachtstrubel von
München. Hektisch, aber heiter und fröhlich geht es hier zu, unsere
Protagonistinnen werden als lebensfrohe, gut behütete Teenager aus gehobenen
Hause präsentiert, die eine aufregende (wie sehr ahnen sie noch nicht) Reise
mit dem Zug vor sich haben. Über den Brenner nach Italien, zum Familienbesuch
in der Heimat, womöglich ihre letzte Reise. Das Unheil – in Form zweier
nihilistischer Junkies und Gewohnheitsverbrecher – droht bereits, wie man als
Zuschauer schnell erahnt, noch bevor es den gut gelaunten, sexuell erstaunlich
unerfahrenen Mädchen bewusst wird. Lado spielt gerade auf diesen Aspekt
mehrfach an, lässt diverse sexualisierte Momente folgen, die das später
Folgende umso grausamer und vernichtender erscheinen lassen. Fast keusche,
jedoch durchaus neugierige Pflänzchen werden auf unvorstellbar viehische Art
geschändet und vernichtet. War bei Craven bis dato auch nicht anders, nur um es
nochmal zu erwähnen, neu ist das sicher nicht. Selbiges trifft auf den relativ
späten, dafür quälend-schauderhaften Akt zu, dessen Erwähnung in diesem Genre
nicht als Spoiler gelten sollte.
Das Leiden beginnt... |
Nun überzeugt Lado mit einer bis
dahin kaum erwarteten, künstlerischen Ästhetik, die den abscheulichsten Part
des Films zu einem inszenatorischen – es klingt sehr befremdlich, es ihn dem
Zusammenhang als solchen zu bezeichnen – „Genuss“ macht. Ein ausgiebiger, dabei
erstaunlich wenig ausbeuterischer Marathon der Gewalt (der sich eher in
psychischer als explizit zur Schau gestellter, physischer Grausamkeit definiert),
eingehüllt in schimmerndes Blau, unterlegt von den Klängen eines Ennio
Morricone, der eine markante, eiskalte Mundharmonikamelodie mit tief-drückenden
Piano-Fragmenten kombiniert. Unglaublich intensiv, abstoßend wie faszinierend
zugleich, in seiner angepeilten Wirkung exakt und unheimlich treffsicher.
Körperliche Gewalt steht dabei nicht im Vordergrund, doch natürlich bleibt
diese nicht aus und ist dann mehr als schrecklich. Allerdings wird sich nicht
im Blut gesuhlt, auf was viele Regisseure an der Stelle nicht verzichtet
hätten. Ein mehr als unangenehm zu verfolgendes Szenario, schockierend, nicht „aufgeilend“
und damit genau auf den Punkt.
...und will kein Ende nehmen. |
Heftige Kost, sicher nicht für
jeden geeignet und ganz bestimmt nicht gänzlich auf dem eigenen Mist gewachsen,
dafür mit einer so rohen Durchschlagskraft und erstaunlichem, inszenatorischen
Geschick an Schlüsselstellen, das hat schon was. Bitter-böse und erschütternd.
Ist nur das zweite Haus links, deshalb nicht zwangsläufig wenig wert.
7 von 10 besinnlichen Feiertagen.
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