Review: L.A. CONFIDENTIAL – Wo Engel ihre schmutzige Flügel verbergen möchten



Fakten:
L.A. Confidential
USA. 1997. Regie: Curtis Hanson.
Buch: Brian Helgeland, Curtis Hanson, James Ellroy (Vorlage). Mit: Guy Pearce, Russell Crowe, Kim Basinger, Kevin Spacey, James Cromwell, Danny DeVito, Ron Rifkin, David Strathairn, Matt McCoy, Simon Baker, Graham Beckel u.a. Länge: 132 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Los Angeles, 1953: Der junge Detective Ed Exley macht sich mit seiner karriereorientierten Arbeit keine Freunde im Department. Vor allem für den rüden Cop Bud White ist Exley ein Außenseiter. Dennoch ermitteln beide im selben Fall: ein Mehrfachmord in einem Diner, in dem auch ein Ex-Bulle getötet wurde.





Meinung:
Es gibt genau zwei memorable Filme, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Stilistik des klassischen Film Noir zu eigen gemacht haben und in adäquater künstlerischer Ausführung in die jeweilige Gegenwart transportieren konnten: Roman Polanskis „Chinatown“ von 1974 und Curtis Hanson „L.A. Confidential“ von 1997. Die Handlung beider Filme spielt sich in Los Angeles ab, während man natürlich dahingehend differenzieren muss, dass „Chinatown“ in den 1930er Jahren angesiedelt wurde und somit über einen ganz anderen wirtschaftlichen wie historischen Subtext verfügt, als es der sich in den 1950er Jahren zutragende „L.A. Confidential“ tut. Im Kern jedoch sind sich die Werke relativ ähnlich, geht es doch um immanente Unmoral und den Versuch, jene ein Stück weit zum Wohle der Allgemeinheit zu neutralisieren. Scheiterte Jake Gittes (Jack Nicholson) am delinquenten Rhythmus der Stadt der Engel, müssen auch Bud White (Russell Crowe), Edmund J. Exley (Guy Pearce) und Jack Vincennes (Kevin Spacey) in „L.A. Confidential“ erkennen, dass Gerechtigkeit nicht immer nur durch legale Mittel erreicht werden kann.

 
Opfer? Verführerin? Verräterin? Welches Spiel spielt Lynn?
Gerade für Edmund J. Exley ist das eine bittere Erkenntnis, die konträr zur persönlichen Philosophie des rechtschaffenen, des stringent nach Vorschrift agierenden Polizisten seiner selbst steht, während sich Bud White wie eine Dampfwalze durch die Verbrechenswelt schlägt und Jack Vincennes augenscheinlich mehr am Glamour Hollywoods interessiert zu sein scheint, so vehement er sich mit dem zynischen „Hush Hush“-Journalisten Sid Hudgens (Danny DeVito) ins rechte Licht rücken lassen möchte. Diese differente Konstellation der Charaktere bringt „L.A. Confidential“ ins Rollen, sorgt für packende, zwischenmenschliche Dynamik. Besonders Russell Crowe evoziert eine physiche Präsenz, die an Gene Hackmans Performance in „Mississippi Burning“ entsinnt oder auch an Ray Liottas cholerischer Schrankwand Henry Oak in „Narc“: Einer dieser Typen, die man besser nicht schräg von der Seite anquatscht. Exzellent spielen sie natürlich allesamt auf, besonders aber Kevin Spaceys Talent in Sachen ausgereifter Gestik, Positur und Mienenspiel ist wie immer eine süffisante Klasse für sich.

 
Bud und Ed: gemeinsam sind sie stark... und streitsüchtig
Tragischerweise fällt nur Kim Basinger als Lynn Bracken im namhaften Cast etwas ab, die mit gespitzten Lippen der Optik einer in einem Film dieser Fasson natürlich unverzichtbaren Femme Fatale durchaus nahe kommt, schauspielerisch aber jenen arretieren-den Glanz vermissen lässt. Lynn Bracker aber fungiert auch als emotionaler Zündstoff der Geschichte und heizt den Konflikten zwischen Exley und White, die sich in ihrem betörenden Wimpernschlag geradewegs verloren haben, abermals so richtig ein und lässt die beiden Männer schließlich in einer explosiven Schlägerei explodieren. Ein Schlagabtausch, der die Polizisten allerdings in ihren Ambitionen näher zusammenrücken und gemeinsam in den Intrigen hinter den glamourösen Fassaden Hollywoods, inmitten piekfeiner Premieren, lasziver Edelnutten und flackerndem Blitzlichtgewitter, ermitteln lässt. Wie schon in „Chinatown“ ist Los Angeles in „L.A. Confidential“ eine urbane Illusion funkelnder Dekadenz. Ist der Vorhang erst mal gefallen, dann wird offensichtlich, dass hier jeder für sich spielt und nur den eigenen Vorteil in der Vorebenheit zu suchen vermag. Auch die Ordnungshüter müssen sich erst einmal ins Gedächtnis rufen, was sie zu diesem Beruf bewegt hat.


Dass „L.A. Confidential“ in seiner Rekonstruktion ehrwürdiger Film Noir Tugenden zu keiner Zeit akademisch wirkt, liegt nicht nur an der vortrefflichen Drehbuchadaption von Brian Helgeland und Curtis Hanson, die James Ellroys Romanvorlage „Stadt der Teufel“ kinotauglich umsetzten; auch die Zahnrädchen der handwerklichen Aspekte greifen hier harmonisch wie selten ineinander. In gediegenem Zeitkolorit manifestiert, ist Dante Spinottis Kameraarbeit – wie auch der im besten Sinne altmodische Schnitt und Jerry Goldsmiths Score - über jeden Zweifel erhaben und gießt den Kampf gegen Korruption, Gewalt und die Macht des Geldes in formvollendete Fotografien. „L.A. Confidential“ ist ein Musterbeispiel von Hommage, ein Neo Noir, der seine Vorbilder kennt und liebt, der weiß, wie man Spannung mittels ausstaffierter und mit ambivalenten Charakteren gepickter Erzählstränge erzeugt, ohne sich in der inhaltlichen Komplexität zu verheddern. Längst ein Klassiker und gewiss Curtis Hansons Opus magnum.


8 von 10 Schüssen durch die Wange


von souli

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