Review: BRÜGGE SEHEN… UND STERBEN – Eine schwarze Gangsterkomödie im beschissenen Brügge



Fakten:
Brügge sehen… und sterben (In Bruges)
UK. 2008. Regie und Buch: Martin McDonagh. Mit: Brendan Gleeson, Colin Farrell, Ralph Fiennes, Clémence Poésy, Jérémie Renier, Eric Godon, Zeljko Ivanek, Thekla Reuten u.a. Länge: 107 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-Ray erhältlich.


Story:
Nach einem verpatzten Auftrag müssen die beiden Auftragsmörder Ken (Brendan Gleeson) und Ray (Colin Farrell) auf Befehl ihres Chefs Harry (Ralph Fiennes) nach Brügge, um dort auf weitere Anweisungen zu warten. Beide wissen nicht, was sie hier tun sollen. Während Ken sich in der belgischen Stadt mit seinem mittelalterlichen Flair sehr wohl fühlt, findet Ray es zum sterbenslangweilig. Zudem wird er mit seinem letzten Auftrag nicht fertig, er leidet unter Depressionen und denkt an Selbstmord. Bis, ja bis sich plötzlich Harry bei den beiden meldet.




Meinung:
Ken und Ray sind Auftragskiller. Ja, sie teilen sich ein- und denselben Job. Dabei könnten die beiden unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite der Alte, Ken. Für ihn zählen die leisen Töne, er ist ruhig, belesen und kultiviert. Er kann sich mit Brügge voll identifizieren, fühlt sich hier pudelwohl und versucht mit seiner positiven Art, den Aufenthalt in Brügge zu genießen. Auf der anderen Seite der Junge, Ray. Er ist impulsiv, hibbelig, laut und ziemlich durchgeknallt. Für ihn ist Brügge eine schreckliche Bestrafung, er hasst es hier, findet es stinklangweilig. Was für den einen der Himmel ist, ist für den anderen die Hölle. Für die beiden Rollen haben die Macher die idealen Darsteller gefunden. Brendan Gleeson ist Ken, Colin Farrell ist Ray. So verschieden die beiden aber auch sein mögen, Ken und Ray verbindet eine intensive Freundschaft. Eine Freundschaft, die nach einem verpatzten Job auf eine harte Probe gestellt wird.


Ray erlebt in Brügge so manch skurrile Begegnung
Halt, Moment… Brügge? Ja, richtig gehört, diese mittelalterliche Stadt, die trotz seiner über 100.000 Einwohner so verschlafen wirkt wie eine Kleinstadt. In dieser belgischen Stadt Brügge, die der eine Killer so faszinierend, der andere so langweilig findet, sollen sie auf Befehl ihres Chefs warten. Warten auf weitere Anweisungen. Dieser Chef, das ist der durchgeknallte, irgendwie schräge Harry, herrlich übertrieben gespielt von Ralph Fiennes. Überhaupt, er und die beiden Hauptdarsteller Gleeson und Farrell zeigen hier ganz großes Schauspiel, so unterschiedlich sie auch spielen. Der eine (Gleeson) ruhig und zurückgenommen, der andere (Farrell) niederschmetternd und selbstzerstörerisch und der dritte (Fiennes) eben übertrieben. Aber alle drei wahnsinnig gut.


Harry ist mit dem letzen Auftrag nicht zufrieden
Brügge sehen… und sterben“ zeichnet sich durch eine wunderbare Balance aus. Wie auch die beiden Hauptdarsteller ein Gleichgewicht aus Heißsporn und Ruhepol herstellen, so halten sich Tragik und Komik die Waage. Die lustigen Elemente sind dabei aber so tiefschwarz, dass sie sicher nicht jeder lustig finden wird. Da ist nicht mehr viel von politischer Korrektheit übrig, wenn Ray die fetten Amis oder kleinwüchsige Schauspieler beleidigt. Wortwitz und groteske Situationskomik Hand in Hand. So schwarz, dass man freiwillig auf den Feldern Baumwolle pflücken will. Die tragischen Stellen werden dann wiederum von einer intensiven Melancholie begleitet, die nachdenklich und schwer daherkommt. Ein bisschen so wie das verdammte Brügge mit seinen riesigen, steinernen Gebäuden, den Pflasterstraßen, den Kanälen.


Wer ist schneller: Der Mörder oder der Selbstmörder?
Überhaupt ist Brügge ein weiterer Darsteller in diesem Film. Diese Kulissen, gepaart mit der melancholisch-schönen Musik von Carter Burwell, haben ihre eigene, fast schon magisch anziehende Atmosphäre, der man sich als Zuschauer nur noch schwer entziehen kann. Rückständig, alt, grau und man könnte meinen, dass die Zeit hier stehen geblieben ist. Aber dennoch ist es wunderschön, warum und auch einladend. Eine angenehme Ruhe und Gelassenheit bettet sich über den ganzen Film, nimmt zunächst Ken und irgendwann auch Ray, einfach jeden in seinen Arm und begleitet die beiden Killer auf ihrem Weg, um den verpatzten Job, der tiefe Risse in ihr Gemüt geschnitzt hat, zu verarbeiten. Für einen modernen Gangsterfilm ist das eigentlich ungewöhnlich, teilweise sehr nachdenklich und langsam. Aber es funktioniert, eben wegen dieser schwarzen und gewöhnungsbedürftigen Komik, die immer wieder dazwischen gestreut wird. Und um dann doch auch ein wenig die gängigen Gangsterkonventionen zu bedienen, spritzt auch das Blut nicht schlecht.


„Brügge sehen… und sterben“ wird, das ist sicher, extrem unterschiedlich aufgenommen. Für die einen ist er ein tieftragisches Drama, das in die Psyche seiner beiden Hauptfiguren abtaucht. Für die anderen kann er zum kultigen und schwarzen Gagfeuerwerk aufsteigen. Für Dritte könnte der Film sogar einfach nur langweilig sein. Vielleicht ist er sogar alles zusammen. Aber was man auf jeden Fall konstatieren kann ist, dass Martin McDonaghs Regiedebüt anders ist. Ein kleiner Film, der zwei völlig konträre Stimmungen einfängt, die von Ken und die von Ray. Und die er uns auf seine eigene Weise, die sicher nicht jedermanns Sache ist, näher bringen will. Sicher sagen, dass es funktioniert, kann man bei diesem Film nicht, weswegen man sich in besonderem Maße darauf einlassen muss, dann kann man viel Freude mit diesem Film haben.


8,5 von 10 Zwerge mit Drogenproblem

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