Review: STEREO - Der nächste Rohrkrepierer des Neuen Deutschen Genrekinos



Fakten:
Stereo
BRD. 2013. Regie und Buch: Maximilian Erlenwein. Mit: Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu, Petra Schmidt-Schaller, Rainer Bock, Georg Friedrich, Nicole Marischka, Fabian Hinrichs, Mark Zak, Gerdy Zint, Paul Fassnacht, Jürgen Holtz, Adrian Can u.a. Länge: 95 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 21. November auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Raus aufs Land, weg vom Großstadtmief. Diesen Schritt hat Erik zusammen mit seiner Freundin Julia endlich in die Tat umgesetzt. Doch dann taucht plötzlich Henry auf. Der Fremde beginnt Erik zu verfolgen, lässt nicht von ihm ab, nur warum? Ist Henry ein bedrohlicher Schatten aus Eriks Vergangenheit, doch vielleicht doch einfach nur ein Verrückter?





Meinung:
Regisseur Maximilian Erlenwein scheint jemand zu sein, der sich gerne unterwegs im eskapistischen Genrekino sehen möchte. Das fing schon mit Kurzfilmen wie „Elvis vs. Bruce Lee“ an und findet nun erneut ein Ventil mit 'Stereo', den er wie einst in seinem ersten Spielfilm „Schwerkraft“ mit Deutschlands Vorzeige-Charakterdarsteller Jürgen Vogel in der Hauptrolle inszenierte. Dieses Mal bewegen sie sich auf die Pfade eines hippen Psychothrillers, der sich in seiner Grundprämisse am Stärksten an David Cronenbergs „A History of Violence“ orientiert und versprechen möchte: das wird keine konventionelle Sache.


Wie viel Wahrheit steckt im Familienglück von Erik?
Wie audiovisuell stilsicher und dennoch Fördermittel-gefällig Erlenwein sodann seinen Mindfuck-Gangstertrip auf die Beine bringt, vermittelt schon ein gesundes Selbstbewusstsein, selbst wenn in der Versetzung eines solch dramatischen Crime-Gefechts von international-angewandtem Format in die deutsche Provinz (und gelegentlich Berliner Unterwelt) die innewohnende Naivität und fehlende Bescheidenheit überwiegen. Und so kaut er reichlich Zutaten durch, die an sich u.a. einen ordentlichen, geradlinigen Exploitation-Rache-Reißer abliefern könnten, aber auch von hanebüchenen, 'coolen' Verkomplizierungen unterminiert werden. So hadert Vogel als latent-spießiger, ruppiger Werkstattbesitzer Erik in gemütlich-teutonischer Dorfkulisse mit dem psychisch-belastenden Geist Moritz Bleibtreus namens Henry, den nur er sehen und hören kann (man denke an den Galaxius vom Saxilus aus „Familie Feuerstein“) und der sich mit kaltschnäuzig-bedrohlichen Gestus sowie infantil-verruchtem Rumgefluche bewährt. Seine Präsenz offenbart sich schlussendlich als eine Repräsentation von Eriks früherem, verdrängten Leben als harter Auftragsgangster für den plakativ-zynischen Moloch-Krüppel Keitel (Georg Friedrich).


Ist Henry wirklich eine Bedrohung?
Nun holt Erik die Vergangenheit wieder ein und obwohl er versucht, den Quälgeist per okkulter Psychotherapie und Akkupunktur loszuwerden, muss er einsehen, dass der einzige Weg, seine neue Familie zu retten, darin besteht, die Übernahme des harten Mackers in sich selbst zu gewährleisten. Das hat nämlich auch mit Wiedergutmachung (dem einzigen, wirklich substanziellen Thema des Films) zu tun, wie uns der Film in einer extensiven Rückblende aufklärt, da sein Bruder (wiederum gespielt von Bleibtreu) eigentlich jener unschuldige Spießer war, der aufgrund des gefährlichen Berufes seines ordinären Gangster-Bruders (Vogel, dessen Channeling von Bleibtreus Performance grob uninspiriert misslingt) zusammen mit der Familie ums Leben kam. Wie auch immer jenes Erlebnis so einen traumatischen Einfluss inkl. Schizophrenie auf jemandem haben kann, sei mal dahingestellt - wichtig ist nur, dass er sodann rächend zurückschlägt, im neon-durchfluteten Nachtclub aufräumt und das austauschbare Gangster-Volk niedermetzelt. Die schnörkellose Gestaltung mahnt an südkoreanische Rache-Epen, bleibt dennoch ein vorhersehbares und sicheres Unterfangen, das nur bedingt Aufwand in der Vermittlung von intensiver Körperlichkeit oder charakterlicher Spannung (abgesehen von einem halbherzigen „Wird er, wird er nicht?“) betreibt, sich stattdessen lieber auf cineastische Querverweise und Genre-Muster verlässt. Was anfangs noch einen gewissen Raum fürs Rätselhafte voraussah, entzaubert sich als unfreiwillig-komische Glätte, die zwar keineswegs über den funktionalen Tellerrand des Standards hinwegblicken will und durchgehend gut unterhält, allerdings bei den dusseligsten „Eigenständigkeiten“ eine faux-flashige Sensationslust zu Tage fördert, welche geradezu heuchlerisch die Intelligenz des Publikums zu unterschätzen meint.


„Das hätten wir nie erwartet!“, „Fuck, was geht ab?!“, „Mind blown!“ und „Coole Sprüche mit Attitude!“ will „Stereo“ mit seinem kindischem Psychothrill-Einmaleins aus seinen Zuschauern herauskitzeln, mit Zynismus und handfester Gewalt einen gewissen, „gewagten“ Biss vortäuschen. Es reichte bezeichnenderweise nur für eine handelsübliche FSK-16-Freigabe und auch wenn die augenfreundliche Kameraarbeit zusammen mit dem flott-schnurrenden Electro-Score das moderne Eisen aufheizen will, bleibt der Film mit seinen schwach-schablonenhaften Charakteren, formelhaften Dialogen und peinlich-aufgebretzelten Twists nur eine weitere, misslungen-bemühte Fingerübung im längst verlorenen Wettrennen um internationale Genre-Souveränität.


3,5 von 10 fluchenden Bleibtreus


vom Witte

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