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Review: LEGEND - Tom Hardy im Doppelpack will London regieren

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Fakten:
Legend
USA,UK. 2015. Regie und Buch: Brian Helgeland. Mit: Tom Hardy, Taron Egerton, Emily Browning, Colin Morgan, Tara Fitzgerald, David Thewlis, Christopher Eccleston, Paul Anderson, Chazz Palminteri, Stephen Lord, Lasco Atkins, Tiger Rudge, Mel Raido, Daniel Westwood, Charley Palmer Rothwell, Millie Brady u.a. Länge: 131 Minuten FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 7. Januar 2016 im Kino.


Story:
Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre regieren die Kray-Zwillinge Reggie und Ron gemeinsam mit der Mafia die kriminelle Szene des Londoner Ostens. Als die Geschäfte gut laufen, schlägt ihnen der Ganove Leslie Payne eine Strategie vor, mit der sie ihr Imperium auf die glamourösen Viertel des West-Ends ausweiten können. Nichts scheint die Zwillinge, die London beherrschen und das Establishment unterwandern, aufhalten zu können. Doch als Reggie sich in die zerbrechliche Frances Shea verliebt, gerät alles ins Wanken. Frances will, dass Reggie sich auf ihre Seite schlägt, doch Ron, der nicht alleine bleiben möchte, stellt sich ihr entgegen.




Meinung:
Dekadenz, Gewalt, Respekt. Es scheint so, als wären genau dies die Grundpfeiler, auf denen die Existenz der legendären Kray-Zwillinge errichtet wurde. Reggie und Ronnie Kray gehören wohl zu bekanntesten Gesichtern, die das organisierte Verbrechen seit jeher hervorgebracht hat. Die Besonderheit: Sie sind eineiige Zwillinge; Reggie ist ein Ebenbild von Ronnie und andersherum. Doch nicht nur die äußerliche Gleichheit einte die Brüder, es war auch das krampfhafte Verlangen, London Hand in Hand hoheitlich regieren zu wollen. Dieser schroffe Gangster-Stoff, den das Leben mehr oder weniger geschrieben hat, eignet sich natürlich immer noch einwandfrei, um ihn für die großen Leinwände aufzubereiten: Da darf man unentwegt maskuline Posen und die Faszination des Bösen bestaunen, um durch die in dieser Halbwelt allgegenwärtige Gewalt immer wieder in Abscheu demgegenüber zu geraten. Der Gangster-Film parallelisiert Verbrecher und Heroen in der Regel nicht, er fusioniert sie vielmehr und führt sie auf einen effektiven typologischen Nenner – Den Anti-Helden.


Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist Tom Hardy
„Legend“ von Brian Helgeland (Drehbuchautor von „Mystic River“) nimmt sich nun den Kray-Brüdern an und erzählt genau von diesem Kosmos, in dem sie ihre delinquenten Machenschaften anfangs äußerst rentabel ausgelebt haben. Die Könige von East End waren allseits gefürchtet, ihr Einfluss innerhalb der Metropole beachtlich, ihre Konkurrenz wurde einfach aus dem Weg geräumt. Wenn die Krays Politiker geschmiert haben, blieben ihnen die Polizisten vom Hals, was ihnen wiederrum die Chance gab, ihr Imperium immer weiter auszubauen. Seinen Interessenschwerpunkt destilliert „Legend“ daraus, dass er seine Crime-Saga an einer elementaren Frage abarbeitet: Ist Blut zwangsläufig dicker als Wasser? Während sich Reggie (Tom Hardy) oberflächlich als etwas besonneneres Gemüt zu erkennen gibt, der ebenso darauf erpicht ist, seine Beziehung zu Frances (Emily Browning) aufrechtzuerhalten, ist sein seit Kindertagen eifersüchtiger Bruder Ronnie (Tom Hardy) ein schnaubender Geisteskranker, dem ein psychologischen Gutachten während eines Aufenthalts in der Nervenheilanstalt bereits eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert hat.


Dass diese Beziehungskonstellation reichlich unter Feuer steht, erklärt sich von allein. „Legend“ ist allerdings zu keiner Zeit in der Verfassung, seine zwischenmenschlichen Gefühlsknoten adäquat zu behandeln und flüchtet sich über beinahe endlose erscheinende 120 Minuten in trübe Genre-Klischees, die man schon im kürzlich erschienen „Black Mass“ mit Johnny Depp voller Gleichgültigkeit über sich ergehen lassen musste: Vom händeringenden Versuch, dem halbseidenen Gewerbe zu entfliehen, bis zu der Erkenntnis, dass man den schwarzen Fängen dieser Parallelgesellschaft nicht entkommen kann, weil das Damoklesschwert mafiöser Macht über jedem Handgriff schwebt, schabloniert „Legend“ in seiner pulpigen Ausstaffierung die großen Vorbilder ohne falsche Scham, vergisst dabei aber vollständig, eigene Akzente zu setzen. Eine Rechtfertigung, sich „Legend“ anzuschauen, ist, neben dem stimmigen Zeit- und Lokalkolorit, selbstredend Tom Hardys erwartungsgemäß ordentliche Doppelperformance, der sich wieder mit seiner berauschenden Präsenz und dem gottgegebenen Charisma ins Zeug wirft. Schade nur, dass er sich in diesem Fall an derart verdrießliche Dutzendware verschwendet.


4 von 10 brüderlichen Backpfeifen


von souli

Review: COP CAR - Spritztour mit Folgen

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Fakten: 
Cop Car
USA, 2015. Regie: Jon Watts. Buch: Jon Watts, Christopher D. Ford. Mit: Kevin Bacon, James Freedson-Jackson, Hays Wellford, Camryn Manheim, Shea Whigham, Sean Hartley, Kyra Sedgwick u.a. Länge: 88 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story: 
Zwei Jungs entdecken ein verwaistes Polizeiauto, finden die Schlüssel und begeben sich auf eine spannende Reise hinter dessen Steuer. Dumm nur, dass im Kofferraum ganz große Probleme schlummern und der Besitzer sein Vehikel gerne wiederhätte…


                                                                              

Meinung: 
„Das ist unser Polizeiauto!“ 

Leider nicht, ihr habt es nur gefunden und juristisch gesehen sogar entwendet, aber lassen wir mal Gnade vor Recht ergehen, der Eigentümer nimmt es damit auch nicht so ernst. Obwohl er damit seine Brötchen verdient. Zwei kleine Jungs auf der Suche nach einem Abenteuer in der beschaulichen Natur. Sie stromern so über die Felder und durch die Wälder, erproben vulgäre Kraftausdrücke und hoffen darauf, dass irgendwas Aufregendes passieren mag. Ein verlassener Polizeiwagen weckt ihr Interesse und wird zur ultimativen Mutprobe. Erst ihn mit Steinen zu beschmeißen, sich dann sogar in ihn hineinzusetzen und als sie auch noch die Schlüssel finden gibt es kein Zurück mehr: Eine Spritztour mit dem rollenden Abenteuerspielplatz voller spannender Spielzeuge stellt wahrscheinlich den Höhepunkt ihres noch jungen Lebens dar. In was für eine Scheiße sie sich damit manövrieren ist ihnen nicht klar, selbst dann nicht, als sie schon bis über beiden Ohren drin stecken.


Schluss mit lustig...
Der 34jährige Regisseur John Watts – der kürzlich mit der Eli Roth Produktion „Clown“ auf sich aufmerksam machte und mit dem nächste „Spiderman“-Reboot schon einen dicken Fisch an der Angel hat – liefert mit „Cop Car“ ein kurzweiliges und griffiges B-Movie ab. Sein Mix aus Coming-of-Age-Abenteuer und ruppiger Provinz-Räuberpistole mutet mit seinem lakonisch-trockenen Witz und aufblitzenden Gewaltakten an, als hätten die Coen-Brüder nach Feierabend ihre Version von „Stand by me – Das Geheimnis eines Sommers“ bei einem spontanen Brainstorming auf einen Bierdeckel gekritzelt. Ein leichter Hauch von „Blood Simple“ oder „Fargo“ liegt in der Luft, auch wenn deren Extravaganz natürlich nicht erreicht wird. Ein direkter Vergleich wäre auch unfair und unpassend, dennoch lassen sich leichte Parallelen nicht gänzlich von der Hand weisen. Watts setzt voll auf die Sympathie mit seinen Protagonisten, deren kindliche Naivität und Unbekümmertheit dieses problemlos ermöglichen und die Antipathie zu den widerlichen, erwachsenen Gegenspielern, in erster Linie (wie immer hervorragend) verkörpert durch Kevin Bacon als skrupelloser „Gesetzeshüter“ mit koksbeflecktem Walrossschnäuzer. Die an sich schlichte Geschichte beschränkt sich auf ein recht kurzes Zeitfenster, was vor dem Auftauchen der Kids geschah und Auslöser für den ganzen Schlamassel war, lässt sich nur erahnen. Ebenso direkt kickt einen der Film am Ende plötzlich aus dem Geschehen. Er hat das gezeigt, was Hauptbestandteil seiner Handlung war, nicht mehr und nicht weniger.


Mit diesem Beschränken auf das Wesentliche pfeift Watts auf streckenden Firlefanz, konzentriert seinen Film auf das Nötigste und tut sehr gut daran. Denn interessant ist doch eigentlich das versehentliche Einmischen der Kinder in dieses dreckige Spiel der Erwachsenen, dessen Konsequenz sie erst dann wirklich beginnen zu verstehen, als es schon viel zu spät ist. Wie sie mit Sturmgewehr und kugelsicherer Weste rumalbern, während parallel Sheriff Bacon versucht die Spuren seiner Tat zu verwischen oder selbst direkt als Lockvögel in einen Hinterhalt involviert werden und alles noch durch ihrer unerfahrenen Augen kommentieren ist erfrischend und stellt eine Diskrepanz zu dem dar, was wirklich gerade um sie herum geschieht. Der Jux dabei ist, dass sich der Zuschauer durchgehend die Frage stellt, wer hier eigentlich gerade unvernünftig handelt. Die Kinder – die es einfach nicht besser wissen – oder die Erwachsenen…die es besser wissen müssten und doch nur ein blutiges Chaos anrichten. „Cop Car“ hat keine große Geschichte, würzt diese aber mit schneidigen Einfällen, ist ansehnlich inszeniert, hat genau diese fies-ironische Note und das notwenige Wiedererkennungsmerkmal, mit dem sich ein gutes B-Movie im Idealfall von der Masse abhebt. Das gelingt „Cop Car“ – im wahrsten Sinne des Wortes – mit spielerischer Leichtigkeit. 

7 von 10 lebendigen Zielscheiben

Review: BLACK MASS – Der Teufel von Boston

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Fakten:
Black Mass
USA, 2015. Regie: Scott Cooper.
Buch: Mark Mallouk, Jez Butterworth, Dick Lehr (Vorlage), Gerard O’Neill (Vorlage). Mit: Johnny Depp, Joel Edgerton, Benedict Cumberbatch, Dakota Johnson, Peter Sarsgaard, Kevin Bacon, Jesse Plemons, Juno Temple, Juliann Nicholson, Corey Stoll, W. Earl Brown, Rory Cochrane, David Harbour,  Adam Scott, Brad Carter, James Russo, Bill Camp, Eric McDermott u.a. Länge: 123 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 18. Februar 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
James "Whitey" Bulger ist es gelungen, sich zu einem der gefürchtetsten Verbrecher von Boston hochzuarbeiten. Um seine italienischen Konkurrenten auszuschalten, geht er einen Deal mit dem FBI-Agenten John Connolly ein, der gleichzeitig ein Jugendfreund von Bulger ist. Hinzu kommt, dass Bulger darüber hinaus einen Bruder hat, der als Senator der Stadt tätig ist. Das kriminelle Netz und die persönlichen Verstrickungen breiten sich somit immer weiter aus...





Meinung:
Schauspieler Johnny Depp hat es mehr als nötig, mal wieder einen waschechten Erfolg verbuchen zu können. Diese Aussage ist sogar im doppelten Sinne gemeint, denn sowohl künstlerisch wie auch finanziell hat der Mega-Star in den vergangenen Jahren immer wieder schwer enttäuscht und keine seiner Rollen konnte an frühere Glanzzeiten anknüpfen. Vielmehr ist er durch das extreme Make-up und auffälliges Overacting für viele eher zu einem überdrehten Kasper verkommen, der zu ernsthaftem Schauspiel gar nicht mehr in der Lage sei. Mit dem desaströsen Flop-Triple "The Lone Ranger", "Transcendence" und "Mortdecai" hat dieses Elend einen traurigen Höhepunkt gefunden.


"Whitey" macht gerne auch einmal kurzen Prozess
Mit "Black Mass" dürfte die Misere allerdings nun ein Ende gefunden haben und man kann stolz verkünden: Depp hat es immer noch drauf. Seine Darstellung des gefürchteten Schwerverbrechers James "Whitey" Bulger, welcher sich über die 70er und 80er Jahre hinweg ein regelrechtes Imperium inmitten von Boston errichtet hat, ist absolut fantastisch. Auch wenn Depp hier ebenfalls nicht ohne markante Maske und Perücke auskommt, macht er sich den bleichen Teint und die eisigen, stechenden Augen zu Nutze. Dabei wirkt er stets wie eine Mischung aus Geist und Hyäne, die ständig irgendwo bedrohlich über den Dingen schwebt und ausgesuchte Opfer erbarmungslos in Fetzen reißt. Eine überaus eindringliche Performance, mit der der Schauspieler endlich wieder an die alten Zeiten anknüpfen kann. Auch fernab seines intensiven Hauptdarstellers ist der Streifen allerdings stark besetzt und bietet mit Namen wie Joel Edgerton, Benedict Cumberbatch, Kevin Bacon oder Peter Sarsgaard eine mehr als illustre Riege an unterstützenden Nebendarstellern.


Das FBI, dein Freund und krimineller Helfer
Es hat allerdings seine Gründe, wieso man in Bezug auf "Black Mass" allem voran auf die Schauspieler zu sprechen kommt. Ansonsten ist der Streifen nämlich gerade mal solide Genre-Kost, die immer wieder gefährlich nahe am belanglosen Durchschnitt kratzt. Wäre der Film vor 20-25 Jahren veröffentlicht wurden, hätte er mit Sicherheit einen deutlich stärkeren Eindruck hinterlassen. So hingegen ist man gesättigt und mehr als bedient mit brillanten Vertretern aus dem Gangster-Genre, seien es die großen Werke eines Martin Scorsese oder epochale Erzählungen im Serienbereich wie "The Sopranos" oder "Boardwalk Empire". "Black Mass" genügt sich damit, seine sture Biopic-ähnliche Struktur abzuarbeiten und beschränkt sich auf loses Aneinanderreihen von einzelnen Stationen und Ereignissen, die alle durch Rückblenden mithilfe von in der Gegenwart getätigten Zeugenaussagen in die Gesamthandlung eingebettet werden. Dabei entwickelt der Film einen ziemlich eintönigen, repetitiven Erzählrhythmus. Bulger und seine Handlanger durchdringen neue Geschäftsfelder, schalten Konkurrenten oder Verräter aus den eigenen Reihen aus, das FBI nutzt ihn als Spielball und umgekehrt und hier und da werden Momente aus dem Privatleben entscheidender Figuren eingestreut, um ihnen auf menschlicher Ebene ansatzweise gerecht zu werden. Viel mehr bietet der Film über seine 2 Stunden Laufzeit nicht und wirklich mitreißen kann er ebenfalls nicht. Regisseur Scott Cooper setzt das Drehbuch zumindest mit der nötigen Schnörkellosigkeit, angemessen Härte und passenden Optik um, doch auch er muss sich verständlicherweise dem simpel gestrickten Material anpassen.


Extrem ausgedrückt könnte man auch behaupten: Nimmt man dem Film seine tollen Darsteller, hätte "Black Mass" ebenso gut ein löblich budgetierter TV-Film sein können. Der Film ist nie schlecht oder langweilig, wirkt aber vor allem strukturell und inhaltlich deutlich überholt und altbacken und bietet nichts, was man in vielen anderen Vertretern des Genres nicht schon gesehen hat, oftmals sogar besser. So bietet der Streifen solide Unterhaltung, ein paar herausragende Einzelszenen und einen hervorragenden Cast mit einem exzellenten Johnny Depp in der Hauptrolle. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


6 von 10 Familiengeheimrezepte für Steak-Marinade


von Pat

Review: SICARIO – Kampf gegen das Kartell!

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Fakten:
Sicario
USA, 2015. Regie: Denis Villeneuve. Buch: Taylor Sheridan. Mit: Emily Blunt, Benicio del Toro, Josh Brolin, Jon Bernthal, Victor Garber, Daniel Kaluuya u.a. Länge: 121 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Kate Macer arbeitet in Arizona für ein SWAT-Team, das sich auf Entführungen spezialisiert hat. Nach einem erfolgreichen Einsatz, bei dem jedoch unglücklicherweise zwei Kollegen ums Leben kamen, wird sie von Matt für einen geheimen Auftrag angeheuert. Zusammen mit dem Experten Alejandro sollen sie einen mexikanischen Drogenboss und Leiter eines Kartells aufspüren und verhaften. Ein actiongeladener Kampf zwischen den Grenzen der USA und Mexiko bricht aus und Kate wird immer mehr in einen Sumpf aus Korruption und Gewalt gesogen.




Meinung:
Spätestens seit „Breaking Bad“ erfreuen sich Filme mit, über und gegen Drogenkartelle steigender Beliebtheit. In den vergangenen Jahren haben wir dabei die unterschiedlichsten Blickwinkel und Herangehensweisen an diese Thematik bekommen, mit „Sicario“ liefert uns Denis Villeneuve jetzt eine möglichst authentische Darstellung aus der Sicht einer amerikanischen Agentin.


Alejandro ist ein echter Wolf
Villeneuve weiß einfach, wie man Filme inszeniert. Das hat der Kanadier in den letzten Jahren schon mehrmals bewiesen und tut es mit „Sicario“ erneut. Er weiß genau wo er die Kamera hinstellen, wann er schneiden und wie er den Sound aufdrehen muss. Er hat ein Gespür für die richtige Atmosphäre und ein Auge für Dynamik, aber vor allem versteht er sich darauf all diese Elemente zu verbinden um damit langsam Spannung aufzubauen und diese anschließend in einem intensiven Moment auf den Zuschauer zu entladen. Gleich zu Beginn präsentiert uns der Film dabei eine großartige Szene, die komplett ohne Hintergrund oder Wissen über die Charaktere funktioniert. Dazu kommen mit Emily Blunt, Benicio del Toro und Josh Brolin drei talentierte Darsteller, die ihre Charaktere glaubhaft und authentisch rüberbringen. Im Verlauf von „Sicario“ reizt Villeneuve diesen Spannungsaufbau dann immer mehr aus, minutenlang fährt ein Einsatzteam durch die Stadt, die Waffen im Anschlag, auf einen Knall lauernd. Es sind diese Momente, die dich als Kinozuschauer tief in deinen Sitz drücken, in denen du die Spannung förmlich in der Luft riechen kannst. Doch leider besteht „Sicario“ nicht nur aus diesen Momenten.


Der Kampf gegen die Kartelle muss gut geplant sein
Es sind die ruhigeren Momente, die „Sicario“ letztlich das Genick brechen, genau dann wenn die Spannung ihren Höhepunkt erreicht hat und das Adrenalin langsam abbaut. Sobald der Film versucht sich mehr auf seine Charaktere zu konzentrieren werden seine Schwächen nur all zu deutlich. Zunächst sind es nur kleinere Störfaktoren wie etwa die übertriebene Abgebrühtheit von Benicio del Toro und Josh Brolin oder die fragwürdige Motivation von Emily Blunt. Je länger der Film dauert, desto klarer wird jedoch, dass sich hinten den Charakteren nicht viel verbirgt. Das wäre nicht weiter schlimm, würde sich der Film auf seine Stärken konzentrieren. Jedoch versucht er immer wieder tiefer in seine Charaktere einzudringen und das scheitert ganz einfach daran, dass sich hinter den schablonenartigen Figuren nicht sonderlich viel verbirgt. Vor allem die persönlichen Momente von Emily Blunt wirken für den Zuschauer ermüdend und nehmen einiges an Spannung. Dabei hätte man sie jederzeit weglassen können, denn sie fügen ihrem Charakter weder neue Facetten hinzu, noch ändern sie irgendwas an der Geschichte. Es sei an dieser Stelle noch löblich erwähnt, dass wenigstens versucht wurde die andere Seite des Krieges in Form eines korrupten mexikanischen Polizisten darzustellen, die Umsetzung dieser Idee ist wiederum weniger gelungen.


„Sicario“ ist trotz einiger grandioser Szenen nicht das erhoffte Meisterwerk. Die Schuld dafür liegt jedoch weniger am Regisseur, denn Denis Villeneuve liefert auf inszenatorischer Ebene einen grandiosen Film ab, sondern vielmehr an Taylor Sheridan. Ein Mann, den wohl manche als Darsteller kennen, der mit „Sicario“ jedoch seine Premiere als Drehbuchautor feiert und dadurch eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass er im Schreiben von Skripten wohl noch etwas Übung braucht. Durch die gelungene Optik und den bombastischen Sound ist der Gang ins Kino trotzdem zu empfehlen, vor allem dann wenn man es schafft über die Schwächen von „Sicario“ hinwegzusehen.


6 von 10 ermordeten Drogenbossen


von Vitellone

Review: THE GANG – AUGE UM AUGE – Zahn um Zahn?

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Fakten:
The Gang – Auge um Auge (De Bande van Oss)
Niederlande, 2011. Regie: André van Duren. Buch: Paul Jan Nelissen, André van Duren. Mit: Matthias Schoenaerts, Sylvia Hoeks, Frank Lammers, Daan Schurmans u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Seit 24. September 2015 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Die Stadt Oss in der niederländischen Provinz wird von einer Reihe gewalttätiger Verbrechen beherrscht. Zeitlich kurz vor dem 2. Weltkrieg ist die Kontrolle der Stadt fest in der Hand der Ossche Bande, selbst Politiker, Ordnungshüter und Geistliche müssen sich der Bande beugen. Mithilfe der Militärpolizei will die Regierung Ordnung in die Stadt bringen. Es kommt zu immer größeren Ausschreitungen, mittendrin die junge Cafe-Besitzerin Johanna, die versucht ihren eigenen Weg zu gehen und dem Grauen und der Gewalt zu entfliehen.





Meinung:
Der belgische Schauspieler Matthias Schoenaerts erfreut sich in den letzten Jahren auch auf internationaler Ebene steigender Beliebtheit. So spielte er beispielsweise letztes Jahr an der Seite von Tom Hardy bei „The Drop“ mit und stand zwei Jahre zuvor in „Der Geschmack von Rost und Knochen“ an der Seite von Marion Cottilard. Seine gestiegene Popularität ist wohl auch einer der Gründe, warum der bereits 2011 in den Niederlanden erschiene Titel „The Gang“ im letzten Monat doch noch einen Heimkinorelease in Deutschland erhielt. Daher ist es auch wenig erstaunlich, dass Schoenaerts als zentrale Figur das Cover der DVD und Blu-ray Hülle schmückt, schließlich will man damit die Verkäufe noch etwas mehr anzukurbeln. Die zentrale Figur im Film nimmt dabei aber eine ganz andere ein, nämlich die Holländerin Sylvia Hoeks.


Plausch unter Freunden
„The Gang“ ist einer dieser Filme, der seinen Zuschauer nach der Sichtung zuerst etwas irritiert zurücklässt. Obwohl er auf der einen Seite mit unterschiedlichsten Versatzstücken aus diversen Genres aufwartet, fühlt sich der Film auf der anderen Seite doch erstaunlich leer und langatmig an. Dabei ist das eigentliche Genre des Films eine sehr interessante und gar nicht so leicht zu beantwortende Frage. Zu Beginn präsentiert der Streifen einen für Gangsterfilme typischen Aufbau, stellt die Bande von Oss und deren zentrale Mitglieder, aber auch die Gegenbewegung in Form der Regierung vor. Durch sein eher ungewöhnliches Setting im ländlichen Holland der 30er Jahre wirkt das zu Beginn auch erfrischend und trotz gewohntem Aufbau in gewisser Weise auch neu und unverbraucht. Leider ändert der Film relativ schnell seine Richtung, der Regisseur streut zwar gelegentlich Elemente des Gangster-Genres ein, diese dienen aber hauptsächlich dazu die Rahmenhandlung voran zu treiben. In seinem Kern handelt es sich bei „The Gang“ um ein klassisches Charakterdrama, bei dem auch eine tragische Liebesgeschichte nicht zu kurz kommt. Der Mittelpunkt des Films ist dabei seine größte Schwäche, denn die Ausstattung des Films hätte eine deutliche interessantere Protagonistin als die Figur der Johanna verdient.


Bereits damals wusste man einen guten SlowMo-Walk zu schätzen
Johanna ist eine junge Cafe-Besitzerin, die sich zudem für Geld an ihre Kunden verkauft und gelegentlich für ein kurzes Schäferstündchen in die oberen Räumlichkeiten verschwindet. Als ihr Freund Ties aus dem Gefängnis freikommt und sie dazu noch schwanger wird, nimmt das Drama seinen Lauf. Inszenatorisch ist das alles mehr als solide. Dabei wirken vor allem die Sets und die Kostüme für einen niederländischen Film mit kleinerem Budget sehr authentisch und ansehnlich. Zu der gelungenen Ausstattung und den soliden Schauspielleistung kommen glaubhaft inszenierte Gewaltszenen und eine zum Setting sehr passende Optik. Warum „The Gang“ unterm Strich trotzdem nur durchschnittliche Kost ist, dafür ist wohl die fehlgeschlagene Gewichtung der Storyelemente verantwortlich. Während sich der Zuschauer danach sehnt tiefer in die Strukturen der Gangsterbande einzudringen oder den Kampf der Bande untereinander und mit der Regierung zu verfolgen, bekommt er stattdessen eine dramaturgisch halbgare Geschichte über eine vermeintlich starke Frauenfigur, die mit zunehmender Laufzeit zu oberflächlich bleibt und viel zu wenig Facetten offenbart. Es sei der Rahmenhandlung und gelegentlichen Höhepunkten gedankt, dass der Film mit Abstrichen dennoch sehenswert ist, zumindest dann wenn man seine Anforderungen etwas senkt.


Für wen genau „The Gang“ letztlich gemacht wurde bleibt ungewiss. Vielleicht benötigt man als Zuschauer wirklich den historischen Hintergrund, denn der Film wirbt zumindest damit auf wahren Begebenheiten zu beruhen. Das dahinter nicht viel stecken muss weiß wohl so ziemlich jeder, der sich mehr als zwei Filme im Monat ansieht, aber Ausnahmen gibt es immer und vielleicht handelt es sich bei der Bande von Oss für Niederländer wirklich um eine relevante und bekannte Geschichte aus der Vergangenheit. Ungeachtet dessen sollte ein Film dennoch für nicht Eingeweihte funktionieren, weshalb der fehlende Hintergrund keine Entschuldigung für die Schwächen des Streifens darstellt.


5 von 10 Straßenkämpfe


von Vitellone