Posts mit dem Label Moritz Bleibtreu werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Moritz Bleibtreu werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Review: NICHT MEIN TAG - Peter Thorwarth sucht sich selbst

Keine Kommentare:
                                                                   


Fakten:
Nicht mein Tag
BRD, 2013. Regie: Peter Thorwarth. Buch: Stefan Holtz, Peter Thorwarth, Ralf Husmann (Vorlage). Mit: Moritz Bleibtreu, Axel Stein, Jasmin Gerat, Anna Maria Mühe, Nele Kiper, Ben Ruediger, Kasem Hoxha, Bekim Guri, Tobias Nied, Emilian Markgraf, Ralf Richter, Maxwell Richter, Milan Peschel, Christian Kahrmann, Til Schweiger u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Till Reiners war mal ein wilder Hund, nun ist er Bankkaufmann mit Frau und Kind, Hypothek, einer Ehe ohne Sex Torschlusspanik, dass der aktuelle Spießertrott nun die Endstation ist. Als Kleinganove Nappo seine Bank überfällt und sich dessen Fluchtwagenfahrer verkrümelt, wird Till als unfreiwilliger Chauffeur gekidnappt. Was als Zwangsmaßnahme unter Todesangst beginnt, entwickelt sich zum aufregenden Road-Trip. Zwischen dem auftauenden Till und dem gar nicht so skrupellosen Nappo entwickelt sich eine Freundschaft. Als Till dann auch noch die Treue seiner Ehefrau anzweifelt, eskaliert die Lage komplett und nimmt ungeahnte Formen an.






Meinung:
Genau 15 Jahre ist es her, als ein junger, unbekümmerter Nobody aus dem Pott mit seinem Debütfilm das traditionell muffige Komödien-Kino aus heimischen Gefilden ordentlich aufmischte. Unter dem im ersten Momente affig klingenden Titel „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“ versteckte sich eine zitatträchtige Perle des deutschen Kinos, wild, ambitioniert, leicht primitiv, aber so herrlich detailliert und sympathisch-komisch, da galt Peter Thorwarth als der Hoffnungsträger des unverbrauchten, deutschen Films. Mit seiner holprigen, eigenen Kurzfilmadaption „Was nicht passt, wird passend gemacht“ blieb er sich zwar treu, offenbarte gleichzeitig aber auch deutliche Schwächen. Mit dem dritten Teil seiner Unna-Trilogie „Goldene Zeiten“ konnte er wieder halbwegs in die Spur zurückfinden. Überfrachtet, nicht ausgereift, aber mit dieser grundsätzlichen Idee und teilweise schön-skurrilen, naiven und dadurch so witzigen Einfällen, die Lust auf sein nächstes Werk stieg wieder deutlich an. Das ließ lange auf sich warten.


Bitte nicht mit dem Fahrer sprechen.
„Nicht mein Tag“ enttäuscht leider im Gesamteindruck, obwohl die Bedingungen so verheißungsvoll sind. Niemand anderes als „Stromberg“-Autor Ralf Husmann liefert die Vorlage zum Skript, Thorwarth hat immer noch dieses Gespür für urige Situationskomik, ein goldenes Besetzungshändchen und weiß all dies zunächst auch auszuspielen. Dazu muss gesagt werden: Dies ist sicher sein konventionellster Film bisher. Dem enthusiastischen Chaos seiner ersten Filme – was gerade deren Reiz ausmachte – muss nun einer in der Form schon häufiger vorgetragene Geschichte weichen. Im Alltag gefangener und eingeschlafener Nun-leider-doch-Spießer wird als Geisel genommen, freundet sich (holterdiepolter) mit seinem anarchistischen Entführer an und nutzt den Wink des Schicksals als Flucht aus der mausgrauen, schleichenden 9-17Uhr-Todesstrafe. Trotz bekannter Muster, eindeutiger Anleihen (bis zu Plagiaten) aus etlichen Werken zuvor und der objektiv nicht so drastisch-schlüssigen Verbrüderung mit dem Geiselnehmer, lange funktioniert der Film zweifellos. Allein das präzise Timing, die pointierten Dialoge und vor allem die beiden hervorragenden Hauptdarsteller täuschen über Skriptmängel locker hinweg.


Ein hartes Duell: Wer kann blöder gucken?
Von Moritz Bleibtreu ist man nichts anderes gewohnt, erneut untermauert er sein Talent für kantige Figuren, gerne mit leichtem Assi-Touch. Er versteift sich selten in Rollen, gibt ihnen immer seine eigene Note, die sie oft besser erscheinen lassen, als sie ursprünglich wohl skizziert waren. DIE Überraschung ist mit Sicherheit Axel Stein, der sich jahrelang als dicker Proll-Dödel vom Dienst durch so manchen Schund hocharbeiten durfte und nun tatsächlich unter Beweis stellt, was er (jetzt erst?) leisten kann. Allein die Chemie zwischen Bleibtreu und Stein ist pures Gold und vermag den Film über manche dramaturgische Schlaglöcher hinweg zu tragen. Angereichert mit netten Cameos und Anspielungen (in erster Linie auf Thorwarth’s Prunkstück „Bang Boom Bang“) macht der Film Laune und hat diese Grundstimmung, für die Til Schweiger (hier nicht ganz unbeteiligt, als Produzent sowie mit seinem besten, weil selbstironischsten und wirklich mal nicht eitlem Auftritt seit einer Ewigkeit) und sein Adoptivsohn Matthias Schweighöfer nicht mal töten müssen (aber sollten), weil ihr Schrott ja trotzdem läuft. „Nicht mein Tag“ ist in der ersten Hälfte zwar nie super oder außergewöhnlich, dennoch nett und schmissig, geht gut rein und schafft eine harmonische Stimmung aus Road-Movie, Komödie und Eskapismus, ganz einfach und effektiv.


Dann kippt die Chose leider ganz gewaltig, auch weil Thorwarth irgendwann extrem planlos wirkt, einfach nicht den richtigen Punkt findet und ihm das unglückliche Kunststück gelingt, die gesamte Stimmung schwungvoll an die Wand zu fahren. Mit 110 Minuten ist der Film nicht nur viel zu lang (für die Geschichte), er verrennt sich auch noch komplett in einem unausgegorenen Plot, der augenscheinlich zu viel will. Es wechselt und mischen sich Elemente aus Thriller, Beziehungsdrama, Komödie, Buddy-Movie und sogar Actionfilm so überstürzt, das erscheint bald hilflos. Warum die nicht unbedingt originelle, aber zumindest klare und funktionale Basis so sinnlos geopfert wird, es bleibt ein Rätsel. Nichts gegen Stimmungs- und Genrewechsel bzw. Verquickungen, nur das muss man dann eben beherrschen. Thorwarth gelingt das nicht und übersäuert seinen bis dahin soliden Film ohne Not. Am Ende ist man sogar geneigt, dieses krude, verworrene Gemisch böse abzustrafen und muss sich erst wieder der charmanten Momente bewusst werden, um die Kirche im Dorf zu lassen.


Ohne Zweifel, Thorwarth kann was und lässt es immer mal aufblitzen, nur hier ist der Titel leider Programm. Sogar sein schwächster Film, was nicht darauf zu begründen ist, dass er sich zu sehr auf einfache Mechanismen verlässt, eher dadurch, dass er sie irgendwann aufgibt und sich nicht mehr recht orientieren kann. Bis dahin war seine unangepasste, leicht wirre Verspieltheit eine Stärke, nun wird sie zur Schwäche. In dem Fall wäre weniger mehr gewesen. Kann passieren, interessant bleibt der Mann, nur bitte nicht mehr so nach allem fischen. Es kommen hoffentlich wieder bessere Tage.

5 von 10 Stockholm Syndromen

Review: STEREO - Der nächste Rohrkrepierer des Neuen Deutschen Genrekinos

Keine Kommentare:


Fakten:
Stereo
BRD. 2013. Regie und Buch: Maximilian Erlenwein. Mit: Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu, Petra Schmidt-Schaller, Rainer Bock, Georg Friedrich, Nicole Marischka, Fabian Hinrichs, Mark Zak, Gerdy Zint, Paul Fassnacht, Jürgen Holtz, Adrian Can u.a. Länge: 95 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 21. November auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Raus aufs Land, weg vom Großstadtmief. Diesen Schritt hat Erik zusammen mit seiner Freundin Julia endlich in die Tat umgesetzt. Doch dann taucht plötzlich Henry auf. Der Fremde beginnt Erik zu verfolgen, lässt nicht von ihm ab, nur warum? Ist Henry ein bedrohlicher Schatten aus Eriks Vergangenheit, doch vielleicht doch einfach nur ein Verrückter?





Meinung:
Regisseur Maximilian Erlenwein scheint jemand zu sein, der sich gerne unterwegs im eskapistischen Genrekino sehen möchte. Das fing schon mit Kurzfilmen wie „Elvis vs. Bruce Lee“ an und findet nun erneut ein Ventil mit 'Stereo', den er wie einst in seinem ersten Spielfilm „Schwerkraft“ mit Deutschlands Vorzeige-Charakterdarsteller Jürgen Vogel in der Hauptrolle inszenierte. Dieses Mal bewegen sie sich auf die Pfade eines hippen Psychothrillers, der sich in seiner Grundprämisse am Stärksten an David Cronenbergs „A History of Violence“ orientiert und versprechen möchte: das wird keine konventionelle Sache.


Wie viel Wahrheit steckt im Familienglück von Erik?
Wie audiovisuell stilsicher und dennoch Fördermittel-gefällig Erlenwein sodann seinen Mindfuck-Gangstertrip auf die Beine bringt, vermittelt schon ein gesundes Selbstbewusstsein, selbst wenn in der Versetzung eines solch dramatischen Crime-Gefechts von international-angewandtem Format in die deutsche Provinz (und gelegentlich Berliner Unterwelt) die innewohnende Naivität und fehlende Bescheidenheit überwiegen. Und so kaut er reichlich Zutaten durch, die an sich u.a. einen ordentlichen, geradlinigen Exploitation-Rache-Reißer abliefern könnten, aber auch von hanebüchenen, 'coolen' Verkomplizierungen unterminiert werden. So hadert Vogel als latent-spießiger, ruppiger Werkstattbesitzer Erik in gemütlich-teutonischer Dorfkulisse mit dem psychisch-belastenden Geist Moritz Bleibtreus namens Henry, den nur er sehen und hören kann (man denke an den Galaxius vom Saxilus aus „Familie Feuerstein“) und der sich mit kaltschnäuzig-bedrohlichen Gestus sowie infantil-verruchtem Rumgefluche bewährt. Seine Präsenz offenbart sich schlussendlich als eine Repräsentation von Eriks früherem, verdrängten Leben als harter Auftragsgangster für den plakativ-zynischen Moloch-Krüppel Keitel (Georg Friedrich).


Ist Henry wirklich eine Bedrohung?
Nun holt Erik die Vergangenheit wieder ein und obwohl er versucht, den Quälgeist per okkulter Psychotherapie und Akkupunktur loszuwerden, muss er einsehen, dass der einzige Weg, seine neue Familie zu retten, darin besteht, die Übernahme des harten Mackers in sich selbst zu gewährleisten. Das hat nämlich auch mit Wiedergutmachung (dem einzigen, wirklich substanziellen Thema des Films) zu tun, wie uns der Film in einer extensiven Rückblende aufklärt, da sein Bruder (wiederum gespielt von Bleibtreu) eigentlich jener unschuldige Spießer war, der aufgrund des gefährlichen Berufes seines ordinären Gangster-Bruders (Vogel, dessen Channeling von Bleibtreus Performance grob uninspiriert misslingt) zusammen mit der Familie ums Leben kam. Wie auch immer jenes Erlebnis so einen traumatischen Einfluss inkl. Schizophrenie auf jemandem haben kann, sei mal dahingestellt - wichtig ist nur, dass er sodann rächend zurückschlägt, im neon-durchfluteten Nachtclub aufräumt und das austauschbare Gangster-Volk niedermetzelt. Die schnörkellose Gestaltung mahnt an südkoreanische Rache-Epen, bleibt dennoch ein vorhersehbares und sicheres Unterfangen, das nur bedingt Aufwand in der Vermittlung von intensiver Körperlichkeit oder charakterlicher Spannung (abgesehen von einem halbherzigen „Wird er, wird er nicht?“) betreibt, sich stattdessen lieber auf cineastische Querverweise und Genre-Muster verlässt. Was anfangs noch einen gewissen Raum fürs Rätselhafte voraussah, entzaubert sich als unfreiwillig-komische Glätte, die zwar keineswegs über den funktionalen Tellerrand des Standards hinwegblicken will und durchgehend gut unterhält, allerdings bei den dusseligsten „Eigenständigkeiten“ eine faux-flashige Sensationslust zu Tage fördert, welche geradezu heuchlerisch die Intelligenz des Publikums zu unterschätzen meint.


„Das hätten wir nie erwartet!“, „Fuck, was geht ab?!“, „Mind blown!“ und „Coole Sprüche mit Attitude!“ will „Stereo“ mit seinem kindischem Psychothrill-Einmaleins aus seinen Zuschauern herauskitzeln, mit Zynismus und handfester Gewalt einen gewissen, „gewagten“ Biss vortäuschen. Es reichte bezeichnenderweise nur für eine handelsübliche FSK-16-Freigabe und auch wenn die augenfreundliche Kameraarbeit zusammen mit dem flott-schnurrenden Electro-Score das moderne Eisen aufheizen will, bleibt der Film mit seinen schwach-schablonenhaften Charakteren, formelhaften Dialogen und peinlich-aufgebretzelten Twists nur eine weitere, misslungen-bemühte Fingerübung im längst verlorenen Wettrennen um internationale Genre-Souveränität.


3,5 von 10 fluchenden Bleibtreus


vom Witte

Review: INSIDE WIKILEAKS – DIE FÜNFTE GEWALT – Can you blow my whistle?

Keine Kommentare:


Fakten:
Inside WikiLeaks – Die Fünfte Gewalt (The Fifth Estate)
USA, BRD. 2013. Regie: Bill Condon. Buch: Josh Singer, Luke Harding (Vorlage), Daniel Domscheit-Berg (Vorlage). Mit: Benedict Cumberbatch, Daniel Brühl, David Thewlis, Laura Linney, Stanley Tucci, Anthony Mackie, Moritz Bleibtreu, Peter Capaldi, Dan Stevens, Anatol Taubman, Edgar Selge, Axel Milberg, Alicia Vikander, Carice van Houten, Ludgar Pistor u.a. Länge: 128 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Hacker Daniel lernt den technisch ebenfalls versierten Politikaktivisten und Globetrotter Julian Assange kennen, der mit seiner Website WikiLeaks versucht der Öffentlichkeit teils streng vertrauliche Geheimnisse von Regierungen verfügbar zu machen. Den beiden und anderen Mitstreitern gelingen mehrere große Coups, doch die Zusammenarbeit wird wegen interner Querelen immer schwieriger und der politische Druck auf WikiLeaks steigt dazu auch drastisch an.





Meinung:
Wer im Jahre 2010 ab und mal durch das World Wide Web gesurft ist oder sich nach getaner Arbeit abends vor den Flimmerkasten gesetzt und die Nachrichten eingeschaltet hat, dem dürfte nicht nur die Enthüllungsplattform „WikiLeaks“ ein mehr als präsenter Begriff sein, auch beim Namen „Julian Assange“ müsste es schlagartig klingeln. Warum gerade das Jahr 2010? Weil nicht nur Wikileaks über Monate aufgrund von finanziellen Möglichkeiten in der Inaktivität ruhte und einzig durch üppige Spendengelder (500.000$ Dollar pro Jahr) reanimiert hätten werden können, auch Programmierer und Sprachrohr der berühmt-berüchtigten Seite Julian Assange wurde mit harschen Vergewaltigungsvorwürfen stigmatisiert, um den Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden – Wo ihn natürlich kein fairer Prozess erwarten wurde, sondern im schlimmsten Fall die Exekution. Danach gab es ein langwieriges Hin zu Her, nicht nur um Assange, der in die ecuadorianische Botschaft floh und bis heute dort verweilt. Auch um Wikileaks, welches zwar immer noch existiert, in seiner Funktionalität jedoch erheblich kastriert wurde.


Washington versucht Assange zu stoppen
Die Vorfälle kursieren also immer noch um die Antennen der Medienwelt und ihre Konsumenten. Kann es da, im Jahre 2013, also schon der richtige Zeitpunkt sein, einen Spielfilm zum Thema WikiLeaks in die Kinos zu schicken? Die gleiche Frage stellte man sich auch schon bei Kathyrn Bigelows „Zero Dark Thirty“, der die Jagd auf Osama Bin Laden thematisiert. Eine berichtigte Frage, die immer im Bunde mit einer weiteren Frage steht: Benötigt die Welt überhaupt einen Film dieser Art? Es gäbe bestimmt genügend Argumente, um beide Seiten fundiert auszustaffieren, egal ob Pro oder Contra. Das Problem ist eben nicht der Zeitpunkt und nicht die filmische Relevant, es geht einzig um die adäquate Umsetzung des Sujets. Und – um wieder zurück auf Wikileaks zu kommen - um sich wirklich tief in die komplexe Materie einzuarbeiten, sollte man sich Dokumentationen (wie zum Beispiel „We Steal Secrets“) anschauen oder dem durchaus informativen Artikel auf WikiPedia eine Chance geben. Hoffnungen auf eine derartig erhellende Akribie darf man an Bill Condons kolossalen Kino-Flop „Inside WikiLeaks“ jedoch bitte nicht hegen, auch wenn ambitiös zur Tat geschritten wurde.


Ist Julians Mitstreiter wirklich im Zielsucher der Geheimdienste?
Ambitionen können allerdings nicht nur etwas Positives sein, sie können einem Projekt auch problemlos das Genick brechen. „Inside WikiLeaks“ nämlich folgt dem Leitmotto (oder eher dem törichten Schlachtruf): Alles oder nichts. Gleich zu Anfang werden wir mit Bildern und Aufnahmen von reellen Vorfällen konfrontiert, deren Details immer noch in Relation mit Ungereimtheiten stehen, wie der Unfall von Lady Diana oder auch das Attentat auf John F. Kennedy. Ein Festmahl für Verschwörungstheoretiker! Und genau diesen Verschwörungsmöglichkeiten wollte Wikileaks Einhalt gewähren und sich für digitale Transparenz starkmachen: Dokumente, die als Verschlusssache, Geheimhaltung, Vertraulichkeit oder Zensur gezeichnet sind, wurden anonym veröffentlicht- auch Whistleblowing genannt -, um den unverfälschten Informationsfluss des 21. Jahrhundert für jedermann zu gewähren. Eine an und für sich sehr gute Sache, der sich die Betroffenen, also die Regierung, nur zu gerne in den Weg gestellt hat. „Inside WikiLeaks“ jedenfalls macht nicht den Fehler, klare Fakten dramaturgisch zu verschandeln, er wirft nur jede Minute ein neues Detail, eine neue Information in den Raum, als würde das Drehbuch Gefallen am Jonglieren mit brisanten Chiffren finden.


„Inside Wikileaks“ ist hingegen tadellos inszeniert, genau wie Benedict Cumberbatch („12 Years a Slave") mit seiner Performance des zuweilen autistisch erscheinenden Julian Assange durchgehend zu überzeugen weiß. Daniel Brühl („Rush“), solide, gibt mit Daniel Domscheit-Berg den Ruhepol der Geschichte, der als Identifikationsfigur für den Zuschauer fungieren soll. Nicht umsonst beruht auch der Film größtenteils auf dem gleichnamigen autobiografischen Buch des deutschen Informatikers. „Inside Wikileaks“ kennt nur keine narrative Ruhe, alles geht Schlag auf Schlag, alles ist vollgestopft mit Denkanstößen und Querverweisen, hier etwas Redefinition von Informations- und Redefreiheit, da etwas Revolutionsgeplänkel. Über all dem thront (neben der unfassbar debilen Schleichwerbung für Club Mate) die nach und nach zerbröckelnde Beziehung zwischen dem androgyn-suggestiven Assange und dem introvertiert Domscheit-Berg, die durchweg irgendwie leblos bleibt. Und auch wenn der Film parteilos bleiben möchte, drängt er Assange fortwährend in despektierliche Schubladen, um in einem mehr als unnötigen Meta-Interview zu munden. Beim nächsten Mal sollte man seine Ziele vielleicht nicht ganz so hoch stecken, der Sturz jedenfalls wäre etwas angenehmer.


4 von 10 müden Kühen


von souli

Review: SOUL KITCHEN - Die Seele isst mit

Keine Kommentare:
http://www.uni-leipzig.de/nettv/filmriss/wp-content/uploads//soul-kitchen.jpg
                                                                                  

Fakten:
Soul Kitchen
BRD, 2009. Regie: Fatih Akin. Buch: Fatih Akin, Adam Bousdoukos. Mit: Adam Bousdoukos, Moritz Belibtreu, Anna Bederke, Pheline Roggan, Birol Ünel, Dorka Gryllus, Wotan Wilke Möhring, Lucas Gregorowicz, Demir Gökgöl, Cem Akin, Marc Hosemann, Udo Kier, Monica Bleibtreu u.a. Länge: 99 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Mehr schlecht als recht betreibt Zinos in Hamburg das Restaurant "Soul Kitchen", welches nur mit reichlich gutem Willen als solches bezeichnet werden kann. In lieblosem Ambiente werden den wenigen Stammgästen auf Sperrmüllmöbeln billige Frikadellen und zu Tode frittierter Tiefkühlfisch vom wenig motivierten Personal serviert. Mehr als die nicht vorhandene Qualität seines Ladens beschäftigt Zinos derzeit die Tatsache, dass seine Freundin Nadine beruflich nach Shanghai zieht. Dann überschlagen sich die Ereignisse: Zinos verpflichtet den jähzornigen, aber hochtalentierten Koch Shayn, der die armeelige Speisekarte gehörig umkrempelt. Dann steht auch noch Zinos Bruder Illias vor der Tür, der für den regelmässigen Knast-Freigang eine feste Anstellung braucht. Schliesslich tritt auch noch sein alter Schulkamerad Thomas an ihn heran. Der windige Immobielenhai will unbedingt sein Grundstück erwerben. Zinos möchte eigentlich nur noch irgendjemanden die Geschäftführung für seine Totgeburt aufdrücken, um zu Nadine nach Shanghai reisen zu können, aber plötzlich brummt der Laden.


                                                                                      
                                                                                     


Meinung:
Mit unendlich viel Charme gesegnet erzählt Fatih Akin in seinem reinen Feel-Good-Movie "Soul Kitchen" eine Geschichte voller sympathischer Loser in der grossen Hansestadt. Allen voran Zinos (der auch am Script beteiligte Adam Bousdoukos, authentisch, leider manchmal etwas schwer zu verstehen), der Betreiber eines nicht mal mittelmässigen "Restaurants" namens "Soul Kitchen". Klingt nach viel Liebe und Seele, ist dabei nur altes Fritten-Fett und warmes Astra. Durch allerlei Zufälle und unfreiwillig-glückliche Spontan-Entscheidungen wird aus dem Loch eine Goldgrube, nur wer schnell und unüberlegt zum grossen Glück kommt, verliert es in der Regel noch schneller. Siehe hier.


Das letzte Abendmahl?
Der muffige, trotzdem (oder gerade deshalb?) liebenswerte Stallgeruch von Möchtegern-Gastronomen, Gaunern und den bösen Schleimern mit dem dicken Geldbeutel wird sicher an vielen Stellen sehr überspitzt, dennoch irgendwie gut beobachtet rübergebracht. Wie in jeder guten Satire schlummert darin viel Wahrheit, auch wenn ich Akin gar nicht mal unterstellen will, dass "Soul Kitchen" eine Satire im klassischen Sinn sein soll. Ganz bestimmt sogar nicht. Nur eins will sein Film: Unterhalten, ein Lächeln auf's Gesicht zaubern, einfach für einen relaxten Ausflug in ein Millieu einladen, in dem Herzblut über dem Verstand und (bisweilen) auch der Realität steht. Diese Mischung passt nicht immer, aber oft genug hervorragend.

 


Eine Küche ist kein Ponyhof
Natürlich ist das zum bersten überkonstruiert, nur muss eine Komödie sich daran messen lassen? Nicht zwingend, besonders wenn da so viel Liebe zum Detail drinsteckt. Jede Figur ist eine Karikatur, manche mehr, manche weniger. Nur im Kern trifft Akin oft das, auf was sich jede Karikatur im Idealfall stützen sollte: Die Realität. Und gewisse Albernheiten mal hin der her, denn manchmal geht "Soul Kitchen" mit leicht plattem Klamauk einfach zu weit, da gibt es so viele tolle Momente, schrullige Charaktere (ganz besonders: Birol Ünel als durchgeknallt-genialer Küchenchef und Demir Gögköl als verschrobener Schiffsbau-Opa) und dem Witz wie dem Herz am rechten Fleck. Unterlegt von einem genial zusammengestellten Soundtrack kommt aus der "Soul Kitchen" ein schmackhaftes Gericht mit Leib und Seele, das, wie seine Figuren, manchmal etwas überhastet handelt, dem deshalb daraus aber kaum ein Strick gedreht werden sollte. 


Richtig sympathisch, extrem locker im Abgang und mit sichtlich Freude gemacht. Keine Sterne-Küche, aber bestimmt ein Stammlokal.


7,5 von 10 Baumrinden-Aphrodisiaka

Review: WORLD WAR Z - Brad Pitt jagt Zombies für Kinder

Keine Kommentare:


Fakten:
World War Z
USA, Malta. 2013. Regie: Marc Forster. Buch: Matthew Michael Carnahan, Damon Lindelof, Drew Goddard, J. Michael Straczynski. Mit: Brad Pitt, Mireille Enos, Daniella Kertesz, James Badge Dale, David Morse, Fana Mokoena, David Andrews, Pierfrancesco Favina, Moritz Bleibtreu u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 7. 11. 2013 auf DVD, Blu-ray und Blu-ray 3D erhältlich.


Story:
Gerry Lane will mit seiner Familie eigentlich nur ein wenig ausspannen. Sie essen Pfannkuchen und los geht’s mit dem Volvo raus aus New Jersey. Aber sie kommen nicht weit: Stau. Was die kleine Familie feststellen muss: es ist kein normaler Stau. Zombies sind dafür verantwortlich und machen Jagd auf die Menschen. Nach einigen nervenaufreibenden Stunden können sie tatsächlich entkommen. Während Gerrys Familie in Sicherheit scheint, muss er, ehemals einer der besten Ermittler der UNO, nun den Ursprung dieser Katastrophe herausfinden, was ihn um die ganze Welt treibt.




Meinung:
Marc Forster, deutsch-schweizerischer Regisseur, der sich für den traurig-schönen „Wenn Träume fliegen lernen“ genauso verantwortlich zeichnen darf wie für die Bond-Katastrophe „Ein Quantum Trost“, inszeniert mit „World War Z“ einen Zombiefilm. Naja, beziehungsweise einen Actionthriller, in dem unter anderem auch Zombies vorkommen. Denn wirklich gruselig oder blutig ist der Film keineswegs. Die Angriffe der Zombies sind zwar durchaus brutal, aber im Vergleich zu vielen anderen Genrevertretern fehlt einfach die typische Optik mit viel Blut und Innereien, was auch sicherlich an der Altersfreigabe ab 16 Jahren liegt. Auch die sehr hektische und vor allem in den Actionszenen enorm wacklige Kamera von Ben Seresin kann so erklärt werden. Anstatt isolierter Angriffe von Zombies werden eher Massenangriffe gezeigt und die Flucht der potentiellen Opfer.


Eine Zombiepyramide gegen die Mauern Jerusalems
Was dem Film aufgrund seiner Jugendfreundlichkeit abgeht, das kann er durch sein Budget zumindest einigermaßen ausgleichen. Nur so konnten wohl die opulenten Bilder umgesetzt, kann das totale Ausmaß der Zerstörung eindrucksvoll dargestellt werden. Schwärme von Untoten machen sich auf, um ganze Städte in Schutt und Boden zu stampfen. Hier ein völlig zerstörter Häuserblock, dort eine Explosion – optisch lässt sich der Film auf keinen Fall lumpen. Und das in den verschiedensten Orten der Welt, sei es eine amerikanische Großstadt, ein Militärstützpunkt in Korea, ein Labor in Wales oder gar Jerusalem. Besonders in Israel kann der Film optische Höhepunkte setzen. Das Aussehen der Zombies ist auf jeden Fall ansprechend. Auffällig ist vielleicht nur, dass die Frisur von Brad Pitt, egal welche Abenteuer er überstehen musste, danach wieder perfekt sitzt. Vielleicht etwas zu perfekt. Aber wenn wir schon bei der Optik sind: Der 3D-Effekt ist hier, selbst im Vergleich zu den durchschnittlichen 3D-Produktionen, absolut sinnlos und phasenweise sogar störend.


Gerry versucht seine Familie zu retten
Leider ist die Geschichte nicht besonders berauschend. Letztlich scheint es so, als ob die Buchvorlage von Max Brooks lediglich für eine One-Man-Show des Brad Pitt genutzt wurde. Er steht im Mittelpunkt, seine Begleiter wechseln von Station zu Station. Auf Charakterentwicklung pfeift dieser Film genauso wie auf Tiefe. Er wartet auch nicht lange, bis er richtig zur Sache geht. Keine zehn Minuten und wir befinden uns inmitten einer von Zombies verseuchten Umgebung. Was ja erst mal ganz gut ist. Panik und Angst werden doch ganz gut eingefangen. Fluchtversuche, harte Kämpfe mit den Untoten. Spannung wird doch tatsächlich gut aufgebaut und dann kommt es sogar zu einer Szene, in der der ein oder andere sicher den Atem anhalten wird. Leider kann der Film dieses anfänglich gute Niveau nicht halten und versinkt danach relativ schnell im grauen Mittelmaß. Zwar gelingt der Einbau der Familienstory gut und auch einige Seitenhiebe auf Politik und Militär sind zu bemerken, aber insgesamt ist die Geschichte einfach zu unglaubwürdig. Erklärungen für das Handeln der Personen werden nicht genannt. Genauso halbherzig wird auch die Suche nach dem Ursprung für diese Zombieepidemie verfolgt und irgendwann ganz fallen gelassen. Stattdessen rückt einzig die Frage der Bekämpfung in den Mittelpunkt. Und auch hier sind es vor allem Zufall und die Beobachtungsgabe von Brad Pitt, die den Film Schritt für Schritt vorankommen lassen.


Wenn man die Geschichte mit viel Wohlwollen noch als durchschnittlich einstufen will, so ist das Ende einfach nur schlecht. Die Zuschauer werden mit vielen Fragen einfach so zurückgelassen. Ein bisschen hatte ich den Eindruck, dass die Filmemacher bemerkt haben: „Oh, wir sind jetzt bei fast zwei Stunden Spieldauer angelangt. Lass uns hier nen Cut machen“. Auf die sich anbahnenden Probleme wird viel zu wenig eingegangen, lediglich ein „Das ist nicht das Ende“ und einige halbherzig dahingekleckerte Medienberichte. Das soll es gewesen sein? Schade, denn ausgerechnet da, wo der Film anfängt, wirklich interessant zu werden, genau da bricht der Film ab.

Ob gegen Zombies eine Axt das Richtige ist?
Wie schon erwähnt, sind die darstellerischen Leistungen nicht der Rede wert. Brad Pitt steht hier ganz klar im Mittelpunkt. Mit perfekter Frisur und modischem Bart weiß er zwar zu überzeugen, doch wird man diese Rolle trotzdem nicht allzu lange im Gedächtnis behalten. Zu oft hat man diese „nur ein Mann kann die Welt retten“-Nummer schon gesehen, zu austauschbar ist er letzten Endes. Und wenn wir schon beim Thema austauschbar sind: Auch für die zahlreichen Nebendarsteller gilt dieses Urteil, auch wenn man das ein oder andere Gesicht sicher aus anderen Produktionen kennt. Am bekanntesten dürften wohl David Morse und Pierfrancesco Favino („Illuminati“) sein. Sogar Moritz Bleibtreu hat ein paar Minuten als Wissenschaftler der WHO. Sicher, keiner macht seine Sache schlecht, sie wirken allesamt glaubhaft, aber dennoch bleibt wohl keiner lange in Erinnerung. Die Darstellung der Zombies ist über lange Zeit sehr gut gelungen. Auch wenn sie weniger blutig und entstellt aussehen, noch deutlich mehr an Menschen erinnern, können sie durch ihre starke Physis und vor allem Schnelligkeit punkten. Gegen Ende hin wirken sie allerdings oft eher unabsichtlich lustig als furchteinflößend. Zu oft klappern sie merkwürdig mit den Zähnen oder schauen doof aus der Wäsche.


Insgesamt ist „World War Z“ einfach großes Unterhaltungskino geworden. Spannend, optisch eindrucksvoll und unterhaltsam. Trotzdem fehlen für einen Zombiefilm einfach auch Elemente wie Gewalt und Horror. Zu wenig Blut, kein Grusel, stattdessen Action mit zu wackeliger Kamera. Der starke und atmosphärisch dichte Anfang kann aber leider nicht gehalten werden, wobei besonders der Schluss den Zuschauer eher unzufrieden zurücklässt. Ein Film, der wegen seiner lückenhaften und oberflächlichen Story viel Potential verspielt hat.


5,5 von 10 Zombiepyramiden