Review: ZERO DARK THIRTY - Ein plumpes "Vielleicht"



Fakten:
Zero Dark Thirty
USA. 2012. Regie: Kathryn Bigelow. Buch: Mark Boal. Mit: Jessica Chastain, Joel Edgerton, Kyle Chandler, Jason Clarke, Edgar Ramirez, Mark Strong, Scott Adkins, Jennifer Ehle, Harold Perrineau Jr., James Gandolfini, Stephen Dillane, Reda Kateb, Homayoun Ershadi, Chris Pratt, Taylor Kinney, Callan Mulvey, Frank Grillo, Ricky Sekhon u.a. Länge: 157 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Ab 31. Januar 2013 im Kino.


Story:
Nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 ist er der meist gesuchte Mann: Osama bin Laden Die CIA-Analytikerin Maya verbringt Jahre mit der Suche nach dem al-Quaida-Anführer und stößt dabei immer wieder auf Widerstand und Gewissensfragen.




Meinung:
Mit „The Hurt Locker“ konnte sich die abgeschriebene Regisseurin Kathryn Bigelow 2008 mit einem beachtenswerten Qualitätsknall in der Filmwelt zurückmelden. Als die toughe Filmemacherin dann ankündigte, in ihrem nächsten Spielfilm die Suche und die Exekution des Osama Bin Laden zu thematisieren, zogen nicht wenige Freunde der bewegten Bilder die Luft scharf ein. Aber auch darüber hinaus, gerade im Hinblick auf Amerika und die damit verbundene Post-9/11-Mentalität, hielten sich die Erwartungen und das Misstrauen einer angemessenen Umsetzung das Gleichgewicht. Verständlicherweise, denn lassen wir einmal sämtliche Verschwörungstheorien außen vor – die alle auf einem plausiblen Fundament angerührt sind - hat die World Trade Center-Katastrophe tiefe Narben in den Vereinigten Staaten hinterlassen, sowohl aus der Sicht des präsidentiellen Regierungssystem, also der Politik, als auch in der Gesellschaft, den Familien, die von jetzt auf gleich auseinandergerissen wurden und mit ihren Liebsten ein letztes Mal am Telefon gemeinsam bittere Abschiedstränen vergossen. Die Menschen aus aller Welt saßen schockiert so wie benommen vor den Fernsehern, niemand konnte in Worte fassen, welch unendliche Grausamkeiten dort gerade über die Mattscheiben flimmerten.



Maya bei der Arbeit
Und genau mit diesem Tag, in der globale Bestürzung und der stockende Atem regierten, beginnt auch „Zero Dark Thirty“ und gibt den Handlungsstartschuss, für Bigelows Inszenierung. Jedoch nicht mit dem erneuten Aufzeigen der eingebrannten Bilder, sondern mit einer schwarzen Aufblende. Wir hören die Schreie, den Lärm, das Chaos. Die Erinnerungen werden restlos rehabilitiert, ohne auch nur einen Blick auf Vergangenes gewährt zu bekommen. Ein mehr als wirkungsvoller Einstieg, den man in Anbetracht der folgenden 140 Minuten allerdings schon als klaren Höhepunkt bezeichnen muss, denn Bigelows Bemühungen, jedem Hollywoodstandard in Sachen Bombastkino und atemlosem Thrill aus dem Weg zu gehen, erreichen nicht den effizienten Ertrag, den sich Drehbuchautor Mark Boal und Frau Bigelow gewünscht haben. Wobei man von vornherein in aller Deutlichkeit sagen muss, dass die Akte Osama Bin Laden kein Thema ist, aus dem andere Regisseure ganz eindeutig ein Meisterwerk geschaffen hätte und es so an Bigelows inkompetenter Führung liegt, dass „Zero Dark Thirty“ nicht das große Werk ist, was sich wohl die meisten von ihm versprochen haben. Mit Sicherheit nicht.


„Zero Dark Thirty“ ist keinesfalls schlecht, doch die Defizite, die man dem Film einfach nicht absprechen kann, wiegen zu schwer, um ihn noch im Rahmen der beeindruckenden Sanierung junger Zeitgeschichte zu akzeptieren. Das erste Problem lässt sich bei Jessica Chastain, oder besser gesagt, ihrer CIA-Ermittlerin Maya entdecken. Chastain spielt fantastisch, ohne Frage, und das Misslingen einer wirklich fundiert-ambivalenten Darstellung lässt sich auf das Drehbuch zurückführen. Maya ist ein Prototyp des Thriller-Genres: Eine junge High-School-Absolventin soll für das CIA Terroristen jagen und schlittert schließlich in den Auftrag, den Terroristen Nr. 1 zu schnappen. Ihre Manie ist grenzenlos und ihre Person - die das Metronom im Herzen des CIA darstellt – hat jeder sozialen Bindung entsagt, nur um sich starr auf den Job zu konzentrieren. Es ist eben genau der Bessensheitskodex, vom unermüdlichen Jäger, der erst ruht, wenn er sein Ziel erreicht hat, den wir seit unzähligen Jahrzehnten in aller Obsession um die Ohren geschleudert bekommen. Jeremy Renner war als Teil des Bombenräumungskommandos in seinen Anlagen auf den ersten Blick nicht anders, genau wie Maya war sein William James der Faszination des Krieges verfallen, es war eine Sucht, die ihn immer wieder in die Gefahrenzone zog, eine Droge, der er sich nicht entziehen konnte. Allerdings hat Boal hier das geleistet, was wir bei Maya vermissen: Ein differenziertes und psychologisch vielfältiges Grundgerüst, mit Facetten und (un)menschlicher Intensivität.



Achtung: Auf diesem Bild wird gespoilert.
Die Geschichte selbst, die „Zero Dark Thirty“ und Hauptfigur Maya, keinesfalls eine Protagonistin, die zur Identifikationsfläche für den Betrachter dient, ist natürlich pure Fiktion, die sich an den realen Geschehnissen orientiert, diese aber nicht wahrheitsgemäß wiedergibt. „Zero Dark Thirty“ positioniert sich auf bröckeligen Thesen, stolziert über kalte Vermutungen, verzogenen Ellipsen und brachialen Hypothesen. In 160 viel zu langen Minuten hat man schließlich die (nicht) Aussage des Filmes vor Augen, denn Bigelow, die immer betonte, keine Stellung beziehen zu wollen, hat das über weite Strecken auch konsequent beibehalten. Subjektive Distanz und objektiver Realismus sind die Stichwörter. Die Bilder erreichen den Zuschauer lediglich auf dem dokumentarischen Plateau und die Nüchternheit der Szenerie, die sicher in gewisser Weise löblich ist, wird durchgehend aufrechterhalten, so entsteht aber eben auch keine Bindung zum beobachtenden Betrachter, der nur sieht, aber sich in diesem Fall auch wünschen würde, etwas zu fühlen.



Am Ende, nachdem – und ich hoffe, ich spoilere hier keinem Höhlenmenschen den Ausgang, der die letzten 15 Jahre im Tiefschlaf verbracht hat – die Navy Seals Osama Bin Ladens Versteck stürmten und das „Dreckschwein“ erledigten, erlaubt sich Bigelow eine völlig unpassende Emotionsspritze, die weder ins Konzept passt, noch bis zum Zuschauer durchdringt, einfach aus dem Grund, weil sich „Zero Dark Thirty“ genau gegen solche offensichtlichen Augenblicke die vergangenen zweieinhalb Stunden gewehrt hat. Schlussendlich blieb das aus, was man sich von diesem Film eigentlich erwartet hätte: Das moralische Durchleuchten der Mission, das kritische Analysieren des schwankenden Wertes von richtig und falsch. Es bleibt nur ein sachliches, aber auch zähes Aufrollen der mühsamen Repressalie. Die große Kalamität, der Schock und das Aufwühlen blieben aus. Eine Szene lässt noch die Intensität erahnen, mit welcher „Zero Dark Thirty“ auffahren hätten können und diese beschränkt sich auf ein abschließendes Nicken. Letztlich besitzt „Zero Dark Thirty“ die Tiefe von einem plumpen „Vielleicht“.

5 von 10

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von souli

Wir danken unserem ewigen Gast-Autor souli für seine Kritik. Wenn ihr mehr von souli lesen wollt, dann besucht doch unseren Blog Buddy CinemaForever.

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