Review: DJANGO UNCHAINED - Gut gemacht, Quentin


Unser ewiger Gast-Autor souli hat Tarantinos Western bereits vor kurzem in seiner Review durch die Mangel genommen. Nun meldet sich unser Jacko zu Wort, denn der hat eine ganz andere Meinung.


Fakten
Django Unchained
USA. 2012. Regie und Buch: Quentin Tarantino. Mit: Jaime Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio, Kerry Washington, Samuel L. Jackson, Walton Goggins, Amber Tamblyn, Jonah Hill, James Remar, Don Johnson, Quentin Tarantino, Zoe Bell, Franco Nero, Miriam F. Glover, David Steen, Dana Michelle Gourrier, James Russo, M.C. Gainey, Michael Bowden, Michael Parks, John Jarratt, Robert Carradine, Dennis Christopher, Laura Cayouette, Nichole Galicia, Sammi Rotibi, Clay Donahue, Tom Savini, Escalante Lundy u.a. Länge: 165 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Seit dem 17. Januar 2013 im Kino.


Story:
Sklave Django wird eines Tages vom deutschen Kopfgeldjäger Dr. King Schultz befreit. Dieser unterbreitet ihm ein lukratives Angebot: Django soll mit ihm zusammen die kriminellen wie gefährlichen Brittle Brüder finden und töten und im Gegenzug verspricht ihm Schultz Broomhilda, Djangos Frau, mit ihm zusammen zu retten, aus den Händen des Plantagenbesitzer Calvin Candie.





Meinung:
Eins dürfte und müsste jedem klar sein: Quentin Tarantinos lange geplanter und heiß erwartete Western ist kein klassischer Genrebeitrag. Wer sich dogmatisch daran klammert, dürfte seine Probleme haben. Bei "Reservoir Dogs" gab es keinen klassischen Heist-Movie, bei "Inglourious Basterds" keinen klassischen Kriegsfilm. Wie dort greift sich Tarantino auch hier ein Genre und zelebriert es auf seine eigene Art. Dabei begibt er sich auf dünnes Eis, bei "Django Unchained" ist es teilweise hauchdünn. Es droht gelegentlich zu brechen, dass genau dies nicht geschieht, ist ihm hoch anzurechnen und zeugt von seinem ungemeinen Fingerspitzengefühl und seiner grenzenlose Liebe und Verständnis zum Film und dem, wie seine Mittel wirken.


Dr. King Schultz und Django
Ein sehr gewagtes Spiel ist der Griff in die heimische Plattenkiste. Der offensichtliche Hobby-DJ ist seit jeher dafür bekannt, seine eigene Vorstellung von musikalischer Untermalung zu haben und hat damit bisher immer ein goldenes Händchen bewiesen. Viele längst vergessene oder eh nie besonders bekannte Häppchen haben seine Filme in der Vergangenheit geprägt, Szenen unvermeidlich mit den Songs verschmelzen lassen und diesen zu einem kurzen Comeback verholfen. So wild und im ersten Moment unpassend wirkend gemischt war es wohl noch nie. Unpassend jedoch nur, wenn sie aus dem Kontext gerissen gehört und bewertet werden würden. Es pendelt zwischen dem typischen Italo-Western-Score, in erster Linie natürlich das ursprüngliche Django-Titellied oder dem großartig platzierten Song aus dem Spencer/Hill Streifen "Die rechte und die linke Hand des Teufels", Johnny Cash, 70er Soul und sogar Gangster Rap. Klingt nach einer total inhomogenen Mixtur, im Bezug auf die Szenen und wie sie zur Erzählung beitragen ein wahnsinnig geschickter Drahtseilakt, der sich auszahlt.


Als nächste Stolperfalle droht recht schnell die humoreske Erzählweise, welche die erste Hälfte dominiert. Da wirkt "Django Unchained" fast wie eine Karikatur eines Western. Deutlich auf Lacher ausgelegt läuft Tarantino ständig Gefahr, dass sein Film kippt. Auf die gesamte Laufzeit ausgedehnt wäre es wohl auch passiert. Später schlägt der Ton merklich um, es wird grimmiger und ernster, ohne komplett auf Humor zu verzichten. Dann nur dezenter, zynischer und verbissener. Dieser Schwank scheint nicht zufällig, sondern bewusst als solcher ausgelegt und erweist sich rückwirkend als äußerst geschickt. Es ist unterhaltsam, letztendlich dadurch aber nicht übertrieben.


"Auch mal ziehen? Das macht schön high."
Als letzte Gratwanderung lässt sich die Gewaltdarstellung aufführen. Kritiker des Regisseurs regen sich gerne darüber auf und wenn sie es wollten, gäbe es hier oberflächlich wieder genug Brennstoff. Wer genau hinsieht dürfte jedoch erkennen, dass Tarantino sehr wohl weiß, wann und wie er trennen muss. Genau damit dürfte er Kritikern eigentlich das Wasser abgraben. Augenscheinlich dreht er hier vollkommen am Rad: Bei jeder Schusswunde spritzt die Blutsuppe wie nach einem Hieb mit dem Vorschlaghammer auf einen Sack überreifer Fleischtomaten. Absurd und gnadenlos überzeichnet. Aber: In diesen Momenten trifft es immer nur die Schurken. Wie in einem Comic, in einem Splatterfilm, nie ernstzunehmend oder bösartig. Es gibt zwei Momente, in denen die Gewalt jedoch viel grausamer wirkt und Tarantino sich deutlich zurücknimmt. Dann, wenn es die Sklaven trifft. Hier gibt es keinen Sprühregen aus Blut, es wird nicht das johlende Publikum bedient. Das ist ernsthaft inszeniert, durch seinen Realismus viel grausamer, aber genau dadurch nicht voyeuristisch oder respektlos. Jetzt weiß jeder im Kinosaal, der Spaß ist vorbei. Tarantino stellt damit unter Beweis, dass ihm sehr wohl bewusst ist, wann Gewalt als groteske Unterhaltung dienen kann und wann sie verschrecken soll.


Was Tarantino auch immer auszeichnete: Seine Auswahl der Besetzung. Hauptdarsteller Jamie Foxx liefert eine souveräne Leistung, ohne dabei besonders zu bestechen. Im Endeffekt ist sein Part auch der fast Uninteressanteste, da zu eindimensional. Das Gold liegt in den Nebenrollen. Natürlich muss zuerst Christoph Waltz genannt werden. Durch "Inglourious Basterds" spät und überraschend in die Rolle des international gefeierten Stars gehoben, tobt er sich erneut voll aus. Ja, er muss aufpassen, denn er scheint auf diese Rollen festgelegt zu sein. Er bringt es aber auch jedes Mal so gut. Lange ist er der Star, trägt den Film durch seine detaillierte und spielfreudige Performance. Es ist einfach wunderbar ihm zuzusehen. Das Comeback liefert eindeutig Samuel L. Jackson, wodurch sich der Kreis quasi schließt. 1994 wurde er mit "Pulp Fiction" vom unbekannten Nebendarsteller zum Superstar, in den letzten Jahren war es zwar dauerpräsent, hat leider scheinbar jede Rolle angenommen die verfügbar war. Er konnte schon fast belächelt werden und zeigt jetzt eine seiner besten Leistungen, weit entfernt von seinem Coole-Sau-Image, das schon lange zu Tode geritten war. Neben den zahlreichen Cameos muss unbedingt noch Don Johnson erwähnt werden, ein großartiger Kurzauftritt als "Big Daddy". Hätte gerne noch größer ausfallen können.


Candies Hauptsklave Stephen quetscht Broomhilda aus
Insgesamt fällt bei "Django Unchained", wie schon erwähnt, eine deutliche Zweiteilung auf. Zunächst amüsant und heiter, später knorriger und ernster. Das spiegelt sich auch in den Dialogen wieder. Anfangs gibt es keine langen Dia- und Monologe, wie es für Tarantino eigentlich üblich ist. Es ist kürzer, pointierter. Erst in der zweiten Hälfte haben die Figuren mehr am Stück zu sagen und schlagartig ändert sich auch der Ton. Auffällig, sicherlich nicht zufällig. Dann schlägt auch die Stunde von "Candieland" (mit "ie", nicht mit "y"), neben "Broomhilda von Shaft (!)" das Wortspiel des Films. Da gibt es keine Zuckerwatte, sondern Leonardo DiCaprio, komplett gegen sein Good Guy Image gebürstet und das mit Bravour. Es benötigt eine kurze Eingewöhnungszeit, aber sobald der gute Leo vom geistigen Auge gelöscht ist, dreht Monsieur Candie richtig auf. Wunderbar überspitzt und klasse verkörpert.


Was lässt sich denn eigentlich kritisieren? Fast alles wird im Laufe der Handlung erstickt. Der zunächst lässige Grundton wird rechtzeitig gewechselt, die Musikauswahl wird in seiner Wirkung bestätigt, die für Tarantino unübliche lineare Erzählweise und die recht einfache Geschichte wird durch die liebevolle und hingebungsvolle Inszenierung aufgefangen. Es gab Zweifel, auch während des Films, aber am Schluss sind fast 3 Stunden Laufzeit rein gar nichts, nicht die Spur von Längen waren ersichtlich und am Ende steht großartige Unterhaltung mit ganz viel eigener Note, die in den meisten Fällen nicht mal über 90 Minuten halten. Kann nicht jeder und gibt es nicht jedes Jahr, deshalb nehme ich es gerne hin, dass der nächste Tarantino wohl wieder 3-5 Jahre dauert. So viel Zeit muss sein."

9 von 10
von Jacko

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