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Review: ZERO DARK THIRTY - Ein Film voller Schurken

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Fakten:
Zero Dark Thirty
USA. 2012. Regie: Kathryn Bigelow. Buch: Mark Boal. Mit: Jessica Chastain, Jason Clarke, Stephen Dillane, Jennifer Ehle, Harold Perrineau Jr., Joel Edgerton, Kyle Chandler, Edgar Ramirez, Mark Strong, Scott Adkins, James Gandolfini, Reda Kateb, Homayoun Ershadi, Chris Pratt, Fares Fares, Taylor Kinney, Callan Mulvey, Frank Grillo, Ricky Sekhon u.a. Länge: 157 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 ist er der meist gesuchte Mann: Osama bin Laden Die CIA-Analytikerin Maya verbringt Jahre mit der Suche nach dem al-Quaida-Anführer und stößt dabei immer wieder auf Widerstand und Gewissensfragen.





Meinung:
Regisseurin Kathryn Bigelow war ja eigentlich schon abgeschrieben. Ihr U-Boot-Thriller „K-19 – Showdown in der Tiefe“ von 2002 war zwar mit Liam Neeson und Harrison Ford starbesetzt, floppte aber bei Kritik wie Publikum. Das Resultat: Bigelow, die leider oftmals mit dem müßigen Zusatz „die Ex-Frau von James Cameron“ (de)klassiert wurde, drehte Werbespots und schien in der Versenkung zu verschwinden, bis sie 2009 mit dem grandiosen Kriegsdrama „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ zurückkehrte. Der verdiente Lohn: enormer Zuspruch und ein Oscar. Nun, knapp drei Jahre nach ihrem Comeback inszenierte, Bigelow mit „Zero Dark Thirty“ einen packenden wie intelligenten Thriller. Es geht um die Jagd nach Osama bin Laden, es geht um die junge CIA-Analytikerin Maya und geht vor allem um die Mechanismen der Macht.




Maya, bald am Ziel ihrer jahrelangen Arbeit
Gleich der Beginn macht klar, es wird ambivalent werden. Die Leinwand bleibt schwarz. Es sind echte Notrufe aus dem World Trade Center zu hören, kurz nachdem das zweite von Terroristen gekaperte Flugzeug, am 11. September 2001, einschlug. Danach schubst uns „Zero Dark Thirty“ mitten in ein Geheimgefängnis des CIA. Ein arabischer Mann wird gefoltert. Schonungslos zeigt uns Bigelow die Praktiken, die den Mann zum reden bringen sollen. Das ist weit entfernt von Torture Porn, verfehlt aber keinesfalls seine massive Wirkung. Wenn Foltermeister und CIA-Mitarbeiter Dan das Verhör kurz unterbricht, den Raum verlässt und sich draußen eine Zigarette anzündet, geschieht eine Wandlung. Aus dem harten Hund, dem großen Unsympathen blitzt etwas Menschliches hervor. Die ersten  Minuten von „Zero Dark Thirty“ machen perfekt klar, dass es hier kein klares Gut und Böse gibt. Es gibt nur ein oftmals undefinierbares Grau. Was hier Gerecht ist, überlässt der Film ganz und gar seinem Publikum. Ein mutiger Weg. Eine klar strukturierte Empathie, hier die Guten da die Bösen, gibt es nicht. Dies ist ein wichtiger Aspekt von „Zero Dark Thirty“. Es verhilft ihm zu sehr intensiven Momenten.


Diese intensiven Momente müssen allerdings fast schon erarbeitet werden. „Zero Dark Thirty“ ist kein Werk, welches mit Schauwerten und Einfachheit protzt. Der Film, der knapp zehn Jahre abdeckt (ein Jahr nach 9/11 bis zur Ermordung von Osama bin Laden) verfolgt die Chronologie der Ereignisse recht sprunghaft. Da werden schon einmal zwei oder drei Jahre übersprungen. Deswegen fühlt er sich nie wirklich wie eine durchgehende Geschichte an, sondern viel mehr wie eine Art von Abhakliste. Das Storytelling ist also gewöhnungsbedürftig. Dies ändert aber nichts daran, das Bigelow und ihr Autor Mark Boal fesselndes Spannungskino erzeugen. Spannungskino mit einer politischen Dimension, die mittlerweile die Leinwand verlassen hat. Bigelow und Boal wird vorgeworfen Zugang zu geheimen Dokumenten erlangt zu haben. Ob das wahr ist? Damit wird sich die amerikanische Politik beschäftigen. Es ändert aber nichts an der Brillanz von „Zero Dark Thirty“.



Steht Amerika wirklich hinter Maya?
Brillant ist vor allem Hauptdarstellerin Jessica Chastain. Ihre Figur der Maya besitzt wie jede hier auftauchende Rolle eine gewisse Ambivalenz, die dadurch verstärkt wird dass ihr Antrieb nie geklärt wird. Sie bleibt quasi ein Mysterium. Sie ist eine wunderbare Mischung aus Denkerin und Bluthund und ihr scheinbar unerschöpflicher Wille „den Job“ erfolgreich zu beenden verleiht ihr eine spürbare Stärke, die die wenigen Augenblicke im Film, in denen Maya an ihre psychischen Grenzen stößt, verstärkt. „Zero Dark Thirty“ ist auf schauspielerischer Ebene ganz klar eine One-Woman-Show. Dies liegt allerdings nicht nur an Chastains famosen Spiel, sondern auch daran, dass keine andere Rolle so im Fokus steht. Das bedeutet freilich nicht, dass die anderen Darsteller nicht überzeugen. Vor allem Jason Clarke als CIA-Agent Dan, hinterlässt als Folterspezialist und später als wichtiger Mann im Machtapparat von Washington, einen bleibenden Eindruck und dass der Alltag der Ermittler, die im Nahen Osten ihren Job nachgehen, immer wieder angerissen wird, verstärkt den Spannungsgrad der Figuren, weil so weder Dämon- noch Heroisierungen eine echte Chance haben.


Hinter der ganzen Suche, den Geheimgefängnissen und bürokratischen Tamtam steckt natürlich Politik. Das schier unübersichtliche System aus Beziehungen, Verantwortungen und Entscheidungsgewalten hat hier ebenfalls eine wichtige Position. Ja, es lässt sich deuten, das „Zero Dark Thirty“ ein Obama-freundlicher Film ist, aber von Propaganda ist der weit entfernt. Bigelow und Boal geht es nicht um politische Publicity, es geht ihnen darum ein System zu zeigen, dass um sich zu schützen zu dem wird, was es eigentlich bekämpfen wollte. Im Grunde ist „Zero Dark Thirty“ ein Film voller Schurken. Sei es von Al-Quaida, der CIA oder den Strippenziehern im Weißen Haus. Am Ende, wenn Operation Neptune’s Spear, die Bigelow wie den ganzen Rest des Films in einer klaren, unaufgeregten Bildsprache präsentiert, erfolgreich abgeschlossen ist blickt Analytikerin Maya ins Leere. Endlich hat sie Osama bin Laden gefunden und töten lassen, doch was wird sich dadurch ändern? Wieder eine Frage die „Zero Dark Thirty“ alleine seinem Publikum überlässt. Das ist kein plumpes Vielleicht, das ist Konsequenz, so bitter und hart wie die gesamten letzten Jahre der Suche.

9 von 10


Hier geht’s zur einer zweiten Meinung zum Film.

Review: ZERO DARK THIRTY - Ein plumpes "Vielleicht"

Keine Kommentare:


Fakten:
Zero Dark Thirty
USA. 2012. Regie: Kathryn Bigelow. Buch: Mark Boal. Mit: Jessica Chastain, Joel Edgerton, Kyle Chandler, Jason Clarke, Edgar Ramirez, Mark Strong, Scott Adkins, Jennifer Ehle, Harold Perrineau Jr., James Gandolfini, Stephen Dillane, Reda Kateb, Homayoun Ershadi, Chris Pratt, Taylor Kinney, Callan Mulvey, Frank Grillo, Ricky Sekhon u.a. Länge: 157 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Ab 31. Januar 2013 im Kino.


Story:
Nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 ist er der meist gesuchte Mann: Osama bin Laden Die CIA-Analytikerin Maya verbringt Jahre mit der Suche nach dem al-Quaida-Anführer und stößt dabei immer wieder auf Widerstand und Gewissensfragen.




Meinung:
Mit „The Hurt Locker“ konnte sich die abgeschriebene Regisseurin Kathryn Bigelow 2008 mit einem beachtenswerten Qualitätsknall in der Filmwelt zurückmelden. Als die toughe Filmemacherin dann ankündigte, in ihrem nächsten Spielfilm die Suche und die Exekution des Osama Bin Laden zu thematisieren, zogen nicht wenige Freunde der bewegten Bilder die Luft scharf ein. Aber auch darüber hinaus, gerade im Hinblick auf Amerika und die damit verbundene Post-9/11-Mentalität, hielten sich die Erwartungen und das Misstrauen einer angemessenen Umsetzung das Gleichgewicht. Verständlicherweise, denn lassen wir einmal sämtliche Verschwörungstheorien außen vor – die alle auf einem plausiblen Fundament angerührt sind - hat die World Trade Center-Katastrophe tiefe Narben in den Vereinigten Staaten hinterlassen, sowohl aus der Sicht des präsidentiellen Regierungssystem, also der Politik, als auch in der Gesellschaft, den Familien, die von jetzt auf gleich auseinandergerissen wurden und mit ihren Liebsten ein letztes Mal am Telefon gemeinsam bittere Abschiedstränen vergossen. Die Menschen aus aller Welt saßen schockiert so wie benommen vor den Fernsehern, niemand konnte in Worte fassen, welch unendliche Grausamkeiten dort gerade über die Mattscheiben flimmerten.



Maya bei der Arbeit
Und genau mit diesem Tag, in der globale Bestürzung und der stockende Atem regierten, beginnt auch „Zero Dark Thirty“ und gibt den Handlungsstartschuss, für Bigelows Inszenierung. Jedoch nicht mit dem erneuten Aufzeigen der eingebrannten Bilder, sondern mit einer schwarzen Aufblende. Wir hören die Schreie, den Lärm, das Chaos. Die Erinnerungen werden restlos rehabilitiert, ohne auch nur einen Blick auf Vergangenes gewährt zu bekommen. Ein mehr als wirkungsvoller Einstieg, den man in Anbetracht der folgenden 140 Minuten allerdings schon als klaren Höhepunkt bezeichnen muss, denn Bigelows Bemühungen, jedem Hollywoodstandard in Sachen Bombastkino und atemlosem Thrill aus dem Weg zu gehen, erreichen nicht den effizienten Ertrag, den sich Drehbuchautor Mark Boal und Frau Bigelow gewünscht haben. Wobei man von vornherein in aller Deutlichkeit sagen muss, dass die Akte Osama Bin Laden kein Thema ist, aus dem andere Regisseure ganz eindeutig ein Meisterwerk geschaffen hätte und es so an Bigelows inkompetenter Führung liegt, dass „Zero Dark Thirty“ nicht das große Werk ist, was sich wohl die meisten von ihm versprochen haben. Mit Sicherheit nicht.


„Zero Dark Thirty“ ist keinesfalls schlecht, doch die Defizite, die man dem Film einfach nicht absprechen kann, wiegen zu schwer, um ihn noch im Rahmen der beeindruckenden Sanierung junger Zeitgeschichte zu akzeptieren. Das erste Problem lässt sich bei Jessica Chastain, oder besser gesagt, ihrer CIA-Ermittlerin Maya entdecken. Chastain spielt fantastisch, ohne Frage, und das Misslingen einer wirklich fundiert-ambivalenten Darstellung lässt sich auf das Drehbuch zurückführen. Maya ist ein Prototyp des Thriller-Genres: Eine junge High-School-Absolventin soll für das CIA Terroristen jagen und schlittert schließlich in den Auftrag, den Terroristen Nr. 1 zu schnappen. Ihre Manie ist grenzenlos und ihre Person - die das Metronom im Herzen des CIA darstellt – hat jeder sozialen Bindung entsagt, nur um sich starr auf den Job zu konzentrieren. Es ist eben genau der Bessensheitskodex, vom unermüdlichen Jäger, der erst ruht, wenn er sein Ziel erreicht hat, den wir seit unzähligen Jahrzehnten in aller Obsession um die Ohren geschleudert bekommen. Jeremy Renner war als Teil des Bombenräumungskommandos in seinen Anlagen auf den ersten Blick nicht anders, genau wie Maya war sein William James der Faszination des Krieges verfallen, es war eine Sucht, die ihn immer wieder in die Gefahrenzone zog, eine Droge, der er sich nicht entziehen konnte. Allerdings hat Boal hier das geleistet, was wir bei Maya vermissen: Ein differenziertes und psychologisch vielfältiges Grundgerüst, mit Facetten und (un)menschlicher Intensivität.



Achtung: Auf diesem Bild wird gespoilert.
Die Geschichte selbst, die „Zero Dark Thirty“ und Hauptfigur Maya, keinesfalls eine Protagonistin, die zur Identifikationsfläche für den Betrachter dient, ist natürlich pure Fiktion, die sich an den realen Geschehnissen orientiert, diese aber nicht wahrheitsgemäß wiedergibt. „Zero Dark Thirty“ positioniert sich auf bröckeligen Thesen, stolziert über kalte Vermutungen, verzogenen Ellipsen und brachialen Hypothesen. In 160 viel zu langen Minuten hat man schließlich die (nicht) Aussage des Filmes vor Augen, denn Bigelow, die immer betonte, keine Stellung beziehen zu wollen, hat das über weite Strecken auch konsequent beibehalten. Subjektive Distanz und objektiver Realismus sind die Stichwörter. Die Bilder erreichen den Zuschauer lediglich auf dem dokumentarischen Plateau und die Nüchternheit der Szenerie, die sicher in gewisser Weise löblich ist, wird durchgehend aufrechterhalten, so entsteht aber eben auch keine Bindung zum beobachtenden Betrachter, der nur sieht, aber sich in diesem Fall auch wünschen würde, etwas zu fühlen.



Am Ende, nachdem – und ich hoffe, ich spoilere hier keinem Höhlenmenschen den Ausgang, der die letzten 15 Jahre im Tiefschlaf verbracht hat – die Navy Seals Osama Bin Ladens Versteck stürmten und das „Dreckschwein“ erledigten, erlaubt sich Bigelow eine völlig unpassende Emotionsspritze, die weder ins Konzept passt, noch bis zum Zuschauer durchdringt, einfach aus dem Grund, weil sich „Zero Dark Thirty“ genau gegen solche offensichtlichen Augenblicke die vergangenen zweieinhalb Stunden gewehrt hat. Schlussendlich blieb das aus, was man sich von diesem Film eigentlich erwartet hätte: Das moralische Durchleuchten der Mission, das kritische Analysieren des schwankenden Wertes von richtig und falsch. Es bleibt nur ein sachliches, aber auch zähes Aufrollen der mühsamen Repressalie. Die große Kalamität, der Schock und das Aufwühlen blieben aus. Eine Szene lässt noch die Intensität erahnen, mit welcher „Zero Dark Thirty“ auffahren hätten können und diese beschränkt sich auf ein abschließendes Nicken. Letztlich besitzt „Zero Dark Thirty“ die Tiefe von einem plumpen „Vielleicht“.

5 von 10

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von souli

Wir danken unserem ewigen Gast-Autor souli für seine Kritik. Wenn ihr mehr von souli lesen wollt, dann besucht doch unseren Blog Buddy CinemaForever.