Trailerpark: Die Rückkehr der Ausstellungsstücke - Erster Trailer zu NACHTS IM MUSEUM 3

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Regisseur Shawn Levy versammelt für den dritten Teil der „Nachts im Museum“-Reihe wieder alle bekannten Schauspieler zusammen, so dass am 18. Dezember 2014 ein waschechtes Staraufgebot in unsere Kinos kommt. Neu dabei sind Rebel Wilson („Pitch Perfect“), Dan Stevens („Downton Abbey“) sowie Ben Kingsley („Iron Man 3") und Rachael Harris („Gregs Tagebuch“). Diesmal verschlägt es Museumswächter Larry (Ben Stiller) ins British Museum von London. Da mit ihm auch die magische Goldtafel geht, werden also auch in diesem Museum die Ausstellungsstücke über Nacht lebendig. Der erste Trailer verspricht familienfreundliche Unterhaltung mit Fantasy-Touch und Pipi-Gags. Für die Weihanchtsferien bietet "Nachts im Museum 3: Das geheimnisvolle Grabmal" bestimmt das passende Kinoprogramm für Jung und Alt.


Review: BLUTIGE SEIDE - Geburt eines Genres

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Fakten:
Blutige Seide (Sei donne per l’assassino)
IT, FR, MC, BRD, 1964. Regie: Mario Bava. Buch: Marcello Fondato, Giuseppe Barilla, Mario Bava. Mit: Cameron Mitchell, Eva Bartok, Thomas Reiner, Ariana Gorini, Dante DiPaolo, Mary Arden, Franco Ressel, Claude Dantes, Luciano Pigozzi, Lea Krugher u.a. Länge: 86 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Model Isabella wird brutal ermordet. Kurz darauf fällt ihrer Kollegin Nicole ihr Tagebuch in die Hände. Der Täter hat es darauf abgesehen, was zu weiteren Morden führt. Was versucht er zu verbergen? Inspektor Silvestri vermutet den Killer im engsten Kreis der Agentur von Contessa Cristina Como. Verdächtige und mögliche Motive gibt es genug, nur die Beweise fehlen und je länger die Ermittlungen dauern, desto mehr Leben stehen auf dem Spiel.




Meinung:
Mit „Blutige Seide“ hat Mario Bava ein Stück Geschichte geschrieben, legte er doch den Grundstein für das Giallo-Kino, welches die europäische – speziell die italienische – Filmlandschaft in den Folgejahren maßgeblich prägen sollte. Im Schatten des anspruchsvollen Autorenfilms entstand ein eigenes, ganz spezielles Sub-Genre, das in dieser Form heute praktisch (mit wenigen Ausnahmen und wenn nur selten von guter Qualität) ausgestorben ist. Dafür ebnete es einigen B-Movie-Glanzstücken und deren Schöpfern den Weg, in erster Linie natürlich einem Dario Argento, der Bava’s Stil wie kein Zweiter aufgriff und sogar perfektionierte. Allein als dieser Eckpfeiler und Büchsenöffner ist „Blutige Seide“ schon ein ganz besonderer Film, was ihn 50 Jahre nach seiner Entstehung jedoch nicht als einziges Merkmal hervorheben soll.


Besser rot als tot.
Schon der Vorspann macht deutlich, dass Bava hier keinen handelsüblichen Krimi erzählen wird, der sich ganz profan in den damaligen Gepflogen- und Sehgewohnheiten einordnen wird. Ein verführerischer, hypnotisierender Flirt von Rot und Grün, musikalisch sexy und leicht verrucht unterlegt. Die Richtung wird vorgegeben für das, was in den nächsten 1 ½ Stunden an teils magischen Momenten für Verzückung sorgen wird. Wobei klar festzustellen ist: „Blutige Seide“ ist – aber wie könnte er es jetzt schon sein – noch nicht das Maß der Dinge im Genre. Er etabliert allerdings Elemente, die später zu dessen Dogma werden sollten. Der unbekannte Killer, die schwarzen Handschuhe, seine weiblichen Opfer und ein, für damalige Verhältnisse, recht direkter Härtegrat, welcher heute niemanden mehr schockieren wird und schon kurze Zeit später um ein Vielfaches überboten wurde. Nicht die explizite, wahnsinnig blutrünstige Zurschaustellung brutaler Gewalt war hier so radikal, eher wie zentral und unmissverständlich sie als künstlerischer Höhepunkt arrangiert wird, deutlich vor der eigentlichen Handlung. Gestorben wird nicht im Off, Mord ist nicht Mittel zum Zweck, es ist das Highlight, wird zelebriert, ausgereizt. Den Opfern ist kein schnelles Ableben beschert, sie sollen leiden, flüchten, zur Strecke gebracht werden. Wie Bava dies inszeniert, war einzigartig und wurde fester Bestandteil, Erkennungsmerkmal und Gütesiegel. In diesen Momenten ist „Blutige Seide“ immer noch bestechend. Die Szene in Franco’s Atelier ist ein feuchter Traum aus Beleuchtung, Schattenspiel und Farbenrausch, ohne den es Argento’s „Suspiria“ in dieser Form womöglich nie gegeben hätte.


Das Model und der Freak.
In diesen Einstellungen glänzt Mario Bava mit einer ästhetischen Raffinesse und einem wahnsinnig stimmigen Set-Design, das dem kaum ein Wort ernsthaft gerecht wird. Dass es sich hier noch um eine Findungsphase bzw. einen Übergang vom klassischen Krimi zum eigenständigen Genre handelt, lässt sich – mit Blick auf folgende Werke – im Detail festmachen. Dem konsequenten Sleaze frönt Bava noch nicht, baut noch deutlicher auf eine zumindest sinnvolle, nachvollziehbare Handlung, die sich nicht endgültig in seinen eigentlichen Stärken verliert und dem alles andere unterordnet. Später wurde darauf oft dezent gepfiffen, lieber widmete man sich voll und ganz dem, was zum Wesentlichen und Identität des Giallos wurde. Es mag verrückt klingen, einem Film als Vorwurf zu machen, sich zu sehr auf (zumindest halbwegs) plausible Motive und Handlungsverläufe zu konzentrieren, nur das ist es eben nicht, warum man sich diesen oder jeden anderen Vertreter seiner Gattung ansieht. Konnte damals noch nicht geahnt werden, zumindest in dem Ausmaß. Partiell wirkt „Blutige Seide“ daher noch viel konservativer als die meisten seiner „Nachahmer“, kann dies allerdings mühelos durch seine mitunter atemberaubende Schönheit in symbolisch-betörenden Rot locker auffangen. Wie man eine Geschichte effizienter den markanten Stilmitteln opfert, bewies – um den Namen ein letztes Mal ins Spiel zu bringen – Dario Argento gut zehn Jahre später mit „Profondo Rosso – Die Farbe des Todes“. Dort knallte er einem durchgehend dieser bemerkenswerte Bildsprache um die Ohren, die Bava hier „nur“ als Schmankerl serviert, ging es surrealer und genau genommen sogar konfuser an, um damit den hier noch zu übertreffen.


Noch kein perfekter Giallo, in seinem selbstbewussten, riskanten und dann eben so grandiosen Bruch mit dem Status Quo allerdings ein Meilenstein, zum Teil absolut famos, von seiner Relevanz ganz zu schweigen. 

7,5 von 10 roten Modelpuppen

Review: IM AUGUST IN OSAGE COUNTY – Familiäre Abgründe im Stakkato

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Fakten:
Im August in Osage County (August: Osage County)
USA. 2013.
Regie: John Wells. Buch: Tracy Letts (Vorlage). Mit: Meryl Streep, Julia Roberts, Ewan McGregor, Benedict Cumberbatch, Chris Cooper, Sam Shepard, Abigail Breslin, Juliette Lewis, Margo Martindale, Misty Upham, Juliette Nicholson, Dermot Mulroney, Dale Dye, Newell Alexander, Jerry Stahl u.a. Länge: 121 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 7. August auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nachdem ihr Mann spurlos verschwunden ist, ruft Familienoberhaupt Violet ihre Familie zusammen. Ihre Töchter Barbara und Karen, die seit langem nicht mehr ihr Elternhaus besuchten, treffen so wieder auf ihre Schwester Ivy, die bei ihrer Mutter geblieben ist, um dieser im Haus zu helfen. Nicht nur dies hat Konfliktpotenzial, sondern auch Violets provokative, zynische Art, die ihre Töchter und den Rest der geladenen Familie immer wieder ungefiltert zu spüren bekommt. Doch somit werden auch alte Geheimnisse und Konflikte angesprochen.





Meinung:
Wenn man zu lesen bekommt, dass ein Film auf einem Theaterstück von Tracy Letts basiert, dann darf man sich relativ sicher sein, dass darin nicht gerade zimperlich zu Werke geschritten, besitzt die US-Amerikanerin doch eine (sozial-)kritische Durchschlagskraft, die an die pointierten Sittengemälde der Yasmina Reza („Der Gott des Gemetzels") erinnern. Die 2011 veröffentliche White-Trash-Abrechnung „Killer Joe“ von Altmeister William Friedkin („Der Exorzist“) stellte dies mit einem unnachahmlichen Zynismus unter Beweis, in dem Matthew McConaughey („Mud – Kein Ausweg“) dem Trailerpark-Gesocks (darunter Emile Hirsch, Thomas Haden Church und Gina Gershon) den eigenen Fraß bis tief in den Rachen schob – Ein Meisterwerk der jüngeren Filmgeschichte, das es selbstredend nicht zur offiziellen Kinoauswertung geschafft hat. Ganz im Gegenteil zum Familien-Drama „Im August in Osage County“, eine mit Stars gespickte Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks, für das Tracy Letts 2008 mit dem Pulizer Preis honoriert wurde. 

 
We are Family
Natürlich ist „Im August in Osage County“ ein astreiner Ensemblefilm, der sich die Butter dahingehend nicht vom Brot nehmen lässt, als dass er seine famose Schauspielriege in ihren Qualitäten nicht von der Leine lassen würde. Angeführt von Meryl Streep („Die durch die Hölle gehen“), einer Grande Dame der Branche, geben sich (unter anderem!) große Namen wie Ewan McGregor („Illuminati“), Chris Cooper („American Beauty“), Sam Shepard („Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford), Benedict Cumberbatch („12 Years a Slave“) und Julia Robert, die neben „Hautnah“ die beste Performance ihrer Karriere abliefert“, die Ehre. Wer die Vermutung hegt, „Im August in Osage County“ ist handelsübliches Starkino, das seine Schauspieler glänzen lassen möchte, der tut dem Film glücklicherweise Unrecht: Ohne diese manierierte Intention zu bestätigen, hat Tracy Letts sein Stück für die Leinwand umgeschrieben und fährt mit einem Stoff auf, der auf dem Papier nach 'Telenovela' schreit, durch seine geschliffenen Dialogsequenzen, die fundierte Charakter-Portriäts offerieren, zweifelsohne über seine 120-minütige Laufzeit aufwühlt.


Mutter Violet wird gleich wieder Zynismus speien
Jeder in dieser Familie trägt sein ganz eigenes Kreuz, befindet sich immer irgendwo im introspektiven Bewältigungsprozess von emotionalen Rückschlägen und muss sich – neben all dem Kummer, ausgelöst durch das Dahinscheiden eines geliebten Menschen oder einer annullierten Ehe - neuem Gegenwind stellen. Klimax ist dabei, wie es sich für ein auf familiäre Strukturen konzentriertes Kammerspiel gebührt, die Zusammenkunft am Mittagstisch, an dem die krebskranke und pillensüchtige Violet (Meryl Streep) ihren Angehörigen einen Schuss nach dem anderen vor den Bug erteilt und gerade von Tochter Barbara (Julia Roberts) reichlich Kontra kassiert. Ein unangenehmer Augenblick, der von einer so feindseligen Stimmung kontrolliert wird und sich stetig steigert, von Aggressionslevel zu Aggressionslevel, dass man sich als Zuschauer am liebsten mit einem lauten Lachen aus der Affäre ziehen möchte. Ein ähnliches Gefühl hat zuletzt nur Nicolas Winding Refn in „Only God Forgives“ auf die Beine gestellt, als er Kristin Scott Thomas in Beisammensein mit Ryan Gosling und Yayaying Rhatha Phongam verbal Amok laufen ließ („How many cocks can you entertain in that cum dumpster of yours?“).


Später wird es noch eine ähnlich hervorragend vorgetragene Szene geben, in der Charlie (Chris Cooper) seiner Frau Mattie (Margo Martindale) über ihr grässliches Verhalten gegenüber Sohnemann Little Charles (Benedict Cumberbatch) zurechtweist. Der Anstoß, um endgültig innerfamiliäre Abgründe freizuschaufeln und übersetzt all die Werte, die innerhalb einer Familie gegeben sein sollten (von Vertrauen, Rücksicht und Solidarität) in pure Trauer, Entrüstung und Raserei. Violet, das archaisch-matriarchische Familienoberhaupt, torkelt blass, zermürbt, ohne Perücke durch das einsame Anwesen und sucht Zuflucht bei genau der Person, der sie sonst nur herabwürdigend begegnen konnte. Ein bitterer, von ungemein intensiven Szenen geprägter Film setzt sich die Krone auf.


7 von 10 Zwergwelse zum Mittag


von souli

Review: DAS GRAUEN KOMMT UM ZEHN - Traumjob Babysitter

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Fakten:
Das Grauen kommt um Zehn (When A Stranger Calls)
USA, 1979. Regie: Fred Walton. Buch: Steve Feke, Fred Walton. Mit: Charles Durning, Carol Kane, Colleen Dewhurst, Tony Beckley, Rutanya Alda, Carmen Argenziano, Ron O’Neal, Rachel Roberts u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Diese Nacht als Babysitter wird Jill lange verfolgen. Kurz nachdem das Ehepaar Mandrekis das Haus verlassen hat, klingelt das Telefon. Der unbekannte Anrufer stellt eine Frage: „Haben sie nach den Kindern gesehen?“ Der Auftakt zu einer grauenvollen Nacht, die mit einem Blutbad endet. Sieben Jahre später ist der Täter aus seiner Heilanstalt entflohen und Privatdetektiv Clifford, einst Ermittler in dem Fall, wird auf den Flüchtigen angesetzt. Er soll ihn nicht nur finden, er soll ihn zur Strecke bringen. Doch am Ende wird sich der Kreis schließen…





Meinung:

„Haben Sie nach den Kindern gesehen?“

Was für ein Auftakt. Die ersten zwanzig Minuten von „Das Grauen kommt um Zehn“ sind nicht umsonst legendär und haben Genregeschichte geschrieben. Wenn man selbst von Otto Waalkes parodiert wird, hat man es wohl geschafft.


Und das für die paar Piepen...
Ein John Carpenter zu seinen besten Zeiten (also genau damals) hätte es kaum besser machen können. Babysitterin Jill wird innerhalb weniger Minuten in einen verstörenden Albtraum involviert, das immer wieder klingelnde Telefon zerrt an den Nerven, das räumlich eigentlich großzügige Haus wird zum beengten Verlies, das Ticken der Wanduhr erscheint wie das Pendel des Todes, das lodernde Kaminfeuer wirft unheilvolle Schatten und immer wieder… dieses verdammte Telefon…! Klaustrophobische Panik greift um sich, in wunderbar schattierten Bildern und beklemmend vertont. Ohnehin ist der Score von Dana Kaproff ein unaufdringliches, zeitgleich enorm prägnantes Zuckerstück der kalten Angst. Was Fred Walton hier zu Beginn entfacht, ist Suspense-, Terror- und Home-Invasion-Kino, ganz simpel und wahnsinnig effektiv runtergebrochen, komprimiert auf schlappe 20 Minuten, inklusive Vorspann. Hammerhartes Teil, atmosphärisch und von seiner schlichten Idee wie der erstklassigen Umsetzung kaum zu toppen. Wenn das jetzt das generelle Niveau von „Das Grauen kommt um Zehn“ wäre, mein lieber Herr Gesangsverein, das gibt Fingernägelsalat, zugenagelte Kinderzimmer und aus dem Fenster fliegende Telefone. Allein dieses Szenario wäre spielend in der Lage, einen ganzen Film zu tragen. Natürlich nur in dieser Form. Wie es nicht geht, bewies das stumpfe Remake „Unbekannter Anrufer“ von 2006, der sich darauf begrenzte, dafür an seinen wesentlichen Dingen gnadenlos scheiterte.


„Ich will mich mit ihrem Blut beschmieren!“


"Darf ich mal telefonieren, dauert auch nicht lange?!"
Das Original scheitert – mehr oder weniger – an dem nun folgenden Szenenwechsel, wenn der Plot einen siebenjährigen Zeitsprung hinlegt, Jill (vorerst) von der Bildfläche verschwindet und das anonyme Grauen ein Gesicht bekommt. Im Mittelpart hängt „Das Grauen kommt um Zehn“ - absolut unnötig – heftig durch, die Spannungskurve knickt erheblich ein. Zwar kann die Inszenierung gewisser Schlüsselmomente durchaus gefallen und rudimentär an die Qualität des ersten Drittels anknüpfen, nur kann die Dramaturgie keinesfalls mithalten. Stalking, ein heute sehr relevantes Thema, tritt eher in den Vordergrund, wie die Jagd eines verbissenen Ermittler (gut wie immer: Charles Durning) nach der gestörten Bestie. Deren Terror wird allerdings arg an die Kette gelegt, die einschnürende Stimmung verliert sich in einem behäbigen Tempo und eigentlich einem fast kompletten Bruch der Handlung, der in dieser Form schon überrascht. Killer-Darsteller Tony Beckley hält sich angenehm zurück, agiert nicht als überzogener Psycho-Hampelmann, wirkt dennoch lange nicht so erschreckend wie als bedrohliche Stimme am anderen Ende der Leitung oder als Silhouette an der Wand. Ambitioniert, aber unglücklich, so könnte man das nun Gezeigte bezeichnen. Das vorher so grandios aufgebaute droht zu kippen und den Film in reinen Durchschnittgefilden kentern zu lassen.


Macht Sinn: Taschenlampe trotz ausreichender Beleuchtung.
Kurios, dass nun ausgerechnet wieder (knapp) zwanzig Minuten dies verhindern. Im ausgedehnten Finale gelingt es „Das Grauen kommt um Zehn“ beinah, an den furiosen Start anzuknüpfen. In Gänze selbstverständlich nicht, doch es fühlt sich ähnlich an. An der Inszenierung krankte es eh nie, eher am Skript, an der Grundspannung, der Bedrohung. Genau da knüpft das letzte Drittel an und schlägt die doch noch die Brücke zum Anfang, die lange wackelte und bröckelte. Jetzt ist alles wieder da: Das Telefon, die schaurige Stimme, die Panik, die Angst, die eigenen vier Wände, die sich praktisch auf einen zu bewegen. Es lauert wieder, nachdem es Auslauf genossen hat. Betrachtet man Start und Finish, man müsste sich verwundert am Kopf kratzen, warum dieser Film nicht uneingeschränkt zu den absoluten Perlen des Genres zählt. Der Schlusspunkt kommt zwar etwas abrupt und wirkt vielleicht aus heutiger Sicht unspektakulär, allerdings war das zu dieser Zeit nicht unüblich, daher kein Problem. Sein Potenzial – ach was, seine klaren Fähigkeiten – lässt dieser Film klar in der Mitte auf der Strecke, wofür man jeden Beteiligten ohrfeigen müssten. Sonst gäbe es hier nicht viel zu kritisieren und diskutieren.


Seinen Status als kleiner Klassiker hat „Das Grauen kommt um Zehn“ ja inne und sicherlich verdient. Viel zu gut und unvergessen ist er auf seinen Höhepunkten, gleichzeitig bald banal dazwischen. Krasse Mischung, schade.

„Warum haben Sie nicht nach den Kindern gesehen?“

6,5 von 10 unbekannten Anrufern

Review: TAXI DRIVER – Einsam und verloren im Großstadtdschungel

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Fakten:
Taxi Driver
USA. 1976. Regie: Martin Scorsese. Buch: Paul Schrader. Mit: Robert DeNiro, Jodie Foster, Cybill Shepard, Harvey Keitel, Peter Boyle, Albert Brooks, Martin Scorsese, Leonard Harris u.a. Länge: 114 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Vietnamveteran Travis Bickle kann nicht schlafen. Die Nacht nutzt er deshalb dafür als Taxifahrer Geld zu verdienen. Auf seinen Touren bekommt er es mit der ganzen menschlichen Bandbreite New Yorks zu tun. Als er sich in die Wahlkampfhelferin Betsy verliebt, scheint Travis Leben wieder so etwas wie einen Sinn zu bekommen.





Meinung:
Martin Scorsese („Departed – Unter Feinden“) entführt uns in die besudelten Straßen des 1970er Jahre New York City. Belebt und simultan zerstört vom asozialen Abschaum, der noch nicht im elendigen Sumpf der Metropole untergegangen ist. Die Kamera streift elegisch durch den schwarzen, verqualmten Strudel und saugt uns ein. Lässt uns zusammen mit Travis Bickle (Robert De Niro, „Wie ein wilder Stier“) auf einen kräftigen Regen warten, so stark, dass er das Gesindel und das Pack in seiner Erbärmlichkeit von den Straßen spült, um sie endlich zu reinzuwaschen. Der widerliche Gestank, der in der Luft steht, muss von einem unaufhaltsamen und gnadenlos fauchenden Orkan weggeblasen werden, damit auch wir uns in einer besseren Welt wiederfinden dürfen: Travis könnte dieser Orkan sein, ein in beharrlicher Massivität prustende Sturm.


Wären Handys im Saal würde Travis die echte Wumme auspacken
Travis lebt in seiner ganz eigenen Welt. Seelisch gezeichnet von einem schweren Kriegstrauma und einer unausweichlichen Einsamkeit, die Travis begleitet, seitdem er selbstständig denken kann. Nachts besteigt er seinen Blechsarg auf vier Rädern, die dunkelsten Ecken und Viertel werden zu seinem Revier. Genau die Ecken, Bezirke, Viertel und Straßen, denen er mit so viel Hass begegnet, dessen hiesigen Pöbel er ausrotten möchte – Alles miteinander! Für Travis Bickle sind diese Menschen keine Menschen, die Huren, Betrüger, Amateurnutten, Sodomiten, Trinen, Schwuchteln, Drogensüchtige, Fixer und die kaputten Syphkranke sind Dreck, der am Ende der gesellschaftlichen Nahrungskette kauert und entsorgen werden muss. Nach Einbruch der Dunkelheit treibt er sich in schmuddeligen Pornokinos herum, zurückgezogen in sein kaltes, verlorenen Herz und nur die hübsche Wahlkämpferin Betsy kann ihm aus seinem Loch retten – Der Engel in der Finsternis, die vermeintliche Erlösung, das helle Licht in alles verschlingender Finsternis.


Harten Tag gehabt: Travis hängt ab
Doch mit Betsy und Travis konfligieren zwei Typen von Menschen, die sich in ihren Gegensätzen nicht anziehen, sondern abstoßen: Sie besitzt noch Gefühle, besitzt aufrichtige Ideale, er ist apathisch und ein aus sozialen Strukturen ausgestoßener, ganz eigen und unfähig, sich in seiner Umwelt zurechtzufinden. „Taxi Driver“, die analytische Reflexion über die Einsamkeit. Kocht Travis' Wut auf, eine Wut, ein Zorn, eine Abscheu und Animosität gegen die Menschen und die Welt, die sie aus ihr gemacht haben. Alles scheint verpestet und verkommen, verrohrt und abgestumpft. Wenn Travis die 12-jährige Prostituierte Iros (Jodie Foster, „Der Gott des Gemetzels“) kennenlernt und sich mit ihren Lebensumständen vertraut macht, erschleicht ihn ein Gefühl der Verantwortung, der Zivilcourage. Er will ihr helfen, sie aus dem Schmutz ziehen und ihr einen Ausweg ermöglichen. Einen Ausweg, den Travis selbst nur noch durch blanke Gewalt zu ermöglichen glaubt. Und er macht sich bereit: Stählert seinen Körper, wappnet sich mit dem nötigen Equipment, schneidet sich in seine ikonische Irokesenfrisur. Er muss sich abgrenzen, um wieder Teil des Gesellschaftsgefüge zu werden.


Travis und Betsy - hat diese Beziehung eine Zukunft?
Paul Schraders Drehbuch lässt Travis Bickle in Ambivalenzen, in Widersprüchen rotieren und kreiert einen so vielschichtigen wie komplizierten Charakter. Seiner Aversion gegen die Nachtwelt von New York geht er nicht aus dem Weg, sondern stürzt sich direkt in sie hinein, in dem er nur in der Nacht arbeiten möchte, permanent in Kontakt mit dem sabbernden Dreckspack. Er verachtet die dreckige Kultur der Gegenwart, streunt aber immerzu durch die Pornokinos, wird anonymer Teil der Perversen. Travis wehrt sich dagegen, in dieser abgründigen Welt zu leben, doch er ist schon längst in ihr verwurzelt. Und um diesen verlotterten, amoralischen Kosmos zu befreien, muss er ihn ebenso vor sich schützen. Und wo befindet sich unser Standpunkt bei dieser Geschichte rundum Travis? Bezogen auf die letzten 20 Minuten, die in ihrer Visualisierung wir ein extremer Hammerschlag auf den Zuschauer poltern. Wie weit können wir uns in diese Handlungen hineinversetzen, inwiefern können wir seine Motivation nachvollziehen, wenn man jeden Tag, immer und immer wieder, in menschliche Abgründe blicken muss? Wie weit werden wir selber zu einem Teil von Travis und weit sind wir schon selbst leblose Fragmente dieser Unterwelt?


Travis, und auch darin bewahrt sich „Taxi Driver“ eine packende Zwiespältigkeit, die unbedingt zum Austausch miteinander einlädt, ist kein Held, nicht im Ansatz. Hat er in der Zeit, in der wie ihn verfolgten, überhaupt etwas richtig gemacht? Ja, denn er hat gehandelt. Ob richtig oder falsch steht nicht zur Debatte. Erst einmal nicht. Er tat das, was viele Personen in höheren und einflussreicheren Positionen längst hätten tun sollen: Ein Zeichen setzen. Das mag sich reaktionär und weltfremd anhören, ist aber gewiss nicht die Tonalität, in der sich „Taxi Driver“ wohlfühlt. Die Themen sind zu brisant, um sie auf den kleinstmöglichen Nenner zu reduzieren, die Ausführungen des gesamten Filmes liegen zu schwer im Magen, als dass man sie in derartiger Undifferenziertheit munden lassen könnte. Wenn die letzten Minuten einen tiefen Krater in unser Inneres gerissen haben, lässt „Taxi Diver“ Raum zur freien Interpretation: Realität oder doch die ausgebaute Utopie des Travis Bickle? Eine Entscheidung, die dem Zuschauer selbst überlassen ist. Fakt ist allerdings: „Taxi Driver“ ist Kino in größtmöglicher Brillanz. Unvergleichlich und unerreichbar.


10 von 10 Gesprächen mit dem Spiegelbild 


von souli