LA LA LAND - Der Zwang, aus Träumen Karriere zu machen

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Fakten:
La La Land
USA. 2016. Regie und Buch: Damien Chazzelle. Mit: Ryan Gosling, Emma Stone, Rosemarie DeWitt, J.K. Simmons, Callie Hernandez, Amiée Conn, Terry Walters, Thom Shelton, Cinda Adams, Jessica Rothe, Sonoya Mizuno, Claudine Claudio, Jason Fuchs, D.A. Wallach, Trevor Lissauer, Olivia Hamilton uvm. Länge: 126 Minuten. FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung. Ab 12. Januar 2017 im Kino.


Story:
Im Fokus der Handlung von La La Land stehen zwei hoffnungslose Träumer: Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling). Sie versucht sich als Schauspielerin in Los Angeles einen Namen zu machen, leidet aber stark unter ihrer großen Einsamkeit. Der charismatische Jazz-Pianist arbeitet ebenfalls an seiner Karriere. In dem jeweils anderen erkennen beide eine Person, die genau wie sie selbst den Wunsch hat, nur das zu praktizieren, wofür ihr Herz schlägt. So schnell wie die beiden sich auch in einander verlieben, ist die Beziehung in der harten, vom Konkurrenzkampf geprägten Atmosphäre der Stadt jedoch von Anfang an keine leichte. Immer mehr Probleme ergeben sich, als der Erfolg sowohl von Mia als auch von Sebastian ein Level erreicht, das ihre Liebesaffäre immer mehr in Mitleidenschaft zieht. Auf einmal droht das zunächst verbindende Element ihrer Träume, sie auseinander zu treiben.




Kritik:
Nach nicht mal drei Spielfilmen bekräftigt Damien Chazelle vollends seinen Status als jenes neue Wunderkind unter den Filmemachern, das seine Kunst als Zwang versteht. Klar, bei „Whiplash“, dem Durchbruch seinerseits, waren Publikum wie Kritiker mehr oder weniger aus dem Häuschen, von der Energie und Leidenschaft des Jazz gefangen, der sich in dem Fall blutig schlug, um im eigenen Anspruch des Meister-Status ankommen zu können. Meiner einer war zu jener Zeit ebenso überzeugt - weit weg von einer potenziell regressiven Ideologie des Jung-Auteurs -, ein Gleichnis zur künstlerischen Ambition sowie dem beständigen Ehrgeiz derer erhalten zu haben. Mit „La La Land“ jedoch kristallisiert sich allmählich heraus, wie Chazelle jene Impulse vom Menschsein trennt, letzterem noch ein Stück weg ambivalent hinterher trauert, seine Charaktere schließlich aber in der Abkopplung sogar aufgehen lässt. Realität und Fantasie gehören in seiner Vision von Los Angeles ohnehin getrennt, unvermeidlich aufeinander aufgebaut und doch ein Kreislauf der Enttäuschungen, wenn beliebte Anlaufstellen des Showbiz hier erneut aufgewärmt werden, konstruiert platt auf die Vergänglichkeit der Ideale hinweisen, gerne auch mit diesen kokettieren, sich aber im Karriere-Kickstart genauso oberflächlich auf den real struggle der Traumerfüllung berufen - „Swingers“ lässt grüßen. Dabei fängt sich das Prozedere anfangs noch eine Huldigung zum Eskapismus ein, die einen dramaturgisch sinnvollen Weg der Hürdenläufe Richtung Erfolg mit Versüßungen abschließen sollte, echte Katharsis aus der Wunscherfüllung schöpfen könnte, ebenso Liebe, Einigkeit, Bekenntnis zum Gefühl, Herzschmerz und Spaß fürs gerne mehr als traumhafte Vermengen aus Mensch und Umwelt – halt wie in einem echten Musical. Stattdessen durchzieht den Film eine Bitterkeit, die sich vor allem am (wohlgemerkt an erster Stelle eingeführten) Protagonisten Sebastian (Ryan Gosling) abzeichnet, der nach einem Intro ausgelassener Tanz-, Gesangs- und Steadicam-One-Shot-Freuden auf dem Freeway die Hupe durchdrückt, um auf der Straße wie im Leben endlich voranzukommen.


Als linke Variante eines Abgehängten erreicht er den grünen Zweig aber auch insofern schon nicht, da er sich als angehender Top-Pianist bei der Berufsakquise ausschließlich mit „purem Jazz“ brüsten will, während die Welt hier schon längst in einer vagen Mash-Up-Phase hängt, vom Fortschritt her ausgerechnet gründlichst kacke klingt und so auch von Sebastian hämisch begutachtet wird, wenn er auch schon post-ironisch in eigener Soße schmollt. An einem kulturellen Schmelztiegel wie L.A. scheint der Film doch ein Stück weit zu verzweifeln, aiaiai. Mia (Emma Stone) geht es da nicht anders mit dem Blick hoch zur Schauspielkunst, die dafür in mickrigen Castings unterkommt und binnen des Café-Latte-Nebenjobs unzufriedene Kunden bedienen muss. Allerdings liegt letztere Tätigkeit mitten im Warner-Bros.-Backlot, eben umringt von beschaulichen Kulissen binnen der Fassade vergangener Tage, weshalb der Film auch nicht umhin kommt, dem Retro-Charme aufzulauern, sprich den enthusiastischen Ausdruck via Technicolor, Cinemascope, 35mm sowie fulminanter Orchestration des Justin-Hurwitz-Scores zu emulieren, als wären Jacques Demy und Fred Astaire wieder in the house. Nostalgie, ach ja – inzwischen vielleicht ein inflationäres Marketing-Tool, für Chazelle trotz allem Pessimismus noch die profunde Schönheit schlechthin, die einen Blick zurück motiviert, in der Kombi mit der Gegenwart so recht natürlich im Herzen ankommen kann und zuckersüß für ein transzendentales Verständnis der Belange eben dessen einstehen will. Folglich lässt es dann auch noch der klassischen Romanze wegen Sebastian und Mia aufeinander treffen, obwohl beiden der existenzielle Schmerz von der Decke hängt. Weil Chazelle seine Figuren dabei aber eher als Funktionsträger versteht und eine Unvereinbarkeit voraussieht, was Erfolg und Glückseligkeit angehen, schleichen sich dort schon frühe Anzeichen hinein, wo sich jeder Zauber nur kurzzeitig ins Larger-than-Life-Format hineinsteigern kann, ehe der Pathos zum Reality Check (siehe allein Sebastians Thema „City of Stars“) das Miteinander erheblich verkompliziert.


Beim ersten gemeinsamen Stepptanz z.B. fällt schon auf, wie sehr sich der Regisseur und seine Darsteller regelrecht abmühen, dem Old Hollywood zu entsprechen; keine Leichtigkeit evozieren, weil sie den Charakteren schon nicht vergönnt ist, die den magischen Realismus eben auch nur als Vorwand ihrer verzweifelten Hoffnung wegen einsetzen. Natürlich sieht das trotzdem ansprechend kadriert und farbenfroh aus, wie die von Haus aus charmante Paarung von Gosling und Stone ohnehin schon schwärmerische Erwartungen ins Narrativ implantiert sowie teilweise erfüllt: Händchenhalten im Kinosaal, ein herrlicher Tanz über den Wolken, Wertschätzung des Jazz als universelle Sprache, gegenseitiges Unterstützen im pursuit of happiness (für sie: ein eigenes Theaterstück; für ihn: eine eigene Bar). Je näher man aber an die jeweiligen Ziele herankommt, desto unausweichlicher findet die Distanz vom spielerischen Liebäugeln à la Demy statt, das im Grunde nun eher der Prämisse sowie den Konflikten von Billy Crystals semi-spießigen „Forget Paris“ folge leistet. Dort hieß es dann auch: Zusammen glücklich in unterschiedlichen Karrierezweigen, mit dem Mann auf Tour und der Frau auf dem Weg in die Midlife Crisis – kann das funktionieren oder ist es zum Scheitern verurteilt? Für eine Weile glaubt man, dass Chazelle jenem Versagen Paroli bieten will und das Unbehagen im Weiterkommen Sebastians stilisiert, welcher für die Band „The Messengers“ via John Legend die gefühlt übelste Neuerfindung des Jazz anspielen muss. Das untermauert wiederum aufs Äußerste seine wie Chazelles Hinwendung zur puren Kunst, dass selbst Mia entsetzt die Lauscher aufstellt. Selbst sobald sich die Wege unseres Paares im Streit trennen, hilft er ihr trotzdem noch aus, mit ihrem Talent in der A-Liga der Schauspielerei anzukommen, wofür auch eines der schönsten Stücke im Sturm und Drang für die Künstler, Revoluzzer und Träumer dieser Welt von Frau Stone vorgetragen wird. Genauso selbstverständlich und abgeklärt, beinahe entmenschlicht und eigentlich auch ohne stimmige Motivation, einigt man sich sodann aber darauf, dass jeder fortan für sich selbst ohne den Anderen sorgen wird.


Jahre später steckt der Wehmut zwar noch in den Knochen und verliert sich zum Abschied nochmals vollends in die grandiosen Fantasien, die uns Kino bietet und erfüllen kann - allerdings endet Chazelle dann doch auf einer Note, die unbefriedigend in die Realität entlassen will, um die Grenzen zwischen Illusion und Desillusionierung klar zu stellen. Hauptsache, die Karriere stimmt, ganz gleich, wie erbarmungslos der Verzicht aufs Glück eben jenes schon im Kopfkino zerreißt. Insgesamt verhält es sich mit diesem Film, wie es einem schon (um entsprechend bei klassischen Beispielen des frühen Hollywood zu bleiben) mit der Ayn-Rand-Verfilmung „Ein Mann wie Sprengstoff“ ging: Die Inszenierung unternimmt durchweg großartige Gefühlsveräußerungen in Optik, Spiel, Musik und schierer Dynamik, die innewohnende Ideologie - mit ihrem unbedingten Ehrgeiz von der Bindung wahrer Liebe weg - bleibt jedoch so unnahbar wie sie schon durch kalkulierte Charakterfolien befremdlich wirkt. Bei Rand war immerhin von Fortschritt und neuen Kunstformen die Rede, hier wird’s hingegen so hardcore ewiggestrig, dass Sebastians Urteil über Mia, sie sei ein Baby, genauso gut auf ihn zurückfällt; überhaupt auf eine Generation an Millennials, die teils überheblich hip auf Retro schwört und sich dennoch über den regressiven Trump aufregt. Gehören wir nicht alle irgendwie dazu? Chazelle lässt seinen (ganz gleich, ob so gewollten) Film als Repräsentation des Zeitgeists ganz interessant aufschlagen, wie widersprüchlich sich der Bezug zu seinen Idealen und dem Verständnis über die heiß geliebte Leinwand hinaus ergibt. Das Paradoxe und Irrationale im alltäglichen Umgang werden schließlich ohnehin mehr und mehr zum Mainstream, positiv bis negativ das Phänomen einer Ära an Ungewissheiten oder gefühlten Wahrheiten links wie rechts, die sich selbst in der Traumfabrik Hollywood nicht mehr einzuleben verstehen scheint, so sehnlichst der Wunsch danach auch nach draußen dringt.


Problematisch ist bei Chazelle dann allerdings das ultimative Einverständnis zur Entsagung, das sich mit den Verhältnissen zufriedengibt, obwohl das Herz blutet, als lebe man noch in Melodramen der vierziger Jahre. Nostalgie ist je nach Kontext eben auch nicht einwandfrei, erst recht bittersüß, wenn sich ein Chazelle am Zwang dazu verausgabt. Ironischerweise bleibt es allerdings spannend, was danach, jenseits wie mitten im „La La Land“, noch als Filmemacher aus ihm wird.


5 von 10 blauen Abendkleidern



vom Witte

20th Century Fox hat uns erste Eindrücke ihrer Blockbuster 2017 gegeben

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Vor allen anderen etwas zu sehen: Das ist der Reiz, den sich jeder bei der Erwähnung von Pressevorführungen, Sneak Previews und allerlei vorstellen mag, insbesondere wenn in heutiger Zeit jeder Trailer, selbst dessen Schnipsel, aufs Energischste per Social Media erwartet sowie daraufhin auseinandergenommen werden. Mit jenem gemeinsamen Nenner des Geltungsdrangs unter Filmfreunden, in etwa vom Schulhof binnen des Videobooms der 80er und 90er Jahre ins Hier und Jetzt herüber gerettet, ist ein derartiger Zugang inzwischen leichter geworden, doch manche Geheimnisse sind so geheim, dass man sich besonders cool vorkommt, wenn man die anvertrauten Informationen als Wissender nur Stück für Stück durchsickern lassen soll. In diesem Sinne bot sich mir eine besonders teuflische Gelegenheit fürs Ego an, da ich zum Fox Footage Preview Event, also der Vorschau fürs Kinoprogramm der 20th Century Fox im Jahre 2017, eingeladen wurde. Es muss natürlich zudem erwähnt werden, dass man als Pressevertreter dazu vielerlei Auflagen und Sperrfristen erfüllen muss, die jegliche Nennung „inhaltlicher Details“ verbieten, was den Charakter eines Geheimbundes erst recht komplettiert, doch nichtsdestotrotz soll es mir eine besondere Freude sein, einige erste Eindrücke loszuwerden und interpretativ zu spekulieren. Das Event lief knapp zwei Stunden und stellte vier Filme vor, von denen drei zu diesem Zeitpunkt schon öffentlich bekanntgegeben werden dürfen: Gore Verbinskis „A Cure for Wellness“, „Planet der Affen: Survival“ von Matt Reeves sowie Ridley Scotts „Alien: Covenant“.


Vor allem die zwei letztgenannten Titel, auf den Schwingen des jeweils eingebürgerten Franchise gestemmt, sind natürlich die Kasse machenden Aushängeschilder schlechthin, allerdings hatte ausgerechnet „A Cure for Wellness“ in einer satten 30-Minuten-Einführung für reife Begeisterung gesorgt - ein Kandidat aus eher unscheinbarer Ecke, der Regisseur Verbinski knapp 15 Jahre nach „The Ring“ wieder in die Arme des Horror-Genres führt. Dass die Angelegenheit aller Wahrscheinlichkeit nach mit R-Rating daherkommt, ist schon ein guter Vorgeschmack auf die allgemeine Unbefangenheit des gesamten Quartetts an Filmen, das sich auf die Tiefen der menschlichen Natur, Kriege, Monster und CGI-Kreaturen mit Herz/blutig ins Herz bohrend, vorbereitet – selbst wenn der Beschützerinstinkt in allen Produktionen ebenso zum Repertoire gehört, wie sich am öffentlich zugänglichen Promomaterial aller erkennen lässt. Bei der „Cure“ ergab sich insofern schon ein virtuoses Spiel an Genre-Topoi und psychischen Tälern, das im Tunnelblick des Kapitalismus auf eine gnadenlos verdichtete Satire kühler Kalkulation einfährt, sodann bei einem zwielichtigen Zauberberg Halt macht, der voll klassischer Gotik bezeichnenderweise Mia Goth oben voranstellt. Spannungsphasen voll finsterer Ecken und geschwenkter Perspektiven laufen dann auch weniger nach klassischem Muster ab, laden Dane DeHaan eher mit einer Kohärenz zum Entdecken des psychischen Schocks und gesellschaftlichen Abstands ein, dass jede Perversion irdischer Heilung möglich scheint. Da scheint sich ein Höllenschlund zu öffnen, der dem Kern der Welt nur wenig Vertrauen schenkt, dem Nukleus des verlorenen Menschen binnen einer ungewissen Ära aber immerhin einen Halt im schrägen wie Genre-bewussten Nervenkitzel gibt.


Dem etwas überhypten Matt Reeves sei Dank soll es auch bei den Affen wieder derart diffus weitergehen, doch „Planet der Affen: Survival“ geht bislang nicht viel mehr über den Status einer Showreel an Motion-Capture-Technik hinaus, wenn man dazu das narrative Spektrum betrachtet, von dem ich ja nichts berichten darf, obgleich sich dieses bestimmt einigermaßen vom bereits erschienenen Trailer zusammenreimen ließe. Es sind natürlich Feinheiten auszumachen, die reinforcieren, dass die Technik hinter der Wahrhaftigkeit jener digitalen Primatenbrut unter Caesar (Andy Serkis) nichts ohne das Geschick seiner Darsteller wäre; auch wie langwierig der Prozess der Vollständigkeit am Effekt wiegt, da wir ja im Rahmen einer Vorschau für gewöhnlich unfertiges Material zu Gesicht bekommen, die Grenzen aber mehr und mehr verschwimmen. Die Anerkennung des technischen Fortschritts, mit dem Kino näher an der Realität, also auch solche einer Sci-Fi-Fantasy zu sein, ist wichtig, doch vielleicht etwas redundant, wenn denn unter Umständen zum dritten Mal hintereinander aufs Ausspielen des Menschen-/Menschenaffen-Konflikts geschaut wird, der seine Wut sowie Fehler und Gründe derer anzuerkennen versucht, um aller Wahrscheinlichkeit erneut eine latente Hoffnung zwischen den Extremen im Herzen des Einzelnen zu finden. Repetition hat die ursprüngliche Reihe (1968 - 1973) dazumal ähnlich versiegen lassen und mit einem menschlichen Kern wie Woody Harrelson als Oberräude in Camouflage rücken die Kontraste der Identifikation bestimmt nicht unerheblich in den Hintergrund, während das digitale Spektakel zwischen Versöhnung und Überdruss pendelt.


Wie hingegen der erste 10-Minuten-Auftritt von „Alien: Covenant“ einzuschätzen ist, tja, das ist mal eine Nummer! Entweder gestaltet sich das Endprodukt als Vollkatastrophe für Puristen, die sich von Ridley Scotts zweiter Rückkehr zur Reihe ein Maximum an erhabener Ehrfurcht erhofft hatten oder es wird im relativ ernstbefreiten Funsplatter nach Art der „Feast“-Reihe John Gulagers als sinnige Fortsetzung zur Lachbombe „Alien - Die Wiedergeburt“ erklärt. Die Grundlage macht sich jedenfalls im planetarischen Raum so malerisch breit, wie der Retro-Charme verlebtes Interieur und verschwitztes Personal mit der Handkamera auffängt, während ein Ensemble an Kerlen wie eine Hafennutte flucht und einige adrette Namen der gegenwärtigen Indie-Szene mindestens ebenbürtige Kernigkeit versprechen. Katherine Waterston! Amy Seimetz! Danny McBride! Michael Fassbender! Billy Crudup? Herrgott, was lässt sich daraus nur machen? Nun, was wir bis hierhin gesehen haben, verspricht durchaus Atemlosigkeit, aber wie schon bei „Prometheus“ nicht unbedingt ein Inferno psychologischer Meisterklassen zur Furcht, sondern eben eine Kanonade blutiger Einfälle, in der Scott die Ballung weiblicher Inkompetenz im Vergleich zum Vorgänger scheinbar als bewussten Gag steigert, wohl aber auch sonst nicht auf wissenschaftliche Kompetenzen setzt. Das sah inszenatorisch recht roh und freizügig aus, holte sogar einen goldigen Kuleschow-Effekt aus Fassbender heraus, doch bis jetzt schwanken die Stimmungen des Ganzen noch ordentlich hin und her, welchen der obengenannten Wege „Covenant“ vermutlich einnehmen wird. Mindestens eine Szene wies dann überraschenderweise auf ein Grundgefühl hin, das wir 2017 wohl des Öfteren beherzigen müssen.


Es ist doch so: Filme entsprechen immer ein Stück weit der Ära, in welcher sie produziert werden - jene Wechselwirkung vom Zeitgeist aus ist nicht von der Hand zu weisen und umso wertvoller, je exemplarischer ein Werk Grundgefühle und Widersprüche dieser in sich vereint. Ganz gleich, ob man es nun positiv oder negativ bewerten will, besitzt das kontemporäre Blockbuster-Kino eben einen enormen Stellenwert für solch eine Repräsentation und hat meistens auch politischen Sprengstoff in seinen Zeilen parat, die in diesem Fall mit der Reaktivierung uralter Markennamen schon vom gegenwärtigen Klima zeugen: Die Nostalgie lädt ein, die Konfrontation zum desolaten Echo unserer selbst in einer anbahnenden Kultur der Regression zu suchen, mit verwurzelten Werten anzuknüpfen, doch Feinden aus den eigenen Reihen oder unbekannten Dimensionen zu begegnen. Da lautet das übergreifende Narrativ: Bitte an alles erinnern und mit den brutalsten Waffen ausstatten, bevor alles unvermeidlich endet. Alle Welten sind hier schon Albträume, ihre Protagonisten und Antagonisten zum Durchsetzen eines höchst vagen Ziels auf Kriegsfuß mit humanistischer Moral und doch so in Furcht gebettet, dass sie einem Leid tun, auch wenn sie in ihrer beinahe nur noch diplomatischen Pflicht zur Hoffnung mit den Tränen kämpfen. Der vierte Film im Bunde, welcher hier noch unbekannt verbleiben muss, beherbergt trotz der Verinnerlichung aller Maxime seiner Kollegen allerdings am ehesten noch das Phantom einer Zukunft, mit der man sich arrangieren könnte, die einen Aufschwung ins wahre Ziel des Überlebens unternimmt und bodenständig am Menschen as he is nachfühlt, obgleich die Gewalt da erst recht auf die Spitze getrieben wird. Das Kino radikalisiert sich und ausgerechnet Fox will sich da offenbar was trauen, aus dem Stand der Stagnation heraus in der Hölle und wieder zurück zum Glück zu landen – auch wenn Blut, Blei und Hirn völlig gaga-digital in der Perma-Attacke ausleiern. Was man nicht alles im Geheimbund so lernen kann...

vom Witte

Review: ARRIVAL – Interstellar 2.0?

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Fakten:
Arrival
US. 2016. Regie: Denis Villeneuve. Buch: Eric Heisserer, Ted Chiang (Vorlage). Mit: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Mark O’Brien, Tzi Ma u.a. Länge: 117 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Im Kino.


Story:
Zwölf mysteriöse Raumschiffe landen zeitgleich in unterschiedlichen Regionen der Welt. Ihre Besatzung und deren Intension – ein Rätsel. Um globale Paranoia und einen potentiellen Krieg zu verhindern, soll ein Elite-Team um die Linguistin Louise Banks und den Mathematiker Ian Donnelly im Auftrag des Militärs Kontakt herstellen. Doch das unermüdliche Streben nach Antworten gerät bald zum Rennen gegen die Zeit – die eigene und die der gesamten Menschheit. 




Meinung:
Es scheint langsam zu einer jährlichen Tradition heranzureifen, dass man in den letzten Monaten des Jahres ins Kino pilgert um das neue Werk von Denis Villeneuve zu bestaunen. Überschwängliches Lob und eindrucksvolle Momente aus dem Trailer im Schlepptau erhofft man sich großes von dem Mann, der nächstes Jahr das Erbe von Blade Runner antreten darf und muss. Kam man in den letzten Jahren noch etwas ernüchternd aus dem Kino, weil unter der Fassade der Filme weit weniger schlummerte als zunächst vermutet, so darf man bei Arrival beruhigt aufatmen. Villeneuves bester Film seit Incendies lässt einiges für nächstes Jahr erwarten – und das obwohl auch gegen Ende wieder typische Probleme des Filmemachers auf den Plan treten.


Jemand Zuhause?
In Arrival geht es sogar in zweifacher Hinsicht um Kommunikation. Zunächst auf kleinerer Ebene um das reine Verstehen, um die Kontaktaufnahme und das Verständnis zweier Individuen – später um Diplomatie, Kompromisse und Vertrauen, um die Fähigkeit die eigenen Bedürfnisse in Hinblick eines übergeordneten Ziels zurückzustellen. Seinen Reiz entfacht der Film jedoch nicht nur dann, wenn beide Arten der Kommunikation letztlich an ihre Grenzen stoßen und diese nur durch die Leistung eines Einzelnen überschritten werden können, sondern auch in der denunzierten Betrachtung, die er der Herbeiführung dieser Prozesse entgegenbringt. Mit der Tradition des Science-Fiction-Films vor Augen ist es bemerkenswert wie Denis Villeneuve die Ankunft Außerirdischer nicht schleunigst in ein Kriegsszenario überführt, sondern vor allem den Konflikt unterhalb der Menschheit durch die mögliche Bedrohung des Ungewissen nährt. Im emotionalen Fahrwasser von Interstellar bindet auch Arrival das Schicksal der Menschheit an den inneren Konflikt seiner Hauptperson und findet so genreuntypische Regionen zum Verhandeln seiner Konflikte. In weitestgehend ruhigen Tönen fasziniert der Film vor allem dann, wenn er jedwede Hektik fallen lässt und sich mit ehrlicher Neugierde den Möglichkeiten von Kommunikation und dem Erforschen des Unbekannten widmet. Eine Zuspitzung der Ereignisse, wie sie uns Arrival gegen Ende präsentiert, hätte es in dieser expliziten Form zwar nicht gebraucht, aber die vorangegangene Begeisterung kann auch davon nur leicht gedämpft werden.


Leider krankt auch Arrival hier und da an kleineren Symptomen, die Hollywoodproduktionen beinahe zwangsweiße mit sich führen. Über ein klassisches Feindbild (Russland und China, also der böse Kommunismus) und etwaige ethnologische Klischees kann sich auch Villeneuve nicht erheben und so sind es vor allem Notlösungen wie die arg simplifizierte Konfliktauflösung gegen Ende, die zu kleineren Abstrichen führen. Nichtsdestotrotz ist Arrival Kino für die Sinne und das Herz, ein Film, der für grenzensprengenden Zusammenhalt plädiert und damit in unserer heutigen Zeit essentiell ist, obgleich sich hinter den bombastischen Bildern weniger verbirgt als dem Zuschauer zunächst vorgemacht wird.


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Review: DIE UNFASSBAREN 2 – Müder Budenzauber ohne Überwältungseffekt

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Fakten:
Die Unfassbaren 2 (Now You See Me 2)
USA, CH, CA, GB, 2016. Regie: Jon M. Chu. Buch: Ed Solomon, Peter Chiarelli. Mit: Jesse Eisenberg, Mark Ruffalo, Woody Harrelson, Dave Franco, Daniel Radcliffe, Lizzy Caplan, Michael Caine, Morgan Freeman, Jay Chou, Sanaa Lathan u.a. Länge: 129 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Ab 27. Dezember 2016 auf DVD und Blu-ray erhältlich..


Story:
Ein Jahr ist vergangen, seit die Unfassbaren das FBI überlistet und ihrem Publikum mit unglaublichen Magie-Darbietungen zu einem unverhofften Geldsegen verholfen haben. Noch immer vom FBI verfolgt, betreten sie nun nicht ganz freiwillig wieder die große Bühne. Zusammen mit der mysteriösen Lula, die sich ihnen anschließt, treffen sie auf den undurchsichtigen Walter Mabry. Das technische Wunderkind hat ganz eigene Vorstellungen von einem gelungenen Zaubertrick und verfolgt einen perfiden Plan. Was die Vier nicht wissen: Mabry ist der Ziehsohn von Arthur Tressler, der mit den "Vier Reitern" noch eine Rechnung offen hat. Und auch Thaddeus Bradley, ein alter Bekannter der Unfassbaren und Meister der Zauberkunst, zieht im Hintergrund seine Fäden. Jetzt müssen die Magier ihr gesamtes Können aufbieten, um ein rettendes Ass aus dem Ärmel zu ziehen...

                                                                               

Meinung:
Wer hätte schon ernsthaft damit rechnen können, dass „Die Unfassbaren – Now You See Me“ zu einem der größten kommerziellen Hits des Kinojahres 2013 avancieren wird? Wohl niemand, denn schließlich hat sich inzwischen die despektierliche Annahme im kollektiven Bewusstsein verhärtet, dass die Zauberei ein nunmehr aussterbendes Gewerbe darstellt und niemand mehr die Bereitschaft dahingehend aufbringt, sich im Gegenzug von einigen Münzen und etwas Geduld hinter das Licht führen zu lassen. Unsere Gesellschaft ist so schnelllebig wie kurzatmig, die Menschen wollen Antworten – und wenn sie diese nicht bekommen, wird sich eben vergrämt abgewendet und die nächstbeste Suchmaschine auf dem Smartphone bemüht. „Kampf der Titanen“-Regisseur Louis Leterrier jedoch scheint einen Nerv getroffen zu haben und die motivischen Hybridisierung aus Gerechtigkeit und Bombast trug Früchte: Einer Trilogie jedenfalls wurde nach den beachtlichen Box-Office-Ergebnissen überhastet grünes Licht gegeben.


Alte Gesichter, neue Tricks?
Das bittere Erwachen folgt nun schon mit „Die Unfassbaren 2“, der ersten Fortsetzung, bei der Louis Leterrier den Regieposten für Jon M. Chu geräumt hat, einem Filmemacher, der sich mit zwei Justin-Bieber-Dokumentationen und „G.I. Joe – Die Abrechnung“ nun nicht gerade in den Vordergrund hat spielen können. Nun, wenngleich „Die Unfassbaren – Now You See Me“ kein Blockbuster gewesen sein mag, der in die Annalen der Filmgeschichte eingehen wird, hat Leterrier doch sein Gespür für eskapistische Popcornunterhaltung bewiesen und eine mal temporeiche, oft aber doch viel zu hektische Zaubershow inszeniert, die zum einen immerhin ihre Laufzeit von knappen zwei Stunden auszunutzen wusste und sich auf der anderen Seite auf ein spielfreudiges Ensemble verlassen konnte. Mit „Die Unfassbaren 2“ tritt nun die altbekannte Übersättigung auf. Sicherlich harmonieren Jesse Eisenberg, Woody Harrelson, Dave Franco und Lizzy Caplan, die Isla Fisher ersetzt, nach wie vor, das Showgetriebe aber lässt jedwede Vitalität im Räderwerk vermissen.


Wenn einer was von Zauberei versteht, dann der Herr in der Mitte.
In erster Linie wird dieser unverkennbare Ermüdungsfaktor wohl auch damit zusammenhängen, dass „Die Unfassbaren – Now You See Me“ sein gesamtes Potenzial schon im ersten Anlauf verschossen hat. Das Instrument der Irreführung war die Hingabe des Zuschauers, der sich auf das Geschehen eingelassen hat, weil der Film – wenn auch auf einem sehr simplistischen Level – ein Vexierspiel mit dem Zuschauer auszufechten wusste, bevor er sich hinten raus einer recht drögen Twist-and-Turn-Dramaturgie unterordnete. „Die Unfassbaren 2“ weiß nicht, wie er seinen Vorgänger überbieten soll und stürzt sich auf den kleinsten Nenner: Die hypertrophe Effekthascherei. Die Illusionisten, Hypnotiseure und Mentalisten werden schlicht in logistisch aufwendigere (respektive physikalisch unmöglichere) Zaubertricks involviert und dürfen sich, so schreibt es der Ehrenkodex der Wundertäter nun mal vor, als magische Nachfahren von Robin Hood nun darum kümmern, ökonomischen Schandtaten und unseligen Marktkorrekturen Einhalt zu gewähren. Als Zuschauer allerdings quittiert man die großangelegten Täuschungsmanöver zuvorderst mit einer Geste: Dem Schulterzucken.


Jon M. Chu und Drehbuchautor Ed Solomon („Men in Black“) aber bringen den Narrativmoter nicht nur beizeiten zum Stottern – sie würgen ihn komplett ab, was das das müde Abgrasen von Finten und der dazugehörigen Enthüllung dementsprechend enervierend gestaltet. Man muss sich „Die Unfassbaren 2“ als einen jener beliebigen Zaubertricks vorstellen, am besten führt man an dieser Stelle das Beispiel mit dem weißen Kaninchen und dem Zylinder an: „Die Unfassbaren 2“ beruft sich nicht auf alte Tugenden, denn anstatt zweimal auf den (augenscheinlich leeren) Zylinder zu klopfen und den Mümmelmann anschließend aus dem Inneren des Zylinders zu ziehen, ist der Film vollkommen hohl und erwartet von seiner Zuschauerschaft, dass sie sich an der Gestaltung des Zylinders erfreut, weil dieser ja, wahrscheinlich, mit jeder Menge glitzernder Steinchen dekoriert wurde. Es ist nicht mehr nur die Täuschung, denn dafür müsste eine List erfolgen – es ist nur noch ein Ausverkauf von erfolgreichen Versatzstücken, welcher diesem unkoordinierten Plastikkino jeden Funken Charme verleidet.

3 von 10 Anbiederungen an den chinesischen Markt

von Souli

ASSASSIN'S CREED - Justin Kurzels von Gewalt und Sterblichkeit besessener Blockbuster

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Fakten:
Assassin's Creed
USA. 2016. Regie: Justin Kurzel. Buch: Bill Collage, Adam Cooper, Michael Lesslie. Mit: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Jeremy Irons, Brendan Gleeson, Charlotte Rampling, Michael Kenneth Williams, Denis Ménochet, Ariane Labed, Khalid Abdalla, Essie Davis, Matias Padin, Callum Turner, Carlos Bardem, Javier Gutiérrez, Hovik Keuchkerian, Crystal Clarke uvm. Länge: 148 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 27. Dezember 2016 im Kinol


Story:
Mit einer revolutionären Technologie, die seine genetischen Erinnerungen entschlüsselt, erlebt Callum Lynch (Michael Fassbender) die Abenteuer seines Vorfahren Aguilar im Spanien des 15. Jahrhunderts. Callum erkennt, dass er von einem mysteriösen Geheimbund, den Assassinen, abstammt und sammelt unglaubliches Wissen und Fähigkeiten, um sich dem unterdrückenden und mächtigen Templerorden in der Gegenwart entgegenzustellen.




Kritik:
Wer für einen Film von Justin Kurzel bezahlt, bekommt auch einen Film von Justin Kurzel geliefert. Ganz gleich, ob man nun eine Neuverfilmung von „Macbeth“ oder eine Adaption der Videospielreihe „Assassin's Creed“ besucht und bekannte Erzählmuster erwartet: In diesen beweist sich so oder so jener Australier, welcher einen anhand seiner „Morde von Snowtown“ in den Schlund der Gewalt trieb und unterkühlte Analysen dessen mit Charakteren versuchte, die weniger Sympathieträger als menschliche Monster waren, schlicht gefangen im Zyklus eines von außerhalb vergessenen Daseins, der gegenseitigen Zerfleischung überlassen. Genau die Art emotionale Zermürbung, mit Höchstwerten im befremdlich schön-hässlichen Stilexzess, ist nun also auch in seiner Interpretation des oben genannten Ubisoft-Franchise omnipräsent, für welches er erneut seine „Macbeth“-Hauptdarsteller Michael Fassbender und Marion Cotillard gewinnen konnte und von außen hin glauben lässt, dass ein regulärer Blockbuster zu Weihnachten ins Kino einlädt. Auch wenn das Gros an Schauwerten und inhaltlichen Topoi berechenbar geradlinig ausfällt, wird man selten so wie hier vom Nihilismus zerbombt, mit permanent finsterer Brutalität konfrontiert, die via 130-Millionen-Dollar-Budget ein Abbild an Jahrhunderten nebeneinander stellt, welche sich an Unterdrückung nichts schenken und von sich aus auch ausnahmslos in jener Manier repräsentiert werden. Entsättigt und voll harter Kontraste im Farbspektrum, mit dem seelenzerschmetternd lauten Soundtrack von Jed Kurzel auf Terrortrieb eingestellt, lässt der Adler der Ewigkeit seinen Blick auf Generationen an Assassinen fallen, die im Spanien des 15. Jahrhunderts stilecht per Muttersprache um den Einfluss der Inquisition fürchten und somit ihren Geheimbund zum Morden einschwören, die Wurzel des freien Willen im Menschen zu beschützen (= ein Apfel aus dem Garten Eden), was sich sodann im abgefuckten Leben von Blutsnachkomme Callum Lynch (Fassbender) fortsetzt.


Der hat als Kind schon reichlich Schrammen im Parkour inklusive Bike abgefangen, gleichsam ein Drama innerhalb der Familie mitgekriegt, das in furchteinflößender Mechanik die Klinge ausstreckt, vom Kodex des Tötens und Sterbens murmelt, dass er in seiner Verzweiflung und Wut zwangsweise verstoßen wird, bis er 30 Jahre später nun schließlich im Todestrakt enden soll. Als Zuschauer glaubt man, den Tod gleich mit zu empfangen, so wie Kurzel jede schleichende Ahnung mit der Kamera akzentuiert, die Gefahr in der Stille des Einzelnen mit krassen Knalleffekten aufzeichnet und natürlich mit Blut wie Leichen an unsere Vergänglichkeit erinnert. Seine Vision zieht er bis in die Todeszelle durch, wo Lynch das Empfangen seiner Sterblichkeit fürchten muss, was jedoch als eine der wenigen Instanzen gewertet werden kann, in denen Kurzel Empathie evoziert. Laut eigener Aussage hat man es eben mit einem Gewalttäter zu tun, der sein Leben lang Angst und Schrecken lebt, was auch so reinforciert wird, als möchte man Zack Snyder Konkurrenz machen. Denn was erwartet ihn/uns im Nachleben? Eine Gefangenschaft als Versuchsobjekt im geheimnisvollen Animus, einer Technologie mit Pseudo-Nazi-Symbol oben drauf, anhand derer Dr. Sophia Rikken (Cotillard) sowie ihr Vater Alan (Jeremy Irons) den Probanden mental durch die Erinnerungen seiner Vorfahren schleusen, um das Eden-Macguffin aufzufinden sowie das Ende der Gewalt im Abtöten der Individualität zu erwirken. Die Motive sind solch widersprüchlicher Logik untergeordnet wie ihre jeweiligen Parteien auch von der Inszenierung nicht eindeutig identifiziert werden können. Sie landen ihrer selbst willen ambivalent im Diskurs an Grautönen und menschlichen Unvermeidlichkeiten, während man Callum die kargen Flure entlang tritt und schleift, auf dass er sofort ohne Vorbereitung in die Medieval-Matrix eingesteckt gehört – wohlgemerkt nachdem man ihm bei der ersten Flucht dazu angestiftet hat, Selbstmord zu wagen.


Nun klingt das schon an sich trist und grimmig genug, doch das Prozedere geht dafür noch mit einem Druck voran, den man sich wie eine morbide Variante der „Fury Road“ vorstellen muss, nur dass Kurzel noch weit chaotischer mit Actionszenen hantiert. So begibt er sich also ins Wechselspiel der Vergangenheit und Gegenwart, welches durchaus repetitiv, unkonzentriert und gleichförmig zum Schluss der Schicksalsanerkennung kommt, bis dahin jedoch von einer konsequenten Atmosphäre profitiert, die optische Leckerbissen vom Schmerz der Weltgeschichte sowie ein Charakterspektrum liefert, das in seiner Rohheit einen ehrfürchtigen Biss vorweisen kann – ganz zu schweigen davon, dass dieses währenddessen noch von Geistern des Gewissens drangsaliert wird. In den besten Momenten jener Probe/Psychose der (Seelen-)Gefangenschaft entsteht daraus eine intime Pein, die wirklicher nachhallt, als es eine Videospielverfilmung von dem Format normalerweise verdient hätte. Gleichsam wenig bleibt von den sonstigen Werten des Menschsein hängen, wenn auch noch die mittelalterliche Zone in atemberaubenden Kameraflügen über dem Ekel des religiösen Krieges schwebt, verbrannte Leichen und dogmatische Unbarmherzigkeit vor den Latz knallt, dass ständig mit dem Schlimmsten gerechnet werden muss. Das ist nicht fern von damaliger Realität und nicht minder immersiv à la „Es ist schwer, ein Gott zu sein“, aber eben auch auf Extreme fokussiert, die sich selbst jeden Raum zur Differenzierung nehmen. Wenn im kakophonischen Fieber dann noch die Akrobatik der Assassine zur Unterhaltung einladen soll, ist es wahrscheinlich schon zu spät, so wie der Film die Permanenz leidenden Daseins ballt und die Gegenwehr dazu hingegen im geschulten Totschlag findet. Sophia ist da als Mittler noch am Ehesten moralisch zwischen den Stühlen, wie sich auch Callum/sein Vorfahre Aguilar an ihr mit der Notwendigkeit der Gnade befassen will.


Doch deren Befreiung geschieht eher aus der Erkenntnis, dass die Machtlosigkeit gegenüber falschen oder fehlenden Götzen nur vorübergehend besteht, sobald sich das Kollektiv der Assassinen als geistig verbundene Schläfer entpuppt und über die Dimensionen des Seins hinweg mit der Pflicht meuchelnder Gerechtigkeit anbandelt. Gut, dass man das als Zuschauer (abgesehen von kleinen Edgelords im Publikum) nicht allzu heroisch empfangen kann, schließlich kommt jene Machtfantasie mit einer Drastik zum Ausbruch, die Helden und Bösewichte gleichermaßen brachial erscheinen lässt, dem Protagonisten die Worte „Nicht jeder verdient es, zu leben.“ in den Mund legt und Sophia erschüttert zurück lässt. Bei solch einer Kompromisslosigkeit bleibt aber auch sonst manch gemeinsamer Nenner auf der Strecke, wenn das Spektakel in seinem von Gewalt abhängigen Weltbild doch noch dem narrativen Konsens angeheftet bleiben will, ohne entsprechende Kontraste an Ethik herauszuheben. Vage zu bleiben und von dort aus nicht weiter greifen zu wollen, ist irgendwann eben nicht mehr genug. Selbst in der Verquickung der Gezeiten regiert der Ist-Zustand, Reflexionen zum Gewesenen offenbaren lediglich veränderte Konstellationen der Gewalt oder eben den Bezug zum Macguffin, was den Film trotz seiner Intensität an zwischenmenschlicher Spannung der Belanglosigkeit anfällig macht, ihn mehrmals um sich selbst drehen und seine Darsteller energisch wie verbraucht zugleich erscheinen lässt. Einige starke Ansätze zum Verständnis untereinander tauchen da noch bereichernd auf, doch für solche Spitzen der Gänsehaut hat man einiges an konzeptionell ungenauem Frust abzuarbeiten. Die Ambition zum Stil als Unikum im Franchise-Modell ist da also gewiss keine Todsünde und hebt Kurzels nihilistisches Manifest eindeutig von der Masse heraus, doch mit dem Stempel durchweg harter Wahrhaftigkeiten ist noch lange kein vollständiges Gesamtwerk gegeben.


6 von 10 harschen Klingensounds

vom Witte