Fakten:
Hacksaw Ridge
USA. 2016. Regie: Mel Gibson. Buch:
Andrew Knight, Robert Schenkkan. Mit: Andrew Garfield, Richard Pyros,
Jacob Warner, Milo Gibson, Darcy Bryce, Roman Guerriero, James
Lugton, Kasia Stelmach, Hugo Weaving, Rachel Griffiths, Jarin Towney,
Tim McGarry, Tyler Coppin, Teresa Palmer, Richard Pratt, Nathaniel
Buzolic uvm. Läng: 133 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab
dem 26. Januar 2016 im Kino.
Story:
Hacksaw Ridge spielt zu Zeiten des
Zweiten Weltkrieges. Die Vereinigten Staaten kämpfen nicht nur an
der europäischen Front, sondern auch im Pazifik rund um Japan. Unter
den jungen eingezogenen Männern, die auf den nördlichen Teil der
japanischen Insel geschickt werden, ist auch Desmond T. Doss (Andrew
Garfield). Er macht sich während der Kämpfe als Sanitäter im 77.
Regiment der 307. Infanterie als einer von vielen Soldaten verdient.
Doch eines macht Doss zu etwas Besonderem: Er trägt keine Waffe bei
sich. Auch wenn sein eigenes Leben bedroht ist, weigert er sich, das
Leben eines anderen Menschen zu nehmen.
Meinung:
Nun ja, ist ja nichts Neues, dass die
Filmfestspiele in Venedig auf blutgeile Propaganda stehen. Als es in
jüngsten Kritikerzirkeln oder eben auch auf Seiten wie
Rottentomatoes hieß, dass Mel Gibson mit seiner
aktuellen Regiearbeit „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“
ein Jahrzehnt nach „Apocalypto“
eine mordsmäßige Rehabilitierung einheimsen würde, war zumindest
das Mordsmäßige daran nicht gelogen. Seit jeher geblieben sind bei
ihm nämlich vor allem der unverbesserliche Hang zum Pathos und zur
katholischen Allegorie im Blutvergießen, gebettet in ein Weltbild
vom Dasein im Schlachten, stets energisch zwischen Gut und Böse
aufgeteilt, bei denen die vagen Grauzonen nur noch für extrem
verzweifelte Apologeten Gewicht haben können, während mindestens
eine Gesellschaftsgruppe wieder verprellt wird. Interessant ist
dabei, dass Gibsons neuer Film in einer Zeit spielt, die Extreme für
selbstverständlicher hielt, eben im zweiten Weltkrieg vom guten
Amerika aus die Werte der freien Welt gegen das Grauen der
Achsenmächte verteidigte, in der Natur des Krieges daher auch für
Widersprüche bereit war, die dem Töten im demokratischen Auftrag
einen Freifahrtschein ausgaben. Genau diesem Widerspruch versucht der
Film anhand von Desmond Doss (Andrew Garfield) einen potenziellen
Diskurs zu bescheren, im Endeffekt formiert sich die Gestaltung zum
Narrativ selbst jedoch zum vollkommenen Widerspruch. Er schwärmt vom
Pazifismus und dem Gebot „Du sollst nicht töten“, scheint
diese ethischen Grundpfeiler aber nur als Vorwand aufzuspannen, ehe
er seine wahre Dynamik im aufgegeilten Gemetzel der
Militärmaschinerie ausspielt. Das Prozedere dorthin zeigt zumindest
insofern noch einen anpassungsfähigen Mel, da seine Einleitung schon
so formelhaft und austauschbar wie das Gros ähnlicher Filme
ausfällt, von Look und Sound her ebenso mühelos als kontemporärer
Standard vom Schlage „Unbroken“
gewertet werden kann. Selbst die unsäglich offensichtlichen
Greenscreen-Kulissen dieser Tage sind vertreten, wenn Drehort
Australien als Vereinigte Staaten oder später auch Japan herhalten
soll.
Die technische Routine darin ist
allenfalls noch solide genug wegzugucken, schließlich war ein Gibson
nie so virtuos wie es sein Fokus auf Schlachtengemälde manchmal
erscheinen lässt. Deshalb ist der Biopic-Baukasten vom
Einzelnen für die große Sache schnell gebastelt, um
gleichsam fix wie möglich zum Blut zu gelangen – und dafür muss
nicht mal Krieg herrschen. Die unmissverständliche Ader des
Filmemachers Gibson spritzt sich zeitgleich dazu aus, direkt auf den
Grabstein des Heldenfriedhofs, wo Blut und Boden zum
Veteranenschmerz gemoddet wird. Symbolik wird ohnehin ein großes wie
aufgeblähtes Stichwort in der Sprache des Films, mit der Gibson
Patrioten und Christen zugleich erreichen will, demnach sind die
einschneidenden Lebensmomente von Desmond Doss auch vom
Charakteraufbau mehr Momente als Leben, ein durch und
durch versimpeltes Melodram, das die Abneigung vor der Gewalt im vom
ersten Weltkrieg frustriert-traumatisierten Vater Tom (Hugo Weaving)
begründet, währenddessen aber auch wortwörtlich auf die
ausgestellten Gebote blickt. Das Drehbuch von Robert Schenkkan und
Andrew Knight (Autor des ähnlichen „Das
Versprechen eines Lebens“) bietet von den Dialogen her
zumindest die Fähigkeit, auf den Punkt zu kommen und im Rahmen der
Umstände auch ambitioniertes Schauspiel zu ermöglichen, doch
authentisch ist es nur insofern, wenn die Einfachheit des damaligen
Zeitgeists mit einberechnet, innerhalb des Schlachtfelds erst recht
fortgeführt wird. Vorher aber probiert der Film noch wie gehabt fürs
amerikanische Herzblut die Romantik zur Krankenschwester Dorothy
(Teresa Palmer), die Desmond ausgerechnet dann trifft, nachdem er
einem Verunglückten beim Ausbluten seiner Arterie nicht mehr zusehen
konnte, den Flirt mit ihr sodann mit Blutspenden kombiniert und jenes
Gespendete keck zurückverlangt, weil die gute Miss Schutte
sein Herz ja so verrückt spielen lässt. Ist er nicht ein drolliger
Naivling auf den Spuren von Forrest Gump? Oder eher: Romantisiert
Gibson einen Fetisch zum Aderlass?
Letzteres ist eine der spannenderen
Fragen im Zuge einer prekären Verantwortung, die der zweite
Weltkrieg bei Eintritt in die Handlung zur Debatte stellt, im Call
to Arms schon die Doss-Familie zu zersprengen droht, wenn der
Vater seine Söhne wegsterben zu sehen glaubt. Die Ängste sind
rechtens, die historische Relevanz des Kämpfens aber unbestritten,
so kriegt Gibson den Zuschauer ohne Weiteres auf seine Seite, was
natürlich dann streitbar wird, wenn der Kontext zur Gegenwart im
Grunde daraus interpretieren lässt: Wer eine PTBS aus Irak hinüber
getragen hat, muss dennoch einsehen, dass der IS mit allen Mitteln
und Opfern besiegt gehört. Gibsons Film bereitet uns (auch gemessen
am positiven Echo) vermutlich mehr auf die Zukunft der USA vor, als
manch objektiver Kritiker es wahrhaben will, wenn dieser auf die
Distanz im historischen Schauplatz hinweist. Gibson selbst baut
jedoch noch weitere, mehr oder weniger effektive Schutzmechanismen
ein, wenn sein Held humanitär agieren will und dafür hart gegen die
Riten des geläufigen Soldatenlebens anzukämpfen hat. Jenes Segment
darf sich als „Full Metal Jacket“-Faktor des Films
behaupten, endlich auch für längere Zeit die Musik von Rupert
Gregson-Williams abschalten, wenn mal nicht nach Art des
Veit-Harlan-Rührstücks „Immensee“ die Sehnsucht zur
Versprochenen aus der geschenkten Mini-Bibel heraus gekramt wird.
Ziemlich direkt wird daher die Brutalität im zwischenmenschlichen
Umgang präsentiert, wenn Drill Sergeant Howell (Vince Vaughn!) schon
bei der Auswahl der Spitznamen seiner Rekruten (u.a.: Ghoul,
Private Idiot, Chief) Hass, Machtspiele und Rassismus
ausruft, zudem gegen die religiösen Belange Desmonds konspiriert,
keine Waffe anfassen zu wollen. Dessen permanente Stärke zum Erhalt
der Werte - im Angesicht zur Bürokratie sowie drangsalierenden
Mitstreitern, welche ungefragt den Regeln des Krieges ergeben sind -
bietet einen Kontrast, der eine ideelle Plattform für Grauzonen der
human condition lanciert hätte, in Mindestmaßen auch erfüllt
zu werden scheint. Stattdessen aber kommen externe Faktoren wie
Soldatenehre und Glaube ins Spiel, um von der Deus Ex Machina et
Deus direkt ins Blutbad zu springen.
Dort scheint Gibson dann mit David Ayer
um die reißerischsten Körperzerfetzungen (u.a. am absichtsvoll
genannten Gefreiten Hollywood) zu konkurrieren, wenn die
Kamera vollends den Schock lebt, sogar repetitiv durchlebt. Er malt
den Krieg darin schließlich so schwarz-weiß („We're not in
kansas anymore“, heißt es ironischerweise), wie es
vorhersehbarer und räudiger nicht sein könnte, besetzt mit einer
Gegnerfront an Japanern, die im Kamikaze wie aus einem modernen
Horrorfilm scheinen - einmal sind sie sogar regelrechtes
Jumpscare-Futter. Wie bei „Passion
Christis“ singulären „Not all jews were bad“-Momenten
versucht Gibson den xenophoben Eindruck noch durch genau zwei Momente
zu kippen, wenn Desmond neben seinen verletzten Kameraden auch
Japanern medizinische Unterstützung zukommen lässt, doch das
Gleichgewicht zu blutrünstigen Eindrücken des gegnerischen
Menschenschlages ist alles andere als Zen. Klar, es ist Krieg, keine
Zeit für politische Korrektheit, ist angekommen. Das Auskosten des
blutigen Treibens jedoch - in Zeitlupe gebettet, permanent am
Schreien, Verbrennen und Durchsieben - wirkt in einem Film über die
Entsagung direkter Gewalt mehr als befremdlich und heuchlerisch.
Besser wird es dann auch nicht, wenn Gibson noch um die Empathie zum
Heldentum von Doss bettelt und nach Superhelden-Manier inszeniert,
darin aber nur die Spitze des Eisbergs seiner größtenteils von
Subtilität befreiten Signale als Regisseur aufzeigt. Das wahre
Ungetüm zeigt sich nämlich im Schlussakkord, welcher in seiner
Bestialität und Plattitüde für lange Zeit ungeschlagen bleiben
wird, im Alleingang alles niederballert und die Japaner im Angesicht
der Heiligkeit Harakiri begehen lässt – schließlich ist der
Glauben kompromissbereit, wenn den guten Jungs geholfen wird,
die auch nur aus Pflichtbewusstsein am Krieg teilnehmen. So kann man
sich das wohl zurechtlegen und ganz von der Wahrheit weg lässt sich
das Ganze ebenso nicht positionieren. Aber das ist dann doch zu wenig
im Vergleich zur Kontroverse dieses Films, um dessen War-Gore
als pazifistisches Heldendenkmal vermitteln zu können. Streitbarkeit
an sich ist gewiss kein Widerspruch zu Qualität, zudem ist Gibsons
Film beileibe auch kein Paradebeispiel für lückenlosen Jingoismus,
doch eine sichere Bank ergibt sich daraus noch lange nicht. Außer
offenbar in Venedig und im Herzen Amerikas.
3,5 von 10 Blutflecken
vom
Witte
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