Vor allen anderen etwas zu sehen: Das ist
der Reiz, den sich jeder bei der Erwähnung von Pressevorführungen,
Sneak Previews und allerlei vorstellen mag, insbesondere wenn
in heutiger Zeit jeder Trailer, selbst dessen Schnipsel, aufs
Energischste per Social Media erwartet sowie daraufhin
auseinandergenommen werden. Mit jenem gemeinsamen Nenner des
Geltungsdrangs unter Filmfreunden, in etwa vom Schulhof binnen des
Videobooms der 80er und 90er Jahre ins Hier und Jetzt herüber
gerettet, ist ein derartiger Zugang inzwischen leichter geworden,
doch manche Geheimnisse sind so geheim, dass man sich besonders cool
vorkommt, wenn man die anvertrauten Informationen als Wissender nur
Stück für Stück durchsickern lassen soll. In diesem Sinne bot sich
mir eine besonders teuflische Gelegenheit fürs Ego an, da ich zum
Fox Footage Preview Event, also der Vorschau fürs
Kinoprogramm der 20th Century Fox im Jahre 2017,
eingeladen wurde. Es muss natürlich zudem erwähnt werden, dass man
als Pressevertreter dazu vielerlei Auflagen und Sperrfristen erfüllen
muss, die jegliche Nennung „inhaltlicher Details“
verbieten, was den Charakter eines Geheimbundes erst recht
komplettiert, doch nichtsdestotrotz soll es mir eine besondere Freude
sein, einige erste Eindrücke loszuwerden und interpretativ zu
spekulieren. Das Event lief knapp zwei Stunden und stellte vier Filme
vor, von denen drei zu diesem Zeitpunkt schon öffentlich
bekanntgegeben werden dürfen: Gore Verbinskis „A Cure for
Wellness“, „Planet der Affen: Survival“ von Matt Reeves sowie
Ridley Scotts „Alien: Covenant“.
Vor allem die zwei letztgenannten Titel,
auf den Schwingen des jeweils eingebürgerten Franchise
gestemmt, sind natürlich die Kasse machenden Aushängeschilder
schlechthin, allerdings hatte ausgerechnet „A Cure for Wellness“
in einer satten 30-Minuten-Einführung für reife Begeisterung
gesorgt - ein Kandidat aus eher unscheinbarer Ecke, der Regisseur
Verbinski knapp 15 Jahre nach „The Ring“ wieder in die Arme des
Horror-Genres führt. Dass die Angelegenheit aller Wahrscheinlichkeit
nach mit R-Rating daherkommt, ist schon ein guter Vorgeschmack auf
die allgemeine Unbefangenheit des gesamten Quartetts an
Filmen, das sich auf die Tiefen der menschlichen Natur, Kriege,
Monster und CGI-Kreaturen mit Herz/blutig ins Herz bohrend,
vorbereitet – selbst wenn der Beschützerinstinkt in allen
Produktionen ebenso zum Repertoire gehört, wie sich am öffentlich
zugänglichen Promomaterial aller erkennen lässt. Bei der „Cure“
ergab sich insofern schon ein virtuoses Spiel an Genre-Topoi und
psychischen Tälern, das im Tunnelblick des Kapitalismus auf eine
gnadenlos verdichtete Satire kühler Kalkulation einfährt, sodann
bei einem zwielichtigen Zauberberg Halt macht, der voll
klassischer Gotik bezeichnenderweise Mia Goth oben voranstellt.
Spannungsphasen voll finsterer Ecken und geschwenkter Perspektiven
laufen dann auch weniger nach klassischem Muster ab, laden Dane
DeHaan eher mit einer Kohärenz zum Entdecken des psychischen Schocks
und gesellschaftlichen Abstands ein, dass jede Perversion irdischer
Heilung möglich scheint. Da scheint sich ein Höllenschlund zu
öffnen, der dem Kern der Welt nur wenig Vertrauen schenkt, dem
Nukleus des verlorenen Menschen binnen einer ungewissen Ära aber
immerhin einen Halt im schrägen wie Genre-bewussten Nervenkitzel
gibt.
Dem etwas überhypten Matt Reeves sei
Dank soll es auch bei den Affen wieder derart diffus weitergehen,
doch „Planet der Affen: Survival“ geht bislang nicht viel
mehr über den Status einer Showreel an Motion-Capture-Technik
hinaus, wenn man dazu das narrative Spektrum betrachtet, von dem ich
ja nichts berichten darf, obgleich sich dieses bestimmt einigermaßen
vom bereits erschienenen Trailer zusammenreimen ließe. Es sind
natürlich Feinheiten auszumachen, die reinforcieren, dass die
Technik hinter der Wahrhaftigkeit jener digitalen Primatenbrut unter
Caesar (Andy Serkis) nichts ohne das Geschick seiner Darsteller wäre;
auch wie langwierig der Prozess der Vollständigkeit am Effekt wiegt,
da wir ja im Rahmen einer Vorschau für gewöhnlich unfertiges
Material zu Gesicht bekommen, die Grenzen aber mehr und mehr
verschwimmen. Die Anerkennung des technischen Fortschritts, mit dem
Kino näher an der Realität, also auch solche einer Sci-Fi-Fantasy
zu sein, ist wichtig, doch vielleicht etwas redundant, wenn denn
unter Umständen zum dritten Mal hintereinander aufs Ausspielen des
Menschen-/Menschenaffen-Konflikts geschaut wird, der seine Wut sowie
Fehler und Gründe derer anzuerkennen versucht, um aller
Wahrscheinlichkeit erneut eine latente Hoffnung zwischen den Extremen
im Herzen des Einzelnen zu finden. Repetition hat die ursprüngliche
Reihe (1968 - 1973) dazumal ähnlich versiegen lassen und mit einem
menschlichen Kern wie Woody Harrelson als Oberräude in Camouflage
rücken die Kontraste der Identifikation bestimmt nicht unerheblich
in den Hintergrund, während das digitale Spektakel zwischen
Versöhnung und Überdruss pendelt.
Wie hingegen der erste
10-Minuten-Auftritt von „Alien: Covenant“ einzuschätzen
ist, tja, das ist mal eine Nummer! Entweder gestaltet sich das
Endprodukt als Vollkatastrophe für Puristen, die sich von Ridley
Scotts zweiter Rückkehr zur Reihe ein Maximum an erhabener Ehrfurcht
erhofft hatten oder es wird im relativ ernstbefreiten Funsplatter
nach Art der „Feast“-Reihe John Gulagers als sinnige Fortsetzung
zur Lachbombe „Alien - Die Wiedergeburt“ erklärt. Die Grundlage
macht sich jedenfalls im planetarischen Raum so malerisch breit, wie
der Retro-Charme verlebtes Interieur und verschwitztes Personal mit
der Handkamera auffängt, während ein Ensemble an Kerlen wie eine
Hafennutte flucht und einige adrette Namen der gegenwärtigen
Indie-Szene mindestens ebenbürtige Kernigkeit versprechen. Katherine
Waterston! Amy Seimetz! Danny McBride! Michael Fassbender! Billy
Crudup? Herrgott, was lässt sich daraus nur machen? Nun, was wir bis
hierhin gesehen haben, verspricht durchaus Atemlosigkeit, aber wie
schon bei „Prometheus“
nicht unbedingt ein Inferno psychologischer Meisterklassen zur
Furcht, sondern eben eine Kanonade blutiger Einfälle, in der Scott
die Ballung weiblicher Inkompetenz im Vergleich zum Vorgänger
scheinbar als bewussten Gag steigert, wohl aber auch sonst nicht auf
wissenschaftliche Kompetenzen setzt. Das sah inszenatorisch recht roh
und freizügig aus, holte sogar einen goldigen Kuleschow-Effekt aus
Fassbender heraus, doch bis jetzt schwanken die Stimmungen des Ganzen
noch ordentlich hin und her, welchen der obengenannten Wege
„Covenant“ vermutlich einnehmen wird. Mindestens eine Szene wies
dann überraschenderweise auf ein Grundgefühl hin, das wir 2017 wohl
des Öfteren beherzigen müssen.
Es
ist doch so: Filme entsprechen immer ein Stück weit der Ära, in
welcher sie produziert werden - jene Wechselwirkung vom Zeitgeist aus
ist nicht von der Hand zu weisen und umso wertvoller, je
exemplarischer ein Werk Grundgefühle und Widersprüche dieser in
sich vereint. Ganz gleich, ob man es nun positiv oder negativ
bewerten will, besitzt das kontemporäre Blockbuster-Kino eben einen
enormen Stellenwert für solch eine Repräsentation und hat meistens
auch politischen Sprengstoff in seinen Zeilen parat, die in diesem
Fall mit der Reaktivierung uralter Markennamen schon vom
gegenwärtigen Klima zeugen: Die Nostalgie lädt ein, die
Konfrontation zum desolaten Echo unserer selbst in einer anbahnenden
Kultur der Regression zu suchen, mit verwurzelten Werten anzuknüpfen,
doch Feinden aus den eigenen Reihen oder unbekannten Dimensionen zu
begegnen. Da lautet das übergreifende Narrativ: Bitte an alles
erinnern und mit den brutalsten Waffen ausstatten, bevor alles
unvermeidlich endet. Alle Welten sind hier schon Albträume, ihre
Protagonisten und Antagonisten zum Durchsetzen eines höchst vagen
Ziels auf Kriegsfuß mit humanistischer Moral und doch so in Furcht
gebettet, dass sie einem Leid tun, auch wenn sie in ihrer beinahe nur
noch diplomatischen Pflicht zur Hoffnung mit den Tränen kämpfen.
Der vierte Film im Bunde, welcher hier noch unbekannt verbleiben
muss, beherbergt trotz der Verinnerlichung aller Maxime seiner
Kollegen allerdings am ehesten noch das Phantom einer Zukunft,
mit der man sich arrangieren könnte, die einen Aufschwung ins wahre
Ziel des Überlebens unternimmt und bodenständig am Menschen as
he is nachfühlt, obgleich die Gewalt da erst recht auf die
Spitze getrieben wird. Das Kino radikalisiert sich und ausgerechnet
Fox will sich da offenbar was trauen, aus dem Stand der
Stagnation heraus in der Hölle und wieder zurück zum Glück zu
landen – auch wenn Blut, Blei und Hirn völlig gaga-digital in der
Perma-Attacke ausleiern. Was man nicht alles im Geheimbund so lernen
kann...
vom Witte
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