Review: ES IST SCHWER, EIN GOTT ZU SEIN - Kacke und Kunst

                                              
Fakten:
Es ist schwer, ein Gott zu sein (Trudno byt' bogom)
RUS. 2013. Regie: Aleksey German. Buch: Aleksey German, Svetlana Karmalita, Arkady & Boris Strugatsky (Vorlage). Mit: Leonid Yarmolnik, Dmitri Vladimirov, Laura Pitskhelauri, Aleksandr Ilyin, Yuri Tsurilo, Yevgeni Gerchakov, Oleg Botin, ua. Länge: 177 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Im Kino.

Story:
Mehrere Wissenschaftler reisen von der Erde auf einen Planeten, der der Erde ähnelt, jedoch 800 Jahre im Rückstand ist. Die Wissenschaftler wollen nun Zeuge der Renaissance werden, die aber nicht beginnt, da die Mächte des Planeten Künstler und Gelehrte verfolgen. 



                                                                                             

Meinung:
Ab und zu, relativ selten, gibt es solche Filme, die den Zuschauer einfach überrumpeln. Ungeachtet dessen, wie die Erwartungshaltung des Rezipienten ist. Egal, ob man nichts, oder so viel wie möglich im Vorfeld über diesen Film gelesen hat, kein Erfahrungsbericht, keine Kritik, keine Meinung anderer kann einen vorbereiten auf das, was Aleksey German hier auf Film gebannt hat. Der russische Filmemacher, der im Februar 2013 verstarb, arbeitete seit der Jahrtausendwende an diesem Werk, das sein letztes werden sollte. Nicht zu Unrecht sprechen nun viele von seinem Magnum Opus, sprechen die monumentale Geschichte, die Laufzeit von drei Stunden und die großartigen Kulissen doch eine eindeutige Sprache. Die finale Version erlebte der Regisseur leider nicht mehr; sein Sohn war es, der den Schnitt übernahm und das Werk für seinen Vater vollendete. 


Ein Film, der die Massen bewegt.
Die Geschichte spielt, wie auch in der Romanvorlage, auf einem anderen Planeten im Weltall. Der Planet ist der Erde ähnlich, hinkt jedoch um die 800 Jahre hinterher. Die Renaissance hat noch nicht stattgefunden, die Menschen leben noch wie Tiere. Und die Renaissance wird auch nicht stattfinden, da auf diesem Planeten Jagd auf Gelehrte, Künstler und Wissenschaftler gemacht wird. Die Gesellschaft teilt sich auf in die Schwarzen und die Grauen, einer schlimmer als der nächste. Je nachdem, wen man fragt. Auch wenn es zwei Parteien gibt, lässt sich keine bestimmte Grenze ziehen. Relativ spät im Film wird erklärt, dass beide eigentlich ziemlich gleich wären, gleich machthungrig, gleich radikal, gleich nur eben feindlich. So einen Eindruck hinterlässt der Film auch relativ schnell, wenn der Zuschauer die Häuser zum ersten Mal von innen sieht und einfach jeglichen Sinn für Orientierung verliert. Die Kulissen sind der nackte Wahnsinn, sie sind stinkig und stickig, verstellt, eng, dunkel, nass. Kurz: Alles, was man meiden würde. Das Leben ist gelinde gesagt widerlich. Manche Bilder schlagen auf die Seele, viele auf den Magen, wenn die Bewohner in Kot wühlen und ihn anderen ins Gesicht schmeißen, wenn die Köpfe von Kindern im Schlamm liegen und die Bewohner mit Stolz eine Hinrichtungsmaschine für Frauen vorführen. „Da zerreißt sie in Stücke“, bemerkt einer nicht ohne Freude. Prost, Mahlzeit.  


Andere Welten, andere Sitten.
Einen äußerst interessanten Punkt im Film nimmt die Kamera selbst ein. Für den Großteil der Laufzeit mutet die Kamera dokumentarisch an. Sie ist in dieser Welt, quasi ein Teil dieser Welt und bezeugt, was passiert. Die Kamera ist ein Beobachter in dieser Welt, nicht aber ein Werkzeug. Sie ist nur daran interessiert, das Geschehen zu zeigen, nicht aber daran, den Zuschauer zu manipulieren. Immer wieder kommt es vor, dass irgendjemand oder irgendetwas das Bild verdeckt, sodass man nicht immer das sehen kann, was man sehen möchte. Auch passiert es immer häufiger, dass die Menschen der Welt direkt in die Kamera schauen und die Vierte Wand durchbrechen. Manchmal wird der Zuschauer angesprochen, nicht immer ist es verständlich, was da gemurmelt wird, von diesen Menschen, die man heute nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde. Wird damit die Kamera als im Film existent bestätigt oder richtet sich die Neugierde der Bewohner an was anderes, an den Zuschauer nämlich? In einer Szene im weiteren Verlauf des Films, beschreiten die Figuren ein Podest, auf dem mehrere erhängte Menschen baumeln. Manche haben ihre Augen noch, andere nicht, alle aber wurden mit einer Flüssigkeit mit Blüten übergossen. Alsbald wird eben jene Flüssigkeit auch über die Kamera gegossen - eine sinngemäße Verurteilung. Bis dahin waren Zuschauer und Kamera gewissermaßen Voyeur in einem Ort, für den Moloch schon gar kein Wort mehr ist. 



Das ist mal ein echter Shitstorm.
Von der Erde der Gegenwart werden Wissenschaftler auf den fremden Planeten geschickt, die dort die Renaissance beobachten dürfen und sollen. Was sie nicht dürfen und sollen ist, Einfluss auf die Geschichte zu nehmen oder jemanden töten. Sie kommen in eine fremde Welt, über die sie alles wissen. In eine Welt, deren wahrscheinliche Zukunft sie kennen. Eine Welt, in der sie Erzfeind und Gott zugleich sind. Götter ohne Macht. Ein Gott als tatenloser Beobachter. Das mag für den ein oder anderen absurd klingen, aber ist es nicht das, was einen Gott ausmacht? Ist Gott denn etwas anderes, als pure und unbändige Inspiration? Wenn dem so ist, dann ist er tatenlos, nicht aber machtlos. Die Götter der Erde sind sich ihrer Macht bewusst und nutzen sie nach belieben aus. Sie schlagen um sich, dulden keine Widerworte und kriegen das beste vom Besten, was in diesem vermaledeiten Land allenfalls mittelmäßig ist. Das Land mit einer Gesellschaft, die erbärmlicher nicht sein könnte. German zeigt ein ekelhaftes Leben der Menschen und zieht gleichzeitig die Parallele zur Politik der Schwarzen und Grauen, die Intellektuelle und Künstler jagen und töten. Also die Menschen, die für den Fortschritt zuständig sind. Und was, wenn nicht der Fortschritt, ist der Sinn des Lebens?



Mit „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ ist dem verstorbenen russischen Filmemacher Aleksey German ein sehr großer und überwältigender Film gelungen, der, so platt es auch klingen mag, einzig durch seine Bilder funktioniert. Es ist nahezu ertraglos, den Dialogen und dem Geschwätz der degenerierten Bevölkerung zu lauschen. Das Wissen, die Gedanken, der Eindruck des Films entsteht nur, wenn man sich nicht auf Details versteift, sondern wenn man sich um das große Bild kümmert. Die Kamera und ihre Position in der Geschichte hilft dabei. Sie verurteilt (gewissermaßen) und wird verurteilt. Sie fängt nur einen Augenblick ein, bereitet diesen jedoch für die Ewigkeit auf. Sie ist ein Element, dass die Gegensätze in einer Welt vereint, die auf den ersten Blick nichts mit der unseren gemein haben mag. Auf den zweiten, dritten, vierten Blick jedoch eine ganze Menge. Was bleibt, ist die Erkenntnis der Einmaligkeit, die diesen Film umgibt und die Tatsache, dass der Film mit all seinen Ecken, Kanten und Längen verdammt anstrengend ist und eine intensive Zeitreise, die einen ausgelaugt zurücklässt. Auch ein Gott kann mal müde werden.

7,5 von 10 Kotbädern

von Smooli

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