Fakten:
Verdacht (Suspicion)
USA, 1941. Regie: Alfred Hitchcock.
Buch: Samson Raphaelson, Joan Harrison, Alma Reville, Anthony Berkeley
(Vorlage). Mit: Cary Grant, Joan Fontaine, Cedric Hardwicke, Nigel Bruce, Dame
May Whitty, Isabel Jeans, Heather Angel, Auriol Lee, Reginald Sheffield, Leo G.
Carroll u.a. Länge: 95 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD
erhältlich.
Story:
Lina, ein Mädchen aus gutem Hause,
verliebt sich unsterblich in den charmanten Lebemann Johnnie und heiratet ihn
gegen den Willen ihres Vaters. Bald schon erkennt sie, dass Johnnie weit
weniger zu bieten hat, als er vorgibt, nur von der Hand in den Mund lebt und
sich für keine krumme Tour zu schade ist. Als dann noch ein Geschäftspartner
von ihm ums Leben kommt, keimt in Lina der Verdacht auf, dass es Johnnie immer
nur um ihr Erbe ging. Was auf eine logische Konsequenz hinausläuft…
Meinung:
Mutzi-Putzi trifft ihren
Märchenprinzen, entkommt dem befürchteten Status der alten Jungfer (damals:
Volljährig und noch nicht verlobt, unfassbar), nabelt sich von ihrem
überbehüteten Elternhaus ab, schlägt auf dem harten Boden der Realität auf und
muss fortan um ihr Leben bangen.
Ganz schnell hat es sich aus gemutzi-putzit. |
Die junge Schönheit bekommt kein Auge mehr zu. |
Hier ist es das Zerplatzen der
Seifenblase und das konstant ansteigende Spannungslevel, wenn Mutzi-Putzi Lina
(oscarprämiert: Die wunderbare und leider kürzlich verstorbene Joan Fontaine)
aus heiterem Himmel fällt, da der charmante Playboy Johnnie (perfekt: Cary
Grant) sich als berechnender Wendehals
herausstellt, hinter dessen aalglatter Fassade sich definitiv ein durchtriebener
Schwindler, eventuell sogar ein eiskalter Mörder verbirgt. Hitchcock kokettiert
gekonnt mit dem Wissen, Phantasien, Ahnungen und Verdachtsmomenten von
Zuschauer und Protagonisten, die stets identisch sind. Kein Perspektivenvorsprung,
ein Vermuten und vermeidliches Wissen auf Augenhöhe, was er in seiner
unnachahmlichen Art bis zum Schluss zu steigern vermag. Das Finale gilt
allgemein als Schwachpunkt des Films, nur letztendlich ist das sogar eine
versteckte Stärke. Erwartungshaltungen werden extrem zerbrochen, ob das im
Detail glaubwürdig erscheint sei mal dahingestellt, aber darauf arbeitet alles
doch hin. Es wirkt sicherlich sehr knapp, etwas erstaunlich, nur setzt Hitch
hier halt eine Vorlage um und offensichtlich ging es ihm nicht ausschließlich
um die Pointe (was heute gang und gäbe scheint), sondern auf dessen
Möglichkeiten. Der Weg ist das Ziel, so geht das. Was die Story bieten kann,
vermittelt Hitchcock geschickt und eben mehr auf seine Wegbereitung konzentriert
als auf den rundum befriedigenden Schlusspunkt. Obwohl, gerade das ist ja schon
wieder recht interessant…musst du erstmal bringen und ist nüchtern betrachtet
sogar genau richtig.
Der ultimative Schlummertrunk? |
Bemerkenswert und für seinen
Regisseur recht ungewöhnlich: Hier stehen lange sogar die Darsteller im Fokus
und tragen den Film. In seiner langen Karriere arbeitete Hitchcock immer mit
großen Namen. Von Laurence Olivier, James Stewart, Grace Kelly, Doris Day,
Gregory Peck, Anthony Perkins, Janet Leigh, Paul Newman bis Karen Black, um nur
einige zu nennen. Sie waren aber selten immens wichtig. Von dem abgestimmten
Spiel einer Joan Fontaine und eines Cary Grant profitiert „Verdacht“ jedoch enorm.
Fontaine als die wohlsituierte Unschuld aus feinem Hause und Grant als
undurchsichtiger Honig-ums-Maul-Schmierer vom Dienst gelingt es glaubhaft, ein
anfänglich fast als Romanze und Screwball-Komödie einzustufendes Werk elegant
in einen spannenden Thriller umzuwandeln. Dieser Drahtseilakt ist niemals
unglaubwürdig, sondern schlicht effektiv, fingerfertig konstruiert und kommt zudem
Hitchcocks Nebentalent des geschliffenen, niemals unpassend eingestreuten, sehr
scharfzüngigen und brillant getimten Humors zugute.
„Verdacht“ bedient mehrere
Sehgewohnheiten, ist nicht unbedingt perfekt, dennoch eine ungemein harmonische
Mischung und auf seinen letzten Metern grandios fesselnd (die Treppe aus dem
später gedrehten „Berüchtigt“ wird schon mal warmgelaufen), ein Hitchcock, wie
er im Buche steht. Unverkennbar, mit leichten Schwächen, aber so prägnanten
Stärken, ohne seinen Regisseur wohl vergessen. Durch seine präzise, jede
unnötige Länge ignorierende und auf den Punkt gebrachte Inszenierung sehr
beeindruckend. Nicht immer, aber wenn richtig.
7 von 10 Gläsern Milch
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