Review: TAMMY – VOLL ABGEFAHREN - Wenn Frauen die Dummheit der Männer unterbieten wollen



Fakten:
Tammy - Voll abgefahren (Tammy)
USA. 2014. Regie: Ben Falcone.
Buch: Melissa McCarthy, Ben Falcone. Mit: Melissa McCarthy, Susan Sarandon, Allison Janney, Toni Collette, Sandra Oh, Dan Aykroyd, Kathy Bates, Gary Cole, Ben Falcone, Rich Williams, Mark Duplass, Nat Faxon, Sarah Baker, Rob Springer u.a. Länge: 96 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Ab 4. Dezember 2014 auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Nachdem Tammy (Melissa McCarthy) am selben Tag ihren Job in einem Fast-Food-Restaurant verliert und dann auch noch herausfindet, dass ihr Mann sie betrügt, will sie einfach nur noch raus aus der Stadt. Ihr Auto ist jedoch nicht fahrtüchtig. Tammy ist also auf den fahrbaren Untersatz ihrer trinkfesten Großmutter Pearl (Susan Sarandon) angewiesen. Doch Pearl stellt ihrer Enkelin ihr Auto nur unter zwei Bedingungen zur Verfügung: Pearl darf mitkommen und bestimmt zudem, wohin die Reise geht. Gemeinsam begeben sie sich also auf einen skurrilen Road Trip zu den Niagarafällen.





Meinung:
Und weiter geht's mit dem finsteren Terror der Melissa-McCarthy-Ära, erneut in der aufdringlichen Rolle einer Dick-&-Doofen Pottsau, Zielscheibe plattester Fressmaschinen- und Versager-Gags, die in ihrer Blue-Collar-Heuchelei wieder mal einem homogenisierten Homer-Simpson-aktueller-Staffeln-Imitat gleichkommt - wo kann da noch unerwarteter Humor herkommen, wenn ihr Shtick immer austauschbarer wird? Aber man kann immerhin noch froh sein, dass sich das Team hinter 'TAMMY' durchweg an so eine Art klassischer Witz-Konstruktion versucht, auch wenn sich die meisten 08/15-Pointen meilenweit ankündigen und im Nachhinein nochmal erklärt, ohnehin schön lang ausgewalzt werden - Regisseur und Drehbuchautor Ben Falcone besitzt da nicht gerade das zielsicherste Potenzial, bleibt aber auch in der sonstigen Inszenierung ausschließlich bieder, vorsichtig, bissfrei. Eben eine seichte Komödie mit einem weitgehend halbärschig-genutzten R-Rating, mit dessem Siegel sich 'TAMMY' allenfalls eine infantile Ansammlung einfallslosester Fluchwörter und 'Den hast du gefickt? Oma!'-Dialoge erlaubt (visuelle Gags bleiben deutlich in der Unterzahl - bitter beim Medium Film).


"You shall not pass"
Da kann man natürlich sagen: ey, lasst doch den Frauen mal ihren richtig doofen Spaß! Und ich bin mir sicher, dass jene Zielgruppe, die sich seit jeher McCarthys Output genüsslich reinzimmert, auch dieses Mal ihrem gedankenlosen Eskapismus verfallen wird. Aber ich sehe nicht wirklich den Gehalt oder gar die Möglichkeit darin, eine Figur wie Tammy mögen zu können, die als tollpatschiges Womanchild ständig vom Film ausgelacht wird, von einem Fettnäpfchen ins andere tritt, ein nur sehr beschränktes Allgemeinwissen besitzt/besitzen will und zudem mit einer Oma durch die Gegend kurvt, die kaum unsympathischer oder gar klischeehafter sein könnte. Susan Sarandon gibt dabei die alkoholisierte, unanständige Grandma Pearl, die es sexuell noch immer draufhaben will, sich 'nen Dreck darum kümmert, dass sie irgendwelche wichtigen Medikamente nehmen sollte und Tammy sie u.a. deshalb immer aus den "irrwitzigsten" Situationen retten muss (im Grunde ist sie ein bisschen wie Johnny Knoxvilles 'BAD GRANDPA', nur eben 100%-ig witzlos).


"Thelma & Louise", die Redux-Fassung
Das sieht der Film in seinem Road-Trip-Narrativ als Weg chaotischer Anfreundung an (als ob man vorher gesehen hätte, dass es zwischen den Beiden innerfamiliäre Konflikte gäbe), in dem die Lockerheit des eigenständigen Feminismus zelebriert werden will, bietet in seiner Ausführung allerdings nur die sonnige Darstellung besonders ausgeprägter Misanthropie. Das gipfelt dann in einer Ansprache Pearls bei der Independence-Day-Party ihrer lesbischen Freunde (ganz subtile Anspielung auf Unabhängigkeit, Feminismus und so, näh), in der sie Tammy als Loser beschimpft, der nichts im Leben auf die Reihe kriegt - woraufhin dann von Tammy sogar im verblendet-versöhnlichen Ton verlangt wird, dass sie ihr verzeiht und wirklich mal erwachsen werden sollte. Schon eine richtig assige Frechheit - klar sind ihre Mittel zum Zweck stets streitbar, aber einerseits wird ihr im gesamten Film nur vom Schicksal zugesetzt und andererseits muss sie immer ihre verrückte Oma, der Hauptgrund für alle Schwierigkeiten, aufhalten, als ob sie aus irgendeinem Grund Schuld daran hätte.


Zwei Damen beim gemeinsamen Hobby: ihre Umwelt nerven
Man könnte fast meinen, man wäre in 'A SERIOUS MAN' gelandet, so sadistisch das Universum sich Tammy gegenüber verhält. Aber keine Sorge, das hier ist kein Coen-Bros.-Film, denn da unsere Hauptprotagonistin an sich schon nur abnervt und hohl dahinlebt, bleibt die dramaturgische Fallhöhe äußerst "bescheiden". Selbst als die Alte sie der selbstsüchtigen Sexualität wegen aus dem Hotelzimmer rausschmeißt und wie einen Hund vor der Tür schlafen lässt, behandelt dies der Film zunächst noch als abgefahrenen Ulk inkl. niedlichem Waschbären, bevor er dann doch noch mal (schlechten Gewissens?) versucht, ein bisschen Verständnis vom Zuschauer zu fischen. Das wiederholt er auch später nochmal, als er den Tod der Oma faked, damit Tammy diese für immer liebt, alles vergibt und bis heute noch glücklich Mädelsabende feiert. Klingt zwar wie eine grausame Konsequenz, wird aber noch zumindest dadurch unterstützt, dass der Rest der Welt - im Grunde aber hauptsächlich Kerle, soviel zur "frauenfreundlichen" Perspektive des Films - ihr letzten Endes auch (geheuchelt) positiv gegenüber eingestellt ist. Dan Aykroyd kommt da, trotz vordergründiger Kreditierung erst 10 Minuten vor Schluss, als ihr Daddy vorbei und bietet seinem 'big girl' freundschaftlich an, ihren Ex abzuknallen, während dieser zusammen mit seiner neuen Freundin (Toni Colette, auch als verschwendetes Quasi-Cameo) zumindest ihre Sachen aus Schuldgefühlen fein säuberlich zusammengepackt hat. Und sogar ein früh und wie erwartet spießig etablierter Love Interest erfüllt sich mit Handsome-Bauernboy Bobby, urig-fehlbesetzt/verkörpert durch Indie-Regisseur Mark Duplass, dessen Chemie mit McCarthy besonders unglaubwürdig wirkt und von ihm auch dementsprechend gehemmt oder eben auch gleichgültig (geheim-sarkastisch) dargestellt wird.


Ich wette, ihm geht dieser Film genauso am Arsch vorbei, wie Gary Cole als sein Dad, der in seiner Rolle einfach nur betrunken da sein muss, um den Check zu kassieren. Da ist er zwar besser dran, als die Sarandon, die sich auf ihre Oscar-nominierten Tage noch (freiwillig?) bemühten Vulgär-Peinlichkeiten hingibt (ebenso in der Funktion am Start: Kathy Bates), doch spaßig fällt davon nichts wirklich aus, selbst im Rahmen eines vom Konzept her schon offensichtlichen Blödelfilms. Denn wie so viele kontemporäre Hollywood-Produktionen tauscht 'TAMMY' in ihrem formelhaften Prozedere eine offene und ehrliche Infantilität allmählich gegen forciertes Drama ('Oma, du hast ein Alkoholproblem!') schablonenhaftester Volldeppen aus, damit auch jeder (theoretische) ungebändigte Spaß im Keim erstickt wird. Gewiss erwartet man nicht viel bei einem McCarthy-Vehikel, aber wenn es derartig trist und einfallslos-konventionell abgearbeitet wird und vom Zuschauer erwartet, dass er sich mit einem Haufen selbstgefälliger Arbeiterklasse-Hipster aus den tiefsten Tiefen des Genres anfreundet, nur weil es dieses Mal ja Frauen sind, ist das schon eine mittelschwere Beleidigung.


2,5 von 10 geklauten Kuchen


vom Witte

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