Review: ENEMIES CLOSER - Van Damme völlig losgelöst



Fakten:
Enemies Closer
Kanada, USA. 2013. Regie: Peter Hyams. Buch: Eric Bromberg, John Bromberg. Mit: Tom Everett Scott, Orlando Jones, Jean-Claude Van Damme, Linzey Cocker, Christopher Robbie, Dimo Alexiev, Zahary Baharov, Teodor Tzolov, Vlado Mihailov, Kristopher Van Varenburg u.a. Länge: 87 Minuten. FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Park Ranger Henry, lebt und arbeitet auf der kleinen Insel King’s Island, die als Naturschutzgebiet tagsüber viele Touristen anzieht. Nachts sind Inselbesucher allerdings selten und so verwundert es ihn schon, dass plötzlich ein Wanderer vor seiner Tür steht, der sich angeblich verlaufen hat. Schnell wird klar, der Wanderer will Henrys Tod, doch das kann warten, denn eine Gruppe von Gangstern, angeführt durch den brutalen Naturfreund Xander, will vor der Küste eine versunkene Drogenlieferung bergen. Da ihr Taucher aber das Zeitliche segnete, brauchen sie nun Henry, der als Ex-Kampftaucher perfekt für diesen Job geeignet ist.





Meinung:
Peter Hyams, Regisseur und Kameramann, erschuf im Laufe seiner Karriere einige, kleinere Genre-Perlen wie etwa „Das Relikt“, „Narrow Margin“ oder „Outland – Planet der Verdammten“ mit Sean Conery in der Hauptrolle. Mit Jean-Claude Van Damme inszenierte Hyams, während Van Dammes großer Kinozeit, zwei seiner erfolgreichsten Filme, nämlich „Timecop“ und gleich danach den gelungenen „Die Hard“-Epigonen „Sudden Death“. Vermutlich während dieser Zeit bemerkten die beiden, dass sie gut zusammenarbeiten und während Peter Hyams Sohn, John, die „Universal Soldier“-Reihe mit „Regeneration“ und „Day of Reckoning“ revitalisierte und auf einen frischen Erfolgskurs brachte, fing Peter Hyams die Filme als Director of Photogrpahy ein, arbeitete also erneut mit Van Damme zusammen. In „Enemies Closer“ fungiert Peter Hyams nun wieder als Regisseur und Kameramann in Personalunion. Das Ergebnis ist ein kurzweiliger, fehlerbehafteter Actionsnack, in dem Hyams seinen Star Van Damme vollends von der Leine lässt. Dieser dankt es ihm mit einer Performance, die am ehesten mit dem Wort „wahnsinnig“ zu beschreiben ist.


Xander ist Veganer und ein eiskalter Killer
Jean-Claude Van Damme darf als Xander, Anführer einer franko-kanadischen Gangstergruppe, wirklich alle Register ziehen. Seine Figur sieht wegen seiner blondierten, zurücktoupierten Haare nicht nur amüsant aus, nein, als hartgesottener Naturfreund und Umweltschützer, kann es schon mal passieren, dass Van Damme während der nächtlichen Suche nach seinen Opfern schon mal kurz inne hält, weil er soeben ein seltene Wilderdbeere entdeckt hat. Als wäre das noch nicht genug, ahndet er Verstöße gegen den Umweltschutz auf konsequente wie tödliche Weise. Kurz: Van Dammes Xander ist pure, charakterliche Over-the-Top-Mentalität, die sich nicht lange im Bereich eines comic reliefs aufhält, sondern sich sofort auf einer Ebene des Absurden und Bizarren verankert. Dies alleine macht aus „Enemies Closer“ einen der wohl schrägsten Actionfilme der letzten Jahre. Aufgewertet wird dieser Wahnsinn durch hervorragend wie gnadenlose Nahkampfaction, bei der nicht nur Van Damme beweisen kann, dass er trotz sichtbarer Falten im Gesicht immer noch ein wahrer Kampfkünstler ist, der – wie zuletzt unter John Hyams Regie auch – wieder überaus wuchtig und gnadenlos sein Können unter beweis stellt.


Lieber Menschen töten als Tiere? Klar doch.
Auch die anderen Darsteller dürfen ein paar ansehnliche Fights präsentieren. Überraschend ist vor allem Orlando Jones. Der gute Mann, der hier auch als Produzent in Erscheinung tritt, wurde vor allem durch komödiantische Rolle bekannt (z.B. im Sketch-Format „Mad TV“ oder in Ivan Reitmans „Evolution“) und darf als rachsüchtiger Ex-Knasti, den Helden des Films (Tom Everett Scott) das Leben zuerst erschweren, bis dann Van Damme auftaucht und beide durch den nächtlichen Wald jagt. Die Geschichte vom Duo, welches durch wegen einer Extremsituation zusammenarbeiten muss, ist natürlich ein altes Eisen im Glutofen des Actiongenres, aber Peter Hyams inszeniert dies alles teilweise so radikal zusammengestaucht und komprimiert, dass es nicht weiter ins Gewicht fällt, dass die beiden Helden (Jones, Everett Scott) im Vergleich zum Schurken Xander relativ belanglos und austauschbar wirken. Es tut dem Film sogar recht gut, dass es zwei blasse, recht uninteressante Figuren mit einem absolut überspitzen Feind zu tun bekommen. Es entsteht ein überaus wohltuendes Gleichgewicht zwischen seichtem Standard und ungebundener Übertreibung.


„Enemies Closer“ wird wohl kaum Peter Hyams die Tore öffnen, damit der einstige Kinoregisseur wieder für die große Leinwand arbeitet. Im Sektor der massenhaft produzierten Direct-to-DVD Actionfilme ist sein neuestes Werk aber ein wirklich ansehnlicher Vertreter, der keine Angst davor hat, die mittlerweile im Genre so oft angestrebte Ernsthaftigkeit über Bord zu werfen. Eigentlich verbindet „Enemies Closer“ auch nur altbekannte Muster, Ansätze und Formen, wertet diese aber alleine durch die Darstellung des Bösewichts auf. Am Ende des Tages ist auch „Enemies Closer“ kein Film für die Ewigkeit. Schuld daran sind zu viele Leerläufe innerhalb der Geschichte. Aber alleine der Umgang mit dem Licht (Peter Hyams ist eben auch Kameramann) macht „Enemies Closer“ besser und visueller als so manch anderen Actionschnellschuss aus den Videothekenregalen. Das Van Damme mit durchaus selbstreferenziellen Ausdruck spielt und damit einen Actiontypus karikiert ist eine personelle Stärke, die man sich durchaus auch einmal von einem Steven Seagal wünschen würde.


6,5 von 10 hübschen Telefonen

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