Fakten:
Departed – Unter Feinden (The
Departed)
USA, 2006. Regie: Martin Scorsese.
Buch: William Monahan, Alan Mak & Felix Chong (Vorlage). Mit: Leonardo
DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen, Alec
Baldwin, Vera Farmiga, Ray Winstone, Anthony Anderson, James Badge Dale, Kevin
Corrigan, David O’Hara u.a. Länge: 151
Minuten. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Billy Costigan und Colin Sullivan
beenden gleichzeitig die Polizeischule von Boston. Während Musterschüler Colin
direkt zum Detective aufsteigt, wird Billy aufgrund seiner Herkunft aus dem
kriminellen Milieu aussortiert. Zum Schein. Denn Captain Queenan sucht einen
Mann, den er glaubhaft in die Gang von Gangster Costello einschleusen kann. Nur
er und sein Kollege Dignam wissen von der Aktion, denn überall im Department
gibt es undichte Stellen. Tatsächlich gelingt es Billy, in Costello’s engsten
Kreis zu kommen. Allerdings scheint es in den Reihen der Polizei auch einen
Maulwurf zu geben, denn Costello ist immer im richtigen Moment gewarnt. Der
Doppelagent ist niemand anderes als Wunderkind Sullivan, insgeheim der Ziehsohn
von Costello. Bald wissen beide Seiten von der jeweiligen Ratte, kennen
allerdings nicht ihre Identität. Die Jagd beginnt…
Meinung:
Es war mindestens so verwunderlich
wie überfällig, dass Martin Scorsese ausgerechnet für „Departed“ erstmals den
Oscar als bester Regisseur und für den besten Film entgegen nehmen durfte.
Nicht auf die Qualität des Films gemünzt, eher auf den Zeitpunkt und die
Rahmenbedingungen. Man muss sich nur mal vor Augen führen, was der Mann bis
dahin schon für eine filmische Vita vorweisen konnte, wann immer er leer
ausging und das er nun „nur“ für ein Remake endlich den verdienten Lohn
einstreichen durfte. Nach fast 40 Jahren als Kinoregisseur. Unglaublich. Da gab
es Filme wie „Taxi Driver“ – sicher einer der wichtigsten Filme seiner Zeit und
vielleicht einer der besten Filme überhaupt -, „Wie ein wilder Stier“, „GoodFellas“
oder „Casino“, den eigentlich als „Lebenswerk“ geplanten (allerdings vom Studio
unübersehbar zerstörten) „Gangs of New York“, das hervorragende Bio-Pic „Aviator“,
immer stand Marty lediglich als Meister der Herzen da. Nun also ein Remake. Ob für Scorsese ein Ritterschlag oder ein Armutszeugnis für die
Kreativitätsschmiede von Hollywood, dass dies in der Tat einer der besten US-Filme
dieses Jahrtausends ist, muss sehr differenziert betrachtet werden, soll
allerdings jetzt keine große Rolle spielen. Ist eher einen eigenen Text wert.
Vater-Sohn-Gespräche in der Bums-Bude. |
Scorsese nimmt hier nicht – wie sonst üblich, einfach und billig – einen
erfolgreichen Film aus Übersee und kleistert ihn möglichst konturlos für den
neuen Markt zusammen, er drückt ihm seinen eigenen Stempel, seine unverkennbare
Handschrift auf. Wenn man es nicht besser wüsste, man würde „Departed“ wohl
ohne Frage als einen „selbstständigen“ Scorsese durchwinken. Aus dem Reich der
Mitte bis nach Boston ist es nur ein Katzensprung, Scorsese inszeniert „seine“
Ostküste als die achte Hölle mit irischem Anstrich. Mit enormen Stallgeruch lässt
er die Ursprünge früh vergessen, baut wie gewohnt auf einen präzise
ausgewählten Cast, seine brillante Umsetzung in Bild, Schnitt und Ton und macht
„Departed“ zu der spannendsten Mäuse-, oder eher Ratten,-Jagd, die seit Jahren
die große Leinwand heimsuchte. Wenn sich überhaupt was kritisieren lässt, dann
eventuell die Wahl für Matt Damon und Mark Wahlberg, aber auch das nur
eingeschränkt. Damon dürfte wohl zu den überschätztesten A-Stars seiner Zeit
gelten, obwohl er auch hier nichts zerstört. Als Gegenpart für den furiosen
DiCaprio ist er eigentlich nicht der Rede wert, ein Phänomen seiner Zeit, der
unvermeidliche Damon. Wahlberg war sogar für den Oscar nominiert, kann
natürlich mit lokaler Schnauze pöbeln, daher gut gewählt. Mehr ist das nicht,
scheint ja allgemein gewirkt zu haben, nun gut, so gesehen halt exakt besetzt.
Selbst solche „Mängel“ lassen nur minimale Luft nach oben, denn ansonsten
spielt Scorsese alle seine Stärken aus.
Im Gespräch mit der Bestie. |
Mit der Sprengkraft einer scharfen
Handgranate lässt er den Plot bis zur finalen Detonation überkochen und
letztlich explodieren, baut auf die ihm in die Wiege gelegte Mischung aus
rasanter, gleichzeitig episch-ausführlich angelegter Erzählweise, die niemals
an Tempo einbüßt, selbst wenn 2 ½ bis 3 Stunden ins Land gehen. Kein Wort zu
viel, keine verschenkte Szene, alles – selbst die im ersten Moment vielleicht
als überflüssig anzusehende Romanze – ist Baustein und nicht Bremsklotz. Wie
sich jedes Detail so brutal, dynamisch und unglaublich druckvoll am Ende zu
einem kompakten Packet schnürt, das verstehen nur wenige. Scorsese spielend.
Hinter dem hochspannenden Plot verpackt er zudem fast beiläufig eine sehr
deutliche Kritik am durch Korruption hervorgerufenen Unsinn – oder eher
Missstand – des Polizeisystems. Niemand vertraut niemanden, jeder kocht sein
eigenes Süppchen, Spitzel bespitzeln Spitzel, Informationsfluss gleich null, am
Ende steigt keiner mehr durch. Freund und Feind sind nicht mehr trennbar, weil jeder
Angst vor der unsichtbaren Lücke hat, das nicht mal unberechtigt. Eine Ratte
beißt der anderen nicht den Schwanz ab, mag man denken, eigentlich fressen sie
sich gegenseitig auf. Die Frage ist nur, wer hat den längeren Schwanz.
Ratten unter sich. |
Verzuckert wird das Glanzstück der
Hochspannung und narrativen Extraklasse noch durch einen Jack Nicholson, der
ursprünglich nicht die erste Wahl war. Eigentlich sollte Robert De Niro die
Rolle spielen, sagte ab, weil er seinen eigenen Film – „Der gute Hirte“ –
drehte. Kurios: DiCaprio hatte für diesen Film schon Szenen gedreht, sprang
wegen „Departed“ ab, seinen Part übernahm…Matt Damon, der kaum weniger
Screentime hier hatte. Ein Durcheinander, De Niro war sauer auf Leo, Matt hatte
zwei dicke Hauptrollen, Mad-Jack war im Spiel und nutzte dieses grandios. Wild
improvisierend, wohl etwas anstrengend, im Resultat allerdings sensationell und
seine bis heute letzte, famose Leistung. Mit De Niro wäre das schon super, mit
Nicholson ist es das Sahnehäubchen. Als vulgärer, diabolischer, intelligenter
und mit allen Gossen-Wassern gewaschener Straßenköter ist er so ideal, selbst
ein De Niro auf seinem Höhepunkt hätte kämpfen müssen. Manchmal hat man Glück
im Unglück. Scorsese hatte es und ob „Der gute Hirte“ mit DiCaprio wesentlich
besser gewesen wäre, eher unwahrscheinlich.
Um zur Ausgangsdiskussion zurück
zukommen: „Departed“ ist wohl nicht der beste Film von Scorsese. Nicht mal
unter den Top-3. Dennoch ist es der beste Film seines Jahrgangs und für ein
Remake besser, als jemals denkbar. Wenn ein Oscar mal verdienter war, hier
nicht. Wenn er überfälliger und zur der Zeit richtiger war, absolut.
Nervenkitzel auf höchstem Niveau, ruppig, knüppeldick und aufreibend.
Sensationell.
9 von 10 CITIZENS
Einer meiner Lieblingsfilme <3 Daher sehr schöner Text, toll geschrieben. Das Original des Films kenne ich allerdings gar nicht, habe auch erst nach dem Schauen erfahren, dass es in Remake ist.
AntwortenLöschenIn der Tat fällts mir schwer, mir DeNiro hier vorzustellen, wahrscheinlich weil Nicholson im Endeffekt einfach so perfekt passte. Für mich, glaube ich, auch bisher Leo's beste Rolle, weil ich einfach die Art von Typ mag, die er hier spielt ;) (wobei das mit "beste Rolle" echt schwer zu sagen ist...)
Ich mag auch Mark Wahlberg und Matt Damon, von daher war dieser Film besetzungstechnisch ein Traum für mich :D
Vielen Dank für das Lob. Finde Damon und Wahlberg selten überzeugend, wobei sie hier ja auch nicht stören. Habe die schon viel schlimmer gesehen. ;)
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