Review: PLEASANTVILLE – ZU SCHÖN, UM WAHR ZU SEIN – Sünde in Technicolor



Fakten:
Pleasantville
USA. 1998. Regie und Buch: Gary Ross. Mit: Tobey Maguire, Reese Witherspoon, Joan Allen, William H. Macy,Jeff Daniels, Paul Walker, Jane Kaczmarek, Marley Shelton, J.T. Walsh, Marissa Ribisi, Don Knotts u.a Länge: 120 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Auf DVD erhältlich.


Story:
Der Kampf um die Fernbedienung endet für die stets streitenden Teenager-Geschwister Dave und Jennifer nicht mit einer elterlichen Standpauke, sondern in einer anderen Welt. Plötzlich befinden sie sich nämlich in „Pleasantville“, Daves  Lieblingsserie. Für Dave ist die alte Serie in schwarzweiß aus den 1950er Jahren das reinste Paradies, doch für Jennifer gleicht es einer Spießerhölle. Zum Glück versteht sie es Farbe in diese Welt zu bringen, was jedoch auch Probleme mit sich bringt.





Meinung:
Dass das Fernsehen in Sachen Bequemlichkeit einen Vorteil gegenüber dem Kino hat, ist unwiderlegbar: Es hat schon etwas für sich, fläzt man sich nach einem langen Tag gemütlich auf die Coach, zappt durch das allabendliche Programm und lässt sich von den dortigen Ergüssen berieseln, bis die Augen immer schwerer und schwerer werden. Allerdings hat sich auch das Fernsehen über all die Jahre einem herben Wandel unterzogen und während Telenovelas, beschränkte Reality-TV-Formate und schon lange tot gesendete Sitcoms dominieren, sind die urigen 'Heile-Welt'-Serien à la „Unsere kleine Farm“ irgendwie vollständigen von der Bildfläche verschwunden und gelten gänzlich als nostalgisches Relikt einer längst vergangenen Ära. Wie wäre es wohl, gerade in Bezug auf die Gegenwart, würde man sich als im Hier und Jetzt lebender Jugendlicher in einer solchen Serie wiederfinden, in der Differenzen prinzipiell mit einem warmen Kakao aus dem Weg geräumt werden und jeder davon träumt, Feuerwehrmann oder Astronaut zu werden?


Wahre Kerle - nur echt männlich in Farbe
In „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“ bewahrheitet sich dieses Hirngespinst für David (Tobey Maguire, „Liebe und andere Kleinigkeiten“) und Jennifer (Reese Witherspoon, „Mud – Kein Ausweg“), nachdem sie von einem ominösen Mechaniker eine klobige Fernbedienung in die Hand gedrückt bekommen haben, die sie geradewegs in die 1950er Jahre Lieblingssitcom „Pleasantville“ von David katapultiert. Und hier wird die heile Welt derart zelebriert, dass man schnell Gefahr laufen können, mit massivem Kariesbefall den Zahnarzt des Vertrauens aufzusuchen: Dieses fiktionale Pleasantville, das für David und Jennifer eine zweite Ebene der Realität bezogen hat, ist Zuckerguss in Reinform. Es regnet nie, es gibt keinen Geschlechtsverkehr, sondern nur Anstecknadeln, die man seiner Liebsten schenkt, die Bücher (Kunst allgemein ist schlichtweg nicht existent) sind unbeschrieben, um die Bewohnern nicht auf die Gedanken kommen zu lassen, es könnte noch eine Welt außerhalb von Pleasantville geben, die hiesige Feuerwehr hat nichts weiter zu tun, als süße Kätzchen vom Baum zu retten und Mutti macht natürlich den besten Hackbraten überhaupt.


Endlich Farbe in der tristen Welt
„Zu schön, um wahr zu sein“, wie es der deutsche Beititel passend formuliert hat. Nun sind unsere aus der Jetztzeit entzogenen, gleichwohl auch von Grund auf verschiedenen Teenies in diesem rosaroten Traum „gefangen“: Jennifer nämlich ist weitaus abenteuerlustiger veranlagt als es David ist, der seine Abende damit verbringt, Cola zu schlürfen, Chips zu mampfen und „Pleasantville“ zu konsumieren. Es ist unübersehbar, dass „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“ mittels Form des Kinos den Mythos des Fernsehens reflektiert und daher als cleveres Meta-Werk das Sagenhaft, das Unglaubliche, das Sentimentale und das Verträumte zurück in die Lichtspielhäuser bringt. Jennifer, die natürlich so überhaupt nicht davon begeistert ist, in einem so arretiert-bigotten Universum ihr Dasein zu fristen, gibt diesem Mikrokosmos schlussendlich den Anstoß, um doch noch zum Makrokosmos heranzuwachsen, in dem Grenzen gesprengt und vor allem die Gedanken endlich frei rotieren dürfen: Erst ist es die Sexualität, die Jennifer einführt und die Rosen wie die Menschen zum Strahlen bringt. Wie einem in Stein gemeißelten Mantra schreit es der Film immer deutlicher heraus: Veränderungen müssen her!


Doch mit den festgefahrenen Gewohnheiten zu brechen und einer geradezu überrumpelnden Wandlung einzuwilligen, fällt vielen Menschen, selbst den fiktiven, den unwirklichen Zeitgenossen, äußerst schwer. „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“ formiert sich zur synästhetischen Rassismus-Parabel, in dem die „Farbigen“, also diejenigen, die gegen die Gebote des besenreinen Pleasantville-Kosmos verstoßen haben, von den „Farblosen“ diffamiert werden: „No Colored!“, prangt es auf Verbotsschildern in der ganzen Kleinstadt. Eigentlich ist „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“ angesichts seiner Intention und dem enormen Stellenwert seiner Botschaft – nämlich die Befreiung des Geists – etwas zu brav erzählt und rückt auf narrative Ebene oftmals zu nah an die sorglose Welt von Pleasantville heran, die er doch mit so viel Passion karikiert und sukzessiv aufbricht. Und doch ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, ein mildes Manko, das „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein“ zwar zu verzeichnen hat, das ihm im Allgemeinen aber nicht sonderlich schadet. In Wahrheit ist Gary Ross ein humorvoller und in seinem Anliegen wirklich bedeutsamer Film gelungen, der nicht zuletzt durch seine prächtigen Bilder bezirzt.


6,5 von 10 in Flammen stehenden Bäumen  


von souli

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