Review: IN DER HITZE DER NACHT - Im Süden nichts Neues



Fakten:
In der Hitze der Nacht (In the Heat of the Night)
USA, 1967. Regie: Norman Jewison. Buch: Stirling Silliphant, John Ball (Vorlage). Mit: Sidney Poitier, Rod Steiger, Warren Oates, Lee Grant, Larry Gates, James Patterson, William Schallert, Matt Clark, Beah Richards u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
In dem kleinen Nest Sparta, Mississippi, wird auf offener Straße die Leiche des reichen Industriellen Colbert gefunden, getötet durch einen Schlag auf den Kopf. Die Polizei greift am Bahnhof einen unbekannten Farbigen als Verdächtigen auf, der sich überraschenderweise als Kollege herausstellt. Virgil Tibbs ist in Philadelphia die Nummer 1 der Mordkommission und eigentlich nur auf der Durchreise. Telefonisch ordert sein Vorgesetzter an, dass er die ansässige und mit Kapitalverbrechen unerfahrene Polizei unterstützen soll. Weder Tibbs, noch der kantige Chief Gillespie sind davon begeistert, schließlich gehört das böse N-Wort in der Gegend noch zum guten Ton.





Meinung:
Beeindruckende fünf Oscars (wenn man diesen Preis denn ernsthaft noch als Maßstab nimmt) räumte „In der Hitze der Nacht“ seinerzeit ab, darunter auch den für den besten Film, das beste Drehbuch und den besten Hauptdarsteller (Rod Steiger, Sidney Poitier war ebenfalls nominiert), also gleich drei aus den Königskategorien. Etwas zu viel der Lobpreisung, gerade „bester Film“ und „bestes Drehbuch“ wirkt stark übertrieben. Selbst zu seiner Zeit, altersbedingte Abnutzungserscheinungen nicht berücksichtigt.


Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?
Als Klassiker darf sich der Film von Norman Jewison zweifellos titulieren, ein Meisterwerk ist dann doch noch ein bisschen was anderes. Der Thriller-Plot glänzt nicht durch drückende Hochspannung oder eine sensationelle Schlusspointe, entspricht ungefähr dem Standard einer soliden Krimiserie. Langweilig wird die Handlung trotz alledem nicht, was eher auf andere Faktoren zurück zu führen ist. Deutlich interessanter und für seine Zeit auch durchaus brisanter ist die offen ausgetragene Rassismusdebatte. In Käffern wie Sparta, Mississippi, trägt ein Schwarzer einen Anzug nicht mal zur Beerdigung, pflückt noch artig Baumwolle, hat maximal einen Vornamen und ist grundsätzlich hochverdächtig, wenn ein reicher Mann getötet wurde. Dieses heile, stumpfe Weltbild wird in seinen Grundfesten erschüttert, wenn ausgerechnet so ein Ni**** plötzlich den hiesigen Ermittlern vor die Nase gesetzt wird, sie in ihrer „Kompetenz“ locker in die Pfanne haut und mit so hochmodernen Großstadt-Ermittlung-Methoden das kleine Einmaleins der ländlichen Polizeiarbeit als primitive Milchmädchenrechnung entlarvt. „In der Hitze der Nacht“ schneidet somit ein damals noch viel aktuelleres, aufgeladenes Thema an und etabliert mit Sidney Poitier als gewitzten und modernen Sherlock Holmes-Verschnitt Virgil Tibbs einen schwarzen Helden auf „feindlichen Boden“, demaskiert die durch die Geschichte geprägten Vorurteile und Ungerechtigkeiten in dieser Gegend ganz direkt und bezieht klar Stellung. Diese dauerhafte Anspannung, sei es zwischen den beiden Protagonisten oder der wenig toleranten Bevölkerung, sorgt für eine drückende Schwüle, der Atmosphäre enorm zuträglich, immer mit dem latenten Gefühl behaftet, dass mit Streichhölzern neben einem Pulverfass gespielt wird.


Auch auf Vampire bestens vorbereitet.
Um den manchmal etwas behäbigen Schwung der Ermittlungen auszugleichen reicht das nicht ganz, dafür sorgen dann die Präsentation und speziell die beiden Hauptdarsteller, ohne dies wäre „In der Hitze der Nacht“ sicher deutlich schwächer einzustufen. Poitier und Steiger spielen grandios, sind allerdings auch in ihren Figuren mit der nötigen Tiefe und Ambivalenz kreiert, da ist das Skript viel stärker als in der eigentlichen Handlung. Der sonst so nüchtern-überlegte Tibbs muss irgendwann selbst feststellen, dass auch er nicht frei von Vorurteilen und persönlichen Animositäten ist, die seine analytische Professionalität beeinflussen. Sein Gegenpart, der nicht unbedingt sachliche, dafür bauernschlaue Hitzkopf Gillespie scheint anfangs auch nur ein rassistisches Arschloch, kann zumindest sein über Jahre gepflegtes Menschenbild bis zum Schluss nicht gänzlich verleugnen, ist dennoch so was wie ein kantiger Sympathieträger, der unter der extrem rauen Schale einen eigentlich guten Kerl erkennen lässt, der sich mühselig, aber zumindest schrittweise in die korrekte Richtung entwickelt. Die stark konzipierten und entsprechend kraftvoll verkörperten Charaktere sind ausschlaggebend für die Qualität des Films, wissen ihn auf ihren breiten Schultern zu tragen. Erstaunlich, dass bei dem warmen Oscarregen ausgerechnet die exzellente Kameraarbeit von Haskell Wexler nicht ausgezeichnet wurde, das andere unbestreitbare Plus des Werks. Brillant eingefangen, mit sehr überlegten und effektiven Einstellungen, zeitlos großartig.


Auch wenn sich sicherlich einiges kritisieren lässt, „In der Hitze der Nacht“ sollte allein wegen seiner handwerklichen Kompetenz und formalen Klasse unbedingt mal gesehen werden. Mit einer besser ausgearbeiteten Story wahrscheinlich doch so groß, wie er einst gemacht wurde. Hat die Zeit nicht spurlos überstanden, lohnt nach wie vor immer noch mindestens einen Blick, mit Tendenz zu deutlich mehr.

7,5 von 10 nackten Mädchen am Fenster.

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