Review: BUTTERFLY EFFECT - Spiel nicht mit der Zeit...



Fakten:

Butterfly Effect (The Butterfly Effect)
USA, 2004. Regie & Buch: Eric Bress, J. Mackye Gruber. Mit: Ashton Kutcher, Amy Smart, Melora Walters, Ethan Suplee, Eldon Henson, William Lee Scott, Eric Stoltz, John Patrick Amedori, Irene Gorovaia, Kevin G. Schmidt, Jesse James, Logan Lerman u.a. Länge: 119 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.



Story:

Seit seinem siebten Lebensjahr leidet Evan an unerklärlichen Blackouts. Scheinbar entscheidende Minuten seines Lebens sind wie ausgelöscht, er kann sich an nichts mehr erinnern, obwohl gerade diese Momente seine Identität besonders beeinflusst haben. Jahrelang geschieht nichts mehr in der Richtung, mit 13 taucht dieses Phänomen wieder auf, mit drastischen Folgen. Mit Anfang 20 studiert Evan Psychologie, will seine lückenhafte Vergangenheit, die unendlichen Fragezeichen wieder aufarbeiten und entdeckt unglaubliches: Wenn er in den Blackout-Passagen seiner alten Tagebüchern liesst, kann er in diese Punkte seines Lebens zurück springen, sie sogar beeinflussen. Was auch immer er dort macht, verändert sein aktuelles Leben. Evan versucht, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, doch nur die kleinste Veränderung bewirkt Konsequenzen, die er sich niemals erträumt hätte.





Meinung:

"Butterfly Effect" wurde seinerzeit extrem kritisiert und auch heute noch bekommt der Film oft sein Fett weg, damals wie heute verstehe ich einfach nicht warum. Auch ich war zu seiner Zeit extrem skeptisch, allein Ashton Kutcher als Hauptdarsteller klingt nicht gerade einladend, besonders in einem ambitionierten, ernst gemeinten Film. Kutcher ist nach wie vor der größte Kritikpunkt und ohne Frage eine Fehlbesetzung, allerdings ist dies wohl seine beste Rolle und sein mit weitem Abstand bester Film, zumindest als Leading-Man.



Evan mit seiner großen Liebe

Ein Hauptproblem bei "Butterfly Effect" soll die Logik sein, ein typischer Pferdefuß bei Filmen mit Zeitreise-Thematik. Natürlich kann darüber gestritten werden, Zeitreisen-oder Sprünge können sich eigentlich nur daran aufknüpfen, nur dürften unter dem Gesichtspunkt gar nichts mehr in der Form gedreht werden, Details oder generelle Logik werden immer auf eine harte Probe gestellt. Gerade deshalb versehe ich aber nicht den Vorwurf in diesem speziellen Fall, denn Eric Bress und J. Mackye Gruber scheinen sich wahnsinnig viel Gedanken um ihren Mystery/Sci-Fi-Thriller gemacht zu haben, reduzieren die fast unvermeidlichen Schwächen auf ein Minimum und selbst wenn der letzte Erbsenzähler noch was findet, es spielt gar keine Rolle. Vielleicht muss der Film dafür öfter gesehen werden, denn auch mir wurden einige Unklarheiten oder angebliche Logikfehler erst gestern widerlegt. Denn wer genau hinschaut und aufpasst, findet auf jede eventuelle Frage die passende Antwort, muss natürlich die Zeitreisethematik und den damit einhergehende Pseudo-Realismus mit einbeziehen, aber wer so einen Film sieht, hat dieses Ticket automatisch gelöst oder sollte es zumindest getan haben.


"Liebes Tagebuch, Charlie Sheen ist doof..."

Entscheidend: "Butterfly Effect" will ja auch gar kein hochintelligentes Arthouse-Werk sein, sondern ein spannender Unterhaltungsfilm, und das gelingt ihm ohne wenn und aber. Gerade unter der Prämisse ein bemerkenswerter Fall, wo viele ähnlich gelagerte Filme sich einen Dreck um Kreativität und/oder die damit verbundenen Schwierigkeiten / Konsequenzen scheren, nämlich eine innovative Story mit übernatürlichen Elementen als außergewöhnlich zu verkaufen, ohne dabei auf Details zu scheißen, nur um eine Idee zum Laufen zu bringen. Das ist die große Stärke von "Butterfly Effect". Hier treffen eine interessante, ungewöhnliche (sicherlich auf dem Papier merkwürdige, dafür in der Umsetzung hervorragende) Geschichte auf eine rasante, sehr durchdachte Umsetzung, die sich niemals verzettelt oder am eigenen Anspruch stranguliert, sondern gerade dadurch seinen Reiz bezieht. "Butterly Effect" ist Popcornkino, keine Frage, aber schießt sich erstaunlich gekonnt selbst am oft getroffenen Knie vorbei, ist in Details bemerkenswert und trotz jeder Klischee-und Logikfallen mit einer rotznäsigen Abgeklärtheit inszeniert, die so nicht zu erwarten ist. Natürlich, nicht zu leugnen und auch bewusst, ziehlt der Film klar auf eine durchkonstruierte Moral hin, auf eine Message, die ihm als Kitsch ausgelegt werden könnte, doch empfinde ich es eher als bewegend und ergreifend. Warum ändere ich die Vergangenheit, um die Zukunft zu beeinflussen? Um mich in ein besseres Licht zu rücken, um mich reich, berühmt und endlos glücklich zu machen? Nein, ich will der grossen Liebe meines Lebens ihr absolutes Glück gönnen, gehe dafür mehrfach durch eine nicht vorauszusehende Hölle und sehe nach etlichen Versuchen nur noch eine Alternative, die so logisch wie schmerzvoll ist.


An der Stelle sei das ursprünglich geplante Ende erwähnt, das in seiner Konsequenz sicher sehr drastisch ist und deshalb auch nicht verwendet wurde. Ich frage mich, ob das eine gute Wahl war, bin mir da nicht schlüssig. Eigentlich mag ich Enden, die keine Kompromisse machen, genau das wäre hier der Fall. Andererseits gefällt mir auch das versöhnliche, gewählte Ende, gerade weil es die tragische Geschichte recht harmonisch, aber nicht kitschig beschließt. Sagen wir mal so: Das alternative Ende hat seinen Reiz und sollte gesehen werden, am Ende ist der Film aber so wie er ist extrem rund.


Szenen aus der Vergangenheit

Bis dahin überrascht "Butterfly Effect" mit einer spannenden Geschichte, die zwar die Karten schnell auf den Tisch legt, dafür blitzschnell immer irgendwelche Haken schlägt, die aufgrund der Zeit-Änderungs-Thematik nie vorherzusehen sind, gekonnt alle Ereignisse und die damit verbundenen Gedankenspiele verknüpft und erst gegen Ende etwas zu dick aufträgt. Sicher, das Ziel, auch nötig, ist die Kreation immer neuer Worst-Case-Szenarien, nur manchmal schiesst der Film da leicht über's Ziel hinaus. Das lässt sich jedoch entschuldigen, wenn berücksichtigt wird, wo wir uns bewegen und was der Film von uns will. Das funktioniert, absolut. Was "Butterfly Effect" weit, sehr weit, über den Durchschnitt wuppt, ist seine detailverliebte Umsetzung, die spannende, unvorhersehbare Inszenierung und kleine Taschenspielertricks aus der Regisseurschule, die schlicht effektiv sind. Man beachte mal die Farbgebung und Bildgestaltung, im Bezug auf die aktuelle Stimmung. In den (seltenen) Momente, in denen Evan scheinbar alles zum guten gewendet hat, leuchtet und strahlt alles in hellen, prallen Farben, sobald die Stimmung und das Schicksal kippt, verblasst alles, monotone, triste Farbtöne übernehmen wieder das Geschehen. Wie schon gesagt, das ist keine große Kunst, aber in so einem Genrefilm ist das schon außergewöhnlich, gerade weil er es nicht als "Achtung, ich bin geil"-Element aufs Auge drückt, sondern es geschieht eher dezent, will entdeckt werden.


Die größte Schwierigkeit ist sicher Ashton Kutcher. Der bemüht sich sichtlich, doch scheitert er einfach viel zu oft an Schlüsselmomenten, die gestandene Darsteller spielende bewältigen würden. Manchmal erscheint es fast so, als wäre er überfordert oder sich nicht sicher, wie außerhalb der Comedy-Genres so was spielen soll. Einiges wirkt leicht deplatziert, schade, diese Besetzung werde ich wohl nie verstehen. Sei es drum, "Butterfly Effect" ist cleveres, gut durchstrukturiertes Popcornkino, was heute eine Seltenheit ist und funktioniert, im Gegensatz zu den oft nur einmal verdaulichen Beispielen, immer wieder sehr gut. Aus Hollywood würde ich persönlich mir mehr Mut zu solchen Drehbüchern wünschen, die sicherlich für die Einen zu kompliziert, für die Anderen zu wenig anspruchsvoll sind, aber wer so gut die Mitte trifft, der kann was.



8 von 10 Tagebucheinträgen

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