Review: 800 BULLETS - Opa macht ernst

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Fakten:
800 Bullets (800 balas)
ES, 2002. Regie: Álex de la Iglesia. Buch: Jorge Guerricaechevarria, Álex de la Iglesia. Mit: Sancho Gracia, Ángel de Andrés, Carmen Maura, Eusebio Poncela, Luis Castro, Manuel Tallafé, Enrique Martinez, Luciano Federico, Eduardo Gómez, Terele Pávez u.a. Länge: 121 Minuten. FSK: ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.

Story:
Der kleine Carlos wächst ohne Vater auf. Was genau mit ihm passiert ist weiß er nicht, nur das er bei einem Unfall ums Leben kam. Dann erfährt er, dass sein Vater zusammen mit seinem Großvater Julián, den er nie kennen gelernt hat, in Western mitgespielt hat. Auf dem Weg zu einer Klassenfahrt verkrümelt sich Carlos und macht sich auf nach Almeria, um seinen Großvater zu finden. In den ehemaligen Filmkulissen von Spaghetti-Western arbeiten Julián und einige andere Saufbolde als Darsteller einer billigen Wild-West-Show und erzählt wehmütig von den Zeiten, als er noch das Stuntdouble von Clint Eastwood war. Julián will von Carlos zunächst nichts wissen, doch der Junge bleibt hartnäckig und wächst seinem knorrigen Opa langsam ans Herz. Als Carlos Mutter Laura ihn ausfindig macht, ist sie stinksauer und will es dem verhassten Ex-Schwiegervater, den sie verantwortlich für den Tod ihres Mannes macht, heimzahlen. Sie sucht eh gerade ein Gelände für einen Freizeitpark und kauft die Westernstadt, um sie abzureißen. Julián und seine Kollegen stehen vor dem Nichts. Sie besorgen sich 800 echte Kugeln und verteidigen ihre "Heimat".

 


Meinung:
Die Idee von Álex de la Iglesia und seinem Stamm-Co-Autor Jorge Guerricaechevarria (ja, der heißt wirklich so und ich muss es jedesmal abschreiben) ist, wie eigentlich immer, sehr interessant. An Einfällen und Kreativität mangelt es den beiden Herrschaften nie, allein deshalb sind die Filme eigentlich immer einen Blick wert. "800 Bullets" macht da keine Ausnahme, Iglesia, über den es sicher geteilte Meinungen gibt, versteht sein Handwerk als Regisseur formal auch absolut. Leider reicht das diesmal nicht ganz für einen klar gelungenen Film.


Die Stärken liegen mal wieder in den Figuren, die von Haus aus zwar überzeichnet, dabei aber auch diesen Charme von Comicfiguren haben. Sie sind liebenswert, sympathisch, gerade weil sie (natürlich) reichlich Ecken und Kanten haben und weit weg von "perfekten" Menschen sind. Das in die Jahre gekommene Ex-Eastwood-Stuntdouble Julián und seine Mannschaft von trinkwütigen Losern muss man einfach gerne haben. Die gesamte Idee, dass diese Möchtegern-Cowboys sich wegen ihrer Existenz nun mit scharfer Munition bewaffnen und zu Besetztern ihrer kleinen, gammeligen Westernstadt werden, hat Potenzial. Iglesias Film hat leider zwei große Probleme:


Western für Rentner in Almeria
1. Er ist zu lang. 121 Minuten klingt schon viel für so eine Geschichte, ist es auch. Grundsätzlich werden die zwei Stunden zwar immer mit irgendwas unterhaltsamen gefüllt, nur das hätte es beileibe nicht gebraucht. Kürzer, straffer würde es wohl besser funktionieren. Speziell das theoretische Finale, also ab dem Punkt, an dem die titelgebenden 800 Kugeln ins Spiel kommen, wäre als zünftig-knackiger Showdown besser gewesen. Das wirkt etwas zu ausgedehnt, was aber bei Iglesia/Guerricaechevarria (wieder abgeschrieben) nicht zum ersten Mal vorkommt. Vergleichbar mit "El dia de la bestia": Fängt gut an, die besten Momente gibt es in der Mitte, ab dann fällt es ab. Das Finale eines Films sollte eigentlich den Höhepunkt bieten, ist hier (schon wieder) nicht so. Da baut der Film leider ab. Zudem wirkt es etwas zu sentimental, aber dazu gleich noch in Punkt 2.

 
Zumindest die Bar ist gefüllt
2. Es jetzt daran fest machen zu wollen, dass ein Kind im Mittelpunkt der Handlung steht, ist vielleicht sehr oberflächlich, aber es ist mit Sicherheit ein Grund dafür: Iglesia ist nicht so böse und verrückt wie sonst. Das ist von daher schädlich, da er immer zu Klamauk neigt, sich das in seinem böse-zynischen Kontext aber sonst nicht negativ äußert. Dem Film fehlt es eindeutig an dieser geschmackvollen Geschmacklosigkeit. Nicht komplett, dass es sich um einen Iglesia handelt ist unverkennbar, aber ein gedrosselter. Richtig Iglesia ist es in der Mitte, die Feier im Saloon. Da wird hemmungslos gesoffen, der kleine Junge begrabbelt die Möpse einer Dirne, während er mit seiner Muttel telefoniert, einer der Darsteller zündet sich an und am nächsten Tag kommen die doofen Touristen, alle liegen im Halbkoma rum und sind sich nicht sicher, ob der Selbstentzünder überhaupt noch lebt. Diese leichte Boshaftigkeit, Durchgeknalltheit fehlt dem zu oft. Schmunzler gibt es immer, auch nette Running Gags wie "den Aufgeknüpften", der dauernd vergessen wird, aber da wäre doch mehr möglich und auch nötig gewesen. Iglesia ist für seine Verhältnisse viel zu brav, beraubt sich quasi selbst einer seiner Stärken. Am Schluss wird es auch unnötig tragisch, was anderen Filmen oft gut tut, nur in einer Iglesia-Bad-Taste-Show ist das schon bald "familientauglich". Das kitscht sogar fast, muss echt nicht sein.


Trotz der Kritikpunkte macht "800 Bullets" Spaß, dafür ist der einfach zu liebevoll, handwerklich und von seiner Grundidee, sowie den einzelnen, kleinen Momenten, viel zu gut gemacht. Nur wird das selbstgeschaffene Potenzial leider klar verschenkt. Freunde von Crazy-Iglesia sollten den trotzdem sehen und auch andere Filmfans werden hier kaum ihre Zeit verschwenden, nur ein Knaller ist es nicht.


Anmerkung: In der letzten Filmszene taucht "Clint Eastwood" auf, Iglesia hatte geplant, dass Clint sich selber spielt. Interesse war sogar da, aber wegen "Mystic River" hatte er einfach keine Zeit. Schade, die Idee (wie so vieles hier) ist nett.

6 von 800...äh, 10 Kugeln

 

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