Review: DER TOTMACHER - Psychologisches Kammerspiel der Extraklasse


Fakten:
Der Totmacher
BRD. 1995. Regie: Romuald Karmakar. Buch: Romuald Karmakar, Michael Farin. Mit: Götz George, Jürgen Hentsch, Pierre Franckh, Hans-Michael Rehberg, Matthias Fuchs, Marek Harloff, Christian Honhold, Rainer Feisthorn u.a. Länge: 110 Minuten. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD erhältlich.

Story:
Nach einer wahren Geschichte. Im Jahre 1924 wird der Serienmörder Fritz Haarmann von Prof. Dr. Schultze zu seinem Leben und seinen Taten befragt, um so herauszufinden, ob Haarmann voll schuldfähig ist. Es entwickelt sich ein intensives Gespräch.




Meinung:
Mit äußerst komprimierten Mitteln, entwirft Romuald Karmakar ein intensives Kammerspiel, das in seiner nachhaltigen Konzentration ein Maximum an Atmosphäre evoziert. Eine Seltenheit im deutschen Kino: Durch die spartanische Reduktion, wird die eindringliche Konversation im Fokus auf ihren Höhepunkt geschraubt und es gibt keinerlei Zierwerk, das den Betrachter auch nur einmal vom Wesentlichen ablenken könnte, weder eine musikalische Arrondierung, noch affektive Manipulationen. Aus 80 Seiten der berühmten Haarmann-Protokolle als Grundlage, wird »Der Totmacher« zu einer mannigfachen Verhaltens- und Fallstudie, innerhalb vier Wänden. Anwesend sind der Psychiater Ernst Schultze, ein Stenograph und natürlich der Vampir von Hannover, Fritz Haarmann, der mindestens 24 Männer umgebracht haben soll, indem er ihnen beim Geschlechtsverkehr die Halsschlagader durchgebissen hat und die Körper daraufhin zerkleinerte, verspeiste und die Knochen und Überrest in die Leine warf. Wie Karmakar dieses Gespräch zwischen dem Professor und dem Täter entfaltet - mal als verbales Wortduell auflodern lässt, mal einen nüchternen Austausch darstellt, bis hin zum unscheinbar-intimen Zusammensein - ist in seiner psychologischen Durchleuchtung eine inszenatorische Meisterleistung in Sachen umklammernder Spannung.



"Manchmal habe ich auch geweint, weil sie so schön waren"
Dabei legt der Film seine ganze Kraft auf die zwei hervorragenden Darsteller Jürgen Hentsch und Götz George. Hentsch als rationaler, hochintelligenter und punktuell vorstoßender Psychiater, der Haarmanns Schuld beteuern soll und seiner Zurechnungsfähigkeit auf den Grund gehen muss, bis tief in die krankhafte Seele Haarmanns vordringen. Götz George ist da allerdings noch einmal ein ganz anderes Kaliber an schauspielerischer Brillanz. Sein Charakter lässt sich zu keiner Zeit durchschauen. Haarmann artikuliert sich naiv, ist hin und wieder in seiner eigenen Welt abgetaucht, gibt trotzige Antworten, wirkt zurückgeblieben und im nächsten Moment strahlen seine Augen eine angsteinflößende Diabolik aus. Täuscht er den Psychiater und damit die ganze Welt, oder zeigt er durchgehend sein wahres Ich? Die menschlichen Gegensätze prallen aufeinander - auch aus intellektueller Sicht - und die vordergründige Abscheu kann sich der nachrückenden Faszination nicht entziehen. Würden sich deutsche Produktionen wie »Der Totmacher« immer in dieser Form präsentieren und allein auf Mimik, Gestik und vorgetragene Worte (die hier nie aufgesetzt wirken) setzen, man bräuchte sich keine Sorgen um die Zukunft des nationale Kino machen.

8 von 10 Blicken tief in den seelischen Abgrund

von souli

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