Fakten:
Videodrome
CAN, 1983. Regie & Buch: David Cronenberg. Mit: James Woods, Deborah Harry, Sonja Smits, Peter Dvorsky, Les Carlson, Jack Creley, Lynne Gorman, Julie Khaner u.a. Länge: 89 Minuten (Director's Cut), 87 Minuten (Kinofassung). FSK: keine Freigabe. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Story:
Max Renn gestaltet das Programm eines kleinen, kanadischen Fernsehsenders. Um seinen Sender gegenüber der Konkurrenz zu behaupten kennt er nur eine Marschrute: Sex und Gewalt, so viel und extrem wie möglich. Bei der Suche nach neuem Material stößt er auf das Signal von Videodrome. Dort ist das zu sehen, was er als das Format er Zukunft ansieht. Er begibt sich auf die Suche nach dem Ursprung von Videodrome. Was er findet, ist der Verlust der Wirklichkeit und die Eintrittskarte zu seinem persönlichem Albtraum.
Meinung:
Nach seinen sexuell motivierten Body-Horror-Filmen der 70er widmete sich David Cronenberg
Anfang der 80er mit "Scanners" einer neuen Thematik: Der Kraft der
Gedanken, der tödlichen Macht des Geistes. Was großartig begann, findet
mit dem Folgefilm "Videodrome" seinen Höhepunkt. Hintersinnig, intelligent, subtext-lastig waren bisher alle seine Filme, versteckt hinter der Fassade aus Blut und Gekröse. "Videodrome"
wagt sich erstmals weit über den Tellerrand hinaus. Waren seine Werke
bis dato auch abseits jeglicher Symbolik frei genießbar und
oberflächlich als reine Genrekost zu verkaufen, geht "Videodrome" den gewagten Schritt weiter. Cronenbergs
Film soll nicht mehr als "einfacher" Horrorfilm wahrzunehmen sein, er
durchbricht bewusst die Grenze zwischen Genrefilm und Anspruch, wie
seine Figuren die Grenze zwischen Wahn und Verstand, Bildschirm und
Wirklichkeit. Cronenberg erweist sich lange vor dem Zeitalter des Internets als erschreckend visionär. Was sich heute jedes Kind mit den entsprechenden Links problemlos auf den heimischen Bildschirm zaubern kann , ist bei "Videodrome" noch beruhigend weit weg. Und deshalb so interessant. Was ist eigentlich der größere Horror?
Getrieben
von der Gier, sein Publikum durch Sex und Gewalt zu gewinnen, durch
angestrebte Tabubrüche die Einschaltquoten hoch zu treiben, begibt sich
Max Renn (grandios: James Woods) auf die Spuren von Videodrome. Einem Kanal, der genau das bietet, was er als die Zukunft der Unterhaltung ansieht.
Max sieht rot. |
Was Cronenberg daraus macht scheint erst eine reine Satire auf die Medien- und Konsumgesellschaft, doch es offenbart
sich weit mehr. Sein Werk führt den Zuschauer wie seinen Protagonisten
Schritt für Schritt an einen Abgrund, dessen Boden nicht mehr zu sehen
ist. Vollkommen unvorbereitet stürzen wir immer tiefer, die Grenzen
zwischen Fakt und Fiktion fließen zusammen, am Ende lässt sich
nicht mehr ausmachen, wo wir uns gerade bewegen. Aversion und Perversion
verschmelzen wie das Fleisch mit dem Stahl. Nicht ist mehr logisch oder
konventionell, alles scheint möglich und wird es auch. "Videodrome" öffnet Türen, die damals kaum vorstellbar waren und selbst heute, wo wir uns direkt im ungefilterten
Medienzeitalter bewegen, ist dies noch der pure Horror. Die Welt hinter
dem Bildschirm wird zur Realität, das Unvorstellbare und mit der
entsprechenden Distanz Interessante wird zum Albtraum. Cronenberg hält der Gesellschaft Anfang der 80er einen Spiegel vor, den sie heute viel nötiger hätte. Er
repräsentiert das Chaos, das Ende der greifbaren Wirklichkeit, den
Übergang vom Voyeur zum Täter.
Es ist das Innere, was zählt. |
Das geschieht in einer beeindruckenden
Form, atmosphärisch unglaublich packend und inszenatorisch weit über dem
Niveau, auf dem sich "Videodrome" eigentlich bewegen müsst. Erst danach wurde Cronenberg für größere Studios
interessant, dass es sich hier noch um eine eher kleiner Produktion
handelte, adelt sie um so mehr. Als Maßstab dafür müssen nur die Effekte
genommen werden. Besonderes Lob gebührt dafür Rick Baker, der für seine Arbeit bei "American Werewolf" ein Jahr zuvor den Oscar erhielt. Was "Videodrome" in dieser Hinsicht auffährt, muss jedem CGI-Anhänger
zu denken geben. Das ist brillant, teils sogar ekelhaft, aber wollen
wir nicht genau das sehen? Auf dem Niveau auf jeden Fall. "Videodrome" ist ein einschnürender, grauenvoller, hochintelligenter Unruhestifter von einem genialen Filmemacher, hier auf seinem Gipfel angelangt.
9 von 10 subkutanen Videokassetten
9 von 10 subkutanen Videokassetten
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