Review: KILLING THEM SOFTLY - Geld regiert die Welt


Fakten:
Killing them softly
USA. 2012. Regie und Buch: Andrew Dominik. Mit: Brad Pitt, Scoot McNairy, Ben Mendelsohn, Ray Liotta, Richard Jenkins, James Gandolfini, Max Casella, Slaine, Sam Shepard, Vincent Curatola, Trevor Long u.a. Länge: 104 Minuten.FSK: freigegeben ab 16 Jahren. Ab 17. Mai auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Jackie Cogan wird dafür bezahlt, um Dinge zu bereinigen. Als zwei Gangster ein Pokerspiel in New Orleans, welches unter dem Banner der Unterwelt stand, überfallen und die Schuld dem ortsansässigen Veranstalter in die Schuhe schieben, ist Jackies Spürsinn gefragt. Als der Job beginnt hässlich zu werden, engagiert Jackie einem zweiten Mann für die Drecksarbeit aus New York. Der Beginn von großen Problemen.




Meinung:
Es ist die duale Zerschlagung der immensen Erwartungshaltung des Konsumenten, die Andrew Dominiks "Killing Them Softly" pleonastisch in die Knie zwingt. Zum einen ist es die plakative Poster/Cover-Gestaltung – Brad Pitt mit angelegter Schrotflinte, bereit das Gehirn seines Gegenübers an der Wand zu verteilen - die einen falschen Eindruck erweckt und so manchen Zuschauer dann mit fast durchgängige Geschwätzigkeit vor den Kopf stoßen wird. Das ist aber nur das kleinere Übel. Wer hingegen "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" gesehen hat – und diesen natürlich auch in seiner unbeschreiblichen Brillanz erfassen konnte – weiß, zu welch hypnotischer Großtat der Australier in der Lage sein kann. Eine Repetition von derartiger Qualität ist ein unmögliches Unterfangen, und doch hegt man die Hoffnungen, dass der Filmemacher an seine vorgegebene Klasse erneut anknüpfen kann, die Wahrheit lässt jedoch in den meisten Fällen in ganzen anderen Bereichen wiederentdecken: »Killing Them Softly« ist nicht nur im Vergleich mit Dominiks vollkommener Western-Entmystifizierung eine unbedeutende Welle im Meer der bewegten Bilder, sondern auch als eigenständiger Film bestenfalls im undifferenzierten Mittelfeld anzusiedeln.



Andrew Dominik entreißt die Essenz der literarische Vorlage »Cogan's Trade« aus den 1970er Jahren und verlagert sie in das New Orleans im Jahre 2008. Die Mentalität des Vereinigten Amerikas wurde beinahe auf den Kopf gestellt und der amerikanische Traum ist nur noch eine trügerische Illusion, ein zerbrochenes Überbleibsel aus Tagen der Zuversicht und Hoffnung. Vom Tellerwäscher zum Millionär, jedes Ziel kann erreicht werden und wenn man sich selbst treu bleibt, wird man irgendwann genau das Leben führen können, welches man sich immer ersehnt hat. In »Killing Them Softly« liegt die optimistische Moral der USA gekrümmt auf dem Boden der Realität und wartet auf den Gnadenschuss, genau wie die wirtschaftlichen Mechanismen unmissverständlich Folgendes klarmachen: Ohne Geld bist du ein Niemand. Und ein Niemand mit löblichen Ambitionen, aber ohne Dollar in den Hosentaschen, bleibt ein Niemand. That's the spirit.


Jackie tötet gerne sanft. Hat nur gerade die falsche Waffe.
Dominik empfängt uns im Bostoner Untergrund – hier wird nur vom Syndikat gesprochen – und dieser verfolgt genau die gleichen Ziele, wie auch die politische Exekutive: Geld, Geld, Geld. Vorgestellt werden uns die beiden Kleinkriminellen Frankie (Scoot McNairy) und Russell (Ben Mendelsohn), die eine illegale Poker-Runde, geleitet von Markie Trattman (Ray Liotta), überfallen sollen und ihrem Auftraggeber Johnny Amato wie auch sich selbst die Taschen wieder profitabel füllen können, denn Geldprobleme hat schließlich jeder und in diesem Milieu kann man sich nicht aus der finanzielle Misere hieven, ohne einen schmutzigen Weg einzuschlagen. Das Ding soll auf sicherem Fundament abgezogen werden, weil Markie vor Jahren schon einmal seine eigene Poker-Runde überfallen ließ. Die Vermutung bewahrheitet sich und die beiden Vollzeitidioten ziehen mit Koffern voll Geld wieder aus der angespannten Poker-Runde ab. Natürlich ist dieser Überfall nicht ohne Folgen und das Syndikat setzt ihren besten Vollstrecker Jackie Cogan (Brad Pitt) auf die bis dahin unbekannten Täter an.


Man kann Dominik natürlich nicht vorwerfen, dass er das Rad nicht neuerfinden würde. Das Gangster-Genre ist wohl eines der Genres, bei dem nun wirklich so ziemlich alles bis in die hintersten Winkel ausgeleuchtet wurde und jeder Charakter in gewisser Form schon mal bei Martin Scorsese und Konsorten entdeckt wurde. Was an dem Umgangston von »Killing Them Softly« allerdings wirklich schockiert, ist die fehlende Subtilität, die Dominik in aller Offensichtlichkeit durch den kritischen Vorschlaghammer ausgetauscht hat. Die Auslegung der Handlung ist klar und Dominik versucht die Gegensätze zwischen der politischen Führungsetage und dem organisierten Verbrechen auf einen gleichen Nenner zu bringen, denn in beiden Bereichen geht es – wie gesagt – um das stinkende Geld. Wie Dominik allerdings diese Konsum- und Gesellschaftskritik in seinen Film einstreut, ist schon beinahe mit lustlosem Dilettantismus gehandhabt: In jeder zweiten Szene hören wir Barack Obama oder George W. Bush aus dem Radio oder dem Fernseher schwafeln, wie sie von einem amerikanischen Aufschwung predigen, während die Tatsachen natürlich ganz andere sind. Erstaunlich und erschreckend, wenn man bedenkt, dass der Mann mal ein Meisterwerk inszenierte, bei dem GERADE die feinsinnigen Zwischentöne und psychologischen Auslotungen den Nerv trafen.


Auf Markie kommen massive Probleme zu
Nun ist der Vorschlaghammer aber nicht das einzige Problem, die prominent besetzen Charaktere wissen den Karren nämlich auch nicht mehr aus dem Dreck zu ziehen und Dominiks Drehbuch ist nicht nur uninspiriert, die Dialoge wirken in ihren Verbalisierungen zeitweise auch nahezu karikaturistisch. Der Umgangston ist natürlich nicht von Höflichkeiten gezeichnet, soviel sollte klar sein, wenn sich Frankie und Russell dann aber unterhalten und jedes zweite Wort wirklich „Ficken“, „Schlampe“ und „Wichser“ ist, dann ist das keine Milieu-Authentizität mehr, das ist einfach nur noch lächerlich und reflektiert genau den Tiefgang, den Dominik seinen Figuren zugesprochen hat: Keinen. Hätte man nicht Brad Pitt als Jackie Cogan im Repertoire, der nicht mit Pulp-Coolnes auftritt, sondern eine eloquente Lässigkeit an den Tag legt, die seinen Profi schnell einer unscheinbaren Dekonstruktion unterzieht, "Killing Them Softly" wäre auch aus schauspielerischer Sicht unbrauchbar, denn Darsteller wie Ray Liotta oder James Gandolfini (Hier übrigens als selbsternannter Hobbyficker mit von der Partie) bekommen keine Möglichkeiten, ihr Können wirklich zu beweisen.


„Killing Them Softly“ ist zwar eine klare Enttäuschung, aber keine Katastrophe, denn die Atmosphäre stimmt und die gewisse Symbolik, die sich vom Gangsteralltag auf die politische Bewegung projizieren lässt – Wer die Pistole zieht, der drückt auch ab, Schläge werden ausgeteilt, aber nicht eingesteckt – machen den Film auf seine Art doch noch erträglich. Auch wenn sich Dominik der Gewaltästhetisierung nicht gänzlich entzieht und Kopfschüsse mal in Zeitlupe festhält, damit das Blut auch Tropfen für Tropfen in Richtung Kamera streut, bleibt "Killing Them Softly" ein Film, in dem die mäßigen bis soliden Dialoge Oberhand gewinnen. Shootouts gibt es keine und Action erst recht nicht. Letztlich ist das alles zu wenig, aber immer noch genug, um nicht wirklich den herzlosen Gnadenstoß erteilt zu bekommen, die Aussage des Filmes bleibt simpel und erlaubt keine tiefere Auseinandersetzung mit dem eigentlich bedeutungsvollen Kern: Pragmatismus gibt es überall. Punkt.
„America is not a country. It's just a business. Now pay me.“

5 von 10 pragmatischen Bartträgern


von souli

Wir danken unserem ewigen Gast-Autor souli für seine Kritik. Wenn ihr mehr von souli lesen wollt, dann besucht doch unseren Blog Buddy CinemaForever.

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