Review: FLIGHT - Ein Film mit Sturzflug im doppelten Sinne



Fakten:
Flight
USA. 2012. Regie: Robert Zemeckis. Buch: John Gatins. Mit: Denzel Washington, Kelly Reilly, Bruce Greenwood, Don Cheadle, John Goodman, Melissa Leo, James Badge Dale, Nadine Velazquez, Tamara Tunie, Brian Geraghty, Ravi Kapoor, Dane Davenport Rhoda Griffis, Dylan Kussman, Adam Tomei u.a. Länge: 139 Minute. FSK: freigegeben ab 12 Jahren. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
William „Whip“ Whitaker ist Pilot und Alkoholiker. Als seine Maschine wegen eines Defekts abstürzt, kann er das Flugzeug mit einem waghalsigen Manöver auf einem Feld notlanden. Von den knapp 200 Insassen sterben 6. Whip wird als Held gefeiert, doch hinter den Kulissen brodelt es. Bei einem Bluttest wird herausgefunden, dass er während des Flugs nicht nur Alkohol sondern auch Kokain im Körper hatte. Während Whips Anwalt Hugh Lang alles versucht, um seinen Mandanten sauber aus der Sache rauszuholen, nimmt Whip weiter Alkohol zu sich.





Meinung:
Es ist ja fast schon in Vergessenheit geraten, aber Regisseur Robert Zemeckis ist ein guter Geschichtenerzähler. Davon war in den letzten Jahren allerdings nur wenig zu sehen. Zemeckis konzentrierte sich auf seine Motion-Capture-Filme, die tricktechnische Maßstäbe setzten, aber letztlich nicht mehr waren als erkaltete Computer-Demonstrationen deren zwanghat auf realistische Mimik getrimmte Figuren mehr Unbehagen als Faszination auslösten. Nach „Der Polarexpress“, „Die Legende von Beowulf“ und „Disneys Eine Weihnachtsgeschichte“ kehrt Zemeckis nun endlich, endlich, endlich, endlich wieder zurück zum klassischen Kino und statt nur auf großes Spektakel zu setzen, konzentriert er sich auf die Geschichte eines Alkoholikers.


Pilot Whip: stilsicher und betrunken
Das „Flight“ ohne Spektakel auskommt ist genau genommen nicht richtig. Im ersten Akt gibt es einen Flugzeugabsturz der durchaus mit realistischer Wucht und Hang zum Buhei inszeniert wurde und wenn man Zemeckis frühere Filme kennt, könnte der Verdacht aufkeimen, dass „Flight“ trotz seines ruhigen Erzähltempos irgendwann noch einmal große Effekte darbietet, doch dies ist nicht der Fall. Ähnlich wie bei Zemeckis anderem großen Absturz-Film „Cast Away – Verschollen“ von 2000, fokussiert sich Zemeckis auf seine Hauptfigur. Der Unterschied zum Survival-Drama ist, dass am Ende von „Cast Away“ es noch einmal dröhnen und krachen darf, „Flight“ behält sich aber seine ruhige Inszenierung bei. Kämpfte der schiffbrüchige Tom Hanks noch gegen die Gezeiten, so zieht Pilot Whip Whitaker hier gegen sich selbst und seine Alkoholsucht in den Kampf, wobei klar gesagt sein sollte, dass er sich zum größten Teil eher in promillehaltige Ausflüchte rettet. Ausflüchte die typisch sind für einen Alkoholiker. Einen Alkoholiker, der hier von seinen Freunden nicht dabei unterstützt wird trocken zu werden, um seines Willen, sondern dazu gedrängt wird seine Krankheit zu verschleiern, damit er sowie seine Arbeitgeber (Fluggesellschaft, Gewerkschaft) keinen Skandal ausstehen müssen. Einzig die heroinsüchtige Nicole versucht Whip wahrhaftig und ehrlich zu helfen.


Whip und Nicole kommen sich näher
Die Figur der Nicole ist eine durch und durch spannende. Jedoch verliert der Film, nach dem er sie zu Beginn noch recht ausladend und ungewohnt intensiv vorstellt, sie nach und nach aus dem Blickfeld. Macht es zu Beginn der Beziehung zwischen Whip und ihr den Eindruck, dass es eine unterstützende Beziehung werden kann, so verschwindet Nicole gefühlt fast gänzlich ins Nirwana der Belanglosigkeit. Schade, denn Darstellerin Kelly Reilly („Eden Lake“, „Sherlock Holmes – Spiel im Schatten“) verkörpert die gebrochene Frau eindrucksvoll, verletzlich und lässt ihre Rolle immer wieder in wohltuender Hoffnung erstrahlen. Darstellerisch macht „Flight“ aber sowieso nichts verkehrt. Bis zur kleinsten Nebenrolle exquist besetzt, ist es natürlich Denzel Washington, der hier glänzen darf. Washington war schon immer ein mehr als begnadeter Darsteller, doch in den letzten Jahren schien er schauspielerisch selten herausgefordert zu werden. Egal ob „Safe House“, „Book of Eli“ oder „Unstoppable – Außer Kontrolle“, Washington war auf der Schiene des geerdeten Helden festgefahren zu sein. Schön, dass er unter Robert Zemeckis beweisen darf, dass er mehr kann als nur den Tag zu retten, auch wenn er dies in „Flight“ tut, aber in einer dramaturgisch wesentlich reiferen Ausrichtung.


Alles dreht sich. Ob das nur am Alkohol liegt?
„Flight“ ist ein wirklich gelungenes Drama, welches versucht ehrlich mit seiner Thematik umzugehen, allerdings ist er auch furchtbar pathetisch. Am Ende, die letzten Minuten, wirken wie ein Fremdkörper, wie der Zwang seinem Publikum ein zurecht gerücktes Ende zu präsentieren, damit nach dem Abspann nichts Böses mehr haften bleibt. „Flight“ schafft es wirklich alles was er sich aufgebaut hat, alle seine durchaus mutigen, dramaturgischen Entscheidungen am Schluss wie eine Nichtigkeit aussehen zu lassen. Dabei sieht es im Schlussakt fast danach aus, das Zemeckis sich moralinsaurer Sanktionen dank harter, menschlicher Schwächen entziehen würde. Doch ausgerechnet dann, wenn es nicht unpassender sein kann, wenn „Flight“ zu einem scheinbaren Höhenflug ansetzt, kracht das Drama zusammen. Was bleibt ist das übliche, dramaturgische Hollywood-Tamtam, welches keinen bleibenden Eindruck zulässt, weil es auf der Zielgeraden seine eigene Integrität und damit auch Identität gegen tränenziehenden Massengeschmack eintauscht..


„Flight“ hätte so viel mehr sein können. Eine durchgängige Enttäuschung ist Robert Zemeckis Rückkehr zum klassischen Kino aber keinesfalls. Es sind die Darsteller die das Drama ausmachen und diese machen einen hervorragenden Job. Eine Szene mit Pilot Whip im Treppenhaus eines Hospitals, in der er auf Nicole und einen Krebspatienten (James Badge Dale aus „Iron Man 3“ in einem wunderbaren Kurzauftritt) trifft, gehört zu einer der besten Szene des Filmjahres 2013. Mit mehr Courage der Thematik und seinen Figuren gegenüber hätte „Flight“ aber wahrlich abheben können. So bleibt er bis zum zimperlichen Ende auf einer durchaus sehenswerten Ebene, bis er kurz vor der Landung abstürzt. Ein Film mit Sturzflug im doppelten Sinne. Anschnallen also nicht vergessen.


6,5 von 10 entleerte Mini-Bars

8 Kommentare:

  1. Wow, ich gehe mit Stu absolut konform. Solln wir den Champagner aufmachen?

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    1. Na toll und schon ist der Sonntag versaut.

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    2. Ich nehm nen doppelten ohne Eis.

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    3. Sorry, doch schon leer, anders kann man mit dir ja nicht schreiben.

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    4. Ich schnüffel an Klebstoff. Ist billiger und nachhaltiger. Ich nenn den Pritt-Stit mittlerweile nur noch den Kev-Stick.

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    5. Wie schön dass du von mir abhängig bist :)

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    6. Sonst wollte niemand anderer und ich hatte eben Zeit :)

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