Review: INGLOURIOUS BASTERDS - Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit



Fakten:
Inglourious Basterds
USA. BRD. 2009. Regie und Buch: Quentin Tarantino. Mit: Brad Pitt, Mélanie Laurent, Christoph Waltz, Diane Kruger, Til Schweiger, Eli Roth, Daniel Brühl, Michael Fassbender, Gedeon Burkhard, August Diehl, Mike Myers, Sönke Möhring, Sylvester Groth, Jacky Ido, Martin Wuttke, Samm Levine, Julie Dreyfus, Christian Berkel, B.J. Novak, Omar Doom, Bo Svenson, Ken Duken, Volker Zack Michaelowski, Rod Taylor, Alexander Fehling, Enzo G. Castellari, Jana Pallaske, Ludger Pistor u.a. Länge: 154 Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD und Blu-ray erhältlich.


Story:
Es war einmal in einen von den deutschen besetzten Frankreich: Lt. Aldo Raine ist stolzer Amerikaner und führt eine Truppe von eiskalten wie gewitzten Soldaten über die deutsche Grenze mit nur einem Ziel: Nazis töten und skallpieren. Als Aldos Truppe erfährt, das Hitler höchstselbst bei einem Filmpremiere in Paris anwesend ist wollen sie ihn und seine Entourage töten. Zu ihrem Glück hat die Betreiberin des Kinos auch noch eine offene Rechnung mit den Nazis.





Meinung:
Wer „Inglourious Basterds“ nun wirklich als inhaltlose Posse eines hochmütigen Spielkindes im Körper eines frenetisch gefeierten wie endlos ikonisierten Regisseurs stigmatisieren möchte und dem Film dazu einen pejorativen Umgang mit der internationalen Zeitgeschichte vorwirft, dem ist unter Umständen der Bezug zu einem ganz entscheidenden Kennzeichen im Œuvre Quentin Tarantinos abhanden gekommen: Die grenzenlose respektive kindisch-hemmungslose Cineastik. Natürlich hält sich „Inglourious Basterds“ nicht an historische Fakten, verkauft ein schwarzes Kapitel der Vergangenheit als episodenhaftes Märchen und will den zweiten Weltkrieg so nicht anhand von niedergeschriebenen Tatsachen aus staubigen Geschichtsbüchern festlegen, doch respektlos oder gar verachtungswürdig ist hier keine Sekunde der wie im Fluge verstreichenden 160-minütigen Laufzeit. Vor allem relativieren sich diese missbilligenden Urteile bereits dadurch, dass Quentin Tarantino in „Inglourious Basterds“ einzig und allein seine unnachahmliche Cinphilie gebündelt hat und in einem so effektiven wie intelligenten Rausch aus allen Rohren feuert, dass eine auf Sachverhalten beruhende Ernsthaftigkeit nun gar nicht infrage kommt. 

Auch Nazis mögen Spieleabende
Wenn man sich also einen Film von Quentin Tarantino ansieht, dann kann man sich wohlig auf Charaktere einstellen, die mit all der inszenatorischer wie rhetorischer Finesse auf Kult getrimmt wurden, einzelne und grandios proportionierte Kapitel, die sich wie ein Reißverschluss zusammenziehen, aber dadurch nie eine scheinheilige Doppelbödigkeit vorgaukeln wollen, um dem Zuschauer in irgendeiner Weise die eigene Überintelligenz zu verkaufen, und natürlich jede Menge grenzgenialer Dialoge, die belangloses Palavere als einnehmendes Faszinosum verpacken und dabei gerne gepaart mit Blut, Blei und Gewalt auftreten. Mit der Grundlage des zweiten Weltkrieges sollte es Tarantino dann vor allem im letzten Punkt nun wirklich nicht an möglichen Szenarien mangeln, auch wenn dem Videothekenjunkie gerne die despektierliche Gewaltverherrlichung angeheftet wird, in dem er die rohe Brutalität mit lockeren Sprüchen und fetziger Musik koppelt und ihr den eigentlichen Charakter entzieht. Wenn jedoch in „Inglourious Basterds“ Ennio Morricone ertönt und ein von Soldaten gefürchteter Basterd den Schädel eines Offiziers mit einem Baseballschläger zu Brei schlägt, dann glühen zwar die Augen des Zuschauers, doch von einer bedenklichen Apotheose kann nicht die Rede sein.


Hans Landa, the King of Cool
Tarantino stellt mit „Inglourious Basterds“ vor allem sein brillantes Verständnis in Sachen Perzeption und Interaktion mit dem Rezipienten unter Beweis, in dem er Sympathie, Antipathie, Begeisterung und Animosität nach Lust und Laune durcheinander würfelt und dem Zuschauer ihm wie einen treu-blöden Köter an der Leine folgen lässt, bis er sich schließlich im großen Finale selbst in die heiligen Hallen eines Lichtspielhauses wagt und seinem Publikum durch die jubelnden Gesichter des Naziregiments bei der Uraufführung des Propagandafilmes „Stolz der Nation“ den Spiegel vor Augen hält. „Inglourious Basterds“ ist eben nicht nur ein Spiel der verschiedenen Situationen im Mantel differenter Genre-Elemente, sondern auch ein mit den unterschiedlichen Perspektiven jonglierendes Glanzstück, in dem der Meister mit der markanten Kinnlade hinter der Kamera sozusagen den Weg nach Hause gefunden hat. Wenn die Flammen das Kino langsam verschlingen, dann ist das die größtmögliche Huldigung und der demütigste Kniefall, den Tarantino realisieren hätte können. Nicht nur die Nationalsozialisten scheitern an der Macht des Kinos, auch Tarantinos Leben würde wohl ohne das Medium Film keinerlei Sinn mehr machen.


Man muss sich dann noch einmal vor Augen halten, mit was für einem Cast Quentin Tarantino hier auffährt, ganz zu schweigen von der formalen Brillanz, dann zeigt sich erneut das hervorragende Händchen für die eigenwillige Schauspielerwahl, in der Tarantino inzwischen natürlich alle Türen offen stehen und engagiert werden kann, wer will. Mit einem Höchstmaß an Authentizität scheut sich der Titan nicht vor Untertiteln und besetzt seine Charaktere mit Schauspielern der passenden Nationalität. Ganz besonders schön, und das hat nichts mit falschen Nationalstolz zu tun, ist, dass die Schauspieler aus Deutschland endlich eine würdige Entfaltungsebene genießen dürfen und nicht in zweitklassigen Streifen unbedeutende Nebenrollen verkörpern müssen. Da glänzen Leute wie Daniel Brühl (!) Christoph Waltz (!!) und August Diehl (!!!!), dem die beste Szene des gesamten Filmes gehört, neben internationalen Speerspitzen wie Brad Pitt und Michael Fassbender, ohne sich mit despektierlichen Manierismen in den Vordergrund drängen zu wollen. „Inglourious Basterds“ ist eben noch genau der Film, den man von einer Marke wie Tarantino erwartet. Kudos.


8,5 von 10 Gläsern Milch


von souli


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