Fakten:
Michael
Österreich.
2011. Regie und Buch: Markus Schleinzer. Mit: Michael Fuith, David
Rauchenberger, Ursula Strauss, Hanus Polak Jr., David Oberkogler, Martin
Schwehla, Markus Hochholdinger, Christine Kain, Thomas Pfalzmann, Katrin Thurm,
Isolde Wagner, Gisela Salcher, Barbara Willensdorfer, Viktor Tremmel, Susanne
Rachler, Xaver Winkler u.a. Länge: 92
Minuten. FSK: Ab 16 Jahren freigegeben. Auf DVD erhältlich.
Story:
Der Büroangestellte Michael
ist ein unauffälliger wie verschlossener Mann mittleren Alters. Er lebt
alleine, zumindest denken das seine Kollegen und die Familie. In Wirklichkeit
hat der pädophile Michael vor langer Zeit den kleinen Wolfgang entführt und
versteckt diesen in seinem Keller.
Meinung:
Es wäre so einfach gewesen. Regisseur und Autor Schleinzer hätte einfach eine Kriminalgeschichte rund um einen verschwundenen Jungen inszenieren können. Der Zuschauer hätte mit einem Kommissar mitfiebern können, das „Dreckschwein“ von Kinderschänder verteufeln und mit dem entführten, missbrauchten Jungen mitleiden können. Es wäre so einfach gewesen. Wohl zu einfach für Casting-Director Markus Schleinzer, der mit „Michael“ sein gelungenes Regie-Debüt gab.
„Michael“ versteht sich nicht als populistisches Werk. Der Film fokussiert sich voll und ganz auf den Pädophilen und sein Opfer und während dieser Satz entsteht höre ich schon die Entrüstungsschreie wie „Immer geht es nur um die Täter“ oder „Sympathie und Verständnis für einen Pädophilen, das geht zu weit“. Das ist laut aber nicht unbedingt richtig gebrüllt. Regisseur Schleinzer ist gar nicht an Sympathie interessiert. Er beobachtet aus der Nähe ohne jedoch eine spürbare Distanz zu durchbrechen. Der Film zeigt keinen sexuellen Missbrauch, er deutet ihn nur an und erzeugt damit ein solch bedrückendes Gefühl, dass Sympathie für den pädophilen Michael gar nicht erst aufkeimen kann. Das Leid des Jungen, der in einem Kellerraum, der halb Vorratslager, halb Kinderzimmer ist, ist jederzeit deutlich sichtbar, nur nicht so wie wir, die Zuschauer, es gerne hätten. „Michael“ spielt zu einem Punkt, als das Opfer, der kleine Wolfgang, wahrscheinlich schon längere Zeit (wohl mind. ein Jahr) im Keller gefangen gehalten wird. Die Rebellion ist verklungen, der Junge leidet und doch scheint es für ihn alltäglich, dass der erwachsene Michael mit ihm abends zusammen isst, sie dann zusammen fernsehen und Michael ihn später wie ein Tier, wieder in seinen Kellerraum einschließt.
Die Distanz zwischen den beiden Figuren ist kein Zufall |
Das Brutale,
das seelisch Brutale bei Markus Schleinzer Film ist das, was man nicht sieht.
Wenn Michael in der Kantine seiner Firma speist, dann wirkt dies so alltäglich,
so bekannt und dennoch wabert im Hintergrund der Gedanke umher, vom kleinen
Jungen im Keller. Es ist vor allem das anscheinend Normale, was hier bedrückend
und verstörend wirkt. Als Wolfgang krank wird und Michael sich um ihn kümmert,
dann sieht man es, das Unmenschliche. Michael macht keine Essigwaden, misst
kein Fieber und kocht keinen Tee für Wolfgang aus Liebe oder Barmherzigkeit. Er
tut es nur für sich. Was tun, wenn der
Junge stirbt? Es sind diese Momente, in denen klar wird, dass Wolfgang für
Michael eine Art Produkt ist. Eine Puppe, mit der er ein Leben erschaffen kann,
in dem er sich wohl fühlt, das er und nur er lenken kann. Das ist etwas unbeschreiblich
unbehagliches, das ist etwas Dämonisches und dadurch das Schleinzer dies alles
so nüchtern mit der Kamera einfängt verstärkt sich dieser Eindruck. Spektakel zum
reinen, sich von der Last der Thematik befreienden, Selbstzweck, damit sich das
Publikum in populistischer Sicherheit
wiegen kann, gibt es hier nicht. Das macht den Film so schockierend wie grausam,
so aufrüttelnd wie belastend.
„Michael“
ist ein kalter und ungemütlicher Film. Er ist gnadenlos sowie ehrlich und wird
sich durch diesen Umstand und seine Sicht auf die Thematik gewiss viele Feinde
machen. Sei’s drum. Markus Schleinzer ist kein schöner, aber ein guter Film
gelungen, der sich nicht schert um dramaturgische Phrasen eines Genres. Der
Film ist ein stiller Beobachter und der Zuschauer beobachtet mit ihm. Das ist
kein schönes Gefühl und das ist auch gut so.
9 von
10
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